„Graffiti“entziffern vmtl. 18. Jhd

H

Hey_Joe

Gast
Hallo liebe Experten,
ich weiß nicht, ob ich hier im Forum richtig bin, aber ich probiere es einfach mal: Im ehemaligen Stadtverließ in Landsberg am Lech sind an der Wand Kritzeleien der ehemaligen Gefangenen vmtl. aus dem 18. Jhd erhalten. Hauptsächlich christliche Symbole wohl in der Hoffnung auf eine milde Strafe, unterhalb der Bildmitte sind jedoch auch einige Wörter erkennbar, die ich leider nicht entziffern kann. Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand, der die Schrift aus dieser Zeit lesen kann, diese entziffern könnte.
Herzlichen Dank und viele Grüße
Joe
 
Hey Joe,
leider ist kein Foto übermittelt worden (laut Text beziehst du dich ja auf eines).
Du hast jetzt zwei Möglichkeiten.
1.) Du suchst dir eine Plattform zum Upload und Teilen von Fotos und verlinkst das Foto hier. Möglichst eine mit wenig Werbung etc.
2.) du meldest dich hier kostenlos an und hast dann die Möglichkeit, hier Fotos direkt hochzuladen. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Antworten. Es gibt hier einige Leute, die Kurrent lesen (können.
LG
EQ
 
Davon ausgehend, es handelt sich um diese Schriftzeichen
graffiti.JPG

fürchte ich, das hilft auch nicht weiter, aber vielleicht kann es jemand entziffern.

Die verwendeten Kursive lassen sich eindeutig dem 16. Jahrhundert zuordnen. Die Schriftfragmente sind aber zum größten Teil wegen des schlechten Erhaltungszustands kaum lesbar und noch nicht ausreichend entschlüsselt.

Aus : Graffiti – Rötelinschriften, Carmen Jacobs und Heide Weißhaar-Kiem in Landsberger Geschichtsblätter 109, 2010, Seite 9-14
https://www.historischerverein-land...ger_Geschichtsblätter.pdf?cdp=a&_=169cdbca470
 
Wow, Wahnsinn, dass ihr das auch ohne mein Bild gefunden habt! In der Tat geht es um die Schrift, die Naresuan in den Geschichtsblättern gefunden hat! Sorry für die sehr falsche Datierung. Offensichtlich haben sich auch schon andere erfolglos an der Entzifferung versucht, ich hatte eine gewisse Hoffnung da eigentlich die Zeichen teilweise schon gut erkennbar sind.
Vielen Dank trotzdem!
 
Ich weiß nicht ob das große geschwungene Zeichen "z" oder "g" ist.
Es könnte also sein:
1. Zeile:
"als fremd zur Brust will"
2. Zeile: "... ... ... will"
3. Zeile: "... ... nach ... klopf"


In der 1. Zeile ist auch möglich "als Freund ... Gruß nit will"
Die 2. Zeile wiederholt in Abwandlung die 1. Zeile.

Mit einem Bildbearbeitungsprogramm (habe ich nicht, kann ich nicht) könnte man alle Zeichen mit demselben Farbwert ohne das Hintergrundrauschen der anderen Farbwerte herauskopieren. Diese Rötelschrift ist an sich sehr kontrastreich und farbgesättigt.

Das Foto ist aber von viel zu niedriger Auflösung, zu pixelig. Stand von 2010 halt...

So oder so: der Schreiber beherrschte eine schwungvolle Kanzleischrift. Also nicht ein kleiner Krimineller, eher ein gebildeter Gefangener, vielleicht im Rahmen der Religionskonflikte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es kann auch sein:
1. Zeile:
"Wer als fremd Großmut will"
[alternativ: "Wo als Freund Großmut will"]
2. Zeile:
" ... seid ... ganz ... will"
[alternativ "... neid ganz ... will"

Charakteristisch sind in den Buchstaben das "g" mit den riesigen Unterlängen, das nach links geschwungene "d", das "u" mit dem gebogenen Oberstrich, das "z".
 
Vielen Dank Pardela_cenicienta für die Tabelle! Leider tue ich mich auch damit (und anderen Tabellen zu Kurrent/Kanzleischrift) sehr schwer überhaupt etwas zu entziffern, da hast Du offensichtlich mehr Erfahrung oder Begabung. Vielen Dank auf jeden Fall für Deine Hilfe und vielleicht findet sich ja noch jemand der noch mehr rausfindet.
 
Auf jeden Fall war die Fotonachbearbeitung gut. Man sollte hochauflösende Fotos und unterschiedliche Lichtquellen haben, dann ist die Fotonachbearbeitung noch erfolgreicher.

Das Rätsel der Schrift ist aber noch größer: wer hatte in dieser Arrestzelle so gute Ausbildung und eine so gute Handschrift? Es ist eine kunstvolle Kanzleischrift, kein einfacher Handwerker der gerade einmal einige Zahlen und Maße notieren konnte. Und wer hat einen so kräftig und farbsatt schreibenden Rötelstift zur Hand?
 
Du übersiehst den Bogen vom zweiten L:

Rötel.png



Ich habe zwar jetzt quasi kopiert, als sei der Freund gesetzt, ich meine aber, dass das F vom Freund eher ein H vom vorhergehenden Wort ist:

wo glich end.png


Vorschlag:

wo glich und glich nit will
..............und.................vill


Das scheint auf etwas Politisches hinzudeuten. Vielleicht im Sinne von Als Adam grub und Eva spann... - ist nur ne Idee.
 
1: wo glaub vnd gewiss nit will

2: .... ... vnd ?garvill

Ist das Ende der dritten Zeile "vnd na[?o]ch kopf"? Oder folgt nach dem h noch ein Buchstabe (hm, "wachn" vielleicht)?

Die erste Zeile ist aus einem religiösen Lied oder Gedicht, ich komme nur nicht auf den Rest und woher ich es kenne. Ja, das zweite Wort sieht erst eher nach "gleich" aus, aber bedenkt den Schreibstoff und die Schwierigkeit, die der Schreiber offensichtlich mit dem Schreiben an der Wand hatte. Das "zweite L" sehe ich als Riss im Putz oder so, nicht als Teil der Schrift. Mit der Voraussetzung habe ich mir das Wort Buchstabe für Buchstabe angesehen. Die Ligatur mit gew ist nicht ganz ungewöhnlich, die ss-Ligatur gut zu erkennen. Die Zeile kam mir erst nach der Lesung bekannt vor und ich habe mir das vermeintliche gleich nochmal angesehen.

Liege ich da falsch oder ist es ein Ansatz zum Weiterkommen?

Vereinfachungen, bzw. Nachlässigkeiten des normalen Schreibens erscheinen mir verstärkt. Auch das spricht für jemanden, der sehr häufig schreibt. Statt bei ungewöhnlichem Beschreibstoff und -mittel zu versuchen, deutlicher zu schreiben, verstärken geübte Schreiber erst einmal automatisch und eher unwillkürlich ihre üblichen Vereinfachungsstrategien. Erfahrene Archivare aus der Gegend des Schreibers sollten es besser lesen können.

Beim ersten Post sieht es fast nach zwei Inschriften an derselben Stelle aus. Ist das rot da vielleicht nur eine Hervorhebung durch Bildbearbeitung? Und am unteren Rand beginnt recht klar eine weitere Inschrifft. Ist die gelesen?
 
1. Zeile:
"wo Glück und Glanz nit will"
2. Zeile, vielleicht:
"... ... und ganz .... gar vill"

Es könnte vielleicht bei "Glanz" ein verbundenes "tz" sein
Es wäre ein Binnenreim und ein Endreim, und die Schreibweisen von "Glanz" und "ganz" sind hier fast gleich.

Statt "Wo" könnte es auch ein ligiertes "Wer" sein.
 
Wegen des k und o in der dritten Zeile war ich davon nicht überzeugt.

Isoliert wären wer, Glück und Glanz genausogut möglich. Wenn die Oberlänge angenommen wird, auch vorzuziehen.
 
1. Zeile:
"Wer Glück und Glanz nit will"
2. Zeile:
"Hertz rein und ganz [hat? hast?] gar vill"
3. Zeile:
"[kämpf] [...] nach Kopf"

Das ist sehr frei kombiniert. Das erste Wort der zweiten Zeile endet m.E. mit einem ligierten "tz".

Es kann auch sein dass die 3. Zeile ein ganz anderer Spruch ist, sie passt nicht von Rhythmus und Satzmelodie.
In der 3. Zeile könnte links etwas abgewischt sein.
 
Wenn es sich hier um einen Reim oder ein Gedicht aus dem 16. Jh. handelt, dann kannten die Grimms es nicht, denn sie verorten die Entstehung der formelhaften Verbindung von Glück und Glanz ins 17. Jh.
Wäre auch ein "Glitz und Glanz" möglich, wie im schwäbischen Sprichwort "Glitz und Glanz ist nit aller Ort" ?
 
Es kann durchaus noch aus dem 17. Jahrhundert sein. Klar, ich sehe auch, warum sie 16. sagen, aber bei dieser ungeschickten Schrift, wäre ich vorsichtig. Und einige Kanzleien waren konservativ.

Und ob die Grimms jede Inschrift in einem Verließ kannten?

Dann wäre bei 'nach[e]n' auch kein ch, sondern tz.

Bei Hertz stört mich der Unterstrich vor der Kürzung, was auch für Glantz ein Problem ist.
 
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