Grausamkeit und Mordlust der Wikinger?

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dekumatland

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In verschiedenen, jeweils eigenen Themen gewidmeten Fäden zu den Wikingern, ist die Frage aufgetaucht, ob sie wirklich an Grausamkeit und sinnloser Mordlust alle ihre Vörgänger und alle ihre Zeitgenossen übertrafen, oder ob es sich um ein tendenziöses Bild, eine tendenziöse Darstellung in den Quellen handelt.

Hier könnte diese Fragestellung diskutiert werden.

als Anregung drei Zitate mit unterschiedlichen Positionen:

Was man mittels mit Muskelkraft betriebenen Werkzeugen einem menschlichen Körper so antun kann, ist ja auch im Endeffekt beschränkt. Von der Qualität her würde ich trotzdem speziell den Wikingern einen gewissen Spitzenplatz einräumen. Obwohl sie vom reinen Prozedere des qualvollen Tötens und Abschlachtens sicher nicht mehr tun konnten als andere, fällt doch auf, dass alle Quellen ohne Ausnahme gerade bei den Wikingern eine über das Maß der Zeit hinaus gehende Mordlust hervor heben.

Speziell die Wikinger als Gruppe fielen durch eine über die Verhältnisse in dieser Zeit noch hinaus gehende Mordlust aus, die ihre Zeitgenossen vor allem auch wegen der Anarchistischen und Chaotischen Weise als besonders grauenvoll empfanden. Sicher, auch andere in dieser Zeit töteten Babys, vergewaltigten junge Mädchen und hackten Menschen in Stücke, aber bei den Wikingern geschah dies als ein wesentlicher Teil ihres Selbstverständnisses und ihrer Kultur in einem selbst für diese Zeit besonderen Maße. Von daher könnte man sagen, dass in dem ohnehin extrem gewalttätigen Frühmittelalter sich die Wikinger noch mal von den anderen Gewalttätern aufgrund der für ihre Zeit extremen Mordlust noch mal abhoben.

in den vielen verschiedenen Quellen zu allerlei Kriegshandlungen des frühen Mittelalters, seien es spätmerowingische Zwistigkeiten, seien es hin und her schwappende Überfälle an der "Slawengrenze", seien es Streitigkeiten mit awaren und später Ungarn, seien es die Überfälle von Wikingern: die für uns heute unvorstellbare Graumsamkeit (wir hätten ja gerne den klinisch sauberen Krieg, obwohl es den wohl nicht gibt...) ist auffallend. Das muss eine alltägliche Erfahrung im Frühmittelalter gewesen sein (vgl. u.a. Scheibelreiter) Was obendrein auffällt, ist, dass christliche Quellen gerne den Furor der Heiden ganz besonders herausstellen - und das ist eben eine gewisse Tendenz der Quellen.
Ein regionaler Zwist, irgendeine merowingische Strafexpedition usw - das waren "kriegerische" Handlungen, die mit einem zahlenmäßig recht geringen Aufgebot stattfanden - kaum mehr, als ein Wikingerüberfall. Aber das andere, das fremde: das überwog in der Summierung des Schrecklichen. indiesem Sinne galten die ungar. Reiter und die schnell wie aus dem Nichts auftauchenden Wikinger als besondere Heimsuchung - allerdings an Grausamkeit dürften sie alle sich ziemlich gleich gewesen sein.

Volle Zustimmung.
Die zeitgenössische Annalistik erwähnt ihre Grausamkeit. In der mehr örtlich orientierten Hagiographie tritt die unglaubliche Grausamkeit als besonderes Merkmal deutlich hervor. In der Angelsächsischen Chronik wird die Grausamkeit der Wikinger nicht explizit erwähnt. Dies hängt aber mit der Thematik und Darstellungsabsicht, den Aufstieg des Hauses Wessex und den Kampf Alfreds des Großen zu schildern, zusammen. Außerdem wird in den vielen Quellen die Vertragstreue betont. D. h., dass sie nach Empfang des Lösegeldes tatsächlich abzogen. Die fränkischen Quellen hingegen schildern häufiger, dass die Wikinger das Geld annahmen, dann aber weiterheerten. Auch in angelsächsischen Quellen ist häufig von Vertragsbrüchen die Rede. Das hat mit dem Vertragsrecht der damaligen Zeit und der Stellung des Anführers der Wikinger in seiner Mannschaft zu tun.


ebenfalls in dieses Thema gehört Fingalos Einschätzung, dass dass 8.-11. Jh. weniger von allgemeiner Grausamkeit geprägt war als die davor liegende Völkerwanderungszeit mit ihren verheerenden Kriegen:
Aber es ist trotzdem erklärungsbedürftig, wieso der Schrecken in Europa über die Wikinger so groß war, wenn das ohnehin zu dieser Zeit Gang und Gäbe war. Da muss es einen Unterschied gegeben haben. Im 6. Jh. war das allgemeine Erfahrung. im 10. und 11. eben nicht. Und der Genozit des Deutschen Ordens fand eben keinen Homer, d.h. er wurde an einem Volk verübt, das keine in Europa verbreitete Literatur darüber hinterließ. Die Opfer waren örtlich begrenzt und weit weg.

Meine derzeitige Position ist:
die Wikinger wurden aus verschiedenen Gründen etwas überzeichnet in den Quellen, zumal Quellen zu zeitnahen anderen Kriegshandlungen keinen humaneren Eindruck erwecken;
die der Völkerwanderung nachfolgenden Jahrhunderte waren nicht friedlicher und auch nicht weniger von für uns heute unvorstellbarer Grausamkeit geprägt.
 
Wie Du ja auch sagst ist bei der "besonderen Grausamkeit" der Wikinger u.a. zu bedenken, dass viele Überfälle Klöstern und Kirchen galten. Für die Plünderer naheliegend (ein Haufen Wertgegenstände wird von ein paar waffenlosen Männern in Kutten "bewacht"), für die Gesellschaften der Opfer ein unchristliches (was Wunder), wenn nicht "teuflische" Verhalten...

Auch ist es ja durchaus üblich, die Räuberer als die furchtbarsten überhaupt darzustellen, die man gerade vor Augen hat (bzw im Rücken, wenn man klug genug ist, die Beine in die Hand zu nehmen....). Ich würde bspw vermuten, der Preis würde eher den Ungarn zufallen, wenn man eher die Menschen im süddeutschen Raum im 10. Jh. befagt hätte. ;)
 
In verschiedenen, jeweils eigenen Themen gewidmeten Fäden zu den Wikingern, ist die Frage aufgetaucht, ob sie wirklich an Grausamkeit und sinnloser Mordlust alle ihre Vörgänger und alle ihre Zeitgenossen übertrafen, oder ob es sich um ein tendenziöses Bild, eine tendenziöse Darstellung in den Quellen handelt.

Die Vorgänger übertrafen sie sicherlich nicht. Aber im Bewusstsein der Zeitgenossen scheint doch eine gewisse (gefühlte) Ruhe konstatiert worden zu sein, aus der die Wikinger herausfielen, jedenfalls in den Gegenden, in denen sie wüteten. Immerhin hatten sich ja blühende Handelsstädte entwickeln können, die die Begehrlichkeiten der Wikinger weckten. Man muss ja bedenken, dass das Bewusstsein von großer Grausamkeit schon nach wenigen Generationen schwindet (wenn es nicht propagandistisch künstlich wachgehalten wird).

Das, wo mein Eheweib iss :fs:, ist die erste Genearation in Island, die keine Hungersnot erlebt hat. Gleichwohl ist Hungersnot in der Bevölkerung nur noch etwas aus der Sahelzone. So schnell geht das. Auch in Deutschland haben die Nachkriegshungersnöte keine bleibenden Erinnerungen hinterlassen und der WK II existiert nur noch im Fernsehen als etwas völlig Fremdes, das mit uns nichts zu tun hat.

So dürfte das auch in den Handelsstädten und Klöstern an der deutschen, französischen und englischen Küste gewesen sein: Gefühlte Ruhe. Und dann kommen die Barbaren und metzeln alles nieder.

Ich denke schon, dass in den Annalen und Chroniken die Ereignisse nicht übertrieben, sondern realistisch dargestellt werden. Der Einduck der christlich motivierten Übertreibung ist nach meiner Auffassung auf die Auswahl der Ereignisse zurückzuführen. Das Spektakuläre wurde mit Abscheu aufgeschrieben, die unspektakulären Zwischenzeiten nicht näher erwähnt. Dieser Verdacht wird für mich dadurch gestützt, dass - wenn ich mich recht erinnere - manche Städte mehrmals ausgeplündert wurden. Das ist eigenartig, weil ja nach der ersten Plünderung kaum noch etwas Plündernswertes hätte vorhanden sein dürfen. Da hat's dann wohl in der Zwischenzeit wieder wirtschaftliche Erholungsphasen gegeben, die nicht der Erwähnung wert waren. Es scheint mir nicht die Übertreibung zu sein, sondern das Ungleichgewicht der Darstellung. Schon die Textmenge und der Detaillierungsgrad bei der Darstellung der Überfälle fällt ja aus dem Rahmen.
Das ist ja bei der Darstellung von Kriegen der Gegenwart nicht anders. Da reiht sich Schlacht an Schlacht. Und mein Vater erzählte mir, man habe die meiste Zeit mit Nichtstun verbracht nach dem Motto: Die Hälfte seines Lebens wartet der Soldat vergebens.

Dass die Chronisten Grausamkeiten erfunden haben sollen, halte ich für ganz unwahrscheinlich. Wenn Gemetzel tatsächlich stattgefunden haben - und das bezeugen die Quellen unabhängig voneinander - dann war die Realität Stoff genug. Da brauchte man nichts zu erfinden.
 
Ich denke schon, dass in den Annalen und Chroniken die Ereignisse nicht übertrieben, sondern realistisch dargestellt werden. Der Einduck der christlich motivierten Übertreibung ist nach meiner Auffassung auf die Auswahl der Ereignisse zurückzuführen.
(...)
Dass die Chronisten Grausamkeiten erfunden haben sollen, halte ich für ganz unwahrscheinlich. Wenn Gemetzel tatsächlich stattgefunden haben - und das bezeugen die Quellen unabhängig voneinander - dann war die Realität Stoff genug. Da brauchte man nichts zu erfinden.
nein, erfunden wurde vermutlich keine Grausamkeit - aber du schreibst ja selber, dass es für das überliefern/festhalten eben eine Auswahl gibt!!

es kommt immer darauf an, wer über wen und warum schreibt - die Sachsenkriege Karls des Großen, zeitweilig verbissen und unerbittlich geführt, werden freilich von prokarolingischen Historiographen als Leistungen und nicht als Grausamkeiten überliefert (das wäre ein Exempel aus der Wikingerzeit)

in diesem Sinne: es liegt der Verdacht nahe, dass die Wikinger besonders herausgestellt erscheinen, weil aus politischen Gründen zeitgleiche Grausamkeiten eben nicht mit derselben Ablehnung überliefert werden.
 
in diesem Sinne: es liegt der Verdacht nahe, dass die Wikinger besonders herausgestellt erscheinen, weil aus politischen Gründen zeitgleiche Grausamkeiten eben nicht mit derselben Ablehnung überliefert werden.
Kann schon sein.

Ich glaube aber eher, dass Kriege von Königen mit samt ihren Grausamkeiten anders wahrgenommen wurden, weil diese "Feinden" galten. Man dachte da wohl eher, wenn die Sachsen keine Aufstände gemacht hätten, wäre ihnen das nicht passiert.
Übrigens hat sich Alcuin wegen der Greuel in den Sachsenkriegen von K.d.Gr. abgewandt. Er war gegen die Blut-Christianisierung. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Aber bei den Wikingern gab es keine Verhaltensalternative, dem Morden zu entgehen. Das war eine Katastrophe, gegen die man einfach machtlos war.
 
Kann schon sein.

Ich glaube aber eher, dass Kriege von Königen mit samt ihren Grausamkeiten anders wahrgenommen wurden, weil diese "Feinden" galten. Man dachte da wohl eher, wenn die Sachsen keine Aufstände gemacht hätten, wäre ihnen das nicht passiert.
Übrigens hat sich Alcuin wegen der Greuel in den Sachsenkriegen von K.d.Gr. abgewandt. Er war gegen die Blut-Christianisierung. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Aber bei den Wikingern gab es keine Verhaltensalternative, dem Morden zu entgehen. Das war eine Katastrophe, gegen die man einfach machtlos war.
anders wahrgenommen *) oder eben eher anders (also mit anderer Intention) dargestellt/überliefert?
mir scheint peu a peu, dass wir immer ähnlicher argumentieren :)

ja, die Greuel der Sachsenkriege, verübt unter dem Befehl eines christlichen fränkischen Königs, ja sogar Kaisers - die erscheinen eben in eienm anderen licht als die Greuel der verheerenden Nordmänner

den Satz mit den fehlenden Verhaltensalternativen verstehe ich nicht


*) naive Frage: geht das bei gleichen Greueln? wenn ein gottesfürchtiger König eine Prinzessin schlachtet oder wenn ein Heide aus dem Norden dasselbe tut, nimmt man das anders wahr?
 
lieber Köbis,
ich verstehe nicht, was deine Bemerkung mit den Verhältnissen im europäischen Frühmittelalter und deren Darstellung in den Quellen zu tun hat.
 
anders wahrgenommen *) oder eben eher anders (also mit anderer Intention) dargestellt/überliefert?
mir scheint peu a peu, dass wir immer ähnlicher argumentieren :)
Ich bin mir nicht sicher, ob Wahrnehmung und Überlieferung gleichgesetzt werden können. Die Texte wurden ja nur von wenigen gelesen. Die Wahrnehmung beruhte doch wohl eher auf mündlicher Verbreitung, und die Autoren dürften davon beeinflusst worden sein.

hmja, die Greuel der Sachsenkriege, verübt unter dem Befehl eines christlichen fränkischen Königs, ja sogar Kaisers - die erscheinen eben in eienm anderen licht als die Greuel der verheerenden Nordmänner.
Sie erschienen in einem anderen Licht; denn sie betrafen die Feinde. Heute ist das anders.

den Satz mit den fehlenden Verhaltensalternativen verstehe ich nicht
Die Sachsen hatten die Alternative, aufstände zu unterlassen. Die den Raubüberfällen ausgesetzten Städte an der Küste konnten gar nichts machen.

*) naive Frage: geht das bei gleichen Greueln? wenn ein gottesfürchtiger König eine Prinzessin schlachtet oder wenn ein Heide aus dem Norden dasselbe tut, nimmt man das anders wahr?
Kommt wohl darauf an, welche Prinzessin das ist. Heute sicher nicht.
Das Volk dachte noch in den Kategorien "Wir - die anderen". Bei "den anderen" zuckte man mit den Schultern.
Aber die Oberschicht sah die Greueltaten der Regenten durchaus kritisch, wie das Schicksal Heinrich IV. zeigt. Sein verhalten in den Sachsenkriegen wurde scharf verurteilt.
Aber das war Reichspolitik. Bei den Räubern aus dem Norden war es reine Habgier. Die Sinn- und Ziellosigkeit war das Schreckliche. Ich glaube, wenn der dänische König mit regulären Truppen in Friesland und Nordfrankreich eingefallen wäre, um seinen Herrschaftsbereich zu vergrößern, wären die gleichen Grausamkeiten nicht begriffsbildend für den Zeitabschnitt geworden.

In den Annales Vedastini zum Jahr 896 heißt es:
„König Odo überwinterte in Francien, König Karl aber an der Mosel. Von hier befehdeten Karls Anhänger den Balduin und überall wurden von ihnen Verheerungen angerichtet.“ Die Ausdrücke lauten “depraedatio” und "devastare".

Zum Jahr 879 heißt es:
„Die Normannen aber, nach Verwüstung und Mordbrennerei trachtend und dürstend nach Menschenblut, schlugen zum Unheil und Verderben des Reiches im November ihren Sitz im Kloster Gent auf …“

Die Verheerungen von 869 wurden offenbar anders wahrgenommen, nämlich als den im Kriege üblichen Versuch, die Versorgungslage des Feindes durch Verwüstung seiner Nahrungsmittelproduzenten zu treffen.

Das Vorgehen 879 hatte in den Augen des Chronisten offenbar keinen anderen Zweck als sinnlose Habgier.
Ich denke, der Unterschied liegt in der politisch zielgerichteten Aktion auf der einen Seite und der sinnlosen Zerstörungswut auf der anderen Seite, die eher einer Naturkatastrophe glich, die ja auch in ihrer Wahllosigkeit keine Ziele verfolgt. Hinzukommt wohl auch, dass sich die Vorgänge in einem für die damalige zeit relativ zivilisierten Bereich abspielten, während die gleichen Grausamkeiten, wie die von den Wikingern, im 11. und 12. Jahrhundert in der Ostsee auftraten, wo sie von Ranen, Abodriten, Liutizen und Pomoranen ausgeführt wurden, aber keine ähnliche Aufmerksamkeit fanden. (Schulterzuck: Pack schlägt sich …).


Die Frage, wer grausamer gewesen sei, führt am eigentlichen Problem vorbei und ist fruchtlos.
 
Die Frage, wer grausamer gewesen sei, führt am eigentlichen Problem vorbei und ist fruchtlos.

Da bin ich ganz anderer Ansicht.

(1)
die stereotype Behauptung, das Vorgehen von Wikingern seie mordlüstern, sinnlos, chaotisch und ganz und gar aus dem Rahmen ihrer Zeit fallend, bedarf einer Überprüfung:
-- Grenzvorfälle an der Slawengrenze (mal in slawische, mal in fränk.-sächs. Gebiete) zeichneten sich nicht durch grandios Organisation aus, zudem verliefen sie nicht minder grausam
-- Beutezüge jeglicher Art zeichneten sich dadurch aus, dass eben Beute gemacht werden sollte, so effizient wie möglich (Besitztümer wegnehmen, Besitzer killen, um Verfolgung/Rache auszuschließen) - da wurde niemandem förmlich der Krieg erklärt und ein Schlachtfeld ausgesucht, um die Sache zu entscheiden
-- Kriege, Kriegszüge der Merowinger- und Karolingerzeit (letztere reicht weit genug in die Wikingerzeit hinein) waren weitaus eher chaotisch, als dass sie wie geordnete römische Legionen agiert hätten (dazu ist bei Scheibelreiter genug zu erfahren)
-- die Grausamkeiten, das verheeren entlang des Heerwegs im eigenen Territorium (sic! man wollte gut essen und etwas Spaß...), sodann die barbarische Schlachterei, wenn man auf "den Feind" traf der merowingischen, karolingischen, auch ottonischen Truppen ist in den Quellen auffindbar, aber sie wird nicht als besonders oder als schlimm dargestellt (hierzu gebe ich Fingalo recht)
-- ungewohnte Taktiken und Strategien, seien es die hunnischen Reiter, die awarischen oder später die ungarischen, dazu das Heidentum der "anderen", der "fremden" haben immer zu quasi spektakulären Beschreibungen geführt: da sind dann eben die Hunnen, die Ungarn, die Wikinger ganz besonders böse, schlimm, fremdartig
==> das eine wurde runtergespielt bzw. als normal in Kauf genommen, das andere wird herausragend beschrieben (Strafe Gottes, Heimsuchung usw.) -- nicht dass ich falsch verstanden werde: ich bagatellisiere keineswegs die Raubzüge der Wikinger, an den Gräueln besteht kein Zweifel, aber ich bin noch nicht davon überzeugt, dass die es schlimmer trieben als ihre Zeitgenossen.

(2)
die Tatsache, dass immer wieder mit größeren Wikingerkontingenten verhandelt wurde (Tribute etc.), dass aber überhaupt auch mit ihnen viel gehandelt und nicht nur gekämpft wurde, spricht dafür, dass man sie (wo sie nicht gerade grimmig auftraten) sowohl als (schwierige) politische Partner als auch als Handelpartner betrachtete - möglicherweise war die Sicht der Könige oder Herzöge auf die Anführer solcher Kontingente anders als die historiographische Darstellung klerikaler Annalisten.

die Wikinger als die schlimmsten der schlimmen in einer ohnedies schlimmen Zeit? noch überzeugt mich das nicht - aber ich werde gerne dazulernen.
 
die Wikinger als die schlimmsten der schlimmen in einer ohnedies schlimmen Zeit? noch überzeugt mich das nicht - aber ich werde gerne dazulernen.

Oh man, warum gibst Du einen immer so schöne Steilvorlagen. Wer sagt, daß die Epoche, in der die Wikinger lebten, die schlimmste war?

Und das war auch der Grund für meine Frage nach der Grausamkeit als Definition.
 
naja, man darf bei den "extremen Grausamkeiten" auch nicht vergessen, das die "anderen" garnicht so die Möglichkeit hatten.

Die Vorwarnzeit für einen Angriff von Ottos Sachsen war ja wesentlich länger als die für einen ungarischen Angriff, ja und bis man merkt, das das nordische Schiff kein Händler ist, sind die schon da und plündern etc.
Von daher konnten die Wikinger grausamer sein als die anderen, es waren mehr und ergiebigere Opfer da
 
Oh man, warum gibst Du einen immer so schöne Steilvorlagen. Wer sagt, daß die Epoche, in der die Wikinger lebten, die schlimmste war?

Und das war auch der Grund für meine Frage nach der Grausamkeit als Definition.
...dann lies doch bitte noch mal nach, was du selber gerade zitiert hat: da steht die Frage, ob die Wikinger "die schlimmsten der schlimmen in einer ohnedie schlimmen (!!! nicht allerschlimmsten) Zeit" waren :winke::winke:
warum schlimme Zeit? weil es im frühen Mittelalter nicht eben zimperlich zuging, wenn man sich in die Haare geriet
dass es schlimmere Zeiten gab, ist mir bekannt, steht hier aber nicht zur Debatte
 
...dann lies doch bitte noch mal nach, was du selber gerade zitiert hat: da steht die Frage, ob die Wikinger "die schlimmsten der schlimmen in einer ohnedie schlimmen (!!! nicht allerschlimmsten) Zeit" waren :winke::winke:
warum schlimme Zeit? weil es im frühen Mittelalter nicht eben zimperlich zuging, wenn man sich in die Haare geriet
dass es schlimmere Zeiten gab, ist mir bekannt, steht hier aber nicht zur Debatte

Ich habe nix von allerschlimmsten geschrieben, ich finde nur, bei all den von größten, schnellsten oder schlimmsten oder grausamsten ... Eigenschaften, ist behutsam mit umzugehen.

Auch wenn hier diskutiert werden soll, ob die Wikinger in ihrer Epochenzeit grausamer waren, als ander Bevölkerungsgruppen, lässt es nicht den Schluß zu, daß es tatsächlich eine grausame Zeit war. Das ist nur unsere subjektive Wahrnehmung.

Und ich denke im Vergleich des gesellschaftlichen Stellenwertes, wie die Menschen insgesamt lebten und miteinader umgingen, war der Lebenstil im Mittelalter grundsätzlich "rauher", was letztlich auch die Hemmschwelle in "Mord und Totschlag" niedrig ansetzt, vergleich ich aber das gesellschaftliche Leben europäischer Menschen Anfang des 20. Jahrhunderts, ist der "Mord und Totschlag" schon viel weiter ab, der alltäglichen Lebensweise, doch auch hier konnten Menschen wegen Nichtigkeiten zum Freiwild werden!

Ich denke, da liegt der Unterschied, zwischen Grausam und Grausam ...

Nur soviel dazu!
 
-- nicht dass ich falsch verstanden werde: ich bagatellisiere keineswegs die Raubzüge der Wikinger, an den Gräueln besteht kein Zweifel, aber ich bin noch nicht davon überzeugt, dass die es schlimmer trieben als ihre Zeitgenossen.
Das kommt docvh auf den gesellschaftlichen Kontext an, in dem das geschah.
Es ist nämlich ein Unterschied, ob das in den blühenden Handelsgegenden an der Küste geschah oder irgendwo in Sachsen.

die Tatsache, dass immer wieder mit größeren Wikingerkontingenten verhandelt wurde (Tribute etc.), dass aber überhaupt auch mit ihnen viel gehandelt und nicht nur gekämpft wurde, spricht dafür, dass man sie (wo sie nicht gerade grimmig auftraten) sowohl als (schwierige) politische Partner als auch als Handelpartner betrachtete - möglicherweise war die Sicht der Könige oder Herzöge auf die Anführer solcher Kontingente anders als die historiographische Darstellung klerikaler Annalisten.
Das mit den Handelspartnern stamm doch auch von den Annalisten. Könige und Herzöge schrieben keine Annalen.

die Wikinger als die schlimmsten der schlimmen in einer ohnedies schlimmen Zeit? noch überzeugt mich das nicht - aber ich werde gerne dazulernen.
Sagt auch keiner. Vielmehr geht es um die Frage, worauf der erhöhte Aufmerksamkeitswert ihrer Überfälle zurückzuführen ist.
 
Ich kann mir gut vorstellen, die "Grausamkeit" der Wikinger lag eigentlich in ihrer scheinbaren Unberechenbarkeit des Zuschlagens. Sie tauchten plötzlich überall in Europa auf. Hunnen usw. kamen eher aus einer bestimmten Richtung und ihr Schaden war auf eine Region oder Schneise beschränkt.
Um das Bild mit der massakrierten Prinzessin aufzunehmen. Es ist sicher grausam, wenn eine gemordet wird. Grausamer erscheint es, wenn zwei oder mehrere zeitnahe niedergemetzelt werden.
 
Es ist nämlich ein Unterschied, ob das in den blühenden Handelsgegenden an der Küste geschah oder irgendwo in Sachsen.

Verstehe ich nicht.
Ist das Niedermetzeln von Kaufleuten grausamer als das Niedermetzeln von Bauern?
Oder können die Bauern es vielleicht nicht aufschreiben, die Kaufleute und ihre Beichtväter schon?
 
naja, die suchten sich schon die lukrativen Stellen aus ...
ländliche Gebiete wurden zwar von fast allen verheert, aber eben nicht/kaum von den Seepiraten ...

Wohingegen das Niederbrennen von Klöstern eben nicht Usus war
 
Verstehe ich nicht.
Ist das Niedermetzeln von Kaufleuten grausamer als das Niedermetzeln von Bauern?
Oder können die Bauern es vielleicht nicht aufschreiben, die Kaufleute und ihre Beichtväter schon?
Ei, zum letzten Mal: Es geht nicht um einen Wettlauf in der Grausamkeit! :jumpon:
Es geht um den erklärungsbedürftigen Unterschied in der Aufmerksamkeit. Und da ist für mich das unmittelbare Umfeld von Bedeutung. Ein Mord im Vatikan erhält eben eine größere Aufmerksamkeit als ein Mord in Medellin.
 
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