Griechische Rechtsprechung

Tannim

Neues Mitglied
Hallo liebe Geschichtswissenden,

wie kann ich mir das Rechtswesen im antiken Griechenland vorstellen.
Nun weiß ich, dass es wohl einen Gerichtshof gab, der mit 501 Geschworenen besetzt war. Auch weiß ich, dass eine Uhr, die so genannte Klepsydra die redezeit auf 15 Minuten limitierte. Man unterschied wohl zwischen öffentlicher und privater Anklage und erlaubte eine Form der Selbstverteidigung vor Gericht.
Den Wiki-Artikel über das Scherbengericht habe ich auch gelesen. Aber das kann ja wohl kaum bei seiner begrenzten Nutzungsperiode als exemplarisches Beispiel dienen ... oder?

Doch wie sah das Gerichtswesen der Griechen Gesamtheitlich aus?

Kennt sich damit jemand, etwas näher aus?

Danke und beste Grüße,
Marcus
 
Zuerst: Was Du sagst galt für die Polis Athen, nicht für ganz Griechenland. In anderen Gemeinwesen mag das anders organisiert gewesen sein; so ist zB die Möglichkeit für jeden Bürger, Richter bzw Geschworener zu werden, in Zeichen, das in Athen Demokratie herrschte.

Nun weiß ich, dass es wohl einen Gerichtshof gab, der mit 501 Geschworenen besetzt war.

Es wurde für jeden Prozeß bzw Prozßtag ein eigener Gerichtshof bestimmt (durch Los); diese konnten unteschiedlich groß sein, das Maximum für die wirklich bedeutenden Prozesse hatte 501 Mitglieder. Für weniger wichtiger Prozesse gab es auch kleinere Gerichtshöfe.

Man unterschied wohl zwischen öffentlicher und privater Anklage (...)

Es gab im Gegensatz zur Moderne keine Staatsanwaltschaft, also keinen öffentlichen, vom Staat bestimmten Ankkäger. Wenn ein Bürger der Meinung war, irgend etwas sei nicht den Gesetzen gemäß getan worden, so konnte er das vor Gericht bringen, auch wenn es ihn persönlich gar nicht betraf.

Daneben konnte man in eigener Sache Klage erheben, wenn man persönlich betroffen war.

Den Wiki-Artikel über das Scherbengericht habe ich auch gelesen. Aber das kann ja wohl kaum bei seiner begrenzten Nutzungsperiode als exemplarisches Beispiel dienen ... oder?

Der Ostrakismos ist keine juristische Angelegenheit; es wurde kein Fehlverhalten oder Gesetzesbruch geahndet, sondern es bestand die Möglichkeit, sozusagen präventiv Personen auszuweisen bzw zu verbannen, die zu Anführern in inneren Unruhen werden konnten.
 
Seit dem „Sturz des Areopags“ waren die Volksgerichte für den größten Teil der Gerichtsverfahren zuständig. Eine der wichtigsten Ausnahmen stellten Verfahren wegen Mord bzw. Todschlag dar. Diese verblieben weiterhin im Zuständigkeitsbereich des Areopag. Die Mitglieder dieses Gremiums verfügten über erheblich größere Erfahrung als gewöhnliche Geschworene. Dies lag zum einen an ihrem ständigen Sitz im Areopag und zum anderen auch an ihren früheren Amtszeiten als Archonten.
Bei den Volksgerichten galt das Prinzip, dass öffentliche Entscheidungsfindungsprozesse die Aufgabe aller Bürger sind. Diese Prozesse erforderten keinerlei Sachkompetenz von Seiten der Geschworenen die gleichzeitig auch Richter waren. Alle Entscheidungen bezüglich der Rechts- als auch der Schuldfrage wurden von Leihen entschieden.
Jährlich wurde eine Liste von 6000 Geschworenen aufgestellt aus der die für die Verfahren benötigten Personen ausgelost wurden. An den meisten der bis zu 200 Gerichtstage im Jahr traten „normalgroße“ Jurys zusammen, wie z. B. das 501köpfige Geschworenengericht das im Jahr 399 v. Chr. Sokrates wegen Religionsvergehen und Verführung der Jugend zum Tode verurteilte. In Ausnahmefällen konnte die Anzahl der Geschworenen mehrere Tausend Personen umfassen. Sinn und Zweck dieser Übung war es Bestechung oder anderweitige Einflussnahme der Prozessparteien auf die Geschworenen zu unterbinden.
Entschieden wurde in einem reinen Parteienprozess wo sich der Ankläger und der Angeklagte gegenüberstehen. Man kann hierbei zwischen einer Privatklage, welche nur ein Geschädigter vorbringen kann, und einer Popularklage, bei der jeder Bürger im öffentlichen Interesse zur Klage berechtigt ist und sozusagen die Funktion eines „Staatsanwalts“ einnimmt, unterscheiden. Ein Ankläger der weniger als 20 Prozent der Richterstimmen erhielt musste seinerseits Strafe zahlen, da man ihm unterstellte leichtfertig bzw. missbräuchlich angeklagt zu haben. Im Wiederholungsfall wurde ihm für die Zukunft das Recht zur Anklageerhebung entzogen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für die unglaublich hilfreichen Links und die tollen und interessanten Antworten.
Das hat mir sehr weitergeholfen und mein Wissensstand erweitert. :)

Beste Grüße,
Marcus
 
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