griechisches Nationalbewusstsein

Dieter

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Wie ist das mit dem Beispiel von Neptun: mit den Römern-Italienern?

Schwer zu sagen, lynxxx! Ich bin mir nicht sicher, ob sich bei den Nachfolgestaaten des Imperium Romanum eine über den Untergang Westroms hinaus wirkende römische Identität erhalten hat. Immerhin war speziell Italien nur ein kleiner Teil des Imperiums, wenn auch der ursprüngliche Ausgangsraum.

Sicher ist, dass sich zahlreiche italienische Adelsfamilien noch lange auf ihren römischen Ursprung beriefen (bzw. noch berufen). Allerdings geriet die staatliche römische Tradition nicht nur durch die gotische und langobardische Eroberung vermutlich ein wenig in Vergessenheit, sondern vor allem auch durch die Kleinstaaterei, die wie in Deutschland lange Zeit ein alles überspannendes Nationalgefühl verhinderte.
 
Gilt gleiches nicht auch für Ägypten, Griechenland, und Iran?

Mir sind in der arabischen Zeit keine Schilderungen bekannt, von denen die Minderheit der Iraner im Iran z.B. den Sasaniden, oder Achämeniden eine größere Rolle oder gar Selbstverständnis oder Kontinuität gegeben haben, besonders nicht fernab der Eliten.
Das gleiche gilt für die Ägypter.
Zu bemerken ist natürlich, dass "Fürstenspiegel" durchaus den Herrscher in der Kontinuität der vorherigen Herrscher gesehen haben, auch bis zur Antike, z.B. Xerxes, oder Alexander, usw. Wild durcheinander. Dieses war aber nicht ausschließlich auf Iraner, eingeborene Ägypter bezogen, sondern auf alle Herrscher, gleich welcher Herkunft. Sultan Mehmed II. führte seine Genealogie z.B. auf die Trojaner zurück. Das war gängige Rhetorik und diente der Erhöhung des Ansehens, wenn man z.B. vermeintlich aus der Familie des Propheten stammte, oder wie Timur Lenk, vermeintlich von Dschingiskhan abstammen wollte (was natürlich konstruiert war).

Zwischen den Reich der Sasaniden, und dem ersten Staat, welcher das iranische und aserbaidschanische Hochland umfasste, lagen tausend Jahre Herrschaft, ohne iranisches Geschlecht. Türkische und mongolische Völkerwanderungen veränderten das Gesicht dieses Hochlandes. Und dieser erste Staat nach 1000 Jahren wurde geführt, von der türkisch-kurdischen Dynastie der Safawiden, und wieder waren es keine Iraner, oder deren glorreiche Vergangenheit, die die Klammer bildete, sondern ein blutig durchgesetzter Schiismus, als erstmalig einigende Staatsreligion.

Und in Griechenland, war die Kontinuität in den Eliten eher aufs christl. Byzanz, denn auf die heidnische Antike gerichtet. Das kam erst später, konstruiert von den Eliten. Und bei der einfachen Bevölkerung kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl aus der Antike heraus begriffen wurde, sondern eher aus der gemeinsamen Sprache und Religion.


Oder missverstehen wir uns?
LG :winke: lynxxx
 
Ich denke, wenn sich die Ägypter unter Pharaonen der Spätzeit als Äygpter fühlten, auch unter den Ptolemäern, die ja offiziell ebenfalls als Pharaonen auftraten, so werden sie sich auch unter römischer Herrschaft und später als Ägypter gesehen haben. Das Land blieb ägyptische Provinz unter den Byzantinern und später unter den Kalifen.

Ich vermute also, dass sich die Bevölkerung eine ägyptische Identität bewahrte, auch unter arabischer Herrschaft und trotz eines Sprachwechsels. Das erscheint mir wahrscheinlicher, als das Gegenteil anzunehmen.

Für Griechenlamd gilt das ebenso, zumal sich dort sogar die griechische Sprache gegenüber der slawischen behauptete und das griechische Byzanz ein stützender Faktor war. Dass diese Identität nie erlosch, zeigen die Freiheitskämpfe des griechischen Volks 1821. Man kann kaum annehmen, dass das griechische Volk seine Identität erst zu diesem Zeitpunkt erneut "entdeckte". Es ist vielmehr davon auszugehen, dass es diese Identität über den Untergang des Byzantinischen Reichs hinaus bewahrte und die Schwächephase der Türken sofort zum Befreiunsgkrieg nutzte.

Dass die Griechen - wie alle Völker - in der Spätantike und im Mittelalter selbstverständlich einem zeitbedingten Wandlungsprozess unterworfen waren, versteht sich von selbst. So wie die Deutschen im Hohen Mittelalter keine Bärenfelle mehr trugen, so gab es auch keine "klassischen" Griechen mehr, die Tempel bauten und Athene huldigten.
 
@Dieter :Für Griechenlamd gilt das ebenso, zumal sich dort sogar die griechische Sprache gegenüber der slawischen behauptete und das griechische Byzanz ein stützender Faktor war. Dass diese Identität nie erlosch, zeigen die Freiheitskämpfe des griechischen Volks 1821. Man kann kaum annehmen, dass das griechische Volk seine Identität erst zu diesem Zeitpunkt erneut "entdeckte". Es ist vielmehr davon auszugehen, dass es diese Identität über den Untergang des Byzantinischen Reichs hinaus bewahrte und die Schwächephase der Türken sofort zum Befreiunsgkrieg nutzte.
@lynxxx: Und in Griechenland, war die Kontinuität in den Eliten eher aufs christl. Byzanz, denn auf die heidnische Antike gerichtet. Das kam erst später, konstruiert von den Eliten. Und bei der einfachen Bevölkerung kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl aus der Antike heraus begriffen wurde, sondern eher aus der gemeinsamen Sprache und Religion.
Ich halte die Aussage von @lynxxx für plausibler. Der griechische Befreiungskampf wurde m.W. von bürgerlichen Eliten initiiert, die Begeisterung für Griechentum und Antike zeigten. Genau damit fanden sie im Rest Europas Sympathie und offene Unterstützung. Der griechischen Landbevölkerung wird das ziemlich egal gewesen sein.
 
Der griechische Befreiungskampf wurde m.W. von bürgerlichen Eliten initiiert, die Begeisterung für Griechentum und Antike zeigten. Genau damit fanden sie im Rest Europas Sympathie und offene Unterstützung. Der griechischen Landbevölkerung wird das ziemlich egal gewesen sein.

Als was hat sich denn diese Bevölkerung griechischer Sprache in Athen, Saloniki oder sonstwo gefühlt? Als Bulgaren? Oder Serben?

Kaum!
 
@Dieter: Als was hat sich denn diese Bevölkerung griechischer Sprache in Athen, Saloniki oder sonstwo gefühlt? Als Bulgaren? Oder Serben?
Dass sie sich als Griechen fühlten, will ich nicht abstreiten. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie nicht andere Sorgen hatten, als sofort gegen die Osmanen aufzustehen. Zumal sie eigentlich nicht in Sprache und Religion unterdrückt wurden. Aufkommendes Nationalbewusstsein ist ein europaweites Phänomen des frühen 19. Jahrhunderts, entfacht durch die bürgerlichen Eliten der Romantik.
 
Hallo Dieter,
ich bin beileibe kein Experte für Metalitätsgeschichte, aber in der öffentlichen Meinung des 20.-21. Jh. hast du sicherlich Recht, dass die meisten Gemeinschaftsgefühle national geprägt sind. Und dieses wird meistens auch in die Vergangenheit projiziert, ob zu unrecht oder nicht, ist der heutigen Bevölkerung meist egal. Wir haben ja ständig in unserem Forum Leute, die auf der Suche nach Identifikation sind, historisch begründeter Legitimität, usw.

Aber wir als "Hobbyhistoriker" müssen uns da auf Quellen berufen. Nun haben aber leider Bauern in Griechenland, oder Fellachen in Ägypten kaum mal Quellen hinterlassen, damit man ihr Gefühl, ihr Selbstverständnis, ihre Loyalität, den Beweggrund ihres Gemeinschaftsgefühls, mit wem sie sich verbunden fühlten, usw. zu erfahren. Trotzdem können wir dieses vermuten, wenn man sich verschiedene Indizien, Verhaltensweisen, usw. anschaut.

Z.B. hat noch vor 250 Jahren die griechische Bevölkerung sich einen "Pups" drum geschert, was "ihre" glorreiche antike Vergangenheit betrifft, was man daraus schließen kann, dass z. B. die wunderbaren antiken Bauten, Skulpturen, usw. als billigen Baustoff ansahen, ja sie sogar in Kalkbrennern ohne weitere Gedanken an "ihre" Historie vernichteten.

Vieles, was wir heute als selbstverständlich erachten, ist dadurch entstanden, dass wir z.B. das 19. oder 20. Jahrhundert zurückprojizieren und denken, dass war damals auch so, oder schon immer so.

Im dem Zusammenhang kann ich nur diese Dissertation empfehlen, die verfolgt, wie die Identitäten sich im Verlauf der Identitätsfindung herausbildeten:

Modernismus und Europaidee in der Östlichen Mittelmeerwelt, 1821-1939.
http://www-brs.ub.ruhr-uni-bochum.de/netahtml/HSS/Diss/_Weiterleitung/Kreutz/diss.pdf
mit folgenden Kapiteln:
I. Ideen 7
1. Europa als Idee 7
2. Die Verbreitung der Europaidee 11
3. Renaissancen 16

II. Moderne 28
1. Kontakte 28
2. Gesellschaft und Wandel 36
3. Die Entstehung einer Öffentlichkeit 47

III. Wiedergeburt 52
1. Phönizier, Pharaonen und das Mittelmeer 54
2. Hellenen und Romäer 73
3. Juden und Hebräer 80
4. Ionien und Anatolien 86
5. Iran und Turan 88

IV. Sprachenfragen 94
1. Griechisch: Zwischen Homer und Koine 94
2. Arabisch: Zwischen Christen und Muslimen 103
3. Hebräisch: Rückkehr in die Zukunft 112
4. Türkisch: Eine neue Sprache für eine neue Nation 117

V. Zivilisation 120
1. Neo-Hellenismus und neue Epik 123
2. Freiheit und Fortschritt 158
3. Nationen und Nationalismen 171

Darin wird sehr schön deutlich, was alles erst unternommen werden musste, um die "Massen" überhaupt von der Idee des Nationalismus zu überzeugen. Dieses war nicht so selbstverständlich, wie heutige Leute vom Balkan bzw. Griechen gerne Glauben machen.

So gab es in der Geschichte des Osm. Reiches sicherlich noch bessere Momente zum Aufstand der Griechen, wo ein Eingreifen der Hohen Pforte noch schwerer gewesen wäre, aber alle Aufrufe zu Aufständen durch westeuropäische Kräfte wurde bis ins 18. Jh. hinein von den Christen nicht beachtet.

Obige Dissertation passt auch gut zu diesem Buch:
Sabine Riedel
Die Erfindung der Balkanvölker
Identitätspolitik zwischen Konflikt und Integration
2005.
hieraus:
http://www.geschichtsforum.de/f42/i...ooks-und-artikel-13930/index2.html#post319882
mit dem Fazit:
"Diese vergleichende Analyse von zehn Konfliktherden in Südosteuropa (u.a. Bosnien-Hercegovina, Kosovo, Republik Makedonien) belegt, dass die beteiligten ethnischen Identitäten das Resultat unserer Moderne sind. Mit Hilfe der Methode der Dekonstruktion zeichnet das Buch deren Entstehungsgeschichte nach und diskutiert dabei die Konfliktdimension ethnischer Proporzsysteme. Dem gegenüber steht als Alternative die integrative Kraft des politischen Nationsmodells eines ethnisch neutralen Verfassungsstaats."


Wenn du mich fragst, wie sich ein Bauer auf dem Peloponnes fühlte, dann war sein Gefühl geprägt von seiner Scholle, seiner Sprache, seiner Religion, seinem Dorf. Ich glaube nicht, dass sein Horizont noch weiter ging. Die Antike war in seinem Selbstbild sicher nicht vorhanden. Die Kontinuität sah er sicher nicht, vielleicht wusste er nur was von byz. Kaisern in fernen Zeiten als obersten Hirten, aber wenn, dann vielleicht schon eher was vom obersten Patriarchen in einer glanzvollen Metropole fern seiner Heimat.


Ich muss erstmal Abendbrot essen, dann vielleicht mehr.

Mohltiet, LG lynxxx

Noch ein kleiner Nachtrag: Wenn man sich Berichte von Reisenden anschaut, zu jenen Zeiten, dann werden auch die Bruchlinien des "Fremden" und des "Eigenen" manchmal deutlich, in einer multiethnischen, multilingualen, multireligiösen Welt, nämlich vorrangig nicht an der Sprache, oder der Haarfarbe, etc. sondern an der Religion. Deshalb waren ja z.B. auch die osmanischen Türken so bestürzt, als die Araber ihren Nationalismus entdeckten, ihre Glaubensbrüder: "Auch du Brutus..." ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Das obige PDF ist übrigens hochinteressant auch für andere Bereiche, z.B. die Geschichte des Rückgriffes der Libanesen auf die Phönizier. Sogar die Briten beriefen sich in ihrer Abstammung mal auf die Phönizier, und freuten sich, dass sie auch einen in die Antike reichenden Stammbaum vorzuweisen hatten, wie z.B. die Griechen.
Da werden ganz neue Parallelen deutlich...

Nach einem Versuch eines "Orientalismus"/"Orientalische
Idee" in Ägypten verschwand nach 1930 auch der zeitweise sehr populäre "Pharaonismus" und an seine Stelle trat ein neues arabisch-islamisches Gefühl, das sich teilweise offen gegen die alte Ideologie wandte: Der arabische (pan-arabische) Nationalismus.

In Griechenland waren sich Teile der Bildungselite durchaus der Historie bewusst.
Jedoch diese Passage:
"...dass ein Volk seine politische Bestimmung in einem Staat finde, dessen Institutionen in seiner Sprache und an seinen Wertvorstellungen, und dessen Grenzen an seinem angestammten Siedlungsgebiet ausgerichtet sind, so setzt dies ein entsprechendes Bewusstsein einer Gruppe von Menschen voraus, sich in diesem Sinne als Gemeinschaft zu begreifen. In der östlichen Mittelmeerwelt war dieses Bewusstsein anfangs jedoch recht schwach und die Voraussetzungen mussten erst geschaffen werden,..."

stützt meine obigen Ausführungen zum griechischen Bauern, weiterhin dieses Zitat:
"sehr viel später der amerikanische Missionar Jenney Ende des 19. Jhds. machen, als er mit der Sprachenvielfalt auf dem Balkan konfrontiert wurde. Seiner Beobachtung zufolge waren viele Menschen dort ausserstande, ihre Nationalität eindeutig zu bestimmen. Denn es gab ebenso hellenisierte Bulgaren wie bulgarisierte Griechen. “Serben, Vlachen, Albaner und andere haben sich fast unentwirrbar vermischt.”"


Interessant auch die Verwendung des Namens Syrien:

"Die alte Bezeichnung “Syrien” war seit der Spätantike nicht mehr in Gebrauch und wurde seit der arabischen Eroberung durch Barr aš-Šām oder Bilād aš-Šām ersetzt. Den Begriff “Syrien” (sūriyā) gibt es in der Neuzeit erst wieder seit 1841, mit Beginn der Tanẓīmāt-Ära, als Bezeichnung für die Region; 1865 wurde eine Provinz Syrien (Wilāyat Sūriyā) gegründet."

Wusste ich auch nicht.
Das PDF ist eine gute Fundgrube. Sollte Pflichtlektüre werden, für alle Ethnogenese-Thread "Streiter". Wenn ich mir anschaue, welche Schwierigkeiten anfangs bestanden, einen "Griechen" zu bestimmen, dass dann sogar dann einer Grieche wurde, der die Waffe gegen das Osmanische Reich erhob, dann wird die ganze Farce der Selbstfindung und ihrer implizierten Abgrenzung deutlich...

Muss ich mal in meinen Thread mit den interessanten Artikeln, ebooks, etc. aufnehmen.
gute n8
 
Ich halte die Aussage von @lynxxx für plausibler. Der griechische Befreiungskampf wurde m.W. von bürgerlichen Eliten initiiert, die Begeisterung für Griechentum und Antike zeigten. Genau damit fanden sie im Rest Europas Sympathie und offene Unterstützung. Der griechischen Landbevölkerung wird das ziemlich egal gewesen sein.

Jain. Der Aufstand 1821 war nicht der erste, er war nur der erste der Erfolg hatte. Es gab ungefähr 140 von Griechen initiierte Aufstände während der Osmanenzeit.

Die Köpfe des Aufstandes organisierten sich in der Philiki Etairia (Gesellschaft der Freunde), einem Geheimbund, der die Organisation und die Finanzierung übernahm. Diese waren teils reiche Auslandsgriechen, überwiegend jedoch Griechen aus dem Osmanischen Reich. Eine gemeinsame Idee verband sie alle, auch wenn die Interessen teils sehr unterschiedlich waren, da sie aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Schichten kamen. Das die Hilfe der europäischen Philhellenen entscheidend war ist selbstredend.
Die entsprechende Werbung und Propaganda wurde von den Auslandsgriechen übernommen mit großem Erfolg. Die Antikenbegeisterung weiter Teile Westeuropas tat ihr übriges.
Das Selbstverständnis der damaligen und auch der überwiegenden Anzahl der heutigen Griechen kam/kommt aus Byzanz und der Orthodoxie, woher denn auch sonst ? Kommt das Selbstverständnis des deutschen Volkes vielleicht aus der Zeit der "fellbedeckten Germanen" ?

Was konnte schon ein armer, ungebildeter Bauer von der griechischen Antike wissen ? Er hatte genug mit dem Überleben zu tun und damit seine Familie satt zu bekommen.
Bildung in dem Sinne gab es nur für Reiche, die sich das leisten konnten.
War das in Westeuropa anders ?

Fast alle militärische Anführer waren Leute aus dem einfachen Volk, überall wo "bürgerliche" die militärische Führung übernahmen, versagten sie.
Soviel in Kurzform. Sorry, will diesen Thread nicht highjacken...im Zweifelsfalle bitte Beitrag verschieben.
 
... weiterhin dieses Zitat: "sehr viel später der amerikanische Missionar Jenney Ende des 19. Jhds. machen, als er mit der Sprachenvielfalt auf dem Balkan konfrontiert wurde. Seiner Beobachtung zufolge waren viele Menschen dort ausserstande, ihre Nationalität eindeutig zu bestimmen. Denn es gab ebenso hellenisierte Bulgaren wie bulgarisierte Griechen. “Serben, Vlachen, Albaner und andere haben sich fast unentwirrbar vermischt.”"

Lynxxx, Ausländer tun sich manchmal schwer Unterschiede zu bemerken.
Gehe mal davon aus, dass diese verschiedenen Völker sehr genau gewusst haben, wer was war.
 
@Mike Hammer: Es gab ungefähr 140 von Griechen initiierte Aufstände während der Osmanenzeit.
Dann hätte es ja alle 3-4 Jahre einen Aufstand geben müssen. :grübel:Alles eine Definitionsfrage. Wenn der türkische Steuereintreiber in einem thessalischen Bergdorf mit der Forke vom Hof gejagt wurde, ist das erstens kein großer Aufstand und zweitens hat das mit nationaler Befreiungbewegung nichts zu tun. Dein Beitrag ist auf jeden Fall informativ, danke sehr.

EDIT: Einer Verschiebung der Beiträge stimme ich zu, weil Griechenland ist nicht Assyrien.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mike H. Die "140" [Quelle?] Aufstände waren natürlich vom Ende des 18. Jh. an gerechnet, nicht über Jahrhunderte der osm. Herrschaft.

Es gab und gibt bei den Griechen eine gewisse Dichotomie bezgl. ihres Selbstverständnisses ihrer historischen Wurzeln. Siehe das PDF und den Begriffen Helene, Rhomäer, Grieche, ...

Das Zitat hast du ein bischen mißverstanden: Der Ausländer Jenney Ende hat nicht gesagt, er könne die Leute nicht unterscheiden, sondern die Leute selber haben es ihm gesagt. Viele Menschen, die in Griechenland, in Bulgarien, usw. lebten sagten ihm, auf seine Anfrage, woher sie kämen, dass sie keine Ahnung hätten. Deshalb ja auch die Verordnung, dass derjenige Grieche sei, der die Waffe erhebt...

Und um den Kreis zu schließen: Wenn Dieter, der Bewohnern Mesopotamiens abspricht Assyrer zu sein, weil eben eine lange Zeit ohne konkretes Bewusstsein dessen dazwischen lag, und die antiken Assyrer eigentlich nichts mehr mit den heutigen Assyrern zu tun haben, was korrekt ist, und er dieses auch für die Römer-Italiener postulieren möchte, dann muss er nun nicht mit anderen Maßstäben bei den Persern, Griechen, Albanern, Ägyptern, usw. messen.

Ich verweise nochmals auf die Studie, die man mittels googlebooks ein gutes Stück auch lesen kann, die "belegt, dass die beteiligten ethnischen Identitäten das Resultat unserer Moderne sind."

Das gilt für Assyrer ebenso, wie für Griechen, für Makedonen (da argumentieren übrigens etliche Griechen genauso, aber für sich selber wollen sie es nicht wahrhaben?), und so weiter...
 
@lynxxx: Die "140" [Quelle?] Aufstände waren natürlich vom Ende des 18. Jh. an gerechnet, nicht über Jahrhunderte der osm. Herrschaft.
Wenn das so ist, wären es 2-3 pro Jahr. Macht die Zählung noch obskurer, als ich oben schon angedeutet habe. Da muss ja jede Prügelei mit in die Statistik eingeflossen sein.
 
Viele Menschen, die in Griechenland, in Bulgarien, usw. lebten sagten ihm, auf seine Anfrage, woher sie kämen, dass sie keine Ahnung hätten.

Also wirklich, das is doch Käse! Hier sollte man das ganze auch etwas kritischer betrachten. Möglicherweise paßten die Antworten nicht in das Denkschema des Autors? Mißverständnisse? So absolut kann ich die Aussage jedenfalls nicht nachvollziehen. Selbst der "dümmste Bauer" hat eine Identität und weiß, woher er kommt, und sei es nur aus Mythen. Auch beí Naturvölkern sind solche Identitäten feststellbar, ich erinnere nur kurz an Eigen- und Fremdbezeichnungen, die imho ein klares Indiz dafür sind.

die "belegt, dass die beteiligten ethnischen Identitäten das Resultat unserer Moderne sind."

Nö, s.o. Es ist zu unterscheiden zwischen ethnischer Identität und einer politisierten Nationalität. Letzteres mag gefehlt haben, ersteres ist Kennzeichnung einer jeden Gruppe, auch wenn wir es Klan oder Stamm nennen mögen.
 
Ich denke, auf das Zitat kommt es nicht an und ist austauschbar. Es soll nur einen Umstand dokumentieren. Siehe S. 78. Oder auch 34.
Und klaro, jeder hat seine Identität. Habe ich oben auch schon geschildert. Nur ist die Frage, welche Identität im Bewusstsein eine Rolle spielten. Die Region, das Dorf, aus dem er stammt? Das große Ganze (also Nation, Ethnie)? Sein Klan, Stamm? Seine Religion?
Bei den Muslimen waren es lange Zeit die Religion, der Klan, danach vielleicht noch die Sprache. Erst im 19. tauchten dann andere Folien der Identität ins Bewusstsein, z.B. die Phönizier, die Pharaonen, die Makedonen, die alten Hellenen, usw.

oder lies bei Riedel S.232 ff. sehr erhellend... :)
 
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Wenn das so ist, wären es 2-3 pro Jahr. Macht die Zählung noch obskurer, als ich oben schon angedeutet habe. Da muss ja jede Prügelei mit in die Statistik eingeflossen sein.

Die Zahl kann man in der Tat anzweifeln. Ich habe sie von einem griechischen Buch, welches die Aufstände in Osmanischer Zeit ab 1453 behandelt. Es kann gut sein, dass jeder lokale Aufstand reingenommen wurde. Allerdings würde ich mit etwas Mühe aus dem Kopf ca. 20 größere zusammenbekommen, davon 4-5 alleine in Kreta.
Ich denke, dass auch die ganzen Kriege auf dem Peloponnes und Kreta unter venezianischer Herrschaft gg. die Osmanen mit aufgeführt wurden, da die lokale Bevölkerung immer auf Seiten der Osmanengegner mitkämpfte. Tatsache ist, die Zahl ist angreifbar und ich kann dir nicht sagen, ob der Autor ein griech. Nationalist war, der damit irgendwelche Absichten verfolgte :confused: Ich ärgere mich, dass ich diese Zahl gebracht habe, Sorry.
 
Ich ärgere mich, dass ich diese Zahl gebracht habe, Sorry.

Nein, keine Entschuldigung nötig, mein Lieber. Du hinterfragst die Zahl selbst und wir können sie offen und kritisch betrachten. Falls jemand nun über ähnliches stolpern sollte, ist er sensibilisiert. Das ist doch ein schöner Lerneffekt deines Postings. :) :friends:
 
Es gab und gibt bei den Griechen eine gewisse Dichotomie bezgl. ihres Selbstverständnisses ihrer historischen Wurzeln. Siehe das PDF und den Begriffen Helene, Rhomäer, Grieche, ...

Das Mißverständnis besteht nicht auf griechischer Seite.
Zu byzantinischer Zeit nannte man die Leute Hellenen, die dem Polythismus anhingen. Romäer dagegen die christlichen Hellenen.
Dennoch bezeichnet beides das gleiche Volk, das ist zumindestens unser Selbstverständnis. Ich habe z.B. diverse Autographien von Griechen, die als Anführer der Aufständischen 1821 kämpften. Überwiegend einfache Leute mit wenig Bildung (einer davon Makrigiannis, hat im hohem Alter schreiben gelernt, damit er seine Erinnerungen weitergeben konnte).
Die wussten sehr genau was sie waren, wohe sie kamen und warum sie kämpften.

Ich brauche auch nur meine eigene Familiengeschichte anzuschauen. Bis vor 100 Jahren war keiner von denen im heutigen Hellas ansäßig. Dennoch gab es keinen Zweifel was sie waren, nämlich christliche Romäer und Hellenen.


Das Zitat hast du ein bischen mißverstanden: Der Ausländer Jenney Ende hat nicht gesagt, er könne die Leute nicht unterscheiden, sondern die Leute selber haben es ihm gesagt. Viele Menschen, die in Griechenland, in Bulgarien, usw. lebten sagten ihm, auf seine Anfrage, woher sie kämen, dass sie keine Ahnung hätten. Deshalb ja auch die Verordnung, dass derjenige Grieche sei, der die Waffe erhebt...

Ich nehme die Aussage einfach zur Kenntnis. Keine Ahnung wie die Frage war, welche Sprache der gute Mann nutzte, wer eventl. übersetzte, warum die Antwort so ausfiel und vor allem wer gefragt wurde.
 
Ich denke, auf das Zitat kommt es nicht an und ist austauschbar. Es soll nur einen Umstand dokumentieren. Siehe S. 78. Oder auch 34.
Und klaro, jeder hat seine Identität. Habe ich oben auch schon geschildert. Nur ist die Frage, welche Identität im Bewusstsein eine Rolle spielten. Die Region, das Dorf, aus dem er stammt? Das große Ganze (also Nation, Ethnie)? Sein Klan, Stamm? Seine Religion?
Bei den Muslimen waren es lange Zeit die Religion, der Klan, danach vielleicht noch die Sprache. Erst im 19. tauchten dann andere Folien der Identität ins Bewusstsein, z.B. die Phönizier, die Pharaonen, die Makedonen, die alten Hellenen, usw.
oder lies bei Riedel S.232 ff. sehr erhellend... :)

Je länger ich deinen Post lese, desto sorgfältiger muss ich darüber nachdenken.

Die Frage ist doch, welche Elemente haben die Romäer/Hellenen während der Osmanischen Herrschaft miteinander verbunden ?

Edit:
Ich werde mir dieses Buch von Riedel wohl doch kaufen müssen...
 
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