Groß oder klein? - das Lexikon des Latein

Riothamus

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Herba, -ae f bedeutet 'Stengel, Gras, Pflanze, (Küchen-, Heil-, Zauber-)kraut', herbatus, -a, -um 'mit Kraut versehen', hier: 'mit Kraut zubereitet'. '-a' ist die Feminin-Endung, '-um' Neutrum und '-us' Maskulinum.

Latein hat einen kleinen Wortschatz, weshalb es recht viele Wörter mit weiter Bedeutung gibt.
 
Latein hat einen kleinen Wortschatz
Schön wär's, ich stoße bei jedem neuen lateinischen Text auf Wörter, die mir nicht geläufig sind.

Herba, -ae f bedeutet 'Stengel, Gras, Pflanze, (Küchen-, Heil-, Zauber-)kraut', .

Mein (nicht sehr opulentes) deutsch-lateinisches Wörterbuch kennt außerdem noch folgende Wörter:
Stengel = caulis
Gras = gramen
Pflanze = stirps
Kraut = olus
 
Latein hat einen kleinen Wortschatz. Sicher größer als unser beider passiver Wortschatz, aber klein im Vergleich zu anderen Sprachen. Das wirst du im Großteil der Bücher darüber erwähnt finden.

Es lassen sich auch nicht so einfach wie in modernen Sprachen Wortbedeutungen einfach mit einem Wort erfassen. Mancher Lateinschüler versteht das nie oder erst nach der Schulzeit.

olus/holus, -eris n heißt Grünzeug, Gemüse [und ist tatsächlich von altl. helus, gelbgrün, honiggelb abgeleitet],
stirps, -is f ist Wurzel, Stamm, Ursprung*; Pflanze, im Plural Pflanzenreich ist wie Ursprung sekundär, einige Bedeutungen sind nachklassisch, das müsste ich erst genauer nachschauen,
gramen, -inis n: Grünfutter, Weide, Wiese, Rasen, Gras; Pflanze, Kraut, Unkraut [im Gegensatz zu herba] (graminis herba heißt übrigens Grashalm),
caulis, -is m: hohler Stengel, Kohlstrunk, Kohl, dann Strunk allgemein und junge Triebe/Stengel/Pflanzen [caul- bedeutet als Morphem 'hohl' und ist tatsächlich damit verwandt.]

Zu den Bereichen Landwirtschaft und Militär hat Latein natürlich mehr Wörter als etwa zur Seefahrt. Dennoch beruht die Bedeutungsvielfalt auf dem geringen Wortschatz und dem Problem der Bedeutungswiedergabe. Letzteres wollte ich hier im Thread nicht erwähnen. Oft ist zu erkennen wie sich die Bedeutung aufgefächert hat. Saltus ist ein Beispiel, das schon im Forum diskutiert wurde.

*davon dann Familiärer Zusammenhang, Klan, Sippe, Stamm. Das deutsche Stamm als Familienzweig (seit den 70ern kaum noch üblich) und Ethnie entspricht dem Gedankengang in etwa.
 
Latein hat einen kleinen Wortschatz, weshalb es recht viele Wörter mit weiter Bedeutung gibt.
Auf der anderen Seite hatte das Lateinische Wortdubletten, die in den romanischen Sprachen nicht fortexistieren.
Das Lateinische kannte etwa edere, comedere und manducare. Comedere und manducare setzen sich im Wortschatz romanischer Sprachen fort (span. comer, it. mangiare).
Das wird damit erklärt, dass
a) längere Worte gegenüber kürzeren bevorzugt werden
b) dass einige Formen von edere mit Formen von esse zusammenfallen und
c) dass comedere (‚aufessen‘) und manducare (‚kauen‘, ‚schlingen‘) ausdrucksstärker waren
Das findet man regelmäßig beim Übergang vom Lateinischen zum Romanischen, dass das längere und ausdrucksstärkere Wort überlebt.
Z.B. geht equus zu Gunsten von caballus (länger und ausdrucksstärker) verloren. Caballus war pejorativ, bedeutete ‚Arbeitspferd‘ oder ‚Wallach‘, daraus wurde aber caballo, cheval etc. und davon abgeleitet caballero (Gentleman), chevalier (Ritter).
Ich denke, dass das deutsche Wort Klepper, das ja wiederum pejorativ ist, davon ebenfalls abgeleitet ist. Die equa wurde zu span. yegua.
Die abgeranzte Hütte (Casa) verdrängt das domus, wo nicht das längere mansionem zu maisón wird.
 
Einige Worte, die im Lateinischen existiert haben müssen, können nur über Umwege belegt werden. Z.B. muss es ein adripare (‚das Ufer anlaufen‘) im Lateinischen gegeben haben (ad+ripa+Verbalsuffux), das Wort hat im Italienischen, Französischen und Spanischen überlebt und hat über das Frz. ins Englische Eingang gefunden: arrivare, arriver, arribar, to arrive. Vom im Spanischen ungebräuchlichen Verb arribar hat sich das Adjektiv arriba (‚oben‘) abgeleitet, das den Älteren unter uns aus dem Mund von „Speedybi-Speedybo“ Speedy González bekannt ist: ¡Arriba! ¡Arriba! ¡Ándale!
Die Jüngeren kennen vielleicht die - im Übrigen auch in Spanien bekannte - Werbung mit Villarriba und Villabajo (villa arriba und Villa abajo - das Dorf oben und das Dorf unten - da wundert‘s nicht, dass es immer dasselbe Dorf ist, dass die Nase vorn hat.).
Das Spanische benutzt nicht wie frz. und engl. arriver/to arrive, sondern llegar, wohinter derselbe Grundgedanke steht, wie bei adripare, nur ist man im Sinne des Etymons bereits einen wesentlichen Schritt weite: man faltete bereits das/die Segel zusammen (llegar < velum/vela plicare).
 
Und adripia ist die Ackermelde, womit es eine Ableitung gibt, Vielleicht, weil das Zeug in Mitteleuropa soweit wächst wie das Land reicht. (Ja, Mittellatein.) Zufällig neulich erst nachgeschlagen.
 
Latein hat einen kleinen Wortschatz. Sicher größer als unser beider passiver Wortschatz, aber klein im Vergleich zu anderen Sprachen. Das wirst du im Großteil der Bücher darüber erwähnt finden.

Dann würde mich interessieren, in welchem Buch eine zahlenmäßige Untersuchung des Wortschatzes zu finden ist. Und nach welchen Kriterien gezählt wird. Das ist die einzige Möglichkeit, um zu belastbaren Aussagen über die Quantität des Wortschatzes zu kommen.
 
Es dürfte recht wahrscheinlich sein, dass der Gesamtwortschatz der alten Lateiner geringer war als unserer. Wie es mit dem Gebrauchswortschatz aussieht, ist eine andere Frage.
 
Der Thesaurus Linguae Latinae nimmt im Regal höchstens einen halben Meter ein. Die Zahlen suche ich jetzt nicht raus, zumal nicht alles überliefert ist. Die Schätzungen beruhen auf häufig thematisierten Themen, um die Fehlerwahrscheinlichkeit zu minimieren. (Wenn es mir in den nächsten Tagen besser geht, werde ich mal in Sachen, die ich hier habe nachschlagen.)

Dazu bezieht es sich auf das klassische Latein, was so nie in der Breite gesprochen wurde, sondern die Sprache der Redner war.

Wir sind nie wirklich sicher, was zur Hochsprache gehörte. Darin wurde zum Beispiel das H lange beibehalten. Später diente die verwendete Sprache zur Unterscheidung, ob jemand die Bildung der Oberschicht genossen hatte.
 
Das A und O ist doch, nach welchen Kriterien gezählt wird.
Als wie viele Wörter zählen die Ableitungen von tragen? Z. B. getragen (hat mehrere Bedeutungen!), tragbar, untragbar, Ertrag, erträglich, unerträglich, betragen, Betrag, übertragen, Übertrag, trächtig, Tracht usw.
 
Vergleicht man die Größe des deutschen Wortschatzes mit der des lateinischen, fällt auf, dass sehr viele deutsche Wörter ihre Wurzeln, direkt oder über eine romanische Sprache, im Lateinischen haben, was umgekehrt nicht der Fall ist.
 
Die abgeranzte Hütte (Casa) verdrängt das domus ...
Wurde vor ein paar Tagen - in einem anderen Zusammenhang - von einer Italienerin aufgeklärt, dass es im Italienischen hier doch einen Unterschied gibt: Casa bedeutet zwar Haus oder Wohnung, aber domus lebt in domicilio weiter – im Sinne von Heim im Deutschen.
 
Domicilio/Domizil kommt von domicilium. Nicht von domus. Das ist nicht selten, dass aus einem Wortfeld sich eine Ableitung fortsetzt, während das ursprüngliche Lexem abstirbt.
Zudem müsste geprüft werden, ob es sich um ein Erb- oder um ein Lehnwort handelt (das Wort klingt mir sehr nach Lehnwort).
Z.B. stehen im Spanischen hoja und folio nebeneinander. Beide kommen von folium/a. Während hoja ein Erbwort ist, ist folio ein Lehnwort.
 
Moderne Kultursprachen dürften mehr Wörter kennen als antike, weil sie im Lauf der Zeit gerade in speziellen Fachgebieten einen Haufen Begriffe aus anderen Sprachen übernommen haben. Aber hatte Latein beispielsweise weniger Wörter als Griechisch?
Mal ein Vergleich zweier Autoren, die mir in manchem ähnlich scheinen: Tacitus und Thukydides.
Ich habe chatGTP folgende Fraghe gestellt:

How many different words does Tacitus use in his annals?

Antwort:
It's difficult to provide an exact count of the number of different words that Tacitus uses in his "Annals" because different editions and translations may count and interpret words differently. Additionally, the length and complexity of the work make it challenging to accurately count the number of unique words.

However, some estimates suggest that Tacitus uses around 6,000 to 8,000 unique words in "The Annals." This number may vary depending on the edition or translation being referenced, as well as how the words are counted.

It's worth noting that Tacitus wrote in a highly stylized and rhetorical Latin that can be challenging for modern readers to understand, and his vocabulary is wide-ranging, including both common Latin words and more technical terms.

Nächste Frage:
How many different words does Thukydides use in his Peloponnesian war?

ChatGTP:
It's difficult to provide an exact count of the number of different words that Thucydides uses in his "History of the Peloponnesian War" because different editions and translations may count and interpret words differently. Additionally, the length and complexity of the work make it challenging to accurately count the number of unique words.

However, some estimates suggest that Thucydides uses around 10,000 to 15,000 unique words in his "History of the Peloponnesian War." This number may vary depending on the edition or translation being referenced, as well as how the words are counted.

It's worth noting that Thucydides wrote in ancient Greek, which has a complex and rich vocabulary. His writing style is also known for its precision and attention to detail, which may have influenced the range and number of words he used in his work.

Das deutet darauf hin, dass im Griechischen tatsächlich mehr Wörter gebraucht wurden als im Lateinischen.
Das kann natürlich auch autorspezifisch sein, oder chatGTP schreibt einfach Unsinn, was ja auch häufig vorkommen soll.
 
Latein und Altgriechisch sind insofern schwer vergleichbar als das Altgriechische in verschiedene Dialekte zerfiel. Wie weit müssten sich Wörter in verschiedenen Dialekten unterscheiden, um sie als verschiedene Wörter zu zählen?
Erschwerend kommt hinzu, dass manche Dialekte zu manchen Zeiten literarisch und inschriftlich nur schwach vertreten sind, also viel von ihnen verlorengegangen sein dürfte.
 
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