Großer Aufmarsch Ost - praktikabel?

2.


Bleibt noch die andere Frage, war es sinnvoll durch Befestigungen den Russen im Falle eines Westaufmarsches einen Angriff auf Ostpreußen zu verleiden?

Was man im Osten zu schützen hatte, im Hinblick auf kriegswichtige Bedeutung, war doch wohl vor allem das oberschlesische Industrierevier.
Jetzt könnte man sich die Frage stellen, worauf hätten die Russen wohl ihre Energien gerichtet, wenn ihnen klar gewesen wäre, dass:

a) Deutschlands Truppenpräsenz im Osten nicht hinreichend ist um eine Offensive beginnen zu können.
b) Wegen blockierender Befestigungen, im Besonderen im östlichen Ostpreußen ein schneller Zugriff auf diese Provinz mittels dem man die Franzosen hätte unterstützen können, nicht möglich gewesen wäre?

Ich würde einfach mal behaupten, dass im Rahmen eines potentiellen Ost-Aufmarschees großartige Befestigungen in Ostpreußen ganz unnötig gewesen wären, weil die Russen kaum Gelegenheit haben würden hier einzufallen.
Und das im Falle eines West-Aufmarsches unter entsprechend schwacher Bedeckung des Ostens es nicht wirklich erstrebenswert erscheinen konnte die Russen von einem Einfall in Ostpreußen abzuschrecken, weil sie das auf die Idee hätte bringen können, in Erkenntnis es nur mit schwachen deutschen Verbänden zu tun zu haben, die eigene Offensive mangels Zugriff auf Ostpreußen durch Befestigung weiter westlich anzusetzen.

Und das wäre angesichts der strategischen Bedeutung der Weichsel-Übergänge und der auch auf diesem Weg kappbaren Eisenbahnlinien nach Ostpreußen, so wie im Hinblick auf die Sicherheit Oberschlesiens, Breslaus und mit Rücksicht auf den K.u.K.-Verbündeten, möglicherweise auch Krakaus, wohl kaum erstrebenswert gewesen.
Ich denke, hier muss man sich auch die Frage stellen, wie es die russischen Operationspläne möglicherweise beeinflusst hätte, hätte man Ostpreußen mit modernisierten Festungen vollgekleistert.

Es wurden irre Summen für eine Flotte lockergemacht, wobei vergessen wurde, das der Krieg, zumindest für Deutschland, zu Lande in der Hauptsache zu führen ist.

Das vergisst aber die Kleinigkeit, dass der Reichstag jedes Gesetz zur Heereserweiterung und jede Flottennovelle genehmigen musste.
Wenn da jetzt Kritik an einer zu stark priorisierten Finanzierung der Flotte gegenüber dem Heer geübt wird, müsste man sich fairer Weise auch fragen, ob der Reichstag dazu zu bewegen gewesen wäre, die Summen, die er zum Bau der Flotte zu genehmigen bereit war, auch für eine Erweiterung des Landheeres zu genehmigen.

Die Flotte war ohne Zweifel ein Prestigeobjekt, als solches hübsch vorzuzeigen, und gerade für die Bürgerlichen im Gegensatz zur konservativ aufgestellten, nach wie vor vom Adel stark dominierten Landstreitmacht, wohl auch ein hoffnungsvolles neues Betätigungsfeld.
Abgesehen davon hätte eine Heeeresvermehrung eine quantitative Ausweitung der Wehrpflicht oder eine Verlängerung der Dienstzeiten vorausgesetzt und beides wird bei den meisten Bevölkerungsgruppen wohl auf eher wenig Gegenliebe gestoßen sein.
Bedenkt man den erforderlichen zeitlichen Aufwand die Modernisierungen und Vermehrungen auch tatsächlich ins Werk zu setzen, und veranschlagt den mal mit 2-3 Jahren, hätte der entsprechende Beschluss, damit die Armee anno Sommer 1914 auf dem eingeforderten Stand hätte sein können mindestens im Frühjahr 1912, wahrscheinlich früher als das erfolgen müssen.
Heißt, man hätte die aufgewühlte Stimmung durch die Verwicklungen auf dem Balkan und den dortigen Beinahe-Zusammenstoß noch nicht nutzen können, eine entsprechende Heeresvorlage durch den Reichstag zu peitschen, wie man das dann anno 1913 konnte.
Ohne dem, wäre es aber wahrscheinlich nicht leicht gewesen, die dafür notwendigen Genehmigungen und Gelder zu bekommen.

Ohne die aufgeheizte Stimmung wegen der Balkankriege und noch unter dem Eindruck, dass sich Russland noch nicht vollständig von 1904/1905 erholt hatte, hätte man auf die Zustimmung der Sozialdemokraten für eine Heeresreform wohl kaum setzen können, auch im ersten halben Jahr nach den Reichstagswahlen im Januar 1912 und dem erdrutschartigen Sieg der Sozialdemokraten wohl noch nicht.
In den Reihen der Deutschkonservativen und Freikonservativen wäre man wohl mit der Idee die Armee zu erweitern mit der Absicht ausgerechnet gegen Russland besser Krieg führen zu können, wahrscheinlich auch auf eher wenig Gegenliebe gestoßen.
Ob das politische Sammelbecken Polen/Welfen/Dänen/Elsass-Lothringer so begeistert gewesen wäre, ausgerechnet dem preußischen-deutschen Staat noch mehr militärische Möglichkeiten an die Hand zu geben, darf man dann sicherlich auch dahin gestellt sein lassen.

Wer blieb dann noch? Das Zentrum, dass sich allmählich mit dem Kaiserreich arrangieren konnte, die Nationalliberalen und die Freisinnigen.
Hätte man die aber ohne weitere Zugeständnisse und ohne mindestens einem Kreis der bedeutenderen Politiker die militärischen Planungen offen zu legen, dazu bewegen können auf Flottennovellen zu verzichten und stattdessen ähnliche Summen für das Heer zu genehmigen?

Stelle ich mir schwierig vor.
Möglicherweise hätte man das durch einschneidende politische Zugeständnisse erkaufen können:

- Restlose Rücknahme von "Kanzelparagraph" und "Jesuitengesetz" und damit die vollständige Liquidierung der Überreste der Kulturkampfzeit.
- Bereiter Öffnung der obern Ränge der Armee für das Bürgertum.
- Beendigung der Germanisierungspolitik im Osten, Liquidation der "Ansiedlungskomission", Gleichberechtigung des Polnischen als Unterrichtssprache etc.
- Aufhebung des Status des "Reichslandes" im Bezug auf Elsass-Lothringen und Umgestaltung des Gebietes in einen vollertigen, politisch gleichberechtigten Teilstaat des Reiches.
- Reform des überkommenen preußischen Wahlrechts.
- Neugestaltung der Regelungen zur Sperrminorität des Bundesrates um das faktische Veto der preußischen Landesregierung im Alleingang abzuschaffen.
- Neugestaltung der veralteten Wahlkreise auf Ebene der Reichstagswahlen an Hand der Ergebnisse des Zeensus von 1910.

etc. etc.

Da wäre sicherlich einiges an Potential gewesen, was man den Parteien hätte anbietenn können, aber das hätte (größtenteils) nicht in den Händen des Generalstabs und des Kriegsministeriums gelegen.
 
In der Kürze der Zeit kurz etwas zum Reichstag und Flotte:

Nein, ich übersehe gewiss nicht, das der Reichstag die Budgets bewilligen musste. Vielleicht erinnerst du dich, das ja gerade der Reichstag im Jahre 1913 eine nicht geringe Heeresvermehrung beschlossen hatte und dafür ein einmaliger Wehrbeitrag ab Vermögen von 10.000 Reichsmark aufwärts erhoben worden war. Das Ruder der Rüstung wurde reichlich spät herumgerissen, aber es wurde herumgerissen und offenkundig war es der Reichregierung argumentativ gelungen, den Reichstag entsprechend zu überzeugen.
 
In der Tat. Ein mögliches Scheitern der in Ostpreußen und der damit verbundene Rückzug auf die Weichsellinie wurde vom Generalstab durchaus einkalkuliert; und das schon lange vor Ausbruch des Krieges.

Beim Aufmarsch der 8.Armee in Osten, es handelte sich nur um eine einzige Armee kam es schon zu Stockungen. Konkret bei Dirschau. Dort waren die Gleise zweispurig. Im Prinzip hatte man im Generalstab überhaupt kein „Siegesrezept“ gegen das Zarenreich, da alle entsprechenden Kriegsspiele gewissermaßen ins Leere gelaufen waren. Man war zwar erfolgreich auf russisches Territorium vorgedrungen, aber ein entscheidender Sieg war ausgeblieben. In der Sache stellte man dann den Großen Aufmarsch Ost ein und zog es vor, zunächst einmal auf die Österreicher zu vertrauen; obwohl man deren Schwächen kannte. Man stellte den k.u.k. Generalstab einen Gegenangriff auf der Narew in Aussicht und damit hatte es sich dann.

Ein Beispiel zum Thema Festungen.

Kluck und Below beklagten die insgesamt mangelhafte Vorbereitung Ostpreußen in Rahmen des Schlieffenplans. Kluck ließ eine Übung in Lötzen mit der Festung Boyen abhalten und die Schwierigkeiten der Verteidigung wurden offenbar. Der Generalstab plädierte also folgerichtig 1912 für einen Neubau; mindestens aber für eine Modernisierung. Beides wurde abgelehnt wegen des lieben Geldes. Es grassierte noch der Flottenwahn. Als Kluck anregte die Angerapp-Linie zu befestigen, wurde dies mit dem Hinweis auf die Weichsellinie, insbesondere Graudenz, abgelehnt. Dabei sollte der Rückzug auf die Weichsel doch wohl eher die Ultima Ratio sein.

Wenn das deutsche Heer gemäß den Großen Aufmarsch Ost einen Bewegungskrieg in Ostpreußen führen sollte, dann war dazu doch wohl sicherlich ein entsprechendes Eisenbahnnetz erforderlich. Moltke hatte sicher nicht umsonst zuletzt im März 1914 den Ausbau gefordert. Der aller größte Teil der bewilligten Gelder floss aber in den Westen. Es dürfte angesichts der Erfahrungen von 1870 doch klar gewesen sein, dass er kommende Krieg ganz sicher auch ein Eisenbahnkrieg sein dürfte und unter diesem Gesichtspunkt war das Netz in Ostpreußen. Die eine von den zwei zweispurigen Eisenbahnlinien lag auch noch relativ nahe der Grenze zum Zarenreich.

Königsberg war gar nicht so unwichtig. Einmal war dort ein Seehafen und dann verlief die zweispurige Eisenbahnlinie nach Insterburg durch Königsberg. Königsberg war sicher auch eine potenzielle Flankendrohung für die zaristische Armee. Nicht umsonst wurde die 1.Armee unter Rennenkampf in Richtung Königsberg in Bewegung gesetzt. Durch die Geographie Ostpreußens mussten die beiden russischen Armee getrennt marschieren. Die 1. in Norden an der Masurischen Seenplatte vorbei, die 2.Armee, die den Rückzug der Deutschen an die Weichsel verlegen sollte, im Süden an die Seenplatte vorbei.
 
Bleibt noch die andere Frage, war es sinnvoll durch Befestigungen den Russen im Falle eines Westaufmarsches einen Angriff auf Ostpreußen zu verleiden?
Kluck ließ eine Übung in Lötzen mit der Festung Boyen abhalten und die Schwierigkeiten der Verteidigung wurden offenbar.
Zur wechselhaften (!!) Situation bzgl der Waffenplätze an den West- & Ostgrenzen im Zeitraum 1871-1914/18 muss drei Aspekte beachten:
1. Die für Festungen prekäre waffentechnologische Entwicklung (Brisanzkrise => "Festungssterben => wenige kostspielige Riesenanlagen/Panzerfoetifikation)
2. Die wechselhaften Bewertungen der Norwendigkeit bzw des Nutzens von Festungen
3. Was war - für uns hier speziell - entlang der Ostgrenze schon vorhanden

Das russ. Imperium verfügte an der alten russ.-poln. Grenze über mehrere Waffenplätze/Lagerfestungen, die im 19. & frühen 20. Jh. weiter verstärkt wurden (mit mal mehr mal weniger Elan wg. 2.) Im russ. Teil Polens wurde als durchaus westwärts gerichtete "Aggression" die Festungs-& Bahnlinie an der Narew gebaut (Ossowiec, Lomca usw) sowie das monströse Festungsdreieck Warschau-Modlin-Zegrze. Diesem gegenüber quasi, schon zur Zeit der Bundesfestungen umfangreich begonnen, die Lagerfestungen wie Boyen, Thorn, Posen u.a. Nach der Brisanzkrise wurde ab ovo modern Graudenz gebaut, Swinemünde, Posen, Thorn erhielten teilweise Panzerfortifikation, um/bei Boyen wurde nach Schumann-Panzerstandprinzipien ein großes, quasi lineares Festungsarreal errichtet. Wegen des auf und ab bzgl der militär. Bewertungen (Festungen ja oder nein) wurden diese Anlagen allesamt nahezu nie (!) komplett neu angelegt oder modernisiert, sondern eher partiell (das große Projekt, Posen mit einem Gürtel aus Panzerforts zu versehen, scheiterte an den Kosten) Aber ähnlich wie die berühmte "Gerippe-Stellung" Mainz waren die relevanten Festungen der Ostgrenze mehr oder weniger vorbereitet/armierbar zu Beginn des 20.Jhs. Eine der Ursachen für das partielle wieder aufflammen des Festungsbaus (nun als Gruppenbefestigungen) war die Standhaftigkeit der nur halbfertigen Baustelle Port Arthur (das hatten sämtliche Militärs mit großem Interesse verfolgt)

Die quasi verfahrene Situation um 1914 war also, dass man einerseits nicht ideal gelegene ältere Anlagen vorbereiten musste, weil Zeit und Mittel für neue fehlten, man quasi die Versäumnisse irgendwie ausgleichen musste. So erklären sich die vielen nachträglichen Betondeckel etc auf den Bieler und Brialmont Forts.
 
Shinigami schrieb:
Ohne die aufgeheizte Stimmung wegen der Balkankriege und noch unter dem Eindruck, dass sich Russland noch nicht vollständig von 1904/1905 erholt hatte, hätte man auf die Zustimmung der Sozialdemokraten für eine Heeresreform wohl kaum setzen können, auch im ersten halben Jahr nach den Reichstagswahlen im Januar 1912 und dem erdrutschartigen Sieg der Sozialdemokraten wohl noch nicht.
In den Reihen der Deutschkonservativen und Freikonservativen wäre man wohl mit der Idee die Armee zu erweitern mit der Absicht ausgerechnet gegen Russland besser Krieg führen zu können, wahrscheinlich auch auf eher wenig Gegenliebe gestoßen.
Ob das politische Sammelbecken Polen/Welfen/Dänen/Elsass-Lothringer so begeistert gewesen wäre, ausgerechnet dem preußischen-deutschen Staat noch mehr militärische Möglichkeiten an die Hand zu geben, darf man dann sicherlich auch dahin gestellt sein lassen.

Wer blieb dann noch? Das Zentrum, dass sich allmählich mit dem Kaiserreich arrangieren konnte, die Nationalliberalen und die Freisinnigen.
Hätte man die aber ohne weitere Zugeständnisse und ohne mindestens einem Kreis der bedeutenderen Politiker die militärischen Planungen offen zu legen, dazu bewegen können auf Flottennovellen zu verzichten und stattdessen ähnliche Summen für das Heer zu genehmigen?

Das Wahlergebnis der Polen im Jahre 1912 fiel gegenüber dem aus dem Jahre 1907 zurück. Sie kamen nur noch auf 3,6% der Stimmen. Die dürften also nicht so sehr ins Gewicht fallen. Außerdem glaube ich nicht, dass die polnische Bevölkerung vorzugsweise unter russischer Oberherrschaft leben wollte. Das Ergebnis der Dänen ist noch deutlich geringer ausgefallen; sie erreicht gerade einmal 0,3%. Also vernachlässigbar. Gleiches gilt für die Hannoveraner mit ihren 1,3%. Die Elsass-Lothringer kamen auf etwas über 2%.

Von Bedeutung war die SPD und natürlich das Zentrum. In der SPD war das Zarenreich alles andere als sonderlich beliebt. Mit entsprechenden Argumenten hätte man möglicherweise was erreichen können. Und das Zentrum war mit Zugeständnissen in religiösen Fragen zu ködern.

Ab 1909/10 begann Sucholmlinow seine Reformen der Armee.

Es sind etliche Milliarden aus Frankreich an Krediten an Petersburg vergeben worden, die primär der Aufrüstung dienten. Das ist auch Berlin nicht verborgen geblieben. Eisenbahnlinien, Artillerie, deutliche Heeresvermehrung, obwohl man schon über ein Millionenheer verfügte. Es wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt.

Suchomlinow hatte den russischen Aufmarsch in den Osten, um die bevölkerungsreichen Gegenden, eben der Militärbezirke Moskau, Petersburg und Kasan stärker miteinzubeziehen, zurückverlegt. Die Reserveformationen wurden in aktive Truppen umgewandelt. Dadurch wurde das personelle Ersatzwesen verbessert. Die Festungen Kovno, Grodno, Osovec und Brest waren erheblich verstärkt worden. In Frankreich wurden Kanonen bestellt.

Das alles entging den deutschen Generalstab nicht.
 
Die Festungen Kovno, Grodno, Osovec und Brest waren erheblich verstärkt worden.
Nicht nur diese! Modlin bzw Nowogeorgiewsk wurde nach 1910 weiter zur Festung erster Klasse ausgebaut (Fortgruppen, Betonwerke, direkt dem letzten Ausbau von Kaiser Wilhelm II im Elsass nachgebaut), zusätzlich das Sperrfort Benjaminow zw Zegrze und Warschau, Warschau selber erhielt, nachdem partiell entfestigt, drei neue Bezonforts, der äußere Fortgürtel wurde massiv neubefestigt --- freilich blieb Modlin teilweise Baustelle (Fort Henrysin war im Krieg noch nicht fertig gebaut) --- wie du schreibst: nicht kleckern, klotzen! Monströs war der Ausbau und Umfang der russ. Festungen erster Klasse kurz vor 1914: Wladiwostok, Modlin, Brest, Kaunas als Beispiele riesiger Gürtelfestungen a la Belfort, Mainz und Metz etc, Ossowiec, Zegrze, Lomca als Musterbeispiele moderner "kleiner" Befestigungen/Sperrfortensemble.

Und das blieb nicht verborgen: dank Spionage hatte das kaiserliche Militär 1915 die Pläne von Modlin.
 
3. Was war - für uns hier speziell - entlang der Ostgrenze schon vorhanden
Dazu eine Übersichtskarte:
Screenshot_20211028-192232_Acrobat for Samsung.jpg

(Screenshot aus einem touristischen PDF Vortrag, verlinkt im Wikipediaartikel zur Festung Zegrze)
 
Es soll natürlich nicht ausgebaut... heißen.

Aber auch der Bahnhof Königsberg war in keinster Weise wie Otto Below berichtet, für die Kriegsfall ausgebaut worden. Dabei hatte Moltke doch spätestens seit dem Jahre 1912 die Bedrohungslage aus dem Osten immer schlimmer gezeichnet.

Zur Flotte:
Der Reichskriegshafen Kiel lag ziemlich weit weg vom potenziellen Operationsgebiet in der östlichen Ostsee; rund 1000 Kilometer, was Unternehmen zur See nicht gerade vereinfacht haben dürfte. Und 1914 war der Seekrieg in der Ostsee primär ein Minenkrieg.
Der Bahnhog Königsberg war 1914 im Umbau. Wie für einige andere Bahnhöfe auch gab deshalb erst in den 20ern wieder Gleispläne, Gerade Übersichtspläne gab es vorher nicht für die Öffentlichkeit.
 
In der Kürze der Zeit kurz etwas zum Reichstag und Flotte:

Nein, ich übersehe gewiss nicht, das der Reichstag die Budgets bewilligen musste. Vielleicht erinnerst du dich, das ja gerade der Reichstag im Jahre 1913 eine nicht geringe Heeresvermehrung beschlossen hatte und dafür ein einmaliger Wehrbeitrag ab Vermögen von 10.000 Reichsmark aufwärts erhoben worden war. Das Ruder der Rüstung wurde reichlich spät herumgerissen, aber es wurde herumgerissen und offenkundig war es der Reichregierung argumentativ gelungen, den Reichstag entsprechend zu überzeugen.


Die Heeresvorlage von 1913 hatte ich ja mehr oder minder indirekt angerissen, nur wie gesagt, hätte man Heeresvermehrungen diesen oder größeren Ausmaßes wahrscheinlich bereits 1911 haben müssen, hätte man anno 1914 im gewünschten Ausmaß bereit sein wollen.
Mit der Stimmung nach der 2. Marokko-Krise, nach dem ersten Balkankrieg und während der zweite gerade lief und Europa am Rand des großen Zusammenstoßes wandelte und während mittlerweile mehr oder minder einsichtig war, dass man das Flottenwettrüsten gegen die Briten ohnedies verlieren würde, ging das.

Aber 2 Jahre vorher? Ohne die Verwicklungen auf dem Balkan? Gar noch vor der 2. Marokkokrise? Mit einem russischen Zarenreich nochmal 2-3 Jahre näher an der Krise von 1905 und von der Erholung entfernt? Möglicherweise noch nicht in Erkenntnis der Tatsache ein Wettrüsten zur See nicht im Sinne des Marineamtes und der Admiralität gewinnen zu können?
Ich denke, wenn man die Verteilung der Militärausgaben zwischen Heer und Marine kritisiert, kann man es sich nicht so einfach machen, die Heeresvorlage von 1913 pars pro toto quasi für die Annahme zu nehmen, dass eine Umsteuerung beliebiger Mittel aus dem Bereich der Marine in den Bereich des Heeres jederzeit möglich gewesen wäre.
Es war 1913 möglich unter dem Eindruck der damaligen explosiven Stimmung und der Erkenntnis sich mit dem Flottenwettrüsten auf ein Fass ohne Boden und ohne politischen Gewinn eingelassen zu haben. Das sagt uns aber über die Möglichkeiten 2-3 Jahre vorher wenig aus. Es wäre aber wichtig das näher zu wissen.

Das Ruder der Rüstung wurde nicht spät herumgerissen, sondern es wurde zu spät herumgerissen um gemäß eigenen Planungen wirklich voll aktionsfähig zu sein.

Die vorhandene oder nicht vorhandene Möglichkeit das früher zu erreichen, wäre insofern von Bedeutung für die Frage der Verantwortlichkeit der Politik für die missliche Lage in der sich die Militärs bei ihren Planungen befanden. Ein Aspekt, der, nebenbei gesagt in meinen Augen heute viel zu wenig betrachtet wird.

Was die Wahlen angeht, wie gesagt, davon ausgehend, dass die Heeresvermehrung wahrscheinlich 2-3 Jahre in Anspruch genommen hätte um realisiert werden zu können, bedeutet, dass wenn das Heer anno Sommer 1914 demgemäß aktionsfähig hätte sein sollen, es notwendig gewesen wäre die demgemäßen Heeresvorlagen irgendwann im Zeitraum Frühjahr 1911-Frühjahr 1912 durchzubringen.
Entsprechend dem wäre das möglicherweise noch vor dem Reichstag in seiner Zusammensetzung aus den Wahlen von 1907 notwendig gewesen, daher mein Abstellen auf die Minderheiten.
Die Bedeutungsverschiebung in Richtung auf die Sozialdemokrtie durch die Wahlen vom Januar 1912 ist mir bewusst.


Von Bedeutung war die SPD und natürlich das Zentrum. In der SPD war das Zarenreich alles andere als sonderlich beliebt. Mit entsprechenden Argumenten hätte man möglicherweise was erreichen können. Und das Zentrum war mit Zugeständnissen in religiösen Fragen zu ködern.

Natürlich war das Zarenreich bei der SPD nicht beliebt, chauvinistische Kriegshetze oder allgemeine Kriegsvorbereitungen, vor allem gegen die französische Republik, bis zu einem gewissen Zeitpunkt aber auch nicht.

Das Zarenreich war 1905 besiegt worden und in die Krise geraten, hatte noch 1908 der Annexion Bosniens und der Herzegowina tatenlos zusehen müssen.
Jetzt würde sich die Frage stellen, wenn man mit einer Bedrohung durch Russland die Sozialdemokratie für Heeresvermehrungen bekommen wollte, wie das vor dem russischen Engagement im Rahmen der Balkankriege anzustellen gewesen wäre.
Nach, mindestens dem 1. Balkankrieg und den damit verbundenen Reibereien und Russlands Rolle in der Sache, ließ sich schwerlich bestreiten, dass Russland als handlungsfähige Großmacht auf die europäische Bühne zurückgekehrt war.
Gab es aber vor diesem Ereigniss, oder diesen Ereignissen, wenn man auch den 2. Balkankrieg mit einbezieht, Anlass im Zarenreich besondere Gefahren zu sehen? Weiß ich nicht. Würde ich nicht als zwangsläufig gegeben ansehen.
Das Zentrum wie gesagt, sicherlich, aber wenn man die Sozialdemokratie anno Frühjahr 1911 oder Frühjahr 1912 noch nicht mit dem Schreckgespenst des russischen Zarismus bekommen hätte, hätte das kaum gereicht.
Abgesehen davon dass das dann wieder eine rein politische Frage gewesen wäre, die außerhalb des Verantwortungsbereiches der Militärs lag.
Die Konservativen wären, wie gesagt sicherlich nicht unbedingt daran interessiert gewesen ein Heer aufzustellen um gegen Russland Krieg führen zu können, sondern die hätten ja am liebsten (auch wenn das wenig realistisch war) ein Wiederaufleben der "Heiligen Allianz" gesehen.
Den Nationalliberalen zu verkaufen, dass das auf Kosten der Flotte und der kolonialen Bestrebungen laufen würde, wäre nicht ganz einfach gewesen, möglicherweise aber machbar.

Ein Problem, was ich hier aber sehe: Wenn man ohne entsprechende Krisenstimmung und ohne dass in anderen Teilen Europas entsprechende Aufrüstungsprogramme tatsächlich ins Werk gesetzt gesetzt gewesen wären, eine solche Aufrüstung hätte durchbringen wollen, man das möglicherweise nur unter der Prämisse durchbekommen hätte, dem Reichstag oder mindestens einzelnen Parteienvertretern die militärischen Planungen offenlegen und erklären zu müssen, was bedeutet hätte, man hätte dem Reichtag oder mindestens den Parteien erklären müssen, dass man möglicherweise fest damit plante die BeNeLux-Staaten zu überfallen.
Das konnte man offensichtlich aber nicht, wenn man die Sozialdemokraten, Freisinnigen und den linken Zentrumsflügel gewinnen wollte.
 
Ab 1909/10 begann Sucholmlinow seine Reformen der Armee.

Es sind etliche Milliarden aus Frankreich an Krediten an Petersburg vergeben worden, die primär der Aufrüstung dienten. Das ist auch Berlin nicht verborgen geblieben. Eisenbahnlinien, Artillerie, deutliche Heeresvermehrung, obwohl man schon über ein Millionenheer verfügte. Es wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt.

Suchomlinow hatte den russischen Aufmarsch in den Osten, um die bevölkerungsreichen Gegenden, eben der Militärbezirke Moskau, Petersburg und Kasan stärker miteinzubeziehen, zurückverlegt. Die Reserveformationen wurden in aktive Truppen umgewandelt. Dadurch wurde das personelle Ersatzwesen verbessert. Die Festungen Kovno, Grodno, Osovec und Brest waren erheblich verstärkt worden. In Frankreich wurden Kanonen bestellt.

Das alles entging den deutschen Generalstab nicht.

Mag ja sein, aber der Generalstab war nicht maßgeblich für die Bewilligung der Gelder, sondern der Reichstag. Den, und im Besonderen die SPD musste man erstmal überzeugen, dass:

- Russland begonnen hatte über das konventionelle Maß zu rüsten.
- Sich diese Rüstungen gegen Deutschland richteten.
- Es sich hier bei nicht bloß um säbelrasselnde Panikmache der Generalität und des Kriegsministeriums handelte um ihre Sonderinteressen durchzusetzen.

Man muss ja auch sehen, dass für großartige Heeresvermehrungen und -Investitionen in Russland nach 1905 erstmal nur bescheidener Spielraum war, was bedeutet, dass ganz erwartbar das Zarenreich im militärischen Bereich einen Rüstungs- und Modernisierungsstau aufgebaut hatte.
Dann hatte sich auch gezeigt, dass an der russischen Ostgrenze mit Japan ein Akteur die politische Bühne betreten hatte, mit dem zu rechnen war.
Folglich konnte man, so lange sich die Heeresvermehrungen in Russland noch in Grenzen hielten auch darauf spekulieren, dass die zusätzlichen Kräfte möglicherweise auch auf eine Absicherung der Ostgrenze im stärkeren Maße abzielten ohne die Kapazitäten im Westen zu schwächen.

Der massive Ausbau von Eisenbahnlinien ist natürlich ein Indiz dafür, dass man den Aufmarsch beschleunigen wollte, aber wenn man das Problem mit der Spurbreite bedenkt, ist auch klar, dass das nur im bedingten Maße zum Angriff wirklich geeignet war.
Der massive Ausbau von Festungen, spricht eigentlich erstmal dagegen. Festungen baut man in der Regel, wenn man damit rechnet/fürchtet angegriffen zu werden, nicht wenn man beabsichtigt annzugreifen, dann wiederrum bat man Transportinfrastruktur, Kommunikationseinrichtungen und die Aufklärung aus, wennn man die Mittel nicht dirket in Vermehrung von diealer Weise schnellen Truppen steckt.

Vor allem, handelt es sich bei der russischen Aufrüstung, der französischen Kreditvergabe etc. auch nicht um ein punktuelles Ereignis, sondern um einen sich intensivierenden Prozess.
Das Russland bevorzugt auf französische Kredite zurückgriff, war ja keine außerordentliche Neuerung, sondern eine Tendenz, die sich ab den 1880er und 1890er Jahren abzeichnete. Hat ja auch nicht unwesentlich dazu beigeragen die diplomatische Annäherung Frankreichs und Russlands aneinander zu bewirken.
Und wie gesagt, dass Russland nach 1905 erstmal Rüstungsrückstände hatte, die zu kompensiren waren und möglicherweise auch neue Schutzbedürfnisse hinsichtlich seiner östlichen Provinzen erscheint auch einsichtig.

Von dem her mag eine ausgedehnte russische Rüstung 1910 begonnen haben, es ist aber fraglich, ob die damit verbundene potentielle einseitige Überrüstung Russlands zu diesem Zeitpunkt für den Reichstag zu erkennen war, denn auf Grund oben genannter Faktoren konnte man sicherlich zunächst mal annehmen, dass Russland zunächst mal nur in den vergangenen Jahren entstandene Defizite wieder ausgleichen wollte.
Entsprechend wäre für die Frage ob deutsche Aufrüstung früher möglich gewesen wäre, vermutlich die Frage von herausragender Bedeutung, ab wann eine Mehrheit des Reichstages tatsächlich davon überzeugt war dass man in Russland mit dem dezidierten Ziel rüstete Deutschland zumindest mal bedrohen und agressive Politik gegen es treiben zu wollen.
1913, nachdem dieser Prozess eine ganze Zeit lang lief und Russland in Osteuropa politisch zunehmend wieder zu erstarken schien und seine Großmachtspolitik wieder aufnahm, wird diese Wahrnehmung dagewesen sein.
Ob aber auch 2 Jahre davor, als der Prozess der Russischen Rüstung noch weit weniger fortgeschritten war und Russland als Großmacht noch nicht wirklich wieder wieder voll handlungsfähig zu sein schien, wäre fraglich.
 
Die Heeresvorlage von 1913 hatte ich ja mehr oder minder indirekt angerissen, nur wie gesagt, hätte man Heeresvermehrungen diesen oder größeren Ausmaßes wahrscheinlich bereits 1911 haben müssen, hätte man anno 1914 im gewünschten Ausmaß bereit sein wollen.
Mit der Stimmung nach der 2. Marokko-Krise, nach dem ersten Balkankrieg und während der zweite gerade lief und Europa am Rand des großen Zusammenstoßes wandelte und während mittlerweile mehr oder minder einsichtig war, dass man das Flottenwettrüsten gegen die Briten ohnedies verlieren würde, ging das.

Aber 2 Jahre vorher? Ohne die Verwicklungen auf dem Balkan? Gar noch vor der 2. Marokkokrise? Mit einem russischen Zarenreich nochmal 2-3 Jahre näher an der Krise von 1905 und von der Erholung entfernt? Möglicherweise noch nicht in Erkenntnis der Tatsache ein Wettrüsten zur See nicht im Sinne des Marineamtes und der Admiralität gewinnen zu können?
Ich denke, wenn man die Verteilung der Militärausgaben zwischen Heer und Marine kritisiert, kann man es sich nicht so einfach machen, die Heeresvorlage von 1913 pars pro toto quasi für die Annahme zu nehmen, dass eine Umsteuerung beliebiger Mittel aus dem Bereich der Marine in den Bereich des Heeres jederzeit möglich gewesen wäre.
Es war 1913 möglich unter dem Eindruck der damaligen explosiven Stimmung und der Erkenntnis sich mit dem Flottenwettrüsten auf ein Fass ohne Boden und ohne politischen Gewinn eingelassen zu haben. Das sagt uns aber über die Möglichkeiten 2-3 Jahre vorher wenig aus. Es wäre aber wichtig das näher zu wissen.

Das ist natürlich spekulativ und lässt sich wirklich zuverlässig beantworten. Ein Umdenken, wenn auch noch zurückhaltend, setzte im Jahre 1910 ein. Auch wenn man 1910 Generalstab und Reichsleitung noch der Meinung waren, mit einer jährlichen Heeresvermehrung von 7.000 Mann pro Jahr auskommen zu können.
Im Reichstag begann aber doch schleichend ein Stimmungswandel; weg von der Marine, hin zum Heer. Schiffe haben eben keine Räder. Dies ist auch Bethmann-Hollweg nicht entgangen. Und es war der Kaiser, der eben sich nicht unerhebliche Sorgen um die militärpolitische Lage des Reiches machte und als einer der ersten Verantwortlichen eine Rüstungswende forderte. Er war entschlossen, den nächsten äußeren Anlaß zur Aufrüstung des Heeres zu nutzen. Es war also durchaus schon ein erste Bereitschaft in verschiedenen Kreisen vorhanden. Der äußere Anlaß war dann, aber noch nicht wie gewünscht, die Marokkokrise Teil 2.

Marokko Teil 2 hatte auf das innenpolitische Klima negative Auswirkungen. Es setzte sich immer mehr der Gedanke vom unvermeidlichen Krieg fest. Die nationalistische Opposition, die durch Kiderlen-Wächter sein idiotisches Vorgehen sich mit den Alldeutschen einzulassen, fühlte sich betrogen und hintergangen. Selbst das moderate Zentrum war alles andere als zufrieden. In der Reichstagssitzung in November 1911 bekamen Reichskanzler und Kaiser einiges zuhören.

Leute wie Hans Delbrück meinten, das England der Feind Nr. 1 sei, eben durch die Einmischung in der Krise, und man das Flottenrüsten verstärken müsste. Der Flottenverein griff diese Forderung natürlich begierig auf. Aber es war eben auch die Erkenntnis gewachsen, das wegen der Flottenrüstung das Heer vernachlässigt worden war.

Es war genau dieses Denken eines Delbrück, was das Umsteuern der Rüstung so schwierig machte.

Die SPD wollte vor allem vermeiden, das die Regierung und die gegnerischen Parteien aus dem Verhalten der SPD zu außen- und rüstungspolitischen Fragen für die kommende Reichstagswahl Kapital schlagen konnten.


Im Jahre 1910 brachte die SPD ein Flugblatt mit dem Titel "Die Sozialdemokratie und das Heer" heraus. Dort wehrte man sich entschieden gegen die Behauptungen, die SPD wolle das Vaterland wehrlos machen.
Wenn man die SPD mit ins Boot holen wollte, musste sich erst einmal die Einstellung der Regierung zu dieser verändern. Bülow veranlasste dann auch beispielsweise die Korrektur der Bissingschen Erlasse, die u.a. die Verhaftung von Reichstagsabgeordneten bei Verhängung des Belagerungszustandes vorsah. Das sollte seine Wirkung auf die SPD nicht verfehlen.
 
Zuletzt bearbeitet:
- kleiner Exkurs:
Der massive Ausbau von Festungen, spricht eigentlich erstmal dagegen. Festungen baut man in der Regel, wenn man damit rechnet/fürchtet angegriffen zu werden, nicht wenn man beabsichtigt annzugreifen, dann wiederrum bat man Transportinfrastruktur, Kommunikationseinrichtungen und die Aufklärung aus, wennn man die Mittel nicht dirket in Vermehrung von diealer Weise schnellen Truppen steckt.
Anfangs, vor den Zeiten der Eisenbahn, vor den gezogenen Geschützen, dienten Festungen der Verteidigung relevanter Knotenpunkte - das änderte sich allerdings im 19. Jh. Bei Moltke kann man nachlesen, dass große Lagerfestungen (z.B. die Bundesfestungen) einerseits die Basis von Aufmarschbewegungen darstellten und zugleich andererseits im Fall von hemmender Gegenwehr ein "vorbereitetes Schlachtfeld" in günstiger (befestigt, armiert) Position bieten. Nach 1885 (Brisanzkrise) wurden Festungen relevant zur ungefähren Steuerung des anvisierten Kriegsverlaufs: im Schlieffenplan waren die Festungen Metz und Diedenhofen der Angelpunkt, die Drehtür der Vorwärtsbewegung und Sicherung zugleich, die Festungen Mainz (Selztalstellung), "KW II" zusammen mit Straßburg im Elsass sowie ganz im Süden Istein dienten der Absicherung gegen eine Gegenoffensive. Man muss dazu bedenken, dass diese vorbereiteten Festungszonen die zentralen Kommunikationsknoten (Straßen, Bahn, Flußquerung) kontrollierten und von enormer Weitläufigkeit waren.
Der extreme Ausbau von Metz (Fortgruppen, gesplittete Festungszonen etc mit Panzerfortifikation und mit allem zipp und zapp) sowie KW II im Elsass und die monströs riesige Selztalstellung waren tatsächlich quasi "agressive", eindeutig Richtung Westen gerichtete "Aufrüstung" für Angriffsoperationen.
Nicht anders stellt sich die Lage der vorbereiteten, hier von Ost nach West gerichteten Aufmarschzonen der russischen Aufrüstung entlang der "alten" poln.-russ. Grenze (z.B. Terespol/Brest) und in Masowien bzw. dem russ. annektierten Teil Polens die Bahn- & Festungslinie am Narew (Osowiec-Lomza etc) und das gigantomanische Festungsdreieck Modlin-Warschau-Zegrze. Diese Anlagen waren eindeutig aggressiver Natur mit Westausrichtung und bei weitem nicht "nur" Verteidigungspositionen.
 
- kleiner Exkurs:

Anfangs, vor den Zeiten der Eisenbahn, vor den gezogenen Geschützen, dienten Festungen der Verteidigung relevanter Knotenpunkte - das änderte sich allerdings im 19. Jh. Bei Moltke kann man nachlesen, dass große Lagerfestungen (z.B. die Bundesfestungen) einerseits die Basis von Aufmarschbewegungen darstellten und zugleich andererseits im Fall von hemmender Gegenwehr ein "vorbereitetes Schlachtfeld" in günstiger (befestigt, armiert) Position bieten. Nach 1885 (Brisanzkrise) wurden Festungen relevant zur ungefähren Steuerung des anvisierten Kriegsverlaufs: im Schlieffenplan waren die Festungen Metz und Diedenhofen der Angelpunkt, die Drehtür der Vorwärtsbewegung und Sicherung zugleich, die Festungen Mainz (Selztalstellung), "KW II" zusammen mit Straßburg im Elsass sowie ganz im Süden Istein dienten der Absicherung gegen eine Gegenoffensive. Man muss dazu bedenken, dass diese vorbereiteten Festungszonen die zentralen Kommunikationsknoten (Straßen, Bahn, Flußquerung) kontrollierten und von enormer Weitläufigkeit waren.
Der extreme Ausbau von Metz (Fortgruppen, gesplittete Festungszonen etc mit Panzerfortifikation und mit allem zipp und zapp) sowie KW II im Elsass und die monströs riesige Selztalstellung waren tatsächlich quasi "agressive", eindeutig Richtung Westen gerichtete "Aufrüstung" für Angriffsoperationen.
Nicht anders stellt sich die Lage der vorbereiteten, hier von Ost nach West gerichteten Aufmarschzonen der russischen Aufrüstung entlang der "alten" poln.-russ. Grenze (z.B. Terespol/Brest) und in Masowien bzw. dem russ. annektierten Teil Polens die Bahn- & Festungslinie am Narew (Osowiec-Lomza etc) und das gigantomanische Festungsdreieck Modlin-Warschau-Zegrze. Diese Anlagen waren eindeutig aggressiver Natur mit Westausrichtung und bei weitem nicht "nur" Verteidigungspositionen.

Ich muss zugeben, dass ich mich mit den Festungenn im polnischen Bereich nicht so gut auskenne.

Mir ist durchaus bewusst, dass Festungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts keine klassischen Punktverteidigungssysteme mehr sind und das es vor allem auch darum geht im größeren Stil Aufmarschräume abzusichern und als einigermaßen frontnahe Depots zu fungieren, um die logistischen Schwierigkeiten bei der Mobilisierung zu entlasten.

Gerade im Bezug auf den Festungskomplex Metz-Diedenhofen, wird man aber neben ihrer angedachten Funktion als Orientierungs- und Koordinierungspunkt für den Schlieffenplan auch die Verlegung des Weges nördlich um die Vogesen herum für die Franzosen und vor allem auch den Schutz gewisser Erzbergwerke auf dem Schirm haben dürfen, zumal man gemäß Schlieffenplan ja durchaus auch mit frannzösischen Angriffsbemühungen rechnete, so dass diese Festungen am Ende wahrscheinlich im Rahmen hybrider Funktionen am Besten umschrieben sind.

Dennoch sind Festungen nun nicht unbedingt Angriffswaffen par excellence aus deren Errichtung man auf Absichten für einen künftigen Überfall schließen müsste.
 
Beim Aufmarsch der 8.Armee in Osten, es handelte sich nur um eine einzige Armee kam es schon zu Stockungen. Konkret bei Dirschau. Dort waren die Gleise zweispurig. Im Prinzip hatte man im Generalstab überhaupt kein „Siegesrezept“ gegen das Zarenreich, da alle entsprechenden Kriegsspiele gewissermaßen ins Leere gelaufen waren. Man war zwar erfolgreich auf russisches Territorium vorgedrungen, aber ein entscheidender Sieg war ausgeblieben. In der Sache stellte man dann den Großen Aufmarsch Ost ein und zog es vor, zunächst einmal auf die Österreicher zu vertrauen; obwohl man deren Schwächen kannte. Man stellte den k.u.k. Generalstab einen Gegenangriff auf der Narew in Aussicht und damit hatte es sich dann.

Naja, aber Dirschau liegt mitten in Westpreußen, das hat mit der Zulänglichkeit des Ostpreußischen Bahnnetzes relativ wenig zu tun.
Abgesehen davon, ist denn zu klären, was genau für die Stockungen verantwortlich war? Waren das wirklich mangelnde Gleiskapazitäten oder spielen da vielleicht menschliche Fehler, Probleme mit dem rollenden Material, mangelnde Bevorratung der Versorgungsdepots mit Kohle und Wasser für die Loks oder ähnliches eine Rolle?

Stockungen alleine sind ja noch kein Beweis, dass die Gleiskapazitäten mangelhaft gewesen wären.

Ich würde auch meinen, dass das Eisenbahnsystem ganz gut funktioniert hat, als man nach dem Zusammenstoß bei Gumbinnen spontan und eiligst weite Teile der 8. Armee in Richtug Gilgenburg-Neidenburg umgruppierte.

Ein Beispiel zum Thema Festungen.

Kluck und Below beklagten die insgesamt mangelhafte Vorbereitung Ostpreußen in Rahmen des Schlieffenplans. Kluck ließ eine Übung in Lötzen mit der Festung Boyen abhalten und die Schwierigkeiten der Verteidigung wurden offenbar. Der Generalstab plädierte also folgerichtig 1912 für einen Neubau; mindestens aber für eine Modernisierung. Beides wurde abgelehnt wegen des lieben Geldes. Es grassierte noch der Flottenwahn. Als Kluck anregte die Angerapp-Linie zu befestigen, wurde dies mit dem Hinweis auf die Weichsellinie, insbesondere Graudenz, abgelehnt. Dabei sollte der Rückzug auf die Weichsel doch wohl eher die Ultima Ratio sein.

Da möchte ich sehr ernsthaft die Frage gestellt haben, ob im Rahmen des Schliffenplans oder im Rahmen eigener Überlegungen und Interessen.

Natürlich waren die Befestigungen in Lötzen veraltet.

Aber welcher russische Befehlshaber hätte auf die Idee kommen sollen, mindestens mal signifikannte Teile einer über 100.000 Mann starken Armee, über die nun wirklich schmalen Wege durch die für Fallen ideale masurische Seenplatte zu schicken?
Letztendlich wurde die Festung mal kurzzeitig von den Russen belagert, weil sie im Randgebiet der masurischen Operation lag, aber doch niemals annähernd mit dem Ziel dort einen schnellen Durchbruch zu erreichen und signifikant große Kräfte hindurch zu schleusen.
Du schreibst unten selbst, dass es aus russischer Sicht, wegen der Geographie und der Seen auch ohne Modernisierung für die Russen notwendig war ihre Kräfte zu teilen und die masurischen Seen zu umgehen.
Und das zeigt doch eigentlich ganz gut, wie sehr die Forderung dort eine neue Festung zu errichten oder die Alte zu modernisieren, doch eigentlich an der Realität vorbei ging.
Hätte man diese Festung modernisiert, hätte man für Millionen von Reichsmark schweres militärisches Gerät in der Pampa montiert, in einem Bereich, den die Russen auch ohne dass man es getan hätte ohnehin weitesgehend vermieden hätten.

Ich hab mir den Spaß einfach mal via Google-Earth angeschaut, weil das Ding ja dankenswerter Weise ein Tool besitzt um Entfernungen zu messen.
Die Landenge zwischen den Seen, die durch die Feste Boyen blockiert wird, durchmisst heute ungefähr 1,6 Km.
Neben der Feste Boyen befindet sich auf selbiger Landzunge heute auch noch ein Gewässer mit der Bezeichnung:

"Jezioro Popówka Wielka" (Leider bin ich des Polnischen nicht mächtig, so dass ich Schwierigkeiten habe darüber mehr Informationen zu finden).

Popówka Wielka – Wikipedia, wolna encyklopedia

Das Ding durchmisst an der breitesten Stelle in Ost-West-Richtung, nach den Mess-Tools von Google Earth ungefähr 400-450 m.

Ich hab bisher noch nichts dazu finden können, ob dieses Gewässer schon damals vorhanden war und ob sich die Uferlinie der Masurischen Seen seit Beginn des 20. Jahrhunderts signifikant verändert hat.

Heute beträgt die Entfernung des Westufers nämlichen Gewässers zum Ufer des Kissainsees an die 250m.
Die Entferung zwischenn dem Ostufer des polnischnamigen Gewässers und den Mauern der alten Feste Boyen weniger als 200m und die Entfernung der Befestigung der Feste Boyen zum Löwentinsee nochmal an die 200 m.

Die Entfernung zwischen Jezioro Popówka Wielka (Ostufer) und Löwentinsee (Westufer) beträgt Luftlinie durch die Befestigung der Feste Boyen hindurch keine 900 m.

Die Entfernung zwischen dem Südufer des Kissainsees und der Feste Boyen durch einen Teil des "Jezioro Popówka Wielka" hindurch, an die 850 m.

Wie gesagt, was den den "Jezioro Popówka Wielka" angeht, weiß ich nicht ob der historisch schon vorhanden war oder erst später angelegt wurde.
Ich nehme an, dass sich die Uferlinie der Seen nicht signifikant verändert hat und temperatur- und niederschlagsbedingt vielleicht etwas variiert und ein paar m abweichen mag, aber nicht im allzu bedeutenden Ausmaß.

Selbst wenn die Russen aufgetaucht wären und die Feste Boyen in Rekordzeit zusammengeschossen hätten, wären die Trümmer einem Vormarsch im Weg gewesen und man hätte sie umgehen müssen.

Dazu wären ein Streifen Fläche von einer Breite von etwa 200 m zwischen den Befestigungen und dem Löwentinsee und ein Streifen Fläche von einer Breite von etwa 850 m zwischen der Befestigung und dem Kissainsee zur Verfügung gestanden, vorausgesetzt, dass es den "Jezioro Popówka Wielka" damals noch nicht gegeben haben sollte, sollte es ihn doch gegenen haben reduzierte sich der Raum für die Umgehung des Hindernisses auf jeweils ungefähr 200 m östlich und 200 m westlich davon, wobei dann für wirklich schweres Gerät in Ermangelung befestigter Straßen abseits, und schwere Nachschubtransporte wahrscheinlich nur der Streifen zwischen dem "Jezioro Popówka Wielka" und der Befestigung in Frage gekommen wäre.

Heißt selbst bei völliger waffentechnischer Untauglichkeit und gegebener russischer Möglichkeit die Feste Boyen binnen Rekordzeit zu Ruinen zu schießen, hätten selbst im optimalen Fall mehrere 10.000 Mann samt schweren Geräts durch zwei Nadelöhre mit Breiten von 200 m und 850 m, falls der "Jezioro Popówka Wielka" schon in seiner heutigenn Form existiert haben sollte, durch 3 Nadelöhre mit einer Breite von jeweils etwa 200m geschickt werden müssen, mit einer einzigen vernünftig ausgebauten Straße und einer für die Russen wegen der falschen Spurbreite nur zum marschieren brauchbaren Bahntrasse.



Jetzt möchte ich dich einfach fragen, wozu man an dieser Stelle verstärkte Festungsanlagen errichten müsste?

Ein Nadelöhr von der Breite von 850m, selbst wenn der "Jezioro Popówka Wielka" noch nicht existiert haben sollte, ist mit einer oder zwei Artillerie-Batterien und ein paar Maschinengewehren problemlos in einer Art einzudecken, dass man einen Feind da ziemlich lange hinhalten hätte können, bei immensen Verlusten.

Ansonsten, sollte der "Jezioro Popówka Wielka" noch nicht existiert haben, hätte man noch vom Ufer des Kissain-Sees ein paar kanalartige Gräben in Richtung der Feste Boyen ziehen können um wesentlich kostengünstiger noch einen Teil der Fläche zu verlegen.
Den russischen General, der da , zumal in einer Zeit, die hinreichend sein müsste um den Franzosen effektiv zu helfen mehrere Divisionen bis eine Armee hindurchbekommen wollte, würdest du schwerlich gefunden haben.
 
Die Angerapp als potentielle Abwehrlinie hatte ich ja auch schon thematisiert, nur womit sie bemannen?
Ostpreußen hat gegen Osten, Nordosten und Südosten ein paar brauchbare natürliche Hindernisse, aber kaum welche gegen Südwesten.
So lange man nur eine einzige kleine Armee mit geschwächten Reserven in Ostpreußen aufzubieten hatte und damit rechnen musste von 2 oder mehr russischen Armeen von Osten und Süden her gleichzeitig angegangen zu werden, musste mit Rücksicht auf die eigenen Nachschublinien und Rückzugswege ja priorisiert der Südwesten verteidigt werden.
Das man nach dem Zusammenstoß bei Gumbinnen schnell umdisponierte und die 8. Armee größtenteils verlegte, hatte ja durchaus seinen guten Grund darin, dass man um seine Nachschub- und Rückzugsmöglichkeiten fürchtete.

Wenn man aber nicht effektiv beides gleichzeitig verteidigen konnte, warum dann im östlichen Ostpreußen Stellungen ausbauen, die man im Ernstfall ohnehin nur mit etwas Königsberger und Lötzener Garnison und etwas Landwehr hätte bemannen können, die einer ausgewachsenen russischen Feldarmee wenig entgegen zu setzen gehabt hätten?

Das so etwas wie die Tannenbergschlacht derartig optimal gelingen würde, dass man eine russische Armee dadurch weitgehend zerschlagen konnte, statt lediglich bestenfalls einen Frontalsieg zu erreichen und sie ein paar Km zurück zu werfen, war doch nicht planbar.
Wäre das lediglich ein Frontalsieg geworden, ist doch völlig klar, dass man Otpreußen militärisch hätte räumen müssen.
Man hätte dann mit der inzwischen auch in Mitleidenschaft gezogenen 8. Armee nicht einfach wieder nach Osten gehen können, wenn die Bedrohung der Rückzugswege und des Nachschubs durch eine angeschlagene aber nach wie vor bestehende Narew-Armee weiterhin gegenwärtig gewesen wäre, während was man an der Angerapp gegen Rennenkampf noch aufzubieten gehabt hätte an regulären Truppen nicht der Rede Wert war.

Wäre die Russische 2. Armee nicht mehr oder minder völlig zerschlagen worden, hätte die 8. Armee kaum Truppenteile für die Bildung der 9. Armee erübrigen können und ob 2 angeschlagene Armeekorps von der Westfront hinreichend gewesen wären Rennenkampff dauerhaft in Schach zu halten, mag dann auch dahingestellt sein, jedenfalls hätte dieser bis zu deren Eintreffen Zeit gehabt die Angerapp-Linie zu überwinden, mit nicht viel nennenswertem Widerstand.

Eine Befestigung hier hätte vielleicht Sinn gemacht, wenn man für Ostpreußen von Anfang an 2-3 frische Korps mehr zur Verfügung gehabt hätte.
Die an einer ausgebrauten Angerapp-Linie um die Njemen-Armee lange hinzuhalten und die 8. im südwestlichen Ostpreußen, das hätte funktionierenn können.
Aber ohne dem, hätte man bei Vorgehen der Russen im südlichen und im östlichen Ostpreußen, wenn man sich im Osten an festen Punkten festkrallen wollte, wahrscheinlich damit kalkulieren müssen, dass es dann notwendig gewesen wäre, die 8. Armee noch zu teilen um gleichzeitig im Süden zu kämpfen und die Angerapp-Linie besetzt halten zu können.

Wenn das deutsche Heer gemäß den Großen Aufmarsch Ost einen Bewegungskrieg in Ostpreußen führen sollte, dann war dazu doch wohl sicherlich ein entsprechendes Eisenbahnnetz erforderlich. Moltke hatte sicher nicht umsonst zuletzt im März 1914 den Ausbau gefordert. Der aller größte Teil der bewilligten Gelder floss aber in den Westen. Es dürfte angesichts der Erfahrungen von 1870 doch klar gewesen sein, dass er kommende Krieg ganz sicher auch ein Eisenbahnkrieg sein dürfte und unter diesem Gesichtspunkt war das Netz in Ostpreußen. Die eine von den zwei zweispurigen Eisenbahnlinien lag auch noch relativ nahe der Grenze zum Zarenreich.

Wenn wir ganz ehrlich sind, ist dieses Handeln nicht so unbedingt widerspruchslos. Es müsste doch klar sein, dass man, wenn man die Ost-Operation ad acta legt, man die eigenen Argumente die militärische Infrastruktur im Besonderen im Osten ausbauen zu wollen, nicht unbedingt stärkt.

Davon ab, wäre aber nach wie vor die Frage im Raume, wäre es Ausbau für die angedachten Operationen wirklich notwendig und zielführend gewesen?
Du hattest von Stockungen bei Dirschau gesprochen, nur wie gesagt, ist das zum einen Westpreußen und nicht das ostpreußische Eisenbahnnetz und zum anderen ist die Stockung an und für sich kein Beleg für mangelnde Gleiskapazitäten.
Wenn sich diese als Hauptproblem irgendwo finden lassen, dann möchte ich nichts gesagt haben, aber so lange als Grund auch einfaches menschliches Versagen, mangelnde Bevorratung mit Betriebsmitteln oder Probleme mit dem rollenden Material infrage kommen, sehe ich das nicht als erwisen an.

Davon ab, wenn man Stockungen für ein Problem hält, wie gedachte Moltke das Problem mit der russischen Spurbreite denn zu lösen?

Abgesehen von der Tatsache, dass wenn Dirschau (was ich mir wegen der Weichsel-Überquerung durchaus vorstellen kann) ohnehin ein Nadelöhr war, der Ausbau von Gleiskapazitäten in Ostpreußen dieses Problem nicht behoben, sondern allenfalls verschärft hätte, hätte man die "Stockungen" der Truppen, wenn man keine Lösung für die russische Spurbreite hatte, doch nicht behoben, sondern lediglich ein paar Km nach Osten verschoben.
Dennoch hätte die Problematik der Spurbreite inklusive der damit verbundenen Verzögerungen den Vorteil des Mobilisierungsvorsprungs weitgehend egalisiert.
Da liegt doch das eigene Problem, im Besonderen, wenn die Russen durch die neuen Bahnen auf ihrer Seite die Mobilisierung beschleunigen konnten.


Was den südlichen Zweig der "Ostbahn" angeht, lag der sicherlich zum Teil besorgniserregend nah an der Grenze.
Was mich aber wiederrum zu der Frage führt, warum man auf die Idee kommt, im für moderne Operationen größeren Stils eher unbedeutenden Lötzen die Feste Boyen modernisieren zu wollen, die kein russischer General, der bei Verstand war, jemals als Einfallstor im großen Stil ansehen würde, während man Mittel, die man dafür verschwenden wollte, etwa auch hätte verwenden können um den Abschnitt Thorn-Strasburg (Westpr.) mit Hindernissen zu versehen und somit den südlichen Teil der Ostbahn abzuschirmen, gleichzeitig wären solche Anlagen dem Schutz des Weichselabschnitts zugute gekommen.

Ich meine, ich bin kein militäricher Fachmann und ich möchte mich nicht als etwas aufspielen, was ich nicht bin.
Aber in diesem Abschnitt nichts zu tun und bei der schwachen zu erwartenden Mannstärke sich an die Angerapp klammern oder dass, für moderne Operationen größeren Stils eher wenig bedeutende Lötzen ausbauen zu wollen, erscheint mir für Operationen in diesem Gebiet weder gemäß Ostaufmarsch, noch gemäß Schlieffenplan, als besonders sinnvoll.
 
Königsberg war gar nicht so unwichtig. Einmal war dort ein Seehafen und dann verlief die zweispurige Eisenbahnlinie nach Insterburg durch Königsberg. Königsberg war sicher auch eine potenzielle Flankendrohung für die zaristische Armee. Nicht umsonst wurde die 1.Armee unter Rennenkampf in Richtung Königsberg in Bewegung gesetzt. Durch die Geographie Ostpreußens mussten die beiden russischen Armee getrennt marschieren. Die 1. in Norden an der Masurischen Seenplatte vorbei, die 2.Armee, die den Rückzug der Deutschen an die Weichsel verlegen sollte, im Süden an die Seenplatte vorbei.

Aber der Königsberger Hafen wurde doch erst in der Weimarer Zeit massiv ausgebaut, weil es wegen der Gebietsabtretungen und der Zollstreitigkeiten schwierig wurde Export und Import über Danzig und Memel abzuwickeln.
Davon ab, liegt vor Königsberg das Frische Haff, mit seiner eher geringen Tiefe und das Nadelöhr an der Frischen Nehrung, die das Haff mit der Ostsee verbindet.
Ich wäre an dieser Stelle überfragt, wenn ich beantworten sollte, ob es zu dieser Zeit überhaupt möglich war, den Königsberger Hafen mit Schiffen mit größerer Tonnage anzufahren.

Für militärische Aktionen der Seestreitkräfte beider Seiten musste der Hafen eigentlich eher ungünstig sein, weil man an der Frischen Nehrung vorbei musste und dieser Engpass ist eigentlich ein ideales Jagtrevier für Torpedo- und Tauchboote.
Von dem her im Krieg selbst wahrscheinlich eher uninterssant.
Was wurde da im größeren Stil umgeschlagen? Holz und landwirtschaftliche Produkte aus Ostpreußen, würde ich meinen, aber kaum irgenwas Kriegswichtiges.
Mit der Eisenbahnlinie hätten die Russen der Spurbreite wegen relativ wenig anffangen können und wenn sie einen Teilabschnitt dieser Bahn den Deutschen zeitweise abgenommen hätten, wäre das wohl kaum Kriegsentscheidend gewesen.
Inwiefern war Königsberg eine potentielle Flankenbedrohung für ganze Armeen? Die 8. Armee war eine potentielle Flankenbedrohung für die Russen, aber doch nicht die Festung Königsbergs, mit ihren paar Garnisonssoldaten. Die war höchstens ein potentielles Ärgernis für den Nachschub, aber diese "Bedrohung" hätte man problemlos abstellen können, wenn man im Vorbeiziehen 1-2 Divisionen dort gelassen hätte, um die Stadt wenigstens ostwärts zu belagern.
Eine tötliche Gefahr war das durchaus nicht und wenn die Russen da am Ende 1-2 Reservedivisionen hätten abstellen müssen hätte das an den Kräfteverhältnissen im Osten qualitativ kaum etwas geändert.

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Ich stelle mir nach wie vor die Frage, warum dort Befestigungen?

Für eine Ost-Operation hätte man sie kaum benötigt, die hätte man, wenn man sich dafür entschieden hätte, den Mobilisierungsvorsprung ausnutzend, sofort auf russisches Gebiet getragen, und wenn wir ehrlich sind, als Depots für die Versorgung eines solchen Feldzugs, lagen die bestehden Befestigungen in Königsberg und Lötzen jetzt auch nicht unbedingt an idealer Stelle.
Da hätten im Osten Gumbinnen und Tilsit verkehrsgünstiger gelegen und zeitgleich weit genug im Inland um nicht handstreichmäßig genommen werden zu können.
Wenn man südlich gegen Warschau operieren wollte, dafür Depots benötigte und Wert darauf legte, die ein wenig von der potentiellen Front entfernt zu halten, hätten sich wahrscheinlich Bromberg und Osterode angeboten.


Falle einer West-Operation, mussten doch demgegenüber 2 Dinge klar sein:

Man musste damit rechnen, dass die eigenen Kräfte in Ostpreußen von Osten und Süden her angegriffen würde und man hatte nur eine Armee um das zu verteidigen. Wenn man nicht von vorn herein auf die hochriskannte Karte einer Vernichtungsschlacht setzen wollte und gleichzeitig bedenkt, dass es im Süden kaum natürliche Hindernisse gab und hier die Gefahr für die Nachschublinien lag und dass die Kräfte nicht ausreichten um 2 oder mehr russische Armeen gleichzeitig zu bekämpfen, konnte der Schluss eigentlich nur lauten jedenfalls im östlichen Teil Ostpreußens Land aufzugeben.
Im Südwesten, wäre das so lange die eigenen Truppen noch in der Provinz standen, mit der Versorgung kritisch geworden.
Warum Festungen errichten, die man am Ende möglicherweise kampflos aufgeben muss, weil priorisiert mit allen zur Verfügung stehenden Kräften der Süden verteidigt werden muss und man damit rechnen muss den Osten ohnehin räumen zu müssen?
Ganz davon abgesehen, dass man bei einer West-Operation doch ohnehin im Osten lediglich primär Zeit hätte gewinnen müssen, weil egal wie oft die Russen Königsberg genommen hätten, bei einer Niederlage Frankreichs und anschließender großflächiger Umgruppierungen deutscher Truppen der Keks ohnehin zu Gunsten der Zentralmächte gegessen gewesen wäre und darauf hatte man in diesem Fall doch gesetzt und für das Scheitern der Westoperation doch ohnehin keinen Plan B?
Warum die Russen also nicht weit nach Ostpreußen hineinmarschieren lassen?
Wie gesagt, im Grunde gab es dort nichts übermäßig Kriegswichtiges. Beschädigungen wären ärgerlich gewesen, gleichwohl bei einem Sieg nach Fahrplan gemäß Schlieffenplan, wäre dafür ohne weiteres Repatation zu bekommen gewesen und der Schaden wäre nicht annähernd so groß gewesen, als wenn sich die Russen Schlesien als Zielobjekt ausgeguckt hätten.

Die mussten doch relativ schnell begreifen, nachdem im Westen die Hölle ausbrach und im Osten von deutschen Truppen weit und breit nichts zu sehen war, dass sie es an der deutschen Front mit nummerisch relativ schwachen Gegnern zu tun hatten.


Wenn man die Aussicht auf eine Umfassungsoperation in Ostpreußen durch starke Fortifikation deutlich verschlechtert hätte, was hätte die Russen eigentlich daran hindern sollen, in Erkenntnis, dass die deutschen Kräfte für einen Angriff ohnedies zu schwach waren, weil sie sonst längst angegriffen hätten, Teile ihrer eigenen Kräfte nach Südwesten umzugruppieren und damit Oberschlesien und Krakau zu bedrohen?

Verluste in dieser Region konnten sich die Zentralmächte doch viel weniger leisten, als in Ostpreußen, weil Kriegs- und auch zivilwirtschaftlich der Schaden durch potentielle Verwüstungen viel größer gewesen wäre, auch das Flüchtlingsproblem und möglicherweise hätten die Österreicher dann auch völlig die Nerven verloren, wenn in diesem Raum Russische Truppen auftauchten ein Deutscher Entlastungsangriff ausblieb und in Galizien längst alles angefangen hatte schief zu laufen.

Und dann hat man an dieser Stelle ja noch gar nicht darüber diskutiert, was dabei hätte herauskommen können, wenn die Russen sich für eine andere Aufmarschvariante mit stärkerer Priorität auf Deutschland entschieden hätten?
Der Deutsche Generalstab war ja nun nicht der Einzige der, jedenfalls zeitweilig mal, mit Alternativen spielte.

Was passiert, wenn die Russen nicht mit 2 Armeen gegen Deutschland aufmarschieren, sonderen mit 3 Armeen und die Dritte davon in den Raum weiter westlich oder südwestlich schicken, dass es für Schlesien oder die Weichselübergänge direkt gefährlich wird?

Ich denke in einem solchen Fall hätte man an den Gedanken in Ostpreußen irgendwas verteidigen zu wollen keine Zeit mehr verschwenden müssen. Wäre vollständig illusorisch gewesen und jede Befestigung, die man da gebaut hätte, hätte man nur errichtet um sie ohne größere Kampfhandlungen dem Feind zu überlassen.
 
Dennoch sind Festungen nun nicht unbedingt Angriffswaffen par excellence aus deren Errichtung man auf Absichten für einen künftigen Überfall schließen müsste.

Das behaupte ich auch gar nicht. Die im Osten waren ja nach den Prämissen des Schlieffenplans für die Verteidigung nicht soo ganz unwichtig.
 
Und das zeigt doch eigentlich ganz gut, wie sehr die Forderung dort eine neue Festung zu errichten oder die Alte zu modernisieren, doch eigentlich an der Realität vorbei ging.
Hätte man diese Festung modernisiert, hätte man für Millionen von Reichsmark schweres militärisches Gerät in der Pampa montiert, in einem Bereich, den die Russen auch ohne dass man es getan hätte ohnehin weitesgehend vermieden hätten.
möglicherweise hat man aus solchen Gründen darauf verzichtet, die begonnene (sic!) Gerippestellung in der masurischen Seenplatte weiter auszubauen. Begonnen hatte man, nach den Prinzipien von Schumann Panzerstände quasi linear im Gelände zu verteilen (Neumann, Festungsbaukunst) und damit eine Sonderform der Befestigungsgruppen zu etablieren. In den Wäldern um/bei Boyen müssen noch etliche Fundamente der Schumannschen "schachbrettartig im Gelände verteilten" Festungsteile vorhanden sein, d.h. der Festungsbereich Boyen bestand nicht nur aus dem veralteten großflächigen Sperrfort.
 
Ein paar Sätze zu Dirschau:

Gerade der über die Weichsel führende Übergang bei Dirschau wurde stark beansprucht. Man darf dann davon ausgehen, das die Gleiskapazitäten nicht hinreichend waren. Für die 8.Armee liefen täglich 110 Transporte von denen täglich 50 bei Dirschau die Weichsel überquerten.
 
Ein paar Sätze zu Dirschau:

Gerade der über die Weichsel führende Übergang bei Dirschau wurde stark beansprucht. Man darf dann davon ausgehen, das die Gleiskapazitäten nicht hinreichend waren. Für die 8.Armee liefen täglich 110 Transporte von denen täglich 50 bei Dirschau die Weichsel überquerten.

Das wären also 50 Fahrten hin und zurück für die 8. Armee a 24 Stunden, wären etwa alle halbe Stunde ein Zug nach Osten und im gleichen Rythmus je einer nach Westen zurück.
Stelle ich mir eigentlich recht machbar vor, sofern man in der Lage war dem militärischen Verkehr konsequent Vorrang vor der zivilen Verkehr einzuräumen und hin und wieder Bahnhöfe und Ausweichgleise hatte, um den zivilen Verkehr bei bedarf zu pausieren und den Militärischen durchrollen zu lassen.

Das scheint mir an Belastung für eine zeispurigen Abschnitt eigentlich nicht unrealistisch zu sein.

bist du dir sicher, dass die Strecke in diesem Abschnitt zweispurig war und das auf auf die Weichselbrücken zutrifft?
 
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