Gründe für Spaniens Untergang als Weltmacht?

pedi

Neues Mitglied
Hallo zusammen!
Da mir letztens als ich einen geschichtlichen Beitrag gelesen habe Spanien als solches in den Sinn gekommen ist, wollte ich fragen was die Beweggründe waren warum Spanien z.B. heutzutage oder auch im 19. Jhdt. keine Weltmacht mehr ist?!

Mit der Vertreibung der Mauren von der iberischen Halbinsel (Wiedereroberung - Reconquista) und der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 stieg Spanien vorübergehend zur Weltmacht auf.

Und ich bin die ganze Zeit schon am Grübeln komm aber zu nichts und jetzt wollte ich mal die Geschichtsprofis ranlassen! Vielen Dank schonmal im Vorraus!

mfg pedi
 
Die Gründe sind unterschiedliche. Man kann sie in zwei Gruppen einteilen, die sich untereinander bedingen: gesellschaftlich-wirtschaftliche Gründe und militärisch-politische Gründe.
Auf der einen Seite hatten die Spanier zwar Einnahmen aus den Gold-und Silberminen Zentral- und Südamerikas, aber ihre Ausgaben waren höher als ihre Einnahmen (allein die Flotten die zum Schutz der Handelswege bereitstehen mussten, verschlangen schon den größten Teil des Wertes der von Amerika nach Spanien transportiert wurde). Zeitgleich drückte vor allem das Silber, das auf den europäischen Markt geschwemmt wurde, den Wert des Silbers (es war auch nicht gerade förderlich, dass das Münzfälscherhandwerk blühte) es kam also zur Inflation.
Statt in die Wirtschaft zu investieren, investierte man lieber in Paläste und Prestigeobjekte, eine Menge an Geldern gingen auch in die Kriege gegen Osmanen, Franzosen, Engländer und Niederländer. Juden (1492) und Muslime (1492, 99, 1570/1, endgültig 1608/09) wurden gleichzeitig von der iberischen Halbinsel vertrieben und damit zwei wichtige Gruppen in der Wirtschaft der iberischen Halbinsel ausgeschaltete. die Juden hatten Verbindungen sowohl in den arabisch-islamischen Raum, als auch in den christlich-europäischen Raum, den andere so nicht hatten, die Muslime kultivierten Nutzpflanzen, die mit ihrer Vertreibung von der Península verschwanden. Die Spanier waren sich zu einem großen Teil zu gut zu arbeiten, vor allem die hidalgos. Das waren in den Adelsstand erhobene, ohne "Herkunft", die aber nun - als Adelige - standesgemäß nicht mehr bereit waren zu arbeiten. Und von denen, die bereit waren, gingen viele nach Amerika.
Mit der Aufklärung kamen auch die Ideen der Aufklärung nach Amerika, und nachdem Ferdinand VII. in der Verfassung von 1812 (Hintergrundinfos dazu) nicht mehr absoluter Monarch von Gottes Gnaden war, sondern an die Konstitution gebundener Monarch, dies aber 1814, recht undankbar dafür, dass das liberale Spanien ihm während der Besetzung durch Napoleons Truppen treu geblieben war, rückgängig machte, da war auch den Amerikanern die Idee gekommen, dass es nicht gerecht sei, was sie von der spanischen Krone erdulden mussten. Die meisten südamerikanischen Staaten kamen daher zwischen 1816 und 1824 nach teilweise blutigen Auseinandersetzungen in die Unabhängigkeit. Nur Kuba und Puerto Rico gehörten noch bis 1898 zur spanischen Krone.
 
gut danke für die antworten, jetzt versteh ich warum das so war, denn vorher konnte ich es einfach nicht verstehen, da mir Spanien früher (d.h. 16.Jhdt) immer sehr mächtig erschienen ist und dann in der Neuzeit nicht mehr.
Gibt es denn irgendwelche genaueren "Finalschlachten" hierzu?

mfg pedi
 
Gibt es denn irgendwelche genaueren "Finalschlachten" hierzu?
Ich würde eher von Finalfrieden reden und da gehört der Pyrenäenfrieden sicherlich dazu. El Quijote ist da aber Fachmann.
Meines Erachtens hatte Spanien im 17.Jh. noch einigen Einfluss in Europa, der dann durch den Abfall Portugals sicherlich auch abnahm. Bestimmt hat sich Spanien auch im 30-jährigen Krieg verausgabt. Was es da an Truppen und Geld investiert hat ist schon bedeutend und die Abtretung der Grafschaft Burgund an Frankreich mehr als ein kleines Zeichen. Die Bourbonen erbten dann eigentlich einen labilen Staat, der durch die Konflikte der 1720er sicherlich nicht an Macht wieder dazu gewann.
 
Ich würde eher von Finalfrieden reden und da gehört der Pyrenäenfrieden sicherlich dazu. El Quijote ist da aber Fachmann.
Meines Erachtens hatte Spanien im 17.Jh. noch einigen Einfluss in Europa, der dann durch den Abfall Portugals sicherlich auch abnahm. Bestimmt hat sich Spanien auch im 30-jährigen Krieg verausgabt. Was es da an Truppen und Geld investiert hat ist schon bedeutend und die Abtretung der Grafschaft Burgund an Frankreich mehr als ein kleines Zeichen. Die Bourbonen erbten dann eigentlich einen labilen Staat, der durch die Konflikte der 1720er sicherlich nicht an Macht wieder dazu gewann.

Um ehrlich zu sein: das 17. und 18. Jahrhundert sind nicht so sehr meine Baustelle. Zumal ich in Spanien den entsprechenden Kurs nur ein Cuatrimestre besucht habe, der aber zweisemestrig war (andere Kurse waren mir aber einfach wichtiger) und die Dozentin die ersten Monaten nur Statistiken runtergerattert hat *doppelgähn - einmal wg. des in Spanien üblichen Frontalunterrichts, zum anderen wegen der Materie*.
 
Natürlich ist unserem/n Spanien-Experten wenig beizufügen ;-)

Ich sehe dann als endgültige Bruchkannte den Thronübernahme durch die (französischen) Bourbonen (1700 inthronisiert/1714 endgültig bestätigt):

Spanien wird als souveräner Player währenddessen und damit endgültig aus der europäischen und Welt-Machtpolitik geworfen (was sich, wie Brissotin schon schrieb, über gut 50 Jahre schon vorbereitet hatte), indem
A) das französische Königshaus eine Sekundogenitur auf Spaniens Thron brachte , die, sei es in Spanien oder auch in Neapel (Königreich beider Sizilien), schwache Figuren hervorbachte, welche
B) dem anschließend ununterbrochenen Ringen Englands mit Frankreich um den maßgeblichen Einfluss über das europäische wie überseeische Spanien tatsächlich keine eigenständge Gegenwehr entgegenhalten konnten (bzw. bzgl. Frankreich: wollten).
Kurz: das spanische "Weltreich" ist nun Spielball, anfangs Einflußzone Frankreichs, was die Gegnerschaft des Britischen Königreichs logischerweise nach sich zog, welches anschließend seinen Einfluss wiederum - schon zuvor auf Portugal ausübend - endgültig mit Napoleons Ende auch auf Spanien ausbreiten kann.

Sehr fein (aus französischer Sicht - und doch geht es darin um Spanien) war zuletzt dazu unser Thread hier: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=11842

Spanischer Erbfolgekrieg: http://de.wikipedia.org/wiki/Spanischer_Erbfolgekrieg
der erste Bourbone auf Spaniens Thron: http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_V._(Spanien)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die wesentlichen Punkte hast du schon hervorgehoben, El Quijote. Ich will deshalb nur einige Ergänzungen anfügen.

In Spanien erlebte die Wirtschaft im 17. Jh. katastrophale Einbrüche. So ging z.B. die Industrie in Kastilien enorm zurück, die Tuch- und Wollproduktion stand am Rand des Zusammenbruchs, die Kriege machten dem katalanischen Exporthandel nach Süditalien ein Ende und der Handel zwischen Spanien und den Kolonien verminderte sich auf ein Viertel. Der Ackerbau litt unter den Wanderherden der "Mesta", der Organisation der Herdenbesitzer, und die landwirtschaftliche Produktion war beständig rückläufig. Zudem mehrten sich die Hungerjahre und oft war auch die Versorgung in den Städten und selbst auf dem Land gefährdet.

Der wirtschaftliche Rückgang bewirkte eine Abnahme der Steuern und die Krone sah sich dazu gezwungen, die Steuern laufend zu erhöhen und neue Steuern einzuführen, obwohl die Not der Bevölkerung dadurch weiter gesteigert wurde. Im Jahr 1654 teilte Philipp IV. den Cortes mit, dass die Staatsschuld auf 120 Millionen Dukaten angestiegen sei. Zur Vermeidung des drohenden Staatsbankrotts griff die Krone zur fortlaufenden Münzverschlechterung. Da zudem die Silberproduktion in Amerika merklich nachließ, fehlten dem Staat auch diese Mittel, die früher das Staatsdefizit gedeckt hatten. Zwischen 1654 und 1680 erfolgte eine allgemeine Inflation, die den Handel und das Gewerbe vollends ruinierte.

Die Gründe für diese Entwicklung muss man wohl in einer enormen Überdehnung der materiellen und menschlichen Ressourcen sehen. Bedingt durch seine Bindungen ans Heilige Römische Reich durch die Habsburger-Dynastie war Spanien in alle Kriege und Konfrontationen in Mittel- und Südeuropa verstrickt. So flossen aus Spanien bedeutende finanzielle und militärische Mittel in die Kämpfe gegen Frankreich und die deutschen Protestanten, gegen die Türken, in die aufständischen protestantischen Niederlande und den verheerenden 30-jährigen Krieg. Was aus den südamerikanischen Kolonien herausgepresst wurde, floss sofort weiter in die unablässigen europäischen Händel, in die die Habsburger verstrickt waren.

Innenpolitischen Problemen Spaniens schenkten die Habsburger hingegen wenig Aufmerksamkeit, was sich beim Nachlassen des südamerikanischen Gold- und Silberstroms bitter rächte. Als der letzte spanische Habsburger 1700 starb, war Spanien ein ausgeblutetes und rückständiges Land, das von seiner einstigen Größe zehrte.
 
Die Summe mehrerer Faktoren

Meiner Einschätzung nach kann man den Niedergang Spaniens nur aus der Summe mehrerer Faktoren erklären, die sich gemeinsam nachteilig auswirkten. Abgesehen von dem, was hier schon gesagt wurde, möchte ich zwei weitere Faktoren hinzufügen.

Bekanntlich sind Gold und Silber keine nachwachsenden Ressourcen und anfangs holten es sich die Spanier dort, wo es leicht zu bekommen war. Leicht auszubeutende Vorkommen waren einmal erschöpft und deshalb versagte der Zustrom finanzieller Mittel.

Als zweites erwähne ich die Konkurrenz anderer Kolonialmächte. Die Landkarte sah ja noch recht einfach aus, als sich Spanien und Portugal die koloniale Welt unter sich teilen durften. Vor allem die neue Kolonialmacht USA nahm Spanien einige Gebiete wie Californien, Texas, Florida und die Philippinen ab. Mexiko war einmal französisch besetzt. Engliche Seeräuber griffen die spanische Flotte an und wurden zuhause gelobt. Andere Nationen machten Konkurrenz durch Handel.

So gingen die Vorteile der Kolonialzeit Stück für Stück verloren. Als dann Bolivar in Lateinamerika zum Freiheitskampf aufrief, fehlten in Spanien die Mittel, um wirksam etwas unternehmen zu können.
 
Bekanntlich sind Gold und Silber keine nachwachsenden Ressourcen und anfangs holten es sich die Spanier dort, wo es leicht zu bekommen war. Leicht auszubeutende Vorkommen waren einmal erschöpft und deshalb versagte der Zustrom finanzieller Mittel.

Daran lag es aber eigentlich nicht. Teilweise werden die Minen des 16. Jahrhunderts noch bis heute ausgebeutet, z.B. Potosí. Es war weniger die Erschöpfung, als vielmehr das Gegenteil: der zur Inflation führende Überfluss, siehe auch Beitrag 2.

Als zweites erwähne ich die Konkurrenz anderer Kolonialmächte. Die Landkarte sah ja noch recht einfach aus, als sich Spanien und Portugal die koloniale Welt unter sich teilen durften. Vor allem die neue Kolonialmacht USA nahm Spanien einige Gebiete wie Californien, Texas, Florida und die Philippinen ab. Mexiko war einmal französisch besetzt. Englische Seeräuber griffen die spanische Flotte an und wurden zuhause gelobt. Andere Nationen machten Konkurrenz durch Handel.

Die französische Intervention in Mexiko ging die Spanier nichts mehr an, da war Mexiko längst unabhängig. Wichtiger für den Einflussverlust Spaniens in der Neuen Welt ist die napoleonische Besetzung Europaspaniens.
Ähnliches gilt für die amerikanischen Staaten, die Du genannt hast: Kalifornien, Arizona, New Mexico, Utah, Nevada, Texas etc. gingen nicht Spanien, sondern Mexiko verloren. Florida dagegen (sowie einige karibische Inseln) hatte Spanien tatsächlich an die Franzosen und Engländer verloren.
 
Kurz: das spanische "Weltreich" ist nun Spielball, anfangs Einflußzone Frankreichs, ...
So kann man das aber nicht sagen. Das bourbonische Spanien trat schon recht bald in eine machtpolitische Gegnerschaft zu Frankreich:
Krieg der Quadrupelallianz - Wikipedia

Umgekehrt versuchte Philipp V. von Spanien sogar selbst die Macht in Frankreich zu ergreifen.
Verschwörung von Cellamare - Wikipedia

Später gelingt es ihm sogar, Süditalien wieder zurück zu gewinnen.
 
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