Grundsatzdiskussion: Verwendung des Begriffs Horde für Frühmenschengruppen (auch HSS)

Aufgrund meiner eigenen Arbeit an einem Buch, kann ich mich z. Z. leider nicht täglich am Forum beteiligen. Aber ich möchte die Begrifflichkeiten Horde u. Sippe einmal aufdröseln:

Ich habe hier ein noch etwas älteres Buch (Redaktionsschluß 1978) vorliegen, wo die Begriffe erklärt werden und hier steht:

Quelle: "Weltgeschichte, Band 1", S. 20 - VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1981

Kann natülich sein, daß die Wissenschaft heute andere Begriffe benutzt, als "Horde", einfach, weil man mehr Erkenntnisse hat, aber um 1980 war das der Stand der Wissenschaft. Danach ist also die Horde deutlich ungleich einer Sippe, Clan oder auch Stamm, ist aber auch in der Entwicklung des Menschen vorhanden.

Also begreift schon dieses über drei Jahrzehnte alte Buch, welches kaum als Fachliteratur im engeren Sinne zu bezeichnen ist, Gruppen des Homo Sapiens Sapiens schon nicht mehr als Horden. Der Gesellschafts-Begriff dürfte wohl dem marxistischen Grundgedanken geschuldet sein.
 
Also begreift schon dieses über drei Jahrzehnte alte Buch, welches kaum als Fachliteratur im engeren Sinne zu bezeichnen ist, Gruppen des Homo Sapiens Sapiens schon nicht mehr als Horden. Der Gesellschafts-Begriff dürfte wohl dem marxistischen Grundgedanken geschuldet sein.

Sagt Gruppe, Clan oder Gemeinschaft und die Sache ist gegessen. Es lohnt doch nicht, am Begriff "Horde" eine Metadiskussion zu entfesseln! Was der Begriff beinhaltet, ist ohnehin klar.
 
Also begreift schon dieses über drei Jahrzehnte alte Buch, welches kaum als Fachliteratur im engeren Sinne zu bezeichnen ist, Gruppen des Homo Sapiens Sapiens schon nicht mehr als Horden. Der Gesellschafts-Begriff dürfte wohl dem marxistischen Grundgedanken geschuldet sein.

Also wenn ich das richtig verstehe, dann fand der Übergang von der Horde zur Gentilgesellschaft etwa vor 50.000 bis 30.000 Jahren statt. Den Homo Sapiens Sapiens gab es da bereits. Mit Marxismus hat das wenig zu tun, denn diese Gesellschaftsordnung gab es ja tatsächlich vor der Gründung der ersten Staaten. Der Marxismus beginnt da, wo man eine "Gesetzmäßigkeit" in die Entwicklung der Gesellschaften hineininterpretiert.
Es steht hier übrigens nicht, daß die Hordengesellschaft durch das Aussterben des Neanderthalers verschwand.
Aber interessant ist der Aspekt schon, weil zu dieser Zeit beide Arten nebeneinander lebten.
:grübel:

Edit:
Sagt Gruppe, Clan oder Gemeinschaft und die Sache ist gegessen. Es lohnt doch nicht, am Begriff "Horde" eine Metadiskussion zu entfesseln! Was der Begriff beinhaltet, ist ohnehin klar.
Nun ja - Horden sind nur interessant für Anthopologen. Diese Gesellschaftform endet lange vor den ersten schriftlichen Überlieferungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
In dem von dir zitierten Text ist von Alt-, Mittel- und Jungpaläolithikum die Rede. Also von der älteren Altsteinzeit, der mittleren Altsteinzeit und der jüngeren Altsteinzeit, also alles Paläolithikum, nicht Mesolithikum oder Neolithikum.
"Die menschliche Gesellschaft seit dem Archäolithikum bis zum Ende des Mittelpaläolithikums wird als Hordengesellschaft bezeichnet."
Die Rede - in Bezug auf Hordengesellschaft - ist hier also in der Zeit vor (bis einschließlich) dem Neandertaler. Da man inzwischen dem Neandertaler sehr viel mehr zivilisatorische Fähigkeit zutraut, als noch vor drei Jahrzehnten, dürfte also der Begriff Hordengesellschaft auch in der Beziehung auf den Neandertaler - würde man den Text heute noch einmal verfassen, keine Anwendung mehr finden.
 
In dem von dir zitierten Text ist von Alt-, Mittel- und Jungpaläolithikum die Rede. Also von der älteren Altsteinzeit, der mittleren Altsteinzeit und der jüngeren Altsteinzeit, also alles Paläolithikum, nicht Mesolithikum oder Neolithikum.
"Die menschliche Gesellschaft seit dem Archäolithikum bis zum Ende des Mittelpaläolithikums wird als Hordengesellschaft bezeichnet."
Die Rede - in Bezug auf Hordengesellschaft - ist hier also in der Zeit vor (bis einschließlich) dem Neandertaler. Da man inzwischen dem Neandertaler sehr viel mehr zivilisatorische Fähigkeit zutraut, als noch vor drei Jahrzehnten, dürfte also der Begriff Hordengesellschaft auch in der Beziehung auf den Neandertaler - würde man den Text heute noch einmal verfassen, keine Anwendung mehr finden.

Ich lese hier jetzt gerade auch, daß von der These ausgegangen wird, daß sich just in der angegebenen Zeit aus dem "Altmenschen" (Neanderthaler) der "Neumensch" = "Homo sapiens diluvialis" entwickelte.
Hier ist die moderne Forschung inzwischen tatsächlich anderer Ansicht... :D
Ich hoffe, ich hab das jetzt nicht zu sehr durcheinander gebracht.
Also hast du Recht E.Q. - die Hordengesellschaft wird in meinem Buch für den Neanderthaler ("Altmensch") vermutet.
 
Die menschliche Gesellschaft seit dem Archäolithikum bis zum Ende des Mittelpaläolithikums wird als Hordengesellschaft bezeichnet. Die archäologische und anthropologische Forschung vermögen in diesen ersten Abschnitt der Menschheitsgeschichte nur einen sehr geringen und bruchstückhaften Einblick zu geben. (...) Im Grunde genommen sind keine konkreten Fakten darüber bekannt, ob die Horden offene oder geschossene Gemeinschaften gewesen sind, d. h. ob Hordenangehörige in eine andere Horde wechseln konnten oder nicht.
(...)
In der Periode des Übergangs vom Mittel- zum Jungpaläolithikum führte das zur Überwindung des Hordenzustandes der frühen Menschheitsentwicklung. (...) Einer spezifischeren Regelung unterlagen in der Zeit etwa zwischen 50.000 bis 30.000 v. u. Z. die Organisation der Leitung der Gemeinschaft und die Normen der Beziehungen der Menschen zueinander, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinschften. Dabei erhielt die bewußt gewordene Blutsverwandtschaft nunmehr ein besonderes Gewicht bei den sich entwickelnden gesellschaftlichen Regelungen. (...) In Weiterentwicklung der Hordengesellschaft entstand die Gentilgesellschaft, eine Menschengemeinschaft, deren Grundformen eine Verwandtschaftsgruppe, die Gens, Sippe, der Clan oder dergleichen, war. Diese Verwandtengruppen leiteten jeweils ihre Abstammung von einem gemeinsamen Vorfahren ab...
Woher will man eigentlich wissen, wann und wie sich die Zusammensetzung von menschlichen Gemeinschaften geändert hat?
 
Ich lese hier jetzt gerade auch, daß von der These ausgegangen wird, daß sich just in der angegebenen Zeit aus dem "Altmenschen" (Neanderthaler) der "Neumensch" = "Homo sapiens diluvialis" entwickelte.
Hier ist die moderne Forschung inzwischen tatsächlich anderer Ansicht... :D
Ich hoffe, ich hab das jetzt nicht zu sehr durcheinander gebracht.
Also hast du Recht E.Q. - die Hordengesellschaft wird in meinem Buch für den Neanderthaler ("Altmensch") vermutet.

Der Neanderthaler ist evolutionsgeschichtlich zu keiner Zeit ein Vorläufer des HSS, des modernen Menschen gewesen. Wie du selbst geschrieben hast, lebten beide Menschenformen für eine gewisse Zeit parallel zueinander. Sie hatten gemeinsame Vorfahren, ja.

In der Periode des Übergangs vom Mittel- zum Jungpaläolithikum führte das zur Überwindung des Hordenzustandes der frühen Menschheitsentwicklung. (...) Einer spezifischeren Regelung unterlagen in der Zeit etwa zwischen 50.000 bis 30.000 v. u. Z. die Organisation der Leitung der Gemeinschaft und die Normen der Beziehungen der Menschen zueinander, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinschften. Dabei erhielt die bewußt gewordene Blutsverwandtschaft nunmehr ein besonderes Gewicht bei den sich entwickelnden gesellschaftlichen Regelungen.
Dabei interessiert mich besonders das von mir fett nachgezeichnete.

Du hattest als Literaturverweis "Weltgeschichte, Band 1", S. 20 - VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1981 angegeben.
Welche Quellen bzw. Literaturnachweise werden denn dort angegeben?
Alt muß ja nicht immer veraltet bedeuten.

Wobei man natürlich sagen muß, dass Geschichtsschreibung zu DDR-Zeiten, w.o. schon erwähnt, meist auch einen ideologischen Hintergrund hatte.
Der tatsächliche Stand der (internationalen) Forschung konnte auf Dauer allerdings nicht wirklich weginterpretiert, ignoriert oder systemkonform gemacht werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
...Du hattest als Literaturverweis "Weltgeschichte, Band 1", S. 20 - VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1981 angegeben.
Welche Quellen bzw. Literaturnachweise werden denn dort angegeben?
Alt muß ja nicht immer veraltet bedeuten...

Na ja, ich hatte aber schon selbst festgestellt, daß der damalige Wissensstand nicht mehr dem heutigen entspricht.
Für das Kapitel "Urgesellschaft" wurde der Autor angegeben: Prof. Dr. habil. Karl-Heinz Otto, Akademie der Wissenschaften der DDR

Wobei man natürlich sagen muß, dass Geschichtsschreibung zu DDR-Zeiten, w.o. schon erwähnt, meist auch einen ideologischen Hintergrund hatte.
Der tatsächliche Stand der (internationalen) Forschung konnte auf Dauer allerdings nicht wirklich weginterpretiert, ignoriert oder systemkonform gemacht werden.

Die historischen Fakten wurden in der DDR - soweit ich das einschätzen kann - nicht verändert. Nur wie man die Fakten interpretiert, das war nun je nach politischem System verschieden.
In der UdSSR dagegen wurden z. T. auch historische Fakten ignoriert, so z. B. die Tatsache, daß der erste russische Staat von schwedischen Warägern gegründet wurde. Kein sowjetischer Wissenschaftler durfte damals diese These vertreten, wenn er Wissenschaftler bleiben wollte. Da gab es sogar Unterschiede zwischen der SU und der DDR. Hier war dieser Fakt schon 1980 anerkannt.
 
Für das Kapitel "Urgesellschaft" wurde der Autor angegeben: Prof. Dr. habil. Karl-Heinz Otto, Akademie der Wissenschaften der DDR

Danke für die Info. Werde mal versuchen mit meinen bescheidenen Mitteln etwas über diesen Mann und sein Schaffen in Erfahrung zu bringen.

Na ja, ich hatte aber schon selbst festgestellt, daß der damalige Wissensstand nicht mehr dem heutigen entspricht.

Wissensstand in einer historischen Disziplin bedeutet vor allem Stand der Interpretation. Dabei sind Glaubwürdigkeit bzw. Reputation des Interpretierenden das Alpha und das Omega, um es mal so salopp zu umschreiben. Ist Ansehen und Glaubwürdigkeit des oder der Interpretierenden groß, dann kann deren Ansinnen durchaus leitende Lehrmeinung werden und nach einiger Zeit in den Geschichtsbüchern landen (die dann dort viele Jahre so verbleibt).

Selbstverständlich gibt es immer wieder neue Ergebnisse aus aktuellen Ausgrabungen, aus lang archiviertem Material oder auch aus neugefundenen oder neu recherierten alten schriftlichen Quellen, welche diese Lehrmeinung dann mehr oder weniger deutlich, beeinflussen können.
Für die Frühzeit scheiden schriftliche Quellen natürlich aus.

Die historischen Fakten wurden in der DDR - soweit ich das einschätzen kann - nicht verändert. Nur wie man die Fakten interpretiert, das war nun je nach politischem System verschieden.
In der UdSSR dagegen wurden z. T. auch historische Fakten ignoriert, so z. B. die Tatsache, daß der erste russische Staat von schwedischen Warägern gegründet wurde.

Verändert wurden diese Fakten in der DDR wahrscheinlich nicht, aber die mit ideologisch gefüttertem Hintergrund betriebenen Interpretationen, haben die DDR-GeschichtsLehrmeinung kreiert und sind in den Geschichts- u. StaatsbürgerkundeLehrbüchern der Schulen manifestiert worden.
Das aber nur nebenbei.

Was den ersten 'Rus' betrifft, muß ich, ohne intensiv nachgeschaut zu haben, sagen, daß es wohl tatsächlich ein Part der Wikinger (Waräger) war, der diesen im Kiewer Umland ins Leben gerufen hat.
Soweit ich weiß, wurden diesbezügliche Erkenntnisse - möglicherweise sind es auch nur Spekulationen - nicht nur von der damaligen SU, sondern auch von den entsprechenden offiziellen Stellen des gegenwärtigen Russlands, als 'nicht zutreffend, wissenschaftlich haltlos und nicht belegbar', strikt zurückgewiesen.

Tut mir leid, dass wir (ich) etwas vom Thema abgekommen sind (bin).
 
Zuletzt bearbeitet:
In der UdSSR dagegen wurden z. T. auch historische Fakten ignoriert, so z. B. die Tatsache, daß der erste russische Staat von schwedischen Warägern gegründet wurde. Kein sowjetischer Wissenschaftler durfte damals diese These vertreten, wenn er Wissenschaftler bleiben wollte. Da gab es sogar Unterschiede zwischen der SU und der DDR. Hier war dieser Fakt schon 1980 anerkannt.

Auch heute noch sind die russischen Forscher mehrheitlich der Meinung, dass der Anteil der schwedischen Waräger als staatenbildendes Element für Russland geringer ieinzuschätzen ist als derjenige der Slawen. Allerdings wird diese These nicht mehr so erbittert verfochten wie zu Zeiten der Sowjetunion.

Es ist in der Tat sehr schwierig, die Bedeutung der Waräger gegenüber den Slawen exakt zu beziffern, denn obwohl die winzige Schicht Waräger vielleicht den Anstoß für eine Staatsbildung gab, ist doch erst unter den Slawen der russische Staat entstanden und schon etwa 150 Jahre nach der Erwähnung der Waräger im 9. Jh. finden sich statt nordischer Namen in den Dynastien nur noch slawische oder slawisierte.
 
"Also wenn ich das richtig verstehe, dann fand der Übergang von der Horde zur Gentilgesellschaft etwa vor 50.000 bis 30.000 Jahren statt. Den Homo Sapiens Sapiens gab es da bereits. Mit Marxismus hat das wenig zu tun, denn diese Gesellschaftsordnung gab es ja tatsächlich vor der Gründung der ersten Staaten. Der Marxismus beginnt da, wo man eine "Gesetzmäßigkeit" in die Entwicklung der Gesellschaften hineininterpretiert."

Ooops, das basiert auf Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats! Der Bart ist noch länger als der von Marx!
 
Zurück
Oben