Härteausbildung der SS-Totenkopfstandarte

...SS-Totenkopfstandarte gemünzt.
Mir ging es einfach darum, nachzuvollziehen, wie Menschen dahin gebracht werden. ...

@BerndHH

Die Ausbildung des SS-Führerkorps (Untersturmführer aufwärts) erfolgte ab ca. 1936 an "SS-Junkerschulen" bzw. "Führerschulen", auch für die SS-VT oder TKV, später Waffen-SS., dito Allgemeine-SS ("Reserve").

Ich weiß nicht, ob es regelmäßige Kommandierungen von "SS-Junkern" in das KZ Dachau oder andere gab.

M.
 
Hallo Melchior,
in der Literatur finden sich aber zahlreiche Hinweise, dass diverse Personen nach Abschluss der Junkerschule als Übergang vom SS-Standarten(ober)junker zum UStuf. an diesen Zugführer-Lehrgängen im SS-Übungslager Dachau teilnahmen.
In der WP werden z.B. Hans Dorr und August Dieckmann erwähnt. Außerdem Otto Baum und RK-Träger Fritz Biermeier.

Weniger dokumentiert ist das SS-Gelände in Dachau, das SS-Übungslager mit Kasernen und Schulungsräumen, doppelt so groß wie das benachbarte KZ, was nur durch einen Stacheldraht abgetrennt war.

Gruss,
Bernd
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Melchior,
in der Literatur finden sich aber zahlreiche Hinweise, dass diverse Personen nach Abschluss der Junkerschule als Übergang vom SS-Standarten(ober)junker zum UStuf. an diesen Zugführer-Lehrgängen im SS-Übungslager Dachau teilnahmen.
In der WP werden z.B. Hans Dorr und August Dieckmann erwähnt. Außerdem Otto Baum und RK-Träger Fritz Biermeier.

Weniger dokumentiert ist das SS-Gelände in Dachau, das SS-Übungslager mit Kasernen und Schulungsräumen, doppelt so groß wie das benachbarte KZ, was nur durch einen Stacheldraht abgetrennt war.

Gruss,
Bernd

Kannst du uns mal deine verwendete Literatur nennen? Fände ich noch interessant.
 
Die Frage ist interessant. Wie können Menschen derartig verrohen?
Als Relativierung würde ich diese Frage nicht sofort, bzw. automatisch bezeichnen.
Auf jeden Fall diskutierenswert.
ich wage da mal eine heikle Überlegung: ist der bürokratisch regulierte, geradezu industriell massenhafte Massenmord eine Verrohung oder eine Entmenschlichung, Pervertierung? Unter Verrohung kann ich geistlos-sadistische Metzgereien und Abschlachtungen einordnen, aber die akribische Organisation und Buchführung? Ich denke, dass moralische Verrohung allein nicht ausreicht zur Erklärung.
 
ich wage da mal eine heikle Überlegung: ist der bürokratisch regulierte, geradezu industriell massenhafte Massenmord eine Verrohung oder eine Entmenschlichung, Pervertierung? Unter Verrohung kann ich geistlos-sadistische Metzgereien und Abschlachtungen einordnen, aber die akribische Organisation und Buchführung? Ich denke, dass moralische Verrohung allein nicht ausreicht zur Erklärung.

Ich gebe dir uneingeschränkt recht.
Ich möchte auch nicht falsch verstanden werden, denn ich habe Verrohung geschrieben. Damit meine ich nicht nur moralische Verrohung, sondern auch menschliche Verrohung. Und moralische Verrohung kann natürlich zu menschlicher Verrohung führen.
Natürlich kann man das auch als Entmenschlichung bezeichnen.
Und sicherlich:
Gerade im Hinblick auf die Fragestellung dieses Threads, geht das auch sicherlich hin zur Pervertierung - deine Stichwörter Organisation und Buchführung.
Moralische Verrohung reicht hier sicherlich nicht mehr aus.
 
Hallo Ursi,
Ich zitiere aus der WP:

Hans Dorr https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Dorr Kapitel Militärische Laufbahn: “Von Oktober 1937 bis zum 1. August 1938 absolvierte Dorr an der SS-Junkerschule Bad Tölz einen Junkerlehrgang, wo er am 1. April 1938 zum SS-Standartenjunker befördert wurde. Im Anschluss der Junkerschule besuchte Dorr bis Mitte September 1938 einen Zugführer-Lehrgang in Dachau. Ab Mitte Oktober 1938 erfolgte sein Einsatz als Zugführer in der 10. Kompanie der III./SS-VT Germania in Radolfzell.”

August Dieckmann https://de.wikipedia.org/wiki/August_Dieckmann Kapitel Leben: “Am 27. April 1934 erfolgte seitens der SS-Standarte 88 dessen Eintrittsbestätigung. Zu dieser Zeit besuchte Dieckmann seit 1. April 1934 die SS-Junkerschule in Braunschweig. Wirtschaftlich war Dieckmann hier dem 2. Sturm der SS-Standarte 2 (München) zugeteilt. Angehörige der SS-Standarte 2 aus Dachau waren im Juli 1934 an der Übernahme des KZ Oranienburg und der Beseitigung der dortigen SA-Wachmannschaften beteiligt. Am 25. April 1935 bestand Dieckmann die Prüfung an der SS-Junkerschule. Anschließend besuchte er bis Ende März 1936 einen Zugführerlehrgang in Dachau. Während dieser Zeit wurde Dieckmann am 1. Juni 1935 zum SS-Rottenführer, am 1. Juli 1935 zum SS-Standartenjunker und am 25. Februar 1936 zum SS-Standartenoberjunker befördert.”

KZ Dachau https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Dachau Kapitel SS-Gelände: “Den zweiten großen Teilbereich des Lagers stellte das Gelände der SS dar; es war gut doppelt so groß wie der Häftlingsbereich. Ein Teil davon zählte offiziell nicht zum KZ, da sich hier ein SS-Übungslager mit Kasernen und Schulungsräumen befand. Jedoch waren auch auf dem SS-Übungslager Werkstätten, in denen Häftlinge zu arbeiten hatten. Weiter befanden sich in dem Bereich Mannschaftsbaracken und Offizierswohnungen, eine Bäckerei sowie das Verwaltungsgebäude. Später kamen zwei Krematoriumsgebäude dazu.

Was genau auf dem Ausbildungsplan des SS-VT im Übungslager Dachau stand, ist mir nicht bekannt.
Gruss,
Bernd
 
...Was genau auf dem Ausbildungsplan des SS-VT im Übungslager Dachau stand, ist mir nicht bekannt.
...

@BerndHH

Das ist ein schwieriges und "sperriges" Thema. Zu den Ausbildungsinhalten auf den SS-Junker- bzw. Führerschulen gehörte auch "Polizeitaktik" i.w.S., was darunter subsumiert wurde, keine Ahnung.

Mit Literatur zu diesem sehr speziellen Thema kann ich Dir nicht weiterhelfen, vllt. kann das ein Mitdiskutant.

Im Bundesarchiv findet sich im Findbuch NS 33 "SS-Führungshauptamt" Archivalien zur Führer- und Unterführerausbildung. Dort könnten neben den offiziellen Ausbildungsplänen auch Informationen zu informellen Ausbildungsinhalten zu finden sein, wie z.B. "Regelkommandierungen" der "Führeranwärter" im Zuge ihrer Ausbildung, oder aber auch inhaltlich/didaktische Grundsätze der Ausbildung bzw. Befehle Himmlers hierzu.



SS-Führungshauptamt
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Informationen zum Bestand
1940 Ausgliederung des SS-Führungsamtes aus dem SS-Hauptamt und Aufbau zum eigenständigen Hauptamt als Kommandostelle für die Waffen-SS und als zentrale Instanz für die vor- und nachmilitärische Ausbildung der Allgemeinen SS.


Überlieferung
Sammlung von Befehlen, Erlassen, Anordnungen, Rundschreiben 1940-1945 (43); Chef, Adjutantur 1940-1945 (2); Allgemeines, Organisation, Innerer Dienst 1932-1945 (9); Kommandoamt der Allgemeinen SS 1933-1945 (80); Kommandoamt der Waffen-SS 1939-1945 (60); Kommandostab Reichsführer-SS 1940-1945 (71); Persönliches Amt - Abwehrbeauftragter 1936-1945 (21); Verwaltungsamt 1935-1945 (4); SS-Personalamt 1933-1944 (6); Waffenamt 1942-1945 (4); Kraftfahrwesen 1941-1945 (6); Führer- und Unterführer-Ausbildung 1933-1945 (9); Waffeninspektion 1940-1945 (6); Sanitätswesen 1937-1945 (10).
In den Beständen des ehem. BDC befindet sich eine Sammlung mit Listen aus verschiedensten Provenienzen zu ca. 240.000 SS-Angehörigen.


Erschließungszustand (Kommentar) Findkartei


Amtliche Druckschriften
SS-Befehlsblatt, 1932/33-1944, NSD 41/2.
Verordnungsblatt der Waffen-SS, 1940-1945, NSD 41/1.


Literatur
Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates, hrsg. von Heinz Boberach, München 1991/1995, Teil 1, S. 118.
The Holdings of the Berlin Document Center. A Guide to the Collections, Berlin Document Center (nicht im Buchhandel erhältlich), 1994, S. 68.
6 lfm, 343 AE 1932-1945


http://www.argus.bundesarchiv.de/Bestaendeuebersicht/index.htm?kid=004941AD7B7E4B46A5B2C2A45DDD7C3F

Hervorhebung durch mich.

Noch eine Anmerkung. Es gibt eine Biographie über Dr. Best, der u.a. für die Personalrekrutierung des RSHA zuständig war. In der geht es meiner trüben Erinnerung nach, auch um "Personal-Profile" des "SS-Führerkorps". Sicherlich eine andere "Profil-Kategorie" aber vllt. ein Ansatz.

Werner Best (NSDAP) ? Wikipedia

M.
 
Der zweimonatige Zugführerlehrgang Dachau war als Abschluss nach der zehnmoatigen Junkerschule vorgesehen, um eine der Wehrmacht vergleichbare Offiziersnachwuchs-Ausbildung durchzuziehen.

Zum "Übungslager Dachau" neben dem Lagerkomplex gibt es wohl derzeit keine Studie. Gegenstand war die militärische Ausbildung, sozusagen mit "freiem Ausblick" auf das Lager Dachau. Ausbildungsgegenstände dürften den Zugführerlehrgängen der Wehrmacht vergleichbar gewesen sein.

Schulte, Zwangsarbeit und Vernichtung, S. 100.
 
Moin, Moin,

@Melchior, Silesia, vielen Dank Euch beiden!!

Und es gibt sie doch, zumindest das Fragment einer Quelle [Mod an: Link wurde gelöscht, Mod aus], scheint von einem Zeitzeugen zu stamen. Näheres habe ich nicht entdeckt:

Juni 1933
SS-Oberführer Theodor Eicke übernahm im Juni 1933 das Kommando über das Konzentrationslager Dachau und den SS-Sturmbann “Dachau”, die Wachtruppe “Oberbayern” der Allg. SS, war nach seinem Urteil durchgehend korrupt und demoralisiert, bestand aus 120 Mann. 60 Mann wurden sofort entlassen und durch sorgfältig rektutiertes neues Personal ersetzt. Umbenennung in SS-Wachsturmbann I “Oberbayern”. (Andrew Mollo, Vol.4 Die Totenkopfverbände 1933-45)
Die Anfänge der zukünftigen Totenkopf-Standarte wurden bereits 1933 bei der Bildung der SS-Wachtruppe "Oberbayern" für das Konzentrationslager Dachau. Die Wachtruppe war die erste hauptamtliche SS-Konzentrationslager-Wache aus den Reihen der Allgemeinen SS des SS-Abschnittes Süd. Die für die Bewachung des KL Dachau Anfang 1934 durch Eicke aufgestellte „Wachtruppe Oberbayern“ gehörte zunächst noch der Allgemeinen SS an. Erst mit der Ernennung Eickes zum „Inspekteur der KL und der Totenkopfverbände“ im Juli 1934 wurden letzter organisatorisch aus der Gliederung der Allgemeinen SS herausgelöst. Aus der Wachtruppe Oberbayern ging die SS-Totenkopf-Standarte „Oberbayern“ hervor. (Martin Broszat (Hrsg.) Kommandant in Auschwitz, Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß, Deutsche Taschenbuch Verlag GmbH München, 19.Auflage April 2004, S.79, Anm.1)

10. Juli 1933
Der am 16.September 1913 in Coburg geborene Paul Krauß, zuletzt SS-Hauptsturmführer, berichtete: „ Eines Tages wurden Freiwillige gesucht für eine kasernierte Truppe. Das hieß Soldat werden! Das war´s, was wir junge Männer damals wollten, wenn schon keine Arbeit, dann Soldat. Auch ich begeisterte mich dafür. Wir jungen SS-Männern“, Krauß war bereits vor 1933 aus der Hitlerjugend zur SS übergetreten, „ meldeten uns alle, einige wurden nach Berlin geschickt, dort wurde die (spätere) Leibstandarte aufgestellt.Ich und noch 6 Kameraden aus meiner Heimatstadt wurden nach Dachau befohlen. Mit mehr als hundert Kameraden aus ganz Bayern traf ich am 10.7.1933 im Lager Dachau, später bekannt als Konzentrationslager Dachau, ein.
Erster Eindruck: Deprimierend – eine langgestreckte graue Mauer, irgendwo in ihr ein Eisentor, durch daswir fuhren. Hinter dem Tor Baracken, mit Stacheldraht eingezäunt, ab und zu ein bewaffneter Posten in grünem Drillich. In der glühenden Julihitze flimmerte grell und weiß in den Augen stechend, der helle Kies des Dachauer Bodens. Dachau war während des ersten Weltkrieges ein großes Munitionslager, eine Pulver- und Munitionsfabrik gewesen, wurde von den Siegern von 1918 geschleift und lag jahrelang brach. In einer alten, leeren Fabrikhalle wurden wir Neuankömlinge untergebracht, zu Züen und Gruppen aufgeteilt und erhielten den Namen Sonderausbildung. Ich war Rekrut!
Sonderausbildung deshalb, weil bei dieser Hundertschaft, wie die Einheiten damals genannt wurden, nur militärische Ausbildung betrieben wurde. Während die anderen Einheiten auch den Wachdienst um das KZ, in dem die politischen Gefangenen untergebracht waren, versehen mußten. Später nach der Ausbildung, die ein Vierteljahr dauerte, mußten auch wir diesen Wachdienst versehen – aber um es gleich am Anfang klarzustellen – nicht im KZ. Das war von dem Teil des Lagers, in dem die Hundertschaften untergebracht waren, streng getrennt. Den Dienst im KZ versahen SS-Männer, die zur Kommandantur gehörten, nicht zur Truppe.
Für uns jungen Männer mit unserer Begeisterung für alles Soldatische war die Ausbildung, die wir bekamen, gerade recht, wir wollten gute Soldaten werden. Wir wurden es! Unsere Ausbilder waren alles 12 oder mehr Jahre gediente Dienstgrade der Bayrischen Landespolizei und der Reichswehr. Die Offiziere auch alle alte Soldaten, meistens Teilnehmer am 1.Weltkrieg. Von unseren Ausbildern war jeder ein Spezialist für irgendeine Ausbildungsart, für irgend eine der damals gebräuchlichen Waffen. Und wir Rekruten? Uns war keine Eskalierwand zu hoch, kein Wassergraben zu tief, kein Hindernis zu breit, keine Übung zu schwer, Doch um keine falschen Eindrücke aufkommen zu lassen, muß ich kurz auf Einzelheiten eingehen.
Die Ausbildung gliederte sich in folgende Punkte:
1. Sport und zwar auf allen Gebieten, außer Skilauf, wobei genau so viel Wert auf überdurchschnitt-liche Gemeinschaftsleistungen gelegt wurde, wie auf Rekordleistungen einzelner.
2. Waffenausbildung: Es wurde gründliche Kenntnis und Beherrschung aller zu dieser Zeit gebräuch-lichen Infanteriewaffen geschult. Die Ausbildung an den Waffen fand unter schwierigsten Umstän-den statt, auch bei Dunkelheit.
3. Kampfausbildung wurde für alle Kampfarten eines modernen Krieges nach den Erfahrungen des 1.Weltkrieges trainiert. Die Krönung war die Übung im scharfen Schuß unter möglichst kriegsähnlichen Bedingungen. Die Ausbildung war hart, aber ohne Schleifen und Schikane.Mit dem Menschematerial, das der SS zur Verfügung stand, konnte man auf jedem Gebiet der Schulung Höchstleistungen erzielen. Nur eines lernten wir nicht, wir konnten es auch 1941 noch nicht, das Schanzen. Eingraben, also Stellungsbau, Stellungskrieg. Das mußten wir in den Winterschlachten des Ostens mit viel Blut bezahlen.
Etwas kam noch zur Ausbildung hinzu: die Weltanschauliche, die politische Schulung. Sie wurde vermittelt von Lehrern, die politisch, geschichtlich schulten, uns die Vererbungslehre erklärten und uns über die schlimmen Folgen der Erbkrankheiten aufklärten. Sie lehrten uns auch den Unterschied zwischen dem bolschewistischen Kommunismus und dem Nationalsozialismus; deshalb gab es bei den kasernierten Einheiten der SS keine verschlossenen Spinde. Die Achtung des Eigentums hatte Vor-rang. Es wurde nicht gestohlen.
Von 1934 bis 1939 habe ich selbst Männer der SS ausgebildet und auch später im Krieg geführt. Niemals in dieser langen Zeit habe ich Befehle oder Hinweise erhalten oder selbst solche erteilt,den jungen Menschen etwas zu lehren oder außer dem Soldatenhandwerk etwas beizubringen, was gegen Menschlichkiet, gegen internationales Kriegsrecht, gegen anständige Anschauung oder Moral gerichtet gewesen wäre. Später vorgekommene Untaten, Ausschreitungen und Verbechen haben auf keinen Fall die Ausbildung als Grundlage. Dafür sind ganz andere Ursachen maßgeblich.
Das Lager Dachau: Wie bereits gesagt, eine ehemalige Munitionsfabrik mit einem von einer Mauer umgebenen riesigen Terrain. Mit eigenen Versuchsschießplätzen. Die gesamte Anlage war nach dem 1.Weltkrieg der Schleifung anheimgefallen. Mehr als 10 Jahre war alles brach gelegen...
Zu den Zwecken, denen es nun dienen sollte, war es am Rande des Dachauer Mooses gelegen, von der Amper halb, von der Würm durchflossen, in der Nähe der Großstadt München ideal. Das Lager selbst war in zwei Teile getrennt; der kleinere Teil mit etwa 10 Wohnbaracken (1933) diente als Konzentrationslager. Der größere Teil war Truppenlager. Unsere Unterkünfte waren zerfallene Werkhäuser, leere Maschinenhallen, Ruinen. Aus- und ausgebaut zu dem, was es später war, wurde es von den Gefangenen im Laufe der Jahre.
Nach 12 Wochen Grundausbildung wurden wir Neuen auf die schon bestehenden Einheiten aufgeteilt; ich kam zur ersten.Hundertschaft. Ab nun mußte jeder den üblichen Dienstbetrieb mitmachen, das hieß, neben dem weitergehenden militärischen Drill auch Gefangene bewachen. Auch ich bewachte, wenn meine Einheit Wachdienst hatte, Gefangene, auch bei der Arbeit außerhalb des Lagers. Die Bewachung der Gefangenen paßte uns jungen Leuten gar nicht.
Dazu muß man folgendes Wissen: Zwischen dem KZ und dem Truppenlager war eine scharfe Trennung. Der Bereich des KZ war vom Truppenlager durch einen extra Zaun getrennt. Das KZ durfte von keinem Angehörigen der Truppe betreten werden. Ausnahme: schriftliche Genehmigung! Kontakt mit den Gefangenen war fast unmöglich; dieser ergab sich nur, wenn man außerhalb des Lagers Gefangene bewachen mußte. Aber auch da war immer ein Verantwortlicher von der Kommandantur, der ei-gentlichen KZ-Mannschaft, dabei.
Die Machtbefugnisse waren ebenso scharf getrennt. Auf der einen Seite die KZ-Kommandantur mit ihren Angestellten und der Dienststelle der damaligen bayrischen politischen Polizei – auf der anderen Seite die Truppe mit ihrem Truppenkommandeur. Der Unterschied zwischen Truppenangehörigen und dem eigentlichen KZ-Personal, war, man kann es nicht anders sagen, wie das Verhältnis eines Bayrischen Landespolizeibeamten zu einem Vollzugsbeamten der Justiz. Genau und nicht anders – und dies ist meines Wissens so geblieben, obwohl die Angehörigen der Totenkopfverbände amtlich als Wachmänner geführt wurden.
Die Truppe! Die Truppe setzte sich aus SS-Männern aus ganz Bayern zusammen, aber es waren auch Thüringer und Sachsen darunter. Altersmäßig von 17 bis fast 60 Jahren. Fast alle älteren waren Soldaten des 1.Weltkrieges gewesen und die meisten sogenannte „Alte Kämpfer“, im Sinne der frühen Zugehörigkeit zur NSDAP und ihren Gliederungen, wie SA oder SS. Im eigentlichen Sinne war es ein Revolutionshaufen, aus dem nun eine zuverlässige Truppe gemacht werden sollte, und das im Sinne des politischen Soldaten.
Die Vorgesetzten und Ausbilder wurden von der Bayrischen Landespolizei und der Reichswehr gestellt. Himmler war amals kommissarischer Polizeipräsident von Bayern. Daß man aus einem so zu-ammengewürfelten Haufen nicht im Handumdrehen eine disziplinierte Truppe machen konnte, war klar.
Die Männer, die vor 1933 bei den Kampforganisationen der NSDAP gewesen waren, also die „Alten Kämpfer“, fühlten sich zurückgesetzt, weil sie für sich in Anspruch nahmen, die Revolution gemacht zu haben und deshalb gewisse Vorrechte hätten. Wenn sie auch Kriegsteilnehmer waren und „Alte Kämpfer“, so waren sie doch nicht in der Lage, ohne Hilfe der Polizei und der Reichswehr eine ordentliche Truppe auf die Beine zu stellen. Klar, daß welche sagten: „Gestern hat uns die Polizei noch verprügelt, heute sollen wir auf sie hören, ihre Befehle ausführen, das machen wir nicht mit!“. Trotzdem war es richtig, auf die militärischen Könner von der Polizei und der Reichswehr zurückzugreifen.
Dies führte natürlich zu Reibereien; so kam es im Frühjahr 1934 zu Zwischenfällen, die man im soldatischen Sinne nur als Meuterei bezeichnen kann. Die ältesten unter uns wollten sich nicht von der Polizei ausbilden lassen. Wir Jungen dagegen waren mit der harten soldatischen Ausbildung einverstanden. Der Major der Landespolizei, der als Kommandeur der Truppe für die Ausbildung verantwort-lich war, war bei uns jungen sehr beliebt, bei den älteren verhaßt. So kam es zu jenem Zwischenfall, der als Meuterei angesehen wurde und beinahe zu Erschießungen einiger Kameraden, zu denen auch ich gehörte, geführt hatte. Was war geschehen?
Ein Samstag-Nachmittag, gegen 15.00 Uhr. Die erste Hundertschaft, zu der ich auch gehörte, war kurz vorher von einem 20 km-Marsch eingerückt und hatte befohlene Bettruhe. An jenem Tag war ich Unterführer vom Dienst und kontrollierte, ob auch die Bettruhe eingehalten wurde. Nach meiner Kontrolle stand ich vor der Unterkunft, alles war still und friedlich. Die Unterkunft, wir nannten sie Kaserne, hatte 3 Etagen. Im ersten Stock die 1., im zweiten die 2., im dritten die 3.Hundertschaft. Die 2.hatte Wachdienst, die 3.dienstfrei.
Da stand ich vor dem Eingang und schaute über den Kasernenhof, als der Polizeimajor, unser Kommandeur, im Schrittempo über den Hof im offenen Wagen gefahren kam. Da flog aus dem Fenster des 3.Stockes ein Blumentopf, der den Kommandeur an der Schulter traf und Rufe ertönten wie „Polizistenschwein“ und andere Rufe, die ich nicht verstehen konnte. Das war Beleidigung und tätlicher Angriff auf einen Vorgesetzten. Ich hatte es gesehen und hörte, aber ich konnte nicht sagen, wer es war, denn als ich hinauf schaute, waren von der 3.Hundertschaft viele Köpfe an den Fenstern – aber wer hatte geworfen, wer geschrieen?
Daß dies ein verdienter, guter Offizier, der sein Bestes gab, nicht hinnehmen konnte war klar. Zunächst wurde Ausgangssperre verhängt und niemand durfte die Unterkunft verlassen. Dann mußten die 1.und die 3.Hundertschaft ihre Waffen abgeben; dies wurde von der 2., der wachhabenden Hun-dertschaft durchgeführt, denn diese hatte scharfe Munition. Geschossen wurde nicht.
Am nächsten Tag trat SS-Gruppenführer Eicke in Dachau in Aktion. Die 1.und 3.Hundertschaft muß-ten ohne Waffen antreten und wegen Meuterei sollte jeder 10.Mann erschossen werden, sie lautete der Befehl. Wir standen in einer großen, leeren Halle, die von der noch immer Wache habenden 2. Hundertschaft umstellt war. Dann erfolgte der Befehl: Zu 10 abzählen, der zehnte jeweils 3 Schritte vortreten, ich war einer von den Zehnern. Eicke fragte dann: „Wer hat noch was zu sagen“, der könne es jetzt tun. Da trat ich nochmal einen Schritt vor und sagte „Das war keine Meuterei im militärischen Sinne, daswar Dummheit einzelner“; diese hätten nur noch nicht begriffen, daß die Zeit des Umsturzes vorbei sei und nun Ordnung und Disziplin herrschen müsse. Man solle nicht übersegen, daß wir alle Freiwillige seien und wem Ordnung und Disziplin nicht passe, den könne man ja nach Hause schicken. Wir Jungen jedenfalls seien mit einer richtigen soldatischen Ausbildung einverstanden und hätten nichts gegen unsere Vorgesetzten, woher sie auf kommen mögen.
Daraufhin zog sich Eicke mit den Offizieren und Ausbildern der Polizei und der Reichswehr zurück, um zu beraten. Nach einer halben Stunden jamen sie wieder und Eicke sagte, die Angelegenheit sei erle-digt, die Truppe werde neu gegliedert, die Älteren schicke man nicht nach hause, sie würden zum KZ-Personal versetzt. Aber in Zukunft würden Disziplinlosigkeiten mit aller Strenge bestraft. Der beleidigte Polizeioffizier hatte, bevor Eicke kam, Unterschiriften von Augenzeugen verlangt, um den Vorfall beweisen zu können. Diese Unterschriften wurden vor aller Augen verbrannt. Damit war der Fall erledigt und wir durften unsere Waffen wieder in Empfang nehmen. Obwohl wir von vornherein nicht an Erschießungen geglaubt hatten, waren wir jetzt sehr froh und erleichtert. Der Fall war beigelegt. Von nun an lief die Ausbildun ungestört und wir jungen Männer hatten weniger mit der Bewachung der Häftlinge zu tun; darüber waren wir froh, denn der Wachdienst lag uns gar nicht....“
(Auch ich bin ein Zeuge aus dem Jahrhundert, Paul Krauß, Selbstverlag Coburg, Zweite verbesserte und ergänzte Auflage , Geschrieben im ersten Viertel des Jahres 1983, ergänzt 1991, 75 Seiten, S. 22 – 27)

Gruss,
Bernd
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hinweis der Moderation

@BerndHH

Es gibt im Internet vieles auch Seiten mit denen wir im Geschichtsforum nicht in Verbindung gebracht werden wollen, die Seite die du verlinkt hast gehört dazu. Deshalb wurde er von der Moderation gelöscht. Bitte achte darauf was du verlinkst und wenn du nicht sicher bist, wende dich an die Moderation. Danke
 
@BerndHH

Ich weiß nicht, wozu Du diese Informationen benötigst, Dir geht es ja um die SS-VT und TKV.

Bei dem mehrfachen durchlesen des Berichtes von Krauß, wurde ich immer distanzierter - warum.

1. Eindruck

Ein älterer Herr berichtet von seiner Jugend, dieser Blick ist immer "verklärend" das ist normal, zumal er auch von einer "Aufbruchsituation" berichtet, er ist nicht mehr arbeitslos.

2. schon skeptischerer Blick

Weil jetzt beginnt der "Mythenbildung", ob bewußt oder unbewußt, weiß ich nicht. Auffällig oft berichtet er in dem kurzen Bericht, daß er und seine Kameraden den Wachdienst im KZ nicht mochten, er geht retrospektiv auf Distanz zu dem KZ-System. Keine Truppe dieser Welt mag bzw. mochte Wachdienst, ist mir etwas zu prononciert.

Er schildert den normalen militärischen Grundausbildungscanon: Sport, Ausbildung an der Waffe, taktische Ausbildung auf Gruppen- und Zugebene, Gefechtsübungen. Als Ausbilder benennt er RW-Offiziere und Polizeibeamte. Dabei "bastelt" er an dem nächsten Mythos, "SS greift an und verteidigt sich nicht"; keine militärische Grundausbildung verzichtet auf das "Eingraben", eine derartige Ausbildung wäre im höchstem Maße unprofessionell. Das will er erst 1941 gelernt haben, und zwar als Offizier und Ausbilder?

Er schildert den "weltanschaulichen Unterricht", den es unzweifelhaft gab. Dabei gibt er den Unterrichtsinhalt wider mit: Nationalsozialismus <=> Bolschewismus, Erbkrankheiten, Vererbungslehre. Fehlt da nicht etwas im Curriculum? Rassenlehre. Da hat er retrospektiv einen mächtigen Filter eingebaut.

Dabei "bastelt" er am nächsten Mythos: "Die SS als ehrliche Truppe, 'alle Spinde waren unverschlossen'".

Ich weiß nicht ob Du jemals bei der army warst, bei meiner Truppe war "Kameradendiebstahl" ein faktisch undenkbares Vergehen.

Wäre die SS so "sauber" gewesen, hätte Dr. Morgen nicht ermitteln können und das systemimmanent gestützt.

Konrad Morgen ? Wikipedia

3. ein noch skeptischerer Blick

Er schildert einen Disziplinarzwischenfall. Eine Lappalie. Er ist aber offensichtlich bereits durch die Ausbildung so indoktriniert, daß er eine summarische "Dezimierung", die durch nichts juristisch gedeckt gewesen wäre und die auch nie stattgefunden hätte, bereits als Möglichkeit in Erwägung gezogen hat. Und, schlimmer noch, er traut seinen Kameraden zu und unterstellt dieses, daß sie diese summarische "Dezimierung" auch durchführen würden. So sarkastisch das auch klingen mag: "Ausbildungsziel erreicht."

Käme ein weiterer Mythos hinzu, der "gerechte und gutmütige" SS-Führer, der seine "Leute" schützt.

Nur ein Ansatz.

M.
 
@melchior:

Danke für den darauf gelegten, differenzierten Blick im Sinne einer Quellenkritik.
Ich teile vollständig Deine Meinung.
 
Er schildert einen Disziplinarzwischenfall. Eine Lappalie.

M.


Stimmt alles.

Interessant ist für mich die Schilderung des Konflikts zwischen den alten SSlern, die sich Jahre lang Schlachten mit der Polizei geliefert haben und den neuen Karrieristen. Für die war die SS halt eine Möglichkeit mehr, der Arbeitslosigkeit oder der Schinderei auf Acker und in Fabrik zu entgehen.

Der Autor berichtet ja über den Zeitraum 33-34. Da war es ja noch gar nicht so klar, wohin die Nazi-Herrschaft sich entwickeln würde.


Ähnliche Konflikte gab es ja auch in der Partei ("Märzgefallene").

Das hat jetzt nicht viel mit dem Thread zu tun. Ich finde aber die Transformation einer mehr oder weniger revolutionären Schlägerpartei in eine staatstragende Organisation spannend.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Ursi, Melchior,
ihr beiden habt natürlich recht - das ist keine reputable Quelle und muss i. Zweifelsfall gelöscht werden. Ich war nur so froh, endlich einen "Augenzeugenbericht" gefunden zu haben...

Kameradendiebstahl: unsere BW-Spinde hatten ein kleines verschließbares Fach gehabt. Die "Versuchung" wäre bei dem einen oder anderen da gewesen.

Gruss,
Bernd
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Diskussion ist natürlich hochinteressant, bewegt sich allerdings vorwiegend außerhalb des Bereichs "historischer Wissenschaften". Sie dreht sich vielmehr um die Frage, wie ein "Mensch", der seine Frau/Kinder/Hunde/Kaninchen geliebt und immer nett behandelt hat, zu so einem "Unmenschen" werden kann, der gefühlsbefreit Dinge tut, die so furchtbar sind, dass wir sie uns trotz Kenntnis der Geschichte und der Fotodokumente nicht vorstellen können. Das ist nicht die Frage nach Fakten. Es ist die Frage nach dem "Ursprung des Bösen".

Deshalb kann auch ich nur Antworten geben, die nicht aus einem Wissensschatz, sondern aus Glaubensgrundsätzen hervorgehen. Das lasse ist lieber... Mein Glaube ist meine Sache und wird nicht öffentlich diskutiert. Deshalb nur ein paar ungeordnete Gedanken:

Ich glaube...

Menno! Schon versagt! Ich wollte doch nicht über Glaubensfragen schwafeln. Sorry. Also nochmal:

Erstens: Halbwegs auf historische Erkenntnisse gestützt, kann man zu der Auffassung gelangen dass...

(wortreicher und gestelzter habe ich die Aussage "ich glaube" nie umschrieben!)

... es unmöglich ist, einen Menschen mittels Ausbildung, Schulung, Training oder Hypnose zur Begehung von Taten zu veranlassen, die im Widerspruch zu seiner Weltsicht oder zu seinen grundlegenden Moralvorstellungen stehen. Also ist es unter Zugrundelegung aller bekannten und empirisch belegten Informationen nicht denkbar, dass es der SS gelungen sein soll, Ehrenmänner zu Monstern auszubilden.

Möglicher Schluss daraus: Die Ausbildung bei der SS erzeugte nicht Gehorsam, sondern sie diente nur dazu, die Anpassung der Probanden an ein System zu überprüfen. Sie hat also mit ihrer "Härte" nur diejenigen "Menschen" aussortiert, die zur "Härte", die von den unmenschlichen Bossen gefordert wurden, nicht fähig waren. Wenn diese These zutreffend ist, hat die SS nicht Mordlust erzeugt, sondern nur Inidviduen identifiziert, die Mordlust empfinden.

Das klingt schrecklich, ist aber die Auslegung, die eine humanistische Grundhaltung am wenigsten in Frage stellt. Diese Auslegung lässt uns Humanisten die Chance, die SS-Killer zu Psychopathen zu erklären. Mit dem unausgesprochenen gedanklichen Zusatz: Mir wäre das nicht passiert, denn ich bin ja ein Humanist...

Zweitens: Halbwegs auf historisch belegbare wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, kann man sagen, dass Krieg (allgemeiner: institutionalisiert herbeigeführte kollektive Gewalt) mit der "Fortdauer seiner Existenz" die Bereitschaft von Individuen zu ausgeprägt gewalttätigem Verhalten steigert. Platter ausgedrückt: Krieg eskaliert gern, und je länger er dauert, desto geringer wird die Aussicht, dass die am Krieg Beteiligten sich durch so "Nebensächlichkeiten" wie Menschlichkeit oder auch nur "Erfolgsaussicht" von ihrem Tun ablenken lassen.

Möglicher Schluss hieraus: Es ist denkbar, dass jeder einzelne Mensch (abgesehen natürlich von den Heiligen) mental fähig ist, zu einem erbarmungslosen Killer zu werden, wenn er nur lange genug solchen von Gewalt geprägten Verhältnissen ausgesetzt ist. Wenn das zutreffend ist, dann kann sich außer den Heiligen niemand darauf berufen, dass die SS-Killer einfach nur irrsinnig war. Dann wären wir alle "potenziell irrsinnig". Und: Unser Forist @Beetle hat in Beitrag 18 eine Information verlinkt, die man so interpretieren kann, dass diese "wir-sind-alle-potenzielle-Psychopathen-Theorie" zutreffend ist!

Drittens: Wenn "Erstens" und/oder "Zweitens" stichhaltig ist, dann muss man etwas genauer auf den Faktor "geschlossene Gesellschaft" schauen. Alle, die "gedient haben", werden an sich selbst sicher - rückblickend! - Veränderungen festgestellt haben. Da gibt es so Soldatenweisheiten wie "Beim Betreten der Kaserne ist das Gehirn beim UVD abzugeben". Unter den Bedingungen so einer "geschlossenen Gesellschaft" tut man Dinge, von denen man rückblickend sagt, dass das ja wohl ziemlich daneben war und dass man sowas bei klarem Verstand niemals wiederholen würde. Problem: Man lächelt bei dieser Erkenntnis und fügt voller nostalgischer Erinnerung noch ne weitere Anekdote hinzu, wie das damals "beim Barras abgegangen ist"...

Die SS war eine geschlossene Gesellschaft!

Die Mechanismen geschlossener Gesellschaften sind inzwischen wissenschaftlich recht gut untersucht. Erstaunlich dabei: Das Militär hat sich mit solchen sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen nie wirklich befasst. Das war aber auch nicht nötig, denn das Militär kann auf Jahrtausende alte Erfahrungen zurückgreifen und die Mechanismen nutzen, ohne sie wissenschaftliche begründen zu müssen.

MfG
 
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Nun Maelonn,

das wäre eine Rückkehr zum Bild der SS als Verein von Sadisten, die die Gunst der Stunde nutzten und aus ihren Löchern krochen. Dieses Bild ist schon länger revidiert und widerspricht auch dem, was Historiker (Browning: Ordinary Men) und Sozialpsychologen (Zimbardo (Stanford Prison), Milgram oder Welzer (der in Täter: Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden die Synthese von Browning, Zimbardo und Milgram leistet und um Fälle aus Bosnien, Vietnam und Rwanda ergänzt)) über die Mordbereitschaft von Menschen herausgefunden haben.
Aus den Ergebnissen von deren Arbeit ergibt sich ein pädagogischer Imperativ, nämlich Menschen zu starken Persönlichkeiten zu machen, die sich trauen auch dann noch "Nein!" zu sagen, wenn sie schon längst das Recht kleinschrittig gebrochen haben. Nämlich dann, wenn aus dem leichten Tabubruch an dem man teilgenommen hat, Mord wird. Bzw. besser noch, dass sie die ersten Anzeichen erkennen und schon frühzeitiger gegenhalten.
Wenn man die Ergebnisse aber ignoriert, ruht man sich darauf aus, dass man ja eh nichts machen könne, außer vielleicht die erneute Machtübernahme von Nazis und anderen Extremistengruppen zu verhindern.
 
Nun, lieber El Quijote,

dann haben wir hier zwei Interpretationen:

Erstens: Die Psychopathen wurden in den SS-Ausbildungslagern "gemacht".

Zweitens: Die längst existierenden, aber trickreich getarnten Psychopathen sind aus ihren Löchern gekrochen, als sie gemerkt haben, dass sie in den SS-Ausbildungslagern "Karriere machen" können.

Ich halte beide Interpretationen für falsch. Ich glaube, dass

Dreck! Schon wieder ein Bekenntnis meines "Glaubens"...

Neuer Versuch: Ich bin überzeugt (erbärmlich, stimmts :still:), dass die psychopathischen Massenmörder damals weder "gemacht" wurden noch überraschend aus irgendwelchen "Löchern gekrochen" sind. Ich bin überzeugt, dass in jedem Menschen das steckt, was damals zu massenhafter Teilnahme am Holocaust geführt hat. Es waren weder Monster noch Roboter, die den geplanten industriell organisierten Massenmord an einer ganzen Bevölkerungsgruppe ins Werk gesetzt haben. Es waren MENSCHEN! Menschen wie Du und ich!

Das einzige, was Dich und mich von den psychopathischen Mördern von damals unterscheidet, ist der Umstand, dass wir ausreichend gebildet und überdies willens sind, von dieser Bildung auch Gebrauch zu machen, um zu wissen, wann jemand versucht, mit unseren Emotionen Politik zu machen.

Was bleibt, ist die (MEINE!) Erkenntnis, dass JEDER MENSCH zum erbarmungslosen Massenmörder "gemacht" werden kann, wenn er nur zu dumm genug gehalten wird, um es nicht zu merken. DAS ist die eigentliche Gefahr! Du bist kein Massenmörder und ich bin auch keiner. Aber das ist nur deshalb so, weil wir gelernt haben, zu DENKEN ehe wir HANDELN! Und natürlich weil wir gottseidank nie in der Verlegenheit waren, zu entscheiden ob wir Massenmord begehen wollen oder nicht. War es nicht Lec, der boshaft-brilliant anmerkte, dass die Rufe nach mehr Menschlichkeit den Kennern der Spezies Anlass zu größter Sorge sein sollten?

In diesem Sinne stimme ich Deinen Einwänden eineingeschränkt zu. Ich füge nur an: Allein Bildung kann verhindern, dass wir so eine Barbarei wieder erleben. Unsere "Menschlichkeit" kann es nicht. Ich selbst würde eher zum Terroristen werden, als mich an den SS-Untaten zu beteiligen. Aber das sage ich HEUTE! Auch ich bin das was ich bin aufgrund von Umständen, die ich nicht unter Kontrolle hatte. Wie würde ich wohl reden, wenn ich nicht im Jahr 1960 sondern im Jahr 1920 geboren worden wäre?

Wer weiß das von sich selbst? Du? Das meinte ich mit dem Einganssatz, dass wir hier nicht über historische Fragen reden.

MfG
 
Wenn man beim Thema bleibt, geht es um eine bestimmte Gruppe.

Diese bildete sich - zieht man insbesondere die ausländischen Anteile im spätereren Lagersystem ab - aus einem relativ geringen Anteil der Bevölkerung. Man redet hier über einige Zehntausend in den 1930ern, die in dieses System in der Anfangszeit kamen (die späteren Rekrutierungen der Waffen-SS mal außen vor). Wie diese Beteiligungen entstanden, ergibt sich aus einer Fülle von biographischen Studien (soweit Führungskräfte) und soziologischen Studien (zB die zitierte "Konzentationslager-SS"). Die ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Jahrgangs 1900 bis 1920 war nicht SS, sondern diese "Leute-wie-Du-und-ich-Betrachtung" betraf erstmal die Wehrmacht.

Weiterhin waren es innerhalb dieser Gruppe sowohl akademisch gebildete Personen (zB auch viele jüngere Juristen), als auch beim unteren SS-Personal (->Orth) viele vom unteren Rand der Gesellschaft. Die Frage ist somit auch, wie diese unterschiedlichen Biographien in die SS hineinliefen.
 
Genau. Deshalb hatte ich ja geschrieben:
Die Frage ist somit auch, wie diese unterschiedlichen Biographien in die SS hineinliefen.

Daneben war es ein eben Bruchteil. Warum der? Und wie genau lief das ab?

Die Überlegungen oben liefen mir zu sehr ins Blaue hinein, ohne jeden Bezug zu den vorliegenden Untersuchungen. Deshalb der erneute beispielhafte Verweis.
 
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