Hammer und Sichel – warum?

muck

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Eine Frage, die sich mir jedes Mal stellt, wenn ich dieses Symbol sehe: Warum entschieden sich die Bolschewiki dafür, die Bauernschaft durch die Sichel zu repräsentieren, und nicht durch die Pflugschar? War dies eine bewusste Entscheidung vonseiten Lenins (oder von wem auch immer) oder bloßer Zufall (z.B. aus ästhetischen Gründen)? Weiß das jemand?

Mir scheint, die Pflugschar wäre naheliegender gewesen.

Ganz abgesehen davon, dass es dem Arbeitsalltag der russischen Bauern näher kam (wie viele besaßen überhaupt eine Sichel und arbeiteten regelmäßig damit?), war die stilisierte Darstellung einer Pflugschar in der osteuropäischen Heraldik und Paraheraldik sehr verbreitet.
 
Eine Frage, die sich mir jedes Mal stellt, wenn ich dieses Symbol sehe: Warum entschieden sich die Bolschewiki dafür, die Bauernschaft durch die Sichel zu repräsentieren, und nicht durch die Pflugschar? War dies eine bewusste Entscheidung vonseiten Lenins (oder von wem auch immer) oder bloßer Zufall (z.B. aus ästhetischen Gründen)? Weiß das jemand?
Wissen tue ich das nicht.

Was ich mir vorestellen könnte, aber dafür habe ich keinerlei Belege, wäre, dass die Bolschewiki mit der Sichel möglicherweise ein politisches Symbol, dass bereits mit den politischen Forderungen der Bauern assoziiert wurde (Bodenreform), aus der Zeit irgendwann zwischen 1905 und 1917 einfach übernommen haben könnten.

An und für sich ist ja bereits der Umstand erstaunlich, dass die Bolschewiki überhaupt das Motto eines "Arbeiter&Bauernstaates", mit sozialistischem/kommunistischem Einschlag erfanden, weil das vor dem Hintergrund der marx'schen Theorie eigentlich völlig absurd ist.

In der marx'schen Deutung wären Bauern ja Produktionsmittelbesitzer und somit im Gegensatz zu Arbeitern keine Angehörigen des Proletariats.
Angehörige verschiedener Klassen, wenn man bei Marx bleiben möchte, in ein und das gleiche Propagandabild zu packen und sie zu Stützen des Staates zu erklären, läuft eigentlich dem Anspruch eine klassenlose Gesellschaft schaffen zu wollen, diametral entgegen.

Diesen Wiederspruch vorausgesetzt, wird das Symbol und die Formel "Arbeiter- und Bauernstaat" wahrscheinlich auf Lenins Linie zurückzuführen sein, entgegen ideologischer Leeitsätze den Kompromiss mit den Bauern zu suchen um die Macht monopolisieren zu können und wenn man das vor hatte, wäre es wahrscheinlich günstig gewesen, nicht zu versuchen den Bauern künstlich ein Symbol aufzupfropfen, sondern einfach ein vorhandenes, dass in den bäuerlichen Kreisen (oder möglichrweise auch bei der Sozialrevolutionären Beewegung) selbst populär war und mit deren Forderungen assoziiert wurde, einfach zu übernehmen.

Ist aber wie gesagt einfach nur eine ins Kraut geschossene Idee, die ich nicht untermauern kann.
 
Zu den besitzenden Bauern hatten die Bolschewiki ja eher ein schlechtes Verhältnis, hier mag eher an die landlosen Landarbeiter gedacht worden sein, die kaum mehr als eine Sichel als Arbeitsgerät selbst bessesen haben dürften. So wie der Fabrikarbeiter den Hammer. Abgesehen davon sind beide Werkzeuge als Handwerkzeuge in etwa gleich groß.

Angola hat Machete und Zahnrad (das aber offen ist und somit eine Remineszenz an die Sichel.
 
Also wenn Du Pflugschar genommen hättest, hätte 1959 der sowjetische Bildhauer Jewgeni Wutschetitsch ein arges Problem mit seiner Idee gehabt und die UdSSR hätte nicht seine Plastik dazu der UNO schenken können. Diese Plastik, bekannt unter den Namen „Schwerter zu Pflugscharen“, wurde ja 1959 der UNO Übergeben und steht vor dem UNO Gebäude in „United Nations Plaza Manhatten“.

Warum nahmen die Bolschewiki ?

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Ich meine den Bolschewiki ging es um das Symbol der Ernte – eine Sichel -. Ein Plugschar sagt soetwas wohl nicht aus.

Und es war klar das man den Hammer nimmt der schon seit anno dunnemal als Symbol eines Arbeiters gilt.
Z.B. auch die Österreicher verwenden in ihren Wappen links eine Sichel.
 
Also wenn Du Pflugschar genommen hättest, hätte 1959 der sowjetische Bildhauer Jewgeni Wutschetitsch ein arges Problem mit seiner Idee gehabt und die UdSSR hätte nicht seine Plastik dazu der UNO schenken können.
Wieso? Ich stehe gerade etwas auf dem Schlauch. Hätte die UdSSR Hammer und Pflugschar als Symbole verwendet, wäre die Losung "Schwerter zu Pflugscharen" doch sogar noch wirksamer gewesen.
Ich meine den Bolschewiki ging es um das Symbol der Ernte – eine Sichel -. Ein Plugschar sagt soetwas wohl nicht aus.
Das wäre natürlich eine Möglichkeit – dass die Pflugschar, als Instrument am Ausgangspunkt der Nahrungsmittelproduktion, keine so positive Botschaft transportiert wie die Sichel, mit der das gebündelte Getreide geschnitten und geerntet wird. Eine Ernte kann ja auch ausfallen. Keine positive Symbolik.
 
Ein Symbol welches in den Staatswappen der UdSSR verakert gewesen wäre vor der UNO in Manhattan?
Hier mal das Foto zu den Symbol (Quelle: Buch ab 1975 zur Jugendweihe in der DDR „Der Sozialismus Deine Welt“, Seite 249.

Schwerter zu Pflugschar-1.jpg


Vergiss es, das wäre nie etwas geworden.

Das erinnert mich auch an Churchill.
Als die Verhandlungen im Ceciliehof 1945 waren, hatten die Sowjets im Hof des Schlosse ein Rundell bestehen aus Rasen und Blumen angelegt.
Und in der Mitte aus roten Blumen den fünfzackiken Sowjetstern der ja bei den Sowjets die folgende Bedeutung hatte:
5 Zacken = die 5 Kontinente der Erde -> „Europa, Asien, Afrika Amerkika und Australien.
Gemäß dem Leitmotiv der marxistischen Bewegung „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“ – Kommunistisches Manifest - stellen diese 5 Zacken die Arbeiter aller Länder ja dar.
Der Tory-Mann Winston Churchill musste an diesem Rundell mit roten Stern täglich vorbei, so lange die Verhandlungen liefen, was ihn natürlich ägerte.

Die Sichel ist neben dem Erntemesser eines der ältesten Ackerbaugeräte. Die ältesten Sichelklingen fand man in der Levante, wo sie bereits im Proto-Neolithikum (12.000 – 9.000 Jahren vor Chr.) zum Abschneiden von Wildgetreide oder Gräsern dienten.

Eingefürt wurde dies neben den Hammer 1918 von Lenin zunächst nur für „Sowjetrussland“ und später dann ab 1922 – 1991 für die ganze UdSSR.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Sichel als Symbol für Landwirtschaft, Ernte und Widerstand gab es bereits vor dem Bolschewismus. Im Mittelalter finden wir das bereits bei der Heiligen Notburga -- das könnte sich bis ins 20. Jahrhundert weiterentwickelt haben. Etwas bereits Vertrautes zu übernehmen bzw. zu adaptieren, ist gewöhnlich einfacher, als das Rad neu zu erfinden.
 
Der Tory-Mann Winston Churchill musste an diesem Rundell mit roten Stern täglich vorbei, so lange die Verhandlungen liefen, was ihn natürlich ägerte.
Ich halte es nicht unbedingt für angemessen Churchill als "Tory-Mann" abzustempeln.
De facto hatte Churchill einen großen Teil seiner politischen Karriere bei den Liberalen verbracht und bei denen ist er auch in die erste Reihe der britischen Politik aufgerückt.
Churchill hatte seine politische Karriere bei den Konservativen begonnen, war 1904 aber zu den Liberalen gewechselt und hatte zwischen dem Beginn der 1910er Jahre und 1922 als vertreter der Liberalen verschiedene Ministerposten inne unter anderem den des Kriegsministers im Kabinett von David Lloyd George und in dieser Rolle hatte er 1919 auch die Intervention im russischen Bürgerkrieg beführwortet.

1924 wechselte er dann wider zu den Konservativen, wobei diesem Schritt ein ordentliches Maß Pragmatismus/Opportunismus innegewohnt haben dürfte, weil der 1. Wltkrieg das politische System Großbritanniens ordentlich durcheinandergeworfen hatte.
Der 1. Weltkrig und die sozialen Umwälzungen hatten in GB die Labour-Party zu einer ernsthaften politischen Kraft werden lassen.
Hinzu kommt in diesem Zug die Modernisierung des britischen Wahlrechts (Allgemeines Männerwahlrecht wurde in GB erst 1918 eingeführt, vorher waren vor allem Teile der Unterschichten noch ausgeschlossen).

Vor dem 1. Weltkrieg spielte die praktisch keine Rolle (6,3% Bei den Unterhauswahlen von 1910)
Danach dann aber schon: 1918 21,2% und 1922 wurde Labour mit 29,7% erstmals zweitstärkste Kraft hinter den Konservativen. und konnte 1924 erstmals in ihrer Geschichte mit Ramsay McDonald einen britischen Premierminister stellen.
Das Ganze ging weitgehend zu Lasten der Liberalen, die sich in den 1920er Jahren zunächst spalteten und und immer weiter hinter Labour zurückfielen, während die Konservativen ihre traditionell starke Position behaupten konnten.

Am Ende der 1920er anfang der 1930er Jahre hatten sich dann die Rollen der Liberalen und von Labour, wie sie vor dem 1. Weltkrieg mal bestanden hatten umgekehrt.

Dementsprechend kann man sich die Frage stellen, ob Churchills Wechsel zurück zu den Konservativen unbedingt ein Akt politischer Übeerzeugung war oder ob er der mehr daherrührte, dass die Liberalen mit zunehmender Tendenz zur karrieristischen Sackgasse wurden, die es zu verlassen galt und dass er von seiner ganzen Sozialisation in der Oberschicht Großbritanniens den Konservativen einfach nur näher stand, als Labour, ohne jetzt archetypisch für deren Linie zu sein.

Eingefürt wurdee dies neben den Hammer 1918 von Lenin zunächst nur für „Sowjetrussland“ und später dann ab 1922 – 1991 für die ganze UdSSR.
Was genau meinst du mit "nur für Sowjetrussland"?
Da die Sowjetunion ja selbst erst 1922 gegründet wurde, umfasste doch die RSFSR mehr oder minder den gesamten sowjetischen Machtbereich (bzw. eigentlich mehr als das, weil ja wegen des Bürgerkrieges nicht mal dieser gesamte Raum von den Bolschewiki beherrscht wurde und die durch den Brest-Litowsker Frieden abgetrennnten Gebiete waren ja zunächst mal ohnehin weg.

Interessant ist in disem Zusammenhang dass die von den Bolschewiki als kurzlebiger Pufferstaat im Osten geschaffene "Fernöstliche Republik" (1920-1922) Hammer&Sichel offenbar nicht führte.

Ich habe gerade mal stichprobenartig nach der Ukrainischen SSR geschaut, da scheinein Hammer und Sichel erst in den 1930er Jahren in dei Flagge aufgenommen worden zu sein:


Dafür waren Hammer und Sichel allerdings anscheinend bereits seit 1918/1919 im Wappen der Ukrainisches SSR vorhanden:



Sollten da keine Fehler drinn sein, scheint die Verwendung in den 1920er Jahren noch teilweise inkonsequent gewesen zu sein.
 
Die Sichel als Symbol für Landwirtschaft, Ernte und Widerstand gab es bereits vor dem Bolschewismus. Im Mittelalter finden wir das bereits bei der Heiligen Notburga -- das könnte sich bis ins 20. Jahrhundert weiterentwickelt haben. Etwas bereits Vertrautes zu übernehmen bzw. zu adaptieren, ist gewöhnlich einfacher, als das Rad neu zu erfinden.
Es gab Hammer und Sichel in Kombination (Chile, Österreich) schon bevor Lenin das als Wappen Sowjetrusslands einführte. Ob Lenin das wusste mag ich bezweifeln.
 
Es gab Hammer und Sichel in Kombination (Chile, Österreich) schon bevor Lenin das als Wappen Sowjetrusslands einführte. Ob Lenin das wusste mag ich bezweifeln.
Lenin hat vor dem 1. Weltkrieg einige Monate (mit Unterbrechung sogar fast 2 Jahre) in Österreich-Ungarn gelebt. Den Ausbrauch des ersten Weltkriegs erlebte er im Österreichischen Galizien.

Andere Persönlichkeiten unter den Umstürzlern von 1917, unter anderem Trotzki und Stalin hatten sich vor dem 1. Weltkrieg auch in Wien aufgehalten.
Außerdem hingen die Bolschewiki ja durchaus in den Netzwerken der europäischen Sozialdemokraten und der "Internationale" mit drinn, so sie die Österreichischen Sozialisten natürlich kannten und in Zürich, während des 1. Weltkriegs wird Lenin, samt Entourage durchaus auch Gelegenheit gehabt haben sich mit den österreichischen Genossen auszutauschen.

Zumal ja mit der "Zimmerwalder Konferenz" 1915 noch während des 1. Weltkriegs der Versuch unternommen worden war, die "Internationale" wieder zu beleben und sich die Vertreter der Europäischen Sozialisten zu diesem Zweck in der Schweiz trafen.

Gelegenheit sich dass von den Österreichern her anzueignen hätten Lenin und andere also duchaus gehabt, wenn das in Österreich schon vor oder während des 1. Weltkriegs als Symbol anzutreffen war. Jedenfalls würde ich es nicht für soooo unwahrscheinlich halten, dass die, wenn diese Symbole in Österreich schon früher verwendet worden waren, das gewusst haben könnten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hatte eigentlich zum Thread nur eine kleine Epiosode zu Churchill angesprochen, weil ich der Meinung war sie passt zu der Problematik.

Und dabei habe ich den Begriff Tory verwendet, nichts ahnend das sich daran jemand stößt und daraufhin die Biografie von Winston schreibt.

Was ich zum Thema, das ich recht interessant fand, zu sagen hatte, habe ich gesagt.
 
Es gab Hammer und Sichel in Kombination (Chile, Österreich) schon bevor Lenin das als Wappen Sowjetrusslands einführte. Ob Lenin das wusste mag ich bezweifeln.
Lenin hat vor dem 1. Weltkrieg einige Monate (mit Unterbrechung sogar fast 2 Jahre) in Österreich-Ungarn gelebt. Den Ausbrauch des ersten Weltkriegs erlebte er im Österreichischen Galizien.
Ich habe mich vertan, Hammer und Sichel (nicht gekreuzt, sondern in den Klauen des Bundesadlers, die außerdem gesprengte Ketten aufweisen) im österreichischen Wappen sind post-1919, also nach Lenin. Hätte ich mir eigentlich logisch herleiten können sollen.
 
Die gesprengte Kette wurde allerdings erst 1945 ergänzt.
Gelegenheit sich dass von den Österreichern her anzueignen hätten Lenin und andere also duchaus gehabt, wenn das in Österreich schon vor oder während des 1. Weltkriegs als Symbol anzutreffen war. Jedenfalls würde ich es nicht für soooo unwahrscheinlich halten, dass die, wenn diese Symbole in Österreich schon früher verwendet worden waren, das gewusst haben könnten.
Hammer und Sichel wurden in Österreich 1919 als Symbole im Staatswappen eingeführt. In der Monarchie trug der Adler in seinen Fängen Szepter, Schwert und Reichsapfel.
Nicht übersehen darf man freilich (wie es häufig geschieht), dass im österreichischen Bundeswappen Hammer und Sichel nicht für sich allein stehen, sondern der Adler auch eine Mauerkrone trägt. Zusammen stehen sie für Bürgertum, Arbeiterschaft und Bauernstand.
 
Und das Bürgertum, bezeichnet durch die Mauerkrone, ist oben auf, mit der Bauernsichel passend in der rechten Adlerklaue und dem Arbeiterhammer in der linken, beide tief unten.
 
Ich glaube, da interpretierst Du zu viel hinein. Erstens könnte der Adler schlecht Hammer oder Sichel auf dem Kopf tragen. Zweitens wurde dieses Wappen unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung eingeführt.
 
Die gesprengte Kette wurde allerdings erst 1945 ergänzt.

Hammer und Sichel wurden in Österreich 1919 als Symbole im Staatswappen eingeführt. In der Monarchie trug der Adler in seinen Fängen Szepter, Schwert und Reichsapfel.
Nicht übersehen darf man freilich (wie es häufig geschieht), dass im österreichischen Bundeswappen Hammer und Sichel nicht für sich allein stehen, sondern der Adler auch eine Mauerkrone trägt. Zusammen stehen sie für Bürgertum, Arbeiterschaft und Bauernstand.
Das das im offiziellen Staatswappen erst nach dem Krieg vorkam, dass ist mir klar.
Das waren eine Symbole mit denen sich die Habsburger gschmückt hätten.
Ich hatte das bei @El Quijote eher so verstanden, dass es diese Symbole im Zusammenhang mit den Österreichischen Sozialisten bereits vor oder während des Weltkriegs irgendwo als Symbole gegeben habe, was mir so nicht bekannt war.


Und dabei habe ich den Begriff Tory verwendet, nichts ahnend das sich daran jemand stößt und daraufhin die Biografie von Winston schreibt.

Mir ging es nur darum, dass es zu kurz greifen würde den Mann als durchideologisierten konservativen Betonschädel zu betrachten, der auf Grund dessen einen chronischen Brass auf alles gehabt hätte, was mit Kommunismus und damit auch den Verhandlungspartnern in Potsdam zu tun hatte.
Den Brass hatte er, aber die Gründe dafür dürften vielschichtiger gewesen sein, als eine simple (hoch)konservative Weltanschauung.
 
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Ich finde Hammer und Sichel durchaus passend! Passender noch wären freilich Presslufthammer und Sense. Mit äußerster Rücksichtslosigkeit, viehischer Brutalität und kalter Grausamkeit wurde in der Sowjetunion ein Wirtschafts- und Sozialexperiment durchgesetzt und systematisch Hunger und Terror als politische Waffen eingesetzt. Absolut kaltblütig nahm man den Hungertod von Hunderttausenden billigend in Kauf. Im Kubangebiet und der Ukraine kam es zu Kannibalismus, es spielten sich Szenen ab wie es sie allenfalls in den wüstesten Zeiten des Dreißigjährigen Krieges gegeben hatte.

Die Sowjetunion, die nach ihrem Selbstverständnis ein Staat der Arbeiter und Bauern war, hat eine angemessene Landreform, die der Mehrheit der Bevölkerung zugute gekommen wäre nie in Angriff genommen.

Dabei gab es ja in Russland bestehende Traditionen von gemeinsamem Landbesitz, von Gemeinderechten. Auf diesen Grundlagen hätte man eine Landreform organisieren können, die der Mehrheit der Bevölkerung zugute gekommen wäre, die für große Akzeptanz gesorgt hätte. Mit dem Versprechen Frieden und Land haben die Bolschewiki durchaus einen Großteil der Bevölkerung für sich einnehmen können. Russland war zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast ein reiner Agrarstaat. Lediglich in Moskau und Petersburg und wenigen Zentren gab es Industrie.

Die Industrialisierung der SU in den 1930er Jahren war schon eine beeindruckende Leistung. Das war allerdings ein Kraftakt, der auf Kosten der Landbevölkerung in der Ukraine im Don- und Kubangebiet forciert wurde.



Kaum ein Herrschaftssystem, außer vielleicht Maos China hat brutaler gegen Bauern gewütet und mehr Bauern umgebracht, als die SU unter Stalin.
 
Mir scheint, die Pflugschar wäre naheliegender gewesen.
Hammer und Pflug auf rotem Stern war das offizielle Brust- und Mützenabzeichen der Roten Armee von 1918 bis 1922.
Das Abzeichen ging aus einem Wettbewerb hervor, an dem sich zahlreiche Künstler zwischen Mai und November 1918 beteiligten, also nach dem ersten Erscheinen von Hammer und Sichel zum 1. Mai 1918.
Der Pflug scheint erste Wahl gewesen zu sein, doch hat sich die Sichel durchgesetzt. Vermutlich weil man sie gerade auf kleinen Abzeichen besser als solche erkennen kann. Die Erklärung von @Ralf.M mit der Sichel als Symbol der Ernte gefällt mir aber auch sehr gut.

Es gab Hammer und Sichel in Kombination (Chile, Österreich) schon bevor Lenin das als Wappen Sowjetrusslands einführte. Ob Lenin das wusste mag ich bezweifeln.
Wobei die chilenische Variante wahrscheinlich die Idee französischer Künstler war.
Unter der Vorgabe, auf der Rückseite der 1 Peso Münze Chiles irgendwelche passenden Embleme oder Mottos einzugravieren:
En las monedas de oro se estampará el escudo nacional, y en su reverso el busto de la República, y emblemas o lemas accesorios, las palabras República de Chile, el valor en letras y el año de la amonedación en cifras.

Auf der Vorderseite signierten Paulin Tasset — Wikipédia und Oscar Roty – Wikipedia , letzterer bekannt durch sein Motiv der Säerin.

Natürlich kann man auch unabhängig von bereits bestehenden Symbolen auf die gleiche Idee kommen, doch wenn man nach einer Verbindung und einem möglichen künstlerischen Austausch suchen will, dann in Paris.

Jewgenij Iwanowitsch Kamsolkin, Sergei Wassiljewitsch Gerassimow, Dmitri Sobolew und Nikolai Tschernyschew gelten als das Team, welchem das Design der gekreuzten Sichel und Hammer eingefallen sei. Mindestens Letzterer lebte ab 1910 eine Weile in Paris.

Was die österreichische Sichel anbelangt, wäre noch zu ergänzen, dass sie erst in den letzten Tagen vor dem Beschluss in der Nationalversammlung noch drei bis zu dem Zeitpunkt vorgeschlagene Kornähren ersetzen musste.
Ein Schreiben der Staatskanzlei an das Staatsamt des Inneren vom 25. April 1919, vom christlichsozialen Kanzleidirektor Walter Breisky unterzeichnet, verlangte dies so.
 
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Die Sowjetunion, die nach ihrem Selbstverständnis ein Staat der Arbeiter und Bauern war, hat eine angemessene Landreform, die der Mehrheit der Bevölkerung zugute gekommen wäre nie in Angriff genommen.
Die Industrialisierung der SU in den 1930er Jahren war schon eine beeindruckende Leistung. Das war allerdings ein Kraftakt, der auf Kosten der Landbevölkerung in der Ukraine im Don- und Kubangebiet forciert wurde.

Das Problem ist, dass eine solche Landreform die von den Bolschewiki angepeilte Industrialisierung extrem erschwert oder sogar verhindert hätte.

Eine Landreform, die auf die Zerschlagung des Großgrundbesitzes hinausgelaufen wäre, hätte zu einer extrem großen Zahl an Kleinbetrieben geführt, die nicht über das Kapital verfügt hätten, Maschinen anschaffen zu können (außerdem wäre deren Nutzung in Kleinbetrieben ineffizient gewesen), um die Produktionsmengen drastisch zu erhöhen.

Das war für die Industrialisierung aber aus zwei Gründen notwendig:

1. Überschuss von Agrargütern als Außenhandelsgut um Maschinen einführen zu können um die Industrie aufzubauen.
2. Freisetzenn von für eine moderne Industrie benötigten Arbeitskräften durch Wegrationalisierung kleinerer Bauernstellen qua des Einsatzes von Maschinen und Technik.

Dabei gab es ja in Russland bestehende Traditionen von gemeinsamem Landbesitz, von Gemeinderechten. Auf diesen Grundlagen hätte man eine Landreform organisieren können, die der Mehrheit der Bevölkerung zugute gekommen wäre, die für große Akzeptanz gesorgt hätte.

Es wird mir persönlich immer ein Rätsel bleiben, wie man es schafft die мир/община zu romantisieren, gleichzeitig die Kollektivierung die die Sowjets betrieben aber zu verteufeln, jedenfalls was den grundsätzlichen Gedanken angeht (die Ausführung der Zwangskollektivierung und die unnötigen Opfer sind natürlich ein anderes Thema.
Die мир war keine freiwillige Produktions/Lebensgemeinschaft, sondern sie war in der Regel ein Produkt des Feudalsystem bei dem die Dorfgemeinschaft für die an den Grundherren (nach der "Baueernbefreiung dem Staat) zu leistenden Abgaben kollektiv verantwortlich war.
Will heißen weder konnte dort der einzelne Bewohner besonders freie Entscheidungen treffen, noch konnte er ohne weiteres aussteigen (sofern er nicht bereit war alles aufzugeben), noch anbauen was er wollte, noch die Profite aus den Agrarprodukten in dem Maße für sich selbst behalten, wie das in anderen Wirtschaftsformen möglich war (im Besonderen vor der Bauernbefreiung).
Außerdem war das Ganze natürlich innovationsfeindlich bis zum geht-nicht-mehr.
Die regelmäßige Neuaufteilung des Landes zur Bewirtschaftung, machte es für den einzelnem Bewohner unsinnig Meliorationsarbeiten zu betreiben um die Erträge zu verbessern, oder die Bewirtschaftung zu vereinfachen, er konnte die Erträge ja ohnehin nicht für sich behalten und wenn er sich Jahrelang um eine vernünftige Drainage (o.ä.) für ein Stück Land bemüht hätte, hätte es sein können, dass er dieses Landstück bei der nächsten Neuaufteilung des Bodens wieder los geworden wäre, so dass die Arbeitserleichterung anderen zugefallen wäre und er wieder bei Null hätte anfangen müssen.

Damit war kein Fortschritt zu machen und darauf zu setzen, wäre auch nicht die Art von Landreform gewesen die die Bauern in ihrer Mehrzahl befürworteten.
Wer in der мир/община lebte, wollte da in der Regel eher raus. Wenn es nach dem Interesse der meisten kleineren Bauern oder Bewohnern der
мир/община gegangen wäre, hätte man sowohl die мир/община, als auch den alten adeligen Großgrundbesitz liquidiert, dass Land kleinteilig neu parzelliert und unter den Bauern versteilt, so dass jeder unabhängig sein eigenes Ding hätte machen können.
Die Vorstellung der Befürworter einer solchen Bodenreform waren im Wesentlichen vormodern.

Mit den Vorstellungen der Bolschewiki waren sie aus einem ganz anderen Grund nicht vereinbar.

Für die Gesellschaft, die die Bolschewiki anstrebten, mussten die landwirtschaftlichen Produktionsmengen drastisch erhöht werden, um die Industrialisierung zu finanzieren, die Lebensmittelpreise zu senken, darüber den Lebensstandart zu erhöhen und wie gesagt Arbeitskräfte freizusetzen.
Das aber passte in keiner Weise zu den Interessen der Bauern, im Besonderen der Kleinbauern.
Drastische Erhöhung der Produktion bedeutete ja gleichzeitig auch Preisverfall und damit wirtschaftliche Miesere vor allem für kleinere Bauernstellen, denen Boden und Kapital fehlten um bei so einer Expansion mitmachen zu können.

Insofern war der Zusammenstoß der Bolschewiki, wenn die auf ihre Modernisierungskampagne nicht verzichten wollten einerseits mit den Bauern andererseits unvermmeidbar.

Das soll mitnichten eine Verteidigung des Umgangs der KP mit den Versorgungsproblemen, dem Hunger und seinen drastischen Folgen sein, dass ist und bleibt eine Politik an der Blut ohne Ende klebt und die man mit einigem Recht, durchaus auch "Massenmord" nennen kann.

Allerdings, um eine moderne Gesellschaft aufbauen zu können, war es notwendig mit den vormodernen Strukturen zu brechen und sich weitgehend gegen die Wünsche der Beführworter der Landreform, die auf die zementierung der vormodernen Strukturen abzielten zu wenden.
Natürlich hätte man das aber auch zivilisiert tun können.
 
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