Die Sowjetunion, die nach ihrem Selbstverständnis ein Staat der Arbeiter und Bauern war, hat eine angemessene Landreform, die der Mehrheit der Bevölkerung zugute gekommen wäre nie in Angriff genommen.
Die Industrialisierung der SU in den 1930er Jahren war schon eine beeindruckende Leistung. Das war allerdings ein Kraftakt, der auf Kosten der Landbevölkerung in der Ukraine im Don- und Kubangebiet forciert wurde.
Das Problem ist, dass eine solche Landreform die von den Bolschewiki angepeilte Industrialisierung extrem erschwert oder sogar verhindert hätte.
Eine Landreform, die auf die Zerschlagung des Großgrundbesitzes hinausgelaufen wäre, hätte zu einer extrem großen Zahl an Kleinbetrieben geführt, die nicht über das Kapital verfügt hätten, Maschinen anschaffen zu können (außerdem wäre deren Nutzung in Kleinbetrieben ineffizient gewesen), um die Produktionsmengen drastisch zu erhöhen.
Das war für die Industrialisierung aber aus zwei Gründen notwendig:
1. Überschuss von Agrargütern als Außenhandelsgut um Maschinen einführen zu können um die Industrie aufzubauen.
2. Freisetzenn von für eine moderne Industrie benötigten Arbeitskräften durch Wegrationalisierung kleinerer Bauernstellen qua des Einsatzes von Maschinen und Technik.
Dabei gab es ja in Russland bestehende Traditionen von gemeinsamem Landbesitz, von Gemeinderechten. Auf diesen Grundlagen hätte man eine Landreform organisieren können, die der Mehrheit der Bevölkerung zugute gekommen wäre, die für große Akzeptanz gesorgt hätte.
Es wird mir persönlich immer ein Rätsel bleiben, wie man es schafft die мир/община zu romantisieren, gleichzeitig die Kollektivierung die die Sowjets betrieben aber zu verteufeln, jedenfalls was den grundsätzlichen Gedanken angeht (die Ausführung der Zwangskollektivierung und die unnötigen Opfer sind natürlich ein anderes Thema.
Die мир war keine freiwillige Produktions/Lebensgemeinschaft, sondern sie war in der Regel ein Produkt des Feudalsystem bei dem die Dorfgemeinschaft für die an den Grundherren (nach der "Baueernbefreiung dem Staat) zu leistenden Abgaben kollektiv verantwortlich war.
Will heißen weder konnte dort der einzelne Bewohner besonders freie Entscheidungen treffen, noch konnte er ohne weiteres aussteigen (sofern er nicht bereit war alles aufzugeben), noch anbauen was er wollte, noch die Profite aus den Agrarprodukten in dem Maße für sich selbst behalten, wie das in anderen Wirtschaftsformen möglich war (im Besonderen vor der Bauernbefreiung).
Außerdem war das Ganze natürlich innovationsfeindlich bis zum geht-nicht-mehr.
Die regelmäßige Neuaufteilung des Landes zur Bewirtschaftung, machte es für den einzelnem Bewohner unsinnig Meliorationsarbeiten zu betreiben um die Erträge zu verbessern, oder die Bewirtschaftung zu vereinfachen, er konnte die Erträge ja ohnehin nicht für sich behalten und wenn er sich Jahrelang um eine vernünftige Drainage (o.ä.) für ein Stück Land bemüht hätte, hätte es sein können, dass er dieses Landstück bei der nächsten Neuaufteilung des Bodens wieder los geworden wäre, so dass die Arbeitserleichterung anderen zugefallen wäre und er wieder bei Null hätte anfangen müssen.
Damit war kein Fortschritt zu machen und darauf zu setzen, wäre auch nicht die Art von Landreform gewesen die die Bauern in ihrer Mehrzahl befürworteten.
Wer in der мир/община lebte, wollte da in der Regel eher raus. Wenn es nach dem Interesse der meisten kleineren Bauern oder Bewohnern der
мир/община gegangen wäre, hätte man sowohl die мир/община, als auch den alten adeligen Großgrundbesitz liquidiert, dass Land kleinteilig neu parzelliert und unter den Bauern versteilt, so dass jeder unabhängig sein eigenes Ding hätte machen können.
Die Vorstellung der Befürworter einer solchen Bodenreform waren im Wesentlichen vormodern.
Mit den Vorstellungen der Bolschewiki waren sie aus einem ganz anderen Grund nicht vereinbar.
Für die Gesellschaft, die die Bolschewiki anstrebten, mussten die landwirtschaftlichen Produktionsmengen drastisch erhöht werden, um die Industrialisierung zu finanzieren, die Lebensmittelpreise zu senken, darüber den Lebensstandart zu erhöhen und wie gesagt Arbeitskräfte freizusetzen.
Das aber passte in keiner Weise zu den Interessen der Bauern, im Besonderen der Kleinbauern.
Drastische Erhöhung der Produktion bedeutete ja gleichzeitig auch Preisverfall und damit wirtschaftliche Miesere vor allem für kleinere Bauernstellen, denen Boden und Kapital fehlten um bei so einer Expansion mitmachen zu können.
Insofern war der Zusammenstoß der Bolschewiki, wenn die auf ihre Modernisierungskampagne nicht verzichten wollten einerseits mit den Bauern andererseits unvermmeidbar.
Das soll mitnichten eine Verteidigung des Umgangs der KP mit den Versorgungsproblemen, dem Hunger und seinen drastischen Folgen sein, dass ist und bleibt eine Politik an der Blut ohne Ende klebt und die man mit einigem Recht, durchaus auch "Massenmord" nennen kann.
Allerdings, um eine moderne Gesellschaft aufbauen zu können, war es notwendig mit den vormodernen Strukturen zu brechen und sich weitgehend gegen die Wünsche der Beführworter der Landreform, die auf die zementierung der vormodernen Strukturen abzielten zu wenden.
Natürlich hätte man das aber auch zivilisiert tun können.