Handel und Fernverkehr im Neolithikum

Es ann durchaus möglich gewesen sein, dass man in der Jungsteinzeit die Einbaum-Boote nicht nur zum Fischen nutzte, sondern auch zum Transport von Gütern. Wenn man die Flussnetze in Deutschland und in der Schweiz betrachtet und davon absieht, dass viele Siedlungen an Seen- und Flussufern gebaut waren.
 
Einen guten Hinweis auf die Verbindung Handel-Wasserwege findet sich im Zusammenhang mit der Verbreitung des Kelheimer bzw. Arnhofener Plattenhornsteins.
Bei Abensberg-Arnhofen, Niederbayern, wird seit Jahren von der Kelheimer Kreisarchäologie ein Plattenhornsteinbergwerk ausgegraben.
Plattenhornstein aus diesem Bergwerk fand sich sowohl im Westen Deutschlands, aber auch in der Nähe von Prag.
Eine der Fundstellen in Tschechien befand sich auf einer Flussinsel, die Halbzeuge aus Hornstein zusammengepackt, wie aus einem Beutel.
Der Weg Richtung Tschechien durch den Böhmerwald ist denkbar, ebenso der zumindest teilweise Transport über Flüsse ist möglich.
Konkrete Angaben zum Fundort entgehen mir im Moment.
Nachzulesen jedenfalls in den Veröffentlichungen des Kelheimer Museums oder auf die Schnelle unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Feuersteinbergwerk_von_Abensberg-Arnhofen

und zur vermuteten „Feuersteinstraße“ siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Feuersteinstra%C3%9Fe


Ich persönlich bin jetzt nicht unbedingt von der Existenz von reinen Händlern überzeugt. Diese sind nicht notwendig, um die Fundverteilung von eindeutiger Handelsware im Neol. ausreichend zu erklären.
Ausserdem auch nicht unbedingt von regelrechten „Handelsrouten“, die für alle Vorgeschichtlichen Phasen immer gerne gesucht (und gefunden) werden.

Ich denke, persönlicher Tausch und wiederholte Weitergabe über jeweils recht kurze Strecken reicht auch aus, um die Weitergabe von Gütern zu erklären.
Die Annahme einer Händlerkaste wäre m.E. eine Annahme einer sozialen Gliederung, die, mit allen weiteren Implikationen, wohl zu weit führen würde.
Eine dieser Implikationen wäre eben die Annahme von „Handelsrouten“ oder „Straßen“, die bei relativ kurzen Einzelwegen nicht notwendig wären.
Natürlich gibt es bestimmte Engpässe z.b. über Höhenzüge, an denen sich entweder als Weihegaben oder verstecktes Handelsgut definierte Artefakte finden lassen. Aber dies bedeutet nicht zwingend, dass komplette Wegenetze existierten.
Hier sehe ich die Gefahr der Übertragung späterer Sozial- und Infrastrukturen.

(Ein schönes Beispiel stammt noch von einem der erwähnenswert guten Vorträgen von Prof. Dr. Wolfgang Kimmig, Tübingen, aus den Neunzigern.
Irgendwann im 19.Jh. fand sich ein Eisentopf im östlichen Schwarzafrika, der eindeutig aus dem 12.Jh. stammte, gefertigt in England. Daraus zu folgern, wie es der erste Ethnologe tat, Menschen aus „Tansania“ hätten an den Kreuzzügen teilgenommen, ist einfach zu weit hergeholt. Der Topf wurde offenbar als seltenes Stück Zug um Zug in Afrika Richtung Südost verhandelt, bis er dann letztlich dort hängen blieb.)
 
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Man muss wohl beide Möglichkeiten in Betracht ziehen:
1. Prinzip stille Post (von Hand zu Hand)
2. Einzelne Fernreisende (nicht unbedingt spezialisierte Händler)

Man hat in Nordirland einen Affenschädel aus der Bronzezeit gefunden, der nur aus Marokko stammen kann.
Emain Macha
 
Herxheim

Hallo, :winke:


ich lese hier schon länger mit, bin aber bloß interessierte Lai-in, d.h. muss noch viel lernen.

Ein tolles Forum, fühle mich manchmal ganz klein vor diesem geballten Sachverstand hier.


Traue mich nun aber doch, was zu diesem Thema zu sagen.

Ich habe neulich deren Webseite „durchforstet“ und irgendwie hat mich das Thema den ganzen Tag beschäftigt. Als Resümee schreibt die Grabungsleitung:


Herxheim - DFG-Projekt Bandkeramische Grubenanlage


Zitat
„Deutlich erweitert werden unsere Kenntnisse nun durch die an den Menschenknochen in Komplex 9 entdeckten Manipulationsspuren, die ebenfalls bestimmten Schemata folgen. Diese belegen für die einzelnen Skelettelemente festgeschriebene, sich wiederholende Bearbeitungsmethoden, für die, so das Fazit des bearbeitenden Anthropologen, die beste und sinnvollste Erklärung eine Zerlegung und intensive Verwertung der menschlichen Körper zum Zweck der Nahrungsgewinnung – eingebettet in den rituellen Rahmen der Gesamtsituation in Herxheim – darstellt. Welche Rolle im Einzelnen der postulierte Kannibalismus in den Ritualen gespielt hat, und ob daran alle zerlegten menschlichen Skelette der Anlage teilhatten, ist zur Zeit noch nicht zu ermessen; eine Feinanalyse der Menschenknochen aus den übrigen Komplexen der Neugrabung wird zu dieser Frage sicherlich Licht in das Dunkel des Geschehens bringen.“


Herxheim - DFG-Projekt Bandkeramische Grubenanlage


Was für ein Kult könnte das gewesen sein? Gibt es irgendwo was Vergleichbares bei anderen Völkern? Oder sind das einfach voreilige Schlüsse?


Liebe Grüße
Ganesha
 
Nun ja, dass kann auch Ausdruck eines Ahnenkultes sein, wie er z.B. bei den Papuas bis in die Gegenwart ausgeübt wurde, übrigens oft in Verbindung mit Kannibalismus.
 
Irgendwann im 19.Jh. fand sich ein Eisentopf im östlichen Schwarzafrika, der eindeutig aus dem 12.Jh. stammte, gefertigt in England. Daraus zu folgern, wie es der erste Ethnologe tat, Menschen aus „Tansania“ hätten an den Kreuzzügen teilgenommen, ist einfach zu weit hergeholt. Der Topf wurde offenbar als seltenes Stück Zug um Zug in Afrika Richtung Südost verhandelt, bis er dann letztlich dort hängen blieb.)
Ein deutscher Sibirienreisender des 18. Jh. (Pallas oder Gmelin?) fand bei einheimischen Nomaden Fragmente einer mittelalterlichen Handschrift aus Europa, offenbar ein Andenken an die Mongolenfeldzüge.
 
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Was für ein Kult könnte das gewesen sein? Gibt es irgendwo was Vergleichbares bei anderen Völkern? Oder sind das einfach voreilige Schlüsse?

Abschließend kann man zu Herxheim wohl noch nichts sagen und höchstens Vermutungen in Richtung Ahnenkult anstellen.

Ich kann aber gut verstehen, dass diese Funde dich beschäftigen.
In Jericho wurden Schädel von Verstorbenen mit Gips und Ton übermodelliert, so daß sie wieder ein Gesicht hatten, in die Augenhöhlen wurden Muschelschalen gesetzt.
In Catal Höyük wurden verstorbene Familienangehörige, also Ahnen unter den Schlafpodesten deponiert. Wahrscheinlich war das eine Sekundärbestattung der Knochen. Entfleischt wurden die Knochen vielleicht von Geiern und anderen Aasfressern und erst später wieder ins Haus geholt.
Für uns eine gruselige Vorstellung, für die Menschen damals war das aber vermutlich ein respektvoller Umgang mit ihren Vorfahren.
In diese Richtung könnte man über die Funde in Herxheim also auch spekulieren.
 
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