Es ist nun allerdings die Frage - ich weiss, nicht ob Dein Autor sie beantwortet -, inwieweit "Hass auf das menschliche Geschlecht" als Tatbestand im römischen Strafrecht verankert war und ob es hierzu schon Präzedenzfälle gab, z.B. Juden betreffend.
Nichtteilnahme am öffentlichen Leben jedenfalls dürfte nicht ausgereicht haben.
Die Stelle in dem für das Thema schmalen Band von Mühlenberg ist recht knapp. Nachdem ich ein wenig gesucht habe, glaube ich, dass es sich weniger um einen Rechtstatbestand, sondern vielmehr um ein Vorurteil dem Judentum und Christentum gegenüber handelte, ich weiß es aber ehrlicherweise nicht.
Eigentlich habe ich den Begriff „odium human generis“ im Internet nur in Zusammenhang mit dem oben erwähnten Tacitus-Zitat gefunden. Neben dem von Dir verlinkten Autor auch
Theologische Realenzyklopädie ... - Google Bücher
Abgesehen von dem oben verlinkten Wikipedia-Eintrag, wo „odium human generis“ mit „Misanthropie“ gleichgesetzt wird.
Der fehlende Baustein auf dem Weg vom Fernbleiben der Kulthandlungen zum Vorwurf der Misanthropie oder „Hass auf das Menschengeschlecht“ könnte die Überzeugung der Römer sein, Unglücke, Gefahren für den Staat oder Seuchen seien auf die Vernachlässigung der Kultpflege zurückzuführen [1]. Wer sich diesem Dienst am Gemeinwohl widersetzt wird so zu einer Gefahr für die Gemeinschaft, zu einem Jonas wenn man so will. Der „Hass“ wäre dann das unterstellte Motiv für so ein unerklärliches und gefährliches Verhalten.
Wenn, wie Karl Christ schreibt [2], erst seit Nero das „’Christsein’ an sich“ mit der Todesstrafe zu „ahnden“ war, spricht das eigentlich für eine zu Neros Zeiten geschaffene Rechtsgrundlage, möglicherweise unter dem von Tacitus genannten Begriff. Andererseits habe ich einen Aufsatz gefunden, in dem
Bettina Henningsen schreibt:
„So wurde unter dem Deckmantel der Straffälligkeit – hier Brandstiftung – ein Gesetz bewusst gegen Christen eingesetzt. Eine Spezialgesetzgebung gegen Christen gab es zu diesem Zeitpunkt nicht.“
Eine ihrer Literaturangabe könnte für eine Vertiefung interessant sein:
Antonie Wlosok: Die Rechtsgrundlagen der Christenverfolgungen der ersten zwei Jahrhunderte. In: Richard Klein (Hg.): Das frühe Christentum im Römischen Staat. Darmstadt 1971.
Als kleiner Querverweis noch ein Beitrag Scorpios zu dem Begriff:
http://www.geschichtsforum.de/588138-post210.html
[1] Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit, Beck, S. 591
[2] Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit, Beck, S. 592