Hatte Hannibal eine Chance?

Deine Zahlen kann ich soweit bestätigen, Ich habe aber Syphax Truppe mitgezählt. Im Winter 204/ 203 lagerte Scipio vor Utika, wurde dabei aber von einer Kombinierten Truppe von Hasdrubal Gisko und Syphax auf einer Landzunge eingeschlossen, die zahlenmäßig so stark war, dass Scipio nicht wagte sie anzugreifen. Scipio täuschte Verhandlungsbereitschaft vor, konnte dann aber diese Truppe in einem nächtlichen Überraschungsangriff auf das Lager stark dezimieren. Die Zahlenangaben über diese Truppe gehen aber bei verschiedenen Autoren auseinander, dürfte aber etwa 50 000 zusätzlich zu denen von Hasdrubal Gisko betragen haben.
Syphax' Truppen kann man nicht einfach zu den karthagischen dazurechnen und als Beweis anführen, welche Söldneranwerbungskapazitäten Karthago hatte. Syphax war schließlich ein Verbündeter, der umworben und bei der Stange gehalten werden musste, den konnte man nicht einfach herumkommandieren. Da er sich als unzuverlässig erwiesen hatte, musste man jederzeit mit der Möglichkeit rechnen, dass er erneut sein eigenes Süppchen kochen und sich wieder gegen die Karthager wenden würde. Außerdem wäre Syphax wohl kaum bereit gewesen, mit seinem Heer gegebenenfalls auch nach Spanien oder Italien zu gehen, da er sich zuhause auch gegen Massinissa wehren musste.

Weiterhin gab es einen fehlgeschlagenen Verstärkungsversuch für Hannibal in 206 (andere sagen 205) mit 100 Schiffen. Ich habe keine genauen Zahlenangaben über die Ladung, eine Schätzung von 100 Soldaten pro Schiff mag hier sinnvoll sein (also etwa 10 000 Mann), lasse mich aber gerne belehren, wenn jemand eine Quelle hat.
Da auch Versorgungsgüter transportiert wurden (warum wohl?), können nicht alle Schiffe mit Soldaten befüllt gewesen sein.

Sie war ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und hätte Hannibals Verbündete in Lukanien direkt mit der Campana verbunden. Dann hätte Hannibal eine direkte Festtungskette vom Süden Italiens bis nach Capua gehabt.
Ob Marcellus auf eigene Initiative Nola verteidigte oder Befehle dazu vom römischen Senat hatte, weiß ich nicht. Er hat jedenfalls insgesamt 3 mal mit Hannibal (216, 215, 214) mit Hannibal um diese Stadt gekämpft.
Beim ersten Mal (216) wurde Marcellus vom Rat Nolas um Hilfe gebeten, weil dieser einen Aufstand der mit den Puniern sympathisierenden Bürger befürchtete. Hannibal selbst jedoch scheint Nola nicht die von Dir postulierte Bedeutung beigemessen zu haben, denn als die Stadt nicht gleich bei seiner ersten Annäherung zu ihm überlief, griff er sie nicht etwa an, sondern zog weiter nach Neapel und Nuceria. (Zu diesem Zeitpunkt war Marcellus noch nicht in der Nähe.) Erst als Marcellus Nola besetzt hatte, zog Hannibal wieder vor die Stadt. (Sein Motiv könnte also nicht so sehr der Wunsch nach dem Besitz Nolas gewesen sein, sondern mehr der Wunsch nach einer Schlacht gegen Marcellus.) Nach dem ersten vergeblichen Angriff auf die Stadt zog Hannibal dann wieder ab.
Beim zweiten Mal (215) griff Hannibal Nola auf Ersuchen der Hirpiner und Samniten, seiner Verbündeten, an, weil Marcellus die Stadt als Basis für Streifzüge nutzte.
Beim dritten Mal (214) wurde Hannibal von mit den Puniern sympathisierenden Bürgern Nolas eingeladen, als er gerade in der Nähe war.
 
Da auch Versorgungsgüter transportiert wurden (warum wohl?), können nicht alle Schiffe mit Soldaten befüllt gewesen sein.
Welche Art Versorgungsgüter? Steht das auch in Deine Quellen. Hannibal bekam nichts, weil der Versorgungsversuch scheiterte. Gibt irgendeine Quelle her, das Teile von Hannibals Armee verhungerten? Denn Hannibal bekam nach 215 praktisch nichts von Karthago.



Beim ersten Mal (216) wurde Marcellus vom Rat Nolas um Hilfe gebeten, weil dieser einen Aufstand der mit den Puniern sympathisierenden Bürger befürchtete. Hannibal selbst jedoch scheint Nola nicht die von Dir postulierte Bedeutung beigemessen zu haben, denn als die Stadt nicht gleich bei seiner ersten Annäherung zu ihm überlief, griff er sie nicht etwa an, sondern zog weiter nach Neapel und Nuceria. (Zu diesem Zeitpunkt war Marcellus noch nicht in der Nähe.) Erst als Marcellus Nola besetzt hatte, zog Hannibal wieder vor die Stadt. (Sein Motiv könnte also nicht so sehr der Wunsch nach dem Besitz Nolas gewesen sein, sondern mehr der Wunsch nach einer Schlacht gegen Marcellus.) Nach dem ersten vergeblichen Angriff auf die Stadt zog Hannibal dann wieder ab.
Beim zweiten Mal (215) griff Hannibal Nola auf Ersuchen der Hirpiner und Samniten, seiner Verbündeten, an, weil Marcellus die Stadt als Basis für Streifzüge nutzte.
Beim dritten Mal (214) wurde Hannibal von mit den Puniern sympathisierenden Bürgern Nolas eingeladen, als er gerade in der Nähe war.

Stimmt alles, vor allem dass Hannibal begierig war Marcellus zu schlagen, jedoch wissen wir dass Hannibal ein Spionagenetz unterhielt. Er hatte 216 Berichte das Neapolis zu ihm übergehen wollte. Ein Hafen ist natürlich noch wichtiger, daher hat er dieses Ziel vorrangig verfolgt. Genug Truppen um mehr gleichzeitig zu tun hatte er nicht. Außerdem war zu diesem Zeitpunkt Capua noch nicht zu ihm übergelaufen. Nola selber ist eine mittelgroße Stadt. Ihre strategische Bedeutung ergibt sich erst aus ihrer Lage südlich von Capua. Als Verbindungsweg und später als Ansatzpunkt für die Römer Capua zu belagern.
 
Verbündete Zählen!

Syphax' Truppen kann man nicht einfach zu den karthagischen dazurechnen und als Beweis anführen, welche Söldneranwerbungskapazitäten Karthago hatte. Syphax war schließlich ein Verbündeter, der umworben und bei der Stange gehalten werden musste, den konnte man nicht einfach herumkommandieren. Da er sich als unzuverlässig erwiesen hatte, musste man jederzeit mit der Möglichkeit rechnen, dass er erneut sein eigenes Süppchen kochen und sich wieder gegen die Karthager wenden würde. Außerdem wäre Syphax wohl kaum bereit gewesen, mit seinem Heer gegebenenfalls auch nach Spanien oder Italien zu gehen, da er sich zuhause auch gegen Massinissa wehren musste.

Das ist Haarspalterei. Klar mußte sowohl Massinissa als auch Syphax Truppen zu Haus unterhalten. Aber wir wissen doch auch dass Massinissa im Jahr 211 als er noch auf Seiten Karthagos stand starke Kavallerie Verbände in Spanien hatte. Der mußte sich doch auch zu Hause gegen Syphax schützen. Wir wissen von der Hochzeit Syphax mit Hasdrubal Gisgos Tochter. Aber deswegen waren die Dienste von Syphax Truppen doch nicht umsonst! Selbstverständlich mußte Karthago auch hier bezahlen.
Karthago wandte oft das System an dass Stammesverbände angeworben wurden. Konkret gab es da einen Andobales in Spanien der 211 7500 Suessetaner zur Hilfe gegen Publius Scipio heranführte. Scipio griff diese an, aber Mago, Hasdrubal Gisgo mit Massinissa kamen zu Hilfe, Scipios Armee wurde vernichtet.
Roms Verbündete zählen doch auch. Ich kann nicht erkennen wieso Syphax nicht zählen soll.
 
Welche Art Versorgungsgüter? Steht das auch in Deine Quellen. Hannibal bekam nichts, weil der Versorgungsversuch scheiterte.
Bei Livius (28,46) heißt es: "Iisdem diebus naves onerariae Poenorum ad octoginta circa Sardiniam ab Cn. Octavio, qui provinciae praeerat, captae; eas Coelius frumento misso ad Hannibalem commeatuque onustas,Valerius praedam Etruscam Ligurumque et Montanorum captivos Carthaginem portantes captas tradit.", also (eigene Übersetzung): "In diesen Tagen wurden etwa achtzig Lastschiffe der Punier in der Nähe von Sardinien von Gnaeus Octavius, der der Provinz vorstand, gekapert; Coelius berichtet, dass diese mit dem Hannibal geschicktem Getreide und Proviant beladen waren, Valerius, dass die gekaperten etruskische Beute und Gefangene der Ligurer und Bergbewohner nach Karthago brachten." Livius verwendet für die Ladung also die Worte "frumentum" (="Getreide") und "commeatus" (="Proviant").
Appian (Hannibalischer Krieg 54) schreibt von 100 Schiffen, von denen 20 versenkt und 60 gekapert wurden, und gibt als Ladung Getreide ("sitos"), Soldaten und Geld an.

Gibt irgendeine Quelle her, das Teile von Hannibals Armee verhungerten?
In Livius 22,39 behauptet Fabius Maximus, dass Hannibal mehr Leute durch Hunger als durch Waffengewalt verloren habe und er viel zu wenig Vorräte habe.
In Livius 22,43 kann Hannibal aus Mangel an Getreide nicht mehrere Tage an einem Ort bleiben, und seine Söldner klagen nicht nur über ausständigen Sold, sondern auch über Hungersnot. Die Lage soll so schlimm gewesen sein, dass Hannibal daran gedacht haben soll, Italien wieder zu verlassen.
In Livius 28,46 wird erwähnt, dass die Punier in Bruttium von einer Seuche und einer Hungersnot heimgesucht wurden.

Das ist Haarspalterei. [...] Roms Verbündete zählen doch auch. Ich kann nicht erkennen wieso Syphax nicht zählen soll.
Du hast behauptet, dass Karthago in den Jahren 206/205 noch in der Lage war, an die 150.000 Mann aufzustellen, und das als Beweis für seine enorme Leistungsfähigkeit gewertet. Dabei sagen die Quellen eher das Gegenteil. Das punische Feldheer in Afrika, das die Heimat gegen die römische Invasion und den feindlichen Teil der Numidier zu verteidigen hatte, umfasste 204 nicht einmal 30.000 Mann. Das kann man nicht schönrechnen, indem man einfach irgendwelche unsicheren Verbündeten dazurechnet. Natürlich macht es einen Unterschied, ob Söldner von Karthago direkt angeworben und bezahlt werden und unter karthagischen Feldherren dienen, oder ob ein fremder König mit Hang zu Seitenwechseln mit seinem eigenen Heer herbeikommt, es selbst kommandiert und eigene Lager bezieht. (Syphax ordnete sich dem Hasdrubal nicht unter, sondern operierte gegebenenfalls durchaus eigenständig.) Wie schnell Verbündete auch wieder weg sein können, sah man doch am Beispiel Philipps V. (Oder sollte man während der Zeit des Bündnisses Deiner Meinung nach die makedonische Armee auch in die karthagische Armee miteinberechnen?)
 
Danke für die Zahlen von Livius.
Aber Philipp von Makedonien hatte einen Bündnisvertrag.

Syphax hatte ein eigenes Kommando, aber seine Dienste waren nicht umsonst. Karthago bezahlte Syphax, der bezahlte seine Söldner und Truppen. Die spanischen Silberminen waren nicht mehr vorhanden, also müssen entsprechende finanzielle Reserven vorhanden gewesen sein, welche potentiell in einer früheren Kriegsphase für die Werbung von Söldnern zu nutzen wären.

Ich kann kein Latein. Hast Du eine Quelle für Livius in Deutsch oder Englisch?
 
Die spanischen Silberminen waren nicht mehr vorhanden, also müssen entsprechende finanzielle Reserven vorhanden gewesen sein, welche potentiell in einer früheren Kriegsphase für die Werbung von Söldnern zu nutzen wären.

Karthago musste sich bereits während des Ersten Punischen Krieges 2000 Talente bei Philadelphos leihen. [*]

Wie es genau um die "Finanzierung" des Krieges aus punischer Sicht aussah, ist Spekulation, wie dieser Mosaikstein zeigt.


[*] Rostovtzeff I, S. 308/309.
 
Syphax hatte ein eigenes Kommando, aber seine Dienste waren nicht umsonst. Karthago bezahlte Syphax, der bezahlte seine Söldner und Truppen.
Wo steht, dass Karthago den Syphax regelrecht bezahlte? Er war mit den Karthagern verschwägert und hatte durchaus eigene Interessen.

Der Unterschied zwischen der Verfügung über karthagische Truppen und über die des Syphax wird in Livius 29,34 deutlich: Dort befiehlt Karthago dem Hasdrubal, aber den Syphax bittet es. Scipio sprang mit dem Massinissa deutlich gebieterischer um.
 
Karthago musste sich bereits während des Ersten Punischen Krieges 2000 Talente bei Philadelphos leihen.
[*]

Wie es genau um die "Finanzierung" des Krieges aus punischer Sicht aussah, ist Spekulation, wie dieser Mosaikstein zeigt.

[*] Rostovtzeff I, S. 308/309.

Es ist aber auch noch vielmehr Spekulation einfach zu behaupten, dass Karthago auf keinen Fall Geld für weitere Söldner hatte. Es gibt Studien über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Karthago. Ich muss allerdings einräumen, dass ich so viel über den 2. Punischen Krieg gelesen habe, dass ich mich nicht errinnere wo das war.
 
Dass auch für Karthago die Talente nicht auf Bäumen wuchsen, sieht man doch am Beispiel des Söldnerkriegs, als Karthago seinen Söldnern den ausständigen Sold nicht mehr bezahlen konnte.
 
Livius und andere Quellen.

Mir fällt auf, dass immer wieder Livius und andere Antike Autoren herangezogen werden.
Moderne Historiker wie Lazenby, Barcelo, Dodge, Dellbrück, Huss, Mommsen und andere haben aber erhebliche Zweifel an deren Glaubwürdigkeit. So wird beispielsweise fast immer Polybios für wesentlich zuverlässiger gehalten als Livius. Die römische Frühgeschichte laut Livius hält man gar für völlig wahrheitswidrig.
Ich beziehe mich daher lieber auf moderne Historiker, weil diese schon analysiert haben, welche Teile der antiken Quellen unzuverlässig sind, soweit möglich.
Ich gehe davon aus, dass ihr diese Diskussion schon hattet, mir würde ein Querverweis zu dieser reichen.
 
Dass auch für Karthago die Talente nicht auf Bäumen wuchsen, sieht man doch am Beispiel des Söldnerkriegs, als Karthago seinen Söldnern den ausständigen Sold nicht mehr bezahlen konnte.

Das stimmt so nicht. Man hat versucht den Preis zu drücken, weil man stark angespannt war wegen der römischen Reparationen. Darüber waren die Söldner aufgebracht und gerieten außer Kontrolle. Als man später den ausstehenden Sold zahlen wollte und noch einiges mehr stellten die Söldner noch höhere Forderungen auf. Das hat sich hochgeschaukelt bis es zu Übergriffen auf Karthagische Repräsentanten kam (u.a. Gisgo, wohl der Vater Hasdrubal Gisgos) die einen Teil des Soldes brachten, um die Gemüter zu beruhigen.
Quelle Huss.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir fällt auf, dass immer wieder Livius und andere Antike Autoren herangezogen werden.

Stimmt. Was ist daran falsch?
Moderne Historiker wie Lazenby, Barcelo, Dodge, Dellbrück, Huss, Mommsen und andere haben aber erhebliche Zweifel an deren Glaubwürdigkeit.

Wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben. Dass die Quellen nicht objektiv sind, ist wohl jedem, der damit arbeit, klar. Wir haben aber keine anderen.

So wird beispielsweise fast immer Polybios für wesentlich zuverlässiger gehalten als Livius.

Bruno Bleckmann hat versucht nachzuweisen, dass Polybios' Darstellung des 1. Punischen Krieges auch nicht so eindeutig zuverlässig ist.
Die römische Frühgeschichte laut Livius hält man gar für völlig wahrheitswidrig.

Bezieht sich das auch noch auf die Zeit des Hannibalkrieges? Oder gehts da eher um frühere Zeiten?
Ich beziehe mich daher lieber auf moderne Historiker, weil diese schon analysiert haben, welche Teile der antiken Quellen unzuverlässig sind, soweit möglich.

Es ist nur so, dass sich moderne Historiker nicht immer einig sind, wie Quellen zu bewerten sind. Was machen wir dann?
 
Stimmt. Was ist daran falsch?

Es ist nur so, dass sich moderne Historiker nicht immer einig sind, wie Quellen zu bewerten sind. Was machen wir dann?

Es sind sich aber alle einig das gerade Livius Hannibal und Karthago gegenüber nicht objektiv ist. Daher ist es doch wohl sinnvoll hier modernere Historiker, die hier schon erhebliche Vorarbeit geleistet haben, zu benutzen.
 
Es sind sich aber alle einig das gerade Livius Hannibal und Karthago gegenüber nicht objektiv ist. Daher ist es doch wohl sinnvoll hier modernere Historiker, die hier schon erhebliche Vorarbeit geleistet haben, zu benutzen.

Ich will mich jetzt nicht gross über Hannibal und Karthago äussern, sondern über Quellenkritik.

Livius Texte sind Quellen. Quellen untersucht man nach der historisch kritischen Methode, sprich mit Quellenkritik/Interpretaion. Dazu nimmt man den Text und analysiert ihn.

Wie das geht steht hier:

http://www.geschichtsforum.de/f82/schema-zur-quellenkritik-34009/

Dann zieht man andere Quellen aus der Zeit hinzu.
Weiter kommen dann noch Sekundärliteratur die man für seine Analyse benötigt. Die modernen Historiker die du erwähnst, arbeiten nach dieser Methode. Wenn sie seriös arbeiten findest du auch die Quellen und Sekundärliteratur auf die sie sich beziehen.

Wenn du dir ein eigenes Bild machen willst, dann musst du auf die Urquelle zurückgreifen, in diesem Fall Livius und dann die Methode, die ich ganz kurz erklärt habe, anwenden.

Wenn du mehr wissen willst wie man Antike Quellen analysiert empfehle ich dir diese mal zu lesen:

Klaus Meister. Die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Antike Band 1

Klaus Meister. Einführung in die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt Antike Band 2

Beide sind im UTB Verlag erschienen.
 
Mir fällt auf, dass immer wieder Livius und andere Antike Autoren herangezogen werden.
Weil schriftliche Quellen neben der Archäologie nun einmal unsere wichtigsten Quellen über die Antike sind.

Moderne Historiker wie Lazenby, Barcelo, Dodge, Dellbrück, Huss, Mommsen und andere haben aber erhebliche Zweifel an deren Glaubwürdigkeit.
"Modern" ist relativ. Mommsen und Delbrück sind auch schon in mancher Hinsicht überholt.

Die römische Frühgeschichte laut Livius hält man gar für völlig wahrheitswidrig.
Die Frühgeschichte weitgehend ja, aber nicht seine Darstellung der Zeit vom 2. Punischen Krieg bis zum 3. Makedonischen Krieg.
"Völlig wahrheitswidrig" ist hinsichtlich der Frühgeschichte aber auch übertrieben. Das Zwölftafelgesetz z. B. gab es unbestreitbar wirklich, auch wenn der genaue Entstehungszeitpunkt und die Umstände seiner Entstehung fabelhaft sein mögen.

Ich beziehe mich daher lieber auf moderne Historiker, weil diese schon analysiert haben, welche Teile der antiken Quellen unzuverlässig sind, soweit möglich.
"Moderne Historiker" sind auch nicht ganz zuverlässig.
Ein Problem ist, dass bei ihnen mitunter der Quellenbezug verlorengeht. Das kann dann dazu führen, dass Historiker A etwas vermutet, Historiker B die Vermutung ausbaut und Historiker C sie dann schon als Faktum hinstellt. Auf diese Weise entstehen so manche Wissenschaftsmythen und Falschwissen. Ein Beispiel (über das wir vor einigen Monaten diskutiert haben, also falls Du mitdiskutieren willst, dann bitte nicht hier, sondern im entsprechenden Thread) in Zusammenhang mit den Phöniziern und Karthagern ist die (angebliche?) Sperre der Straße von Gibraltar durch die Karthager, die in Wahrheit quellenmäßig nur sehr schwach abgesichert ist. Es kommt noch besser: Aus dieser Sperre (deren Existenz unsicher ist) wird dann gerne abgeleitet, dass Pytheas somit über Gallien zur Nordsee gereist sein muss. Beides, die Sperre und Pytheas' Landreise, werden heutzutage gerne als "Fakten" wiedergegeben. Ein weiteres verbreitetes Beispiel für "Fakten", für die es gar keine Belege gibt, ist Arminius' angebliche Jugend in Rom.
Der größte Nutzen, den ich persönlich aus meiner Betätigung in diesem Forum bislang gezogen habe, ist der, dass ich dadurch auf so manches Falschwissen, das ich bis dahin unhinterfragt aus der modernen Sekundärliteratur aufgenommen hatte, aufmerksam gemacht wurde und gelernt habe, alles in der Sekundärliteratur anhand der Quellen kritisch zu hinterfragen.
Natürlich muss man die Quellen kritisch hinterfragen, aber sie müssen immer die Grundlage unserer Beschäftigung mit der Antike bleiben.

Ein weiteres Problem moderner Historiker ist, dass in Geschichtsdarstellungen mitunter ihre Sichtweisen bzw. die ihrer Zeit miteinfließen. Das haben wir auch in diesem Thread schon gesehen anhand des postulierten Gegensatzes zwischen dem tatkräftigen Führer Hannibal und den geizigen Krämern im karthagischen Senat.
Weiters neigen moderne Historiker mitunter zu Vereinfachungen, die der Überprüfung in den Quellen oft gar nicht standhalten. Z. B. stellten antike Historiker Personen und Ereignisse oft wesentlich differenzierter dar als ihnen moderne Historiker das gerne unterstellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei antiken Quellen kommt erschwerend dazu, dass sie uns nur begrenzt erhalten geblieben sind.

So haben wir nur solche Quellen die immer wieder abgeschrieben wurden.
Also solche die für wichtig empfunden wurden. Wenn eine Quelle als unwichtig eingestuft wurde, dann wurde sie vernichtet, oder gingen einfach verloren.


Dann noch drei Punkte zur Arbeit mit Quellen:

  • Geschichte wird grundsätzlich gedeutet
  • Es ist keine empirische Faktenermittlung
  • Ein totales Bild der Vergangenheit gibt es nicht, da nicht alles Überliefert wurde.
 
Wo steht, dass er nicht bezahlt wurde? Truppen kosten Geld, dieser simple Fakt lässt sich nicht einfach wegdiskutieren.
Und wo steht, dass für dieses Geld die Karthager aufkamen? Syphax hatte sein eigenes Reich, und zeitweise kontrollierte er auch den Großteil von Massinissas Gebiet, das er somit ausplündern konnte.
Damit will ich nicht sagen, dass die Karthager den Syphax nicht bezahlten, sondern nur, dass man das nicht einfach als gegeben annehmen kann.

Das stimmt so nicht. Man hat versucht den Preis zu drücken, weil man stark angespannt war wegen der römischen Reparationen. Darüber waren die Söldner aufgebracht und gerieten außer Kontrolle. Als man später den ausstehenden Sold zahlen wollte
Der Punkt ist doch der, dass man nicht in der Lage war, die Söldner während des Krieges laufend zu bezahlen, sondern sie auf später vertrösten musste.

Bei antiken Quellen kommt erschwerend dazu, dass sie uns nur begrenzt erhalten geblieben sind.

So haben wir nur solche Quellen die immer wieder abgeschrieben wurden.
Also solche die für wichtig empfunden wurden. Wenn eine Quelle als unwichtig eingestuft wurde, dann wurde sie vernichtet, oder gingen einfach verloren.
Allerdings gaben auch manche antike Historiker (sogar der vielgescholtene Livius) in ihren Werken unterschiedliche Quellen wieder und erzählten gegebenenfalls voneinander abweichende Versionen nacheinander.

Es sind sich aber alle einig das gerade Livius Hannibal und Karthago gegenüber nicht objektiv ist.
Interessanterweise aber objektiver als manche "moderne" Historiker. Z. B. wirft Livius dem karthagischen Senat nicht Kleinlichkeit und Krämergeist vor. Wenn bei ihm Hanno gegen Hannibal opponiert, dann nicht aus Geiz, sondern weil er die Siegesaussichten für arg ungewiss hält und im Fall einer Niederlage das Schlimmste für Karthago befürchtet, weswegen der Friede um fast jeden Preis erhalten bzw. wiederhergestellt werden sollte, ehe es zu spät ist, und nebenbei, weil er angesichts der Macht der Barkiden für die verfassungsmäßige Ordnung fürchtet.

Daher ist es doch wohl sinnvoll hier modernere Historiker, die hier schon erhebliche Vorarbeit geleistet haben, zu benutzen.
Interessanterweise machst Du aber mitunter genau das Gegenteil: Eine der wesentlichen Leistungen moderner Historiker seit Delbrück besteht darin, die überlieferten Heeresstärken kritisch zu hinterfragen, indem sie z. B. analysieren, ob ein Heer vom Schlachtverlauf oder von der Logistik her überhaupt so groß sein konnte wie in den Quellen angegeben. Gerade bei den Heeresstärken aber bewegst Du Dich in den Bahnen antiker Historiker, indem Du Fragen wie ob ein so großes Heer überhaupt versorgt oder finanziert werden konnte, ausblendest oder zumindest herunterspielst. Stattdessen möchtest Du dem Hannibal noch und nöcher Truppen schicken und schreibst von 150.000 Kriegern, die die Karthager 206/205 aufgestellt hätten. Ob Syphax' Armee wirklich 50.000 Krieger zählte, wage ich in diesem Zusammenhang auch zu bezweifeln. (Interessanterweise sind übrigens Livius und Appian bei den Heeresgrößen mitunter zurückhaltender als der von Dir als glaubwürdiger erachtete Polybios.)

Dass antike Historiker bei den Heeresstärken oft übertrieben, bedeutet übrigens nicht, dass sie generell unzuverlässig waren. Oft war man nun einmal bei der Größe eines feindlichen Heeres auf Schätzungen angewiesen, und wie schwer es ist, eine sehr große Menschenmenge zahlenmäßig zu schätzen, sieht man noch heute bei Demonstrationen, bei denen die Schätzungen der Teilnehmerzahlen oft auch weit auseinanderliegen. Unglaubwürdige Zahlenangaben bedeuten also nicht zwangsläufig, dass ein antiker Historiker bewusst geschwindelt hätte. Unkritisch war man übrigens auch nicht, z. B. tadelt Livius den Valerius von Antium wiederholt für dessen offenkundig übertriebene Angaben der feindlichen Heeresstärken und Verluste, und aus einer Stelle bei Ammianus Marcellinus geht hervor, dass man Herodots Angaben über die Größe des persischen Heeres schon in der Antike als übertrieben eingestuft hat.
 
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