Hatte Hannibal eine Chance?

Rom sofort zu belagern hätte in einer militärischen katastrophe enden können. kein feldherr mit verstand würde es riskieren dort von einem entsatzheer der bundesgenossen und anderer römischer verbände kalt erwischt zu werden.

es sei denn, er glaubt, daß er auch das packen könnte, wie Caesar vor Alesia mit viel Genie und Glück.

Hannibal war wohl nicht dieser meinung und klärte erst mal die bundesgenossen ab. und dabei hat er sich dann verrannt. irgendwann hätte er entweder belagern oder heimkehren müssen. oder er hätte massiv truppen aus der heimat bekommen müssen. aber das war wohl nicht gegeben angesichts der situation im punischen senat.

vielleicht war Hannibal ja wirklich nur ein von persönlichem hass getriebener, der nicht einsehen wollte, was anderen punischen politikern schon lange klar war. man konnte rom vielleicht schlagen, oder erobern, aber besiegen konnte man es nicht mehr. von daher war der 2te punische krieg wohl eher selbstmord am eigenen volk.
man stelle sich vor, irgendein staat zündet eine atombombe in washington. die amis würden vielleicht auf den nuklearen gegenschlag verzichten, aber nur um es sich nicht nehmen zu lassen, jeden einzelnen stein in diesem staat mit ihren essbestecken zu zerlegen.
 
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Rom sofort zu belagern hätte in einer militärischen katastrophe enden können. kein feldherr mit verstand würde es riskieren dort von einem entsatzheer der bundesgenossen und anderer römischer verbände kalt erwischt zu werden.

es sei denn, er glaubt, daß er auch das packen könnte, wie Caesar vor Alesia mit viel Genie und Glück.

Hannibal war wohl nicht dieser meinung und klärte erst mal die bundesgenossen ab. und dabei hat er sich dann verrannt. irgendwann hätte er entweder belagern oder heimkehren müssen. oder er hätte massiv truppen aus der heimat bekommen müssen. aber das war wohl nicht gegeben angesichts der situation im punischen senat.

Aber hätte er nicht darauf bauen können, dass die Römer in Verhandlungen mit ihm treten? Ich bin mir nicht sicher ob Hannibal den Krieg gegen Pyrrhos genauer gekannt hatte, von daher hätte er eigentlich damit rechnen müssen. Jeder andere Staat hätte nach einer solchen Niederlage zumindest diplomatische Kontakte aufgenommen. Zudem liefen bald nach dem Sieg bei Cannae einige Bundesgenossen der Römer zu Hannibal über, eine Tatsache die auch vorhersehbar war.
 
Ich glaube irgendwo mal gelesen zu haben, dass Hannibal, noch vor dem Krieg in Italien eine Belagerung durchführte. Und zwar die der Stadt "Sargunt", die in Spanien lag und Verbündeter Roms war.

Dabei soll er trotz großer Überlegenheit, eine recht unglückliche Figur gemacht bzw. sich richtig schwer getan haben. Letztendlich stürmten seine Truppen die Stadt und zerstörten sie, doch zu einem hohen Preis.

Also wenn er sich bei Sargunt schon so schwer tat, was wäre denn erst bei so einer riesigen Stadt wie Rom?

Es könnte durchaus sein, dass er seine Fähigkeiten wohl am besten selber einschätzen konnte. Und ein Feldherr der es versteht eine Feldschlacht zu schlagen muss noch lange nicht, so herausragend bei Belagerungen sein, das sind 2 verschiedene Paar Schuhe.

Also möglich dass ihm einfach das Talent/Können zu einer Belagerung fehlte, und er wollte lieber kein Risiko eingehen.
 
Hannibal war wohl nicht dieser meinung und klärte erst mal die bundesgenossen ab. und dabei hat er sich dann verrannt.

Das genau war Hannibals Strategie, das römische Bundesgenossensystem zu beseitigen und so Roms Herrschaft zu beenden. Die Idee an sich war nicht schlecht. Nur hat Hannibal viel zu lange an ihr festgehalten - auch noch, als eigentlich klar war, dass es nicht funktioniert hat. Nach Cannae war dieser Punkt aber noch nicht erreicht, er konnte da sehr gut hoffen Erfolg mit dieser Strategie zu haben.

Und als erkennbar war, dass es nicht funktioniert, waren auch keine Alternativen mehr gegeben.
 
...Also möglich dass ihm einfach das Talent/Können zu einer Belagerung fehlte...

... und vermutlich die Mittel für eine anstehende Belagerung. Siehe:
Fronda: The Italians in the Second Punic War, 2003, digital verfügbar (7MB):
OhioLINK ETD: Fronda, Michael

mit Verweis auf:
Goldsworthy (Punic Wars), Peddie (Hannibal), Lancel (Hannibal), Cornell (Second Punic War), Errington (Dawn of Empire), Delbrück.
 
... und vermutlich die Mittel für eine anstehende Belagerung

Ich denke die Mittel für eine Belagerung hätte er sich auch vor Ort beschaffen können. Ich halte mich in der Hinsicht an Jacob Seibert. Hannibal. Darmstadt 1973. 198-204. Seibert führt an, dass Hannibal genug Männer für eine ernstzunehmende Belagerung hatte (ca. so viele wie M. Claudius Marcellus der Syrakus mit einer weit stärkeren Befestigung erobern konnte) und der Nachschub für Rom wäre leicht über den Tiber abzuschneiden. Auch die Verteidigungsanlagen von Rom waren keineswegs unüberwindbar, sondern entsprachen nicht einmal den damals modernen Anforderungen, wie Schießscharten oder ausreichend Geschütze. Auch eine Entsatzarmee für Rom wäre nach Seibert unwahrscheinlich und er nimmt an das bald nach dem Beginn der Belagerung große Not in der Stadt geherrscht hätte.

Die Gründe für Hannibals Entschluß könnten, wie bereits gesagt in der Fehleinschätzung den Krieg durch die Abkehr der Bundesgenossen von Rom zu gewinnen:

Eine evidente Fehleinschtzung war die erwartete Friedensbereitschaft der Römer. Spätestens nach einem Jahr, als sie immer noch nicht friedensbereit waren, hätte er seine Entscheidung überprüfen und revidieren müssen. Selbstdamals wäre es zu einem Angriff nicht zu spät gewesen. NIcht durch das Abtrennen der Glieder (socii) war der Feind zu besiegen, sondern nur durch Abtrennen des Kopfes (caput Roma), um im Bild zu bleiben. Hannibal sah sich in seiner Meinung bestätigt, da nach Cannae endlich die Saat aufging, die er seit der Schlacht an der Trebia ausgelegt hatte: Die Treue der römischen Bundesgenossen begann zu wanken. Aber es wurde kein totaler Zusammenbruch.

(Seibert 1973. 201)

Ich denke das trifft es ganz gut. Möglicherweise spielte eine gewisse Abneigung gegen Belagerungen mit, aber nötig und gewinnbar wäre sie allemal gewesen. Hannibal verließ sich zu sehr darauf die Römer in Italien zu schwächen, anstatt sozusagen reinen Tisch zu machen.
 
Auch eine Entsatzarmee für Rom wäre nach Seibert unwahrscheinlich und er nimmt an das bald nach dem Beginn der Belagerung große Not in der Stadt geherrscht hätte.
Wieso eine Entsatzarmee unwahrscheinlich gewesen sein sollte, erschließt sich mir nicht. Rom hatte noch Truppen in Spanien und in den Provinzen stehen, zudem verfügte es über Kolonien. Und all diese im Felde stehenden oder zumindest rekrutierbaren Römer hätten tatenlos zusehen sollen, wie Rom belagert wird?

Ich denke das trifft es ganz gut. Möglicherweise spielte eine gewisse Abneigung gegen Belagerungen mit, aber nötig und gewinnbar wäre sie allemal gewesen. Hannibal verließ sich zu sehr darauf die Römer in Italien zu schwächen, anstatt sozusagen reinen Tisch zu machen.
Ich glaube, man sollte sich von der Vorstellung lösen, Hannibal habe Rom vernichten wollen. Wir können in ihn zwar nicht hineinsehen und haben auch keine Briefe oder Autobiographie von ihm, sodass wir nicht genau sagen können, was er wollte. Aber grundsätzlich hätte es den karthagischen Interessen genügt, wenn Rom wieder zur Regionalmacht reduziert worden wäre, die maximal Latium beherrschte, während die anderen Städte und Stämme Italiens mit Karthago verbündet gewesen wären. Dieses Ziel ließ sich auch ohne Eroberung Roms erreichen, wenn die Bundesgenossen abfielen. Umgekehrt, wer weiß, ob die Römer nach dem Fall ihrer Hauptstadt wirklich aufgegeben hätten oder nicht den Kampf von ihren Kolonien aus fortgesetzt. Primär musste er also die Bundesgenossen für sich gewinnen, um Rom zu schwächen. Die Bundesgenossen fielen teilweise erst ab, wenn Hannibal in ihrer Gegend auftauchte, schon daher machte es also Sinn, in Italien herumzumarschieren.
 
Das Problem für Hannibal war nur, dass die Bundesgenossen teilweise auch untereinander verfeindet gewesen waren und diese alten Feindschaften aus vorrömischer Zeit wieder aufbrachen. Und hielt Hannibal zum einen Stamm, dann schloss sich der andere eben doch wieder Rom an. Es waren also nicht nur unbedingt Zweifel an den Fähigkeiten Hannibals, die viele Bundesgenossen vielleicht vor einem Abfall zu Hannibal abhielten, sondern auch diese untereinander bestehenden Feindschaften.
 
Ich glaube irgendwo mal gelesen zu haben, dass Hannibal, noch vor dem Krieg in Italien eine Belagerung durchführte. Und zwar die der Stadt "Sargunt", die in Spanien lag und Verbündeter Roms war.

Dabei soll er trotz großer Überlegenheit, eine recht unglückliche Figur gemacht bzw. sich richtig schwer getan haben. Letztendlich stürmten seine Truppen die Stadt und zerstörten sie, doch zu einem hohen Preis.

Also wenn er sich bei Sargunt schon so schwer tat, was wäre denn erst bei so einer riesigen Stadt wie Rom?

Unglückliche Figur?

Die geographische Lage Sagunts begünstigte die Verteidung ganz erheblich!

Die Stadt lag ca. 4,5 Kilometer von dem Meer entfernt und auf einem ca. 170 m hohen Plateau, welches nach allen Seiten abfiel. (1) Optimale Voraussetzungen für die Verteidugung. Des Weiteren wurde Sagunt von vollwertigen Truppen verteidigt und nicht von Kriminellen, Sklaven wie sie in Rom des Jahres 216 v.Chr. zum Einsatz gekommen wären.

Karl Christ, Hannibal, S.52
 
Wieso eine Entsatzarmee unwahrscheinlich gewesen sein sollte, erschließt sich mir nicht. Rom hatte noch Truppen in Spanien und in den Provinzen stehen, zudem verfügte es über Kolonien. Und all diese im Felde stehenden oder zumindest rekrutierbaren Römer hätten tatenlos zusehen sollen, wie Rom belagert wird?

Die Truppen standen wie du sagtest in den Provinzen. Sie nach Rom zu holen, hätte Monate gedauert, in der die Stadt belagert worden wäre. Außerdem hätten die Truppen auch nicht einfach so verlegt werden können, schließlich kämpften auch sie bereits. Was die Kolonien betrifft: Schätzt du deren militärische Stärke nicht zu stark ein? Ich habe mich nicht eingehend damit beschäftigt, aber waren es zu dieser nicht eher kleine Ansiedlungen (300 Familien laut Colonia (Rom) ? Wikipedia) ? Zumal man annehmen muss, dass bereits Bürger aus den Kolonien für die Legionen rekrutiert hatte.

Ich glaube, man sollte sich von der Vorstellung lösen, Hannibal habe Rom vernichten wollen. Wir können in ihn zwar nicht hineinsehen und haben auch keine Briefe oder Autobiographie von ihm, sodass wir nicht genau sagen können, was er wollte. Aber grundsätzlich hätte es den karthagischen Interessen genügt, wenn Rom wieder zur Regionalmacht reduziert worden wäre, die maximal Latium beherrschte, während die anderen Städte und Stämme Italiens mit Karthago verbündet gewesen wären. Dieses Ziel ließ sich auch ohne Eroberung Roms erreichen, wenn die Bundesgenossen abfielen. Umgekehrt, wer weiß, ob die Römer nach dem Fall ihrer Hauptstadt wirklich aufgegeben hätten oder nicht den Kampf von ihren Kolonien aus fortgesetzt. Primär musste er also die Bundesgenossen für sich gewinnen, um Rom zu schwächen. Die Bundesgenossen fielen teilweise erst ab, wenn Hannibal in ihrer Gegend auftauchte, schon daher machte es also Sinn, in Italien herumzumarschieren.

Ich sagte ja nicht, dass es seine Intention war Rom zu vernichten. Es wäre jedoch militärisch klüger gewesen (sicher im Nachhinein ist man es immer). Aber wie Seibert in seinem Zitat gesagt hat: als später klar wurde, dass Rom weder aufgeben würde, noch von allen Verbündeten verlassen wurde, hätte Hannibal sich umentscheiden müssen.
 
Die Truppen standen wie du sagtest in den Provinzen. Sie nach Rom zu holen, hätte Monate gedauert, in der die Stadt belagert worden wäre. Außerdem hätten die Truppen auch nicht einfach so verlegt werden können, schließlich kämpften auch sie bereits.
Natürlich hätte es einige Zeit gedauert. Na und? Die wären doch nicht herumgestanden und hätten gesagt: "Ach was, bis wir zuhause sind, ist es vielleicht eh schon zu spät, also machen wir uns lieber gleich hier eine gute Zeit." Außerdem weiß man bei einer Belagerung nie, ob es bis zum Eintreffen eines Entsatzheeres nicht ohnehin schon zu spät ist, da hätte es in der Weltgeschichte noch nie Entsatzheere geben dürfen.

Was die Kolonien betrifft: Schätzt du deren militärische Stärke nicht zu stark ein? Ich habe mich nicht eingehend damit beschäftigt, aber waren es zu dieser nicht eher kleine Ansiedlungen (300 Familien laut Colonia (Rom) ? Wikipedia) ? Zumal man annehmen muss, dass bereits Bürger aus den Kolonien für die Legionen rekrutiert hatte.
Noch 209 verfügten die Römer den Volkszählungsergebnissen zufolge über ca. 140.000 volljährige Männer. Und auch wenn man nach Cannae in einer Art Panikreaktion Sklaven bewaffnen wollte, waren die Römer in den Folgejahren in der Lage, noch genug Armeen für ihre Kämpfe in Italien, Spanien, auf Sizilien und schließlich in Afrika aufzustellen.

Ich sagte ja nicht, dass es seine Intention war Rom zu vernichten. Es wäre jedoch militärisch klüger gewesen (sicher im Nachhinein ist man es immer). Aber wie Seibert in seinem Zitat gesagt hat: als später klar wurde, dass Rom weder aufgeben würde, noch von allen Verbündeten verlassen wurde, hätte Hannibal sich umentscheiden müssen.
Hätte er das? Oder konnte er die militärische Lage und seine Möglichkeiten vielleicht doch besser einschätzen als diverse Schreibtischfeldherren wie Seibert, die Jahrtausende später ganz genau zu wissen meinen, wie der Krieg zu gewinnen gewesen wäre? Hannibal war weder ein Stümper noch ein Feigling. Er ging oft Risiken ein, die wohl kaum ein anderer Feldherr gewagt hätte. Wenn er trotzdem auf einen direkten Angriff auf Rom verzichtet hat, wird er dafür gute Gründe gehabt haben. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass er sich trotzdem einfach geirrt oder verspekuliert hat, nur sollte man nicht primär davon ausgehen.
 
Natürlich hätte es einige Zeit gedauert. Na und? Die wären doch nicht herumgestanden und hätten gesagt: "Ach was, bis wir zuhause sind, ist es vielleicht eh schon zu spät, also machen wir uns lieber gleich hier eine gute Zeit." Außerdem weiß man bei einer Belagerung nie, ob es bis zum Eintreffen eines Entsatzheeres nicht ohnehin schon zu spät ist, da hätte es in der Weltgeschichte noch nie Entsatzheere geben dürfen.

Sie wären aber höchstwahrscheinlich zu spät gekommen, von daher wären sie für eine Belagerung, wenn diese nicht höchst unglücklich gelaufen wäre, zu spät gekommen. Du musst hier die Zeit berechnen, die ein Bote aus Rom z.B. nach Spanien gebraucht hätte, wie lang die Legionskommandanten gebraucht hätten ihre Truppen zu sammeln und einzuschiffen und dann auch noch den Rückweg. Das summiert sich dann schon.

Noch 209 verfügten die Römer den Volkszählungsergebnissen zufolge über ca. 140.000 volljährige Männer. Und auch wenn man nach Cannae in einer Art Panikreaktion Sklaven bewaffnen wollte, waren die Römer in den Folgejahren in der Lage, noch genug Armeen für ihre Kämpfe in Italien, Spanien, auf Sizilien und schließlich in Afrika aufzustellen.

Sicher Männer hatten sie, aber was für welche? Der nach Cannae zum Dictator bestellte Marcus Iunius Pera musste auf Minderjährige, Sklaven sowie Häftlinge bei den Truppenaushebungen zurückgreifen (nach Heftner 2005. 243). Viele davon wohl kaum für den Kampf tauglich, die meisten aber vor allem nicht besonders erpicht auf einen Kampf.

Hätte er das? Oder konnte er die militärische Lage und seine Möglichkeiten vielleicht doch besser einschätzen als diverse Schreibtischfeldherren wie Seibert, die Jahrtausende später ganz genau zu wissen meinen, wie der Krieg zu gewinnen gewesen wäre? Hannibal war weder ein Stümper noch ein Feigling. Er ging oft Risiken ein, die wohl kaum ein anderer Feldherr gewagt hätte. Wenn er trotzdem auf einen direkten Angriff auf Rom verzichtet hat, wird er dafür gute Gründe gehabt haben. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass er sich trotzdem einfach geirrt oder verspekuliert hat, nur sollte man nicht primär davon ausgehen.

Er hat doch selbst bemerkt, dass sich die Bundesgenossen nicht geschlossen von Rom abwandten. Spätestens hier hätte er seine Strategie ändern müssen. Jedes weitere Monat, dass er gezögert hat, hat die Römer wieder erstarken und die socii sich wieder mehr Rom zuwenden lassen. Da kann man schon von einem Fehler Hannibals sprechen.
 
Ich denke die Mittel für eine Belagerung hätte er sich auch vor Ort beschaffen können.

Da würde ich skeptisch sehen, Seibert in allen Ehren. In erster Linie wäre die Belagerung eine Versorgungsfrage für Hannibal, sofern sich die Römer länger halten können. Polybius 9.5 deutet das Problem an, dass insbesondere die Versorgung der Kavallerie (ca. 8000?) für ein Problem darstellte, und bezieht sich dabei auf Capua ("wenige Tage"). Mglw. musste er in Bewegung bleiben, oder aber die Armee teilen (Anm 15 zur Rezension von Gabriels neuer militärischer Hannibal-Biographie)

Was also hätte er vor Ort beschaffen können, wie sah die Lage aus bzw. wie wurde sie von Hannibal ggf. erwartet?

Gabriel sieht das übrigens als unproblematisch an, wird für die schwache Beleglage allerdings kritisiert.

EDIT, dort S.84:
http://books.google.de/books?id=IJc...MQ6AEwAA#v=onepage&q=gabriel hannibal&f=false
 
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Da würde ich skeptisch sehen, Seibert in allen Ehren. In erster Linie wäre die Belagerung eine Versorgungsfrage für Hannibal, sofern sich die Römer länger halten können. Polybius 9.5 deutet das Problem an, dass insbesondere die Versorgung der Kavallerie (ca. 8000?) für ein Problem darstellte, und bezieht sich dabei auf Capua ("wenige Tage"). Mglw. musste er in Bewegung bleiben, oder aber die Armee teilen (Anm 15 zur Rezension von Gabriels neuer militärischer Hannibal-Biographie)

Was also hätte er vor Ort beschaffen können, wie sah die Lage aus bzw. wie wurde sie von Hannibal ggf. erwartet?

Gabriel sieht das übrigens als unproblematisch an, wird für die schwache Beleglage allerdings kritisiert.

Das mit der Versorgung der Pferde erwähnt Seibert auch:
Sein Heer war strukturell für Schlachten, aber nicht für Belagerungen angelegt. Besonders seine Reiterei war ohne Kampfwert und eine Belastung, da sie immense Mengen Futter benötigte.
(Seibert 1973. 201)

In einer Fußnote schreibt er, dass er dafür sein Heer umstellen hätte müssen. Die Reiterei hätte er ja für die Belagerung nicht benötigt und hätte sie unter einen eigenständigen Kommandanten (einen besonders eifrigen soll er ja gehabt haben:D) das weiter entfernt liegende Umland Roms und Latiums durchstreifen können, wo sie die Rom verbliebenen Bundesgenossen unter Druck setzen konnten.
 
Das mit der Versorgung der Pferde erwähnt Seibert auch:
Ist auch seit Delbrück und Schlieffen eine Binsenweisheit. Ich wundere mich immer, wie flott bei Kampangnen über die Logistik hinweg gegangen wird.


In einer Fußnote schreibt er, dass er dafür sein Heer umstellen hätte müssen. Die Reiterei hätte er ja für die Belagerung nicht benötigt und hätte sie unter einen eigenständigen Kommandanten (einen besonders eifrigen soll er ja gehabt haben:D) das weiter entfernt liegende Umland Roms und Latiums durchstreifen können, wo sie die Rom verbliebenen Bundesgenossen unter Druck setzen konnten.

Das setzt wohl neuzeitliche Lageaufklärung voraus. Gehen wir doch einfach mal davon aus, dass Hannibals Aufklärung rudimentär war/nur sein konnte.

Der Vorschlag der Aufteilung entspricht dann - abgesehen von der Machbarkeit - einem Vabanque-Zug, wenn er sich in der Lage wähnte, mit dem geschlossenen Heer jeder römischen Streitmacht nach Cannae entgegen treten zu können.

Zur Logistik noch ein Nachtrag: kennt jemand Shean: Hannibal's Mules, The Logistical Limitation of Hannibals Army and the Battle of Cannae, Historia 1996, S. 159-187?
 
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Sicher Männer hatten sie, aber was für welche? Der nach Cannae zum Dictator bestellte Marcus Iunius Pera musste auf Minderjährige, Sklaven sowie Häftlinge bei den Truppenaushebungen zurückgreifen (nach Heftner 2005. 243). Viele davon wohl kaum für den Kampf tauglich, die meisten aber vor allem nicht besonders erpicht auf einen Kampf.
Mit diesen "untauglichen" und "nicht erpichten" Männern wurden in den Folgejahren Casilinum erobert (214), Syrakus erobert (212), Capua erobert (211), ab 210 erfolgreich in Spanien gekämpft und 207 das Heer von Hasdrubal am Metaurus vernichtet.
 
Der Vorschlag der Aufteilung entspricht dann - abgesehen von der Machbarkeit - einem Vabanque-Zug, wenn er sich in der Lage wähnte, mit dem geschlossenen Heer jeder römischen Streitmacht nach Cannae entgegen treten zu können.

Wieso denn nicht? Die Truppen in Italien sind in der Hinsicht zu vernachlässigen und es hätte Monate gedauert bis die Legionen aus den Provinzen zurückgekommen wären. Gegen in Italien auf die Schnelle aufgestellte Truppen hätte er sich wohl auch ohne Reiterei behaupten können.

Mit diesen "untauglichen" und "nicht erpichten" Männern wurden in den Folgejahren Casilinum erobert (214), Syrakus erobert (212), Capua erobert (211), ab 210 erfolgreich in Spanien gekämpft und 207 das Heer von Hasdrubal am Metaurus vernichtet.

Da liegen auch mindestens 2 Jahre dazwischen, also genug Zeit um sich an das Armee-Leben zu gewöhnen und Erfahrung zu sammeln. Auch Heftner schreibt: In Italien stand Hannibal nur 150 km von Rom entfernt, und kein römischer Feldherr konnte es wagen, sich ihm in offener Feldschlacht zu stellen.(S. 246) Warum sollte sonst in dieser Zeit die Römer wieder zum Kleinkrieg unter Q. Fabius Maximus übergegangen sein?
 
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Wieso denn nicht? Die Truppen in Italien sind in der Hinsicht zu vernachlässigen und es hätte Monate gedauert bis die Legionen aus den Provinzen zurückgekommen wären. Gegen in Italien auf die Schnelle aufgestellte Truppen hätte er sich wohl auch ohne Reiterei behaupten können.

1. Ist das der ex-post Kenntnisstand der Historiker, der nicht mit Hannibals Wahrnehmung übereinstimmen muss. Wie gesagt: Vabanque.

2. Mit der gleichen Wahrscheinlichkeit konnten römische Verstärkungen aus dem riesigen Reservoir des römischen Reiches schon unterwegs sein, oder sogar schon während Cannae in Rom eingetroffen. Das Bevölkerungsreservoir (von dem Hannibal vielleicht eine ungefähre Vorstellung haben konnte) reicht dafür locker, wie der andauernde Krieg zeigte. Wie viele sind außerdem von Cannae entkommen? Es gibt ja einige Schätzungen zu den Zahlen, auch neuzeitliche Kritik. Gehen wir mal von 10.000 aus, also 2 Legionen. Wo sind die hin?

3. Wie viele Verwundete hatte Hannibal nach der Schlacht? 30% bei dem andauernden Massaker? 70%?

4. ist unverändert daneben die Logistik völlig unklar. Die entscheidet auch den Marsch auf Rom.

Ist Shean (s.o.) hier jemandem bekannt? Die Arbeit wird in den neueren Publikationen zitiert.
 
Wieso denn nicht? Die Truppen in Italien sind in der Hinsicht zu vernachlässigen und es hätte Monate gedauert bis die Legionen aus den Provinzen zurückgekommen wären. Gegen in Italien auf die Schnelle aufgestellte Truppen hätte er sich wohl auch ohne Reiterei behaupten können.

Woher sollte Hannibal wissen, wie viele Reserven Rom aufgestellt hatte? Er hatte schließlich keine demographischen Daten, keine genauen Lageberichte. Was wenn die Bundesgenossen Roms im Süden bereits ein neues Heer formiert hätten, dass einfach zu spät für Cannae gewesen wäre? Der Plan Rom zu belagern wäre voller Unwägbarkeiten gewesen
 
Da liegen auch mindestens 2 Jahre dazwischen, also genug Zeit um sich an das Armee-Leben zu gewöhnen und Erfahrung zu sammeln. Auch Heftner schreibt: In Italien stand Hannibal nur 150 km von Rom entfernt, und kein römischer Feldherr konnte es wagen, sich ihm in offener Feldschlacht zu stellen.(S. 246) Warum sollte sonst in dieser Zeit die Römer wieder zum Kleinkrieg unter Q. Fabius Maximus übergegangen sein?
2. Mit der gleichen Wahrscheinlichkeit konnten römische Verstärkungen aus dem riesigen Reservoir des römischen Reiches schon unterwegs sein, oder sogar schon während Cannae in Rom eingetroffen. Das Bevölkerungsreservoir (von dem Hannibal vielleicht eine ungefähre Vorstellung haben konnte) reicht dafür locker, wie der andauernde Krieg zeigte. Wie viele sind außerdem von Cannae entkommen? Es gibt ja einige Schätzungen zu den Zahlen, auch neuzeitliche Kritik. Gehen wir mal von 10.000 aus, also 2 Legionen. Wo sind die hin?
Laut Livius (22,49) entkamen knapp 19.000 Mann aus der Schlacht von Cannae in ihre Lager und in den Ort, von denen aber viele später doch noch gefangen wurden, sodass letztlich nur 4.200 entkamen (Livius 22,52). Zu diesen kamen aber noch 4.500 im Land Verstreute, die sich allmählich wieder sammelten. In Sizilien standen mindestens zwei Legionen (Livius 23,25). In Gallia Cisalpina standen zwei Legionen, die aber Ende 216 von den Galliern vernichtet wurden (Livius 23,24). Dazu kamen noch Truppen in Spanien und Sardinien.

Warum sollte sonst in dieser Zeit die Römer wieder zum Kleinkrieg unter Q. Fabius Maximus übergegangen sein?
Es hätte aber einen Unterschied gemacht, ob die Römer gegen Hannibal in offener Feldschlacht antreten (davon hatten sie nach Cannae fürs Erste wirklich genug) oder ob sie ihn während einer Belagerung angreifen. Hannibals Armee wäre nicht stark genug gewesen, um (wie die Römer bei Alesia) einen Entsatzangriff abzuwehren, während er die Belagerung aufrecht erhielt. Er hätte sie abbrechen müssen und sich dem Entsatzheer stellen. Das hätte sich dann zurückziehen und Hannibal von der Stadt weglocken können, bis der die Verfolgung aufgegeben hätte und zur Stadt zurückgekehrt wäre. Das Spielchen hätte man eine Weile fortsetzen können.
 
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