Hatte Hannibal eine Chance?

Ging es denn überhaupt darum Rom einzunehmen? M.E. nach spekulierte Hannbial vielmehr, wie anhand des Vertrages mit Philipp V. zu sehen darauf die Römer mit einem Friedensvertrag zu isolieren und ihrer Machtbasis in Ober und Unteritalien zu berauben. Die Machbarkeit dieses Vorhabens anhand der römischen Mentalität aufgrund der Wand im Rücken mal außer acht gelassen,wäre bei einer solchen Taktik, falls Sie denn erfolgreich gewesen wäre, die Eroberung, sollte hiermit die absolute Vernichtung Roms gemeint sein, wie Sie von römischen Historikern als Vorhaben Hannibals an die Wand gemalt wurde, eher kontraproduktiv gewesen. Hierzu , Zimmermann, Rom und Karthago 69f (eingängig und kurz, sowie Polyb. Hist. (7,9,12-14).

Zur restlichen Diskussion muss ich mich nun erstmal einlesen.
 
Letztlich können wir über Hannibals Gedanken hinsichtlich eines Angriffs auf Rom nur spekulieren, da wir keine Schriftzeugnisse von seiner Hand haben, und selbst wenn wir welche hätten, wäre damit noch nicht gesagt, dass sie, sofern sie zur Veröffentlichung bestimmt waren, wirklich seine wahren Gedanken enthalten würden. Insofern finde ich es müßig, darüber zu spekulieren, ob Hannibal die Stadt Rom nicht angriff, weil er sie (aus strategischen Erwägungen bzw. weil es hinsichtlich seiner Kriegsziele nicht notwendig war) gar nicht angreifen wollte, weil er einem Angriff nur geringe Chancen einräumte oder weil er (wie die Römer gerne behaupteten) schlicht zu dämlich war, denn diese Frage ist schlicht und einfach nicht beantwortbar.
 
Das stimmt durchaus, allerdings liegtd ie Vermutung für mich zumindest insofern nahe, als dass der Vertragstext mit Philipp sich so auslegen ließe, eine schwammige Basis, zugegebenermaßen.
 
Allerdings wurde der Vertrag erst 215 geschlossen, als Hannibal vielleicht schon klar wurde, dass Rom trotz der vernichtenden Niederlagen der letzten Jahre nicht so bald aufgeben würde. Insofern könnte er seine ursprünglichen Pläne bereits den neuen Gegebenheiten angepasst haben.

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Die Diskussion darüber, wie Hannibal den Krieg doch noch hätte gewinnen können, erinnert mich ein bisschen an die beliebten (und auch in diesem Forum anzutreffenden) Versuche, den 2. WK nachträglich am Schreibtisch doch noch zu gewinnen: "Wenn die Wehrmacht zum Zeitpunkt soundso da und dort angegriffen hätte, dann wäre sie nach Moskau durchgebrochen, und Stalin hätte kapituliert ..."
Fakt ist nun einmal, dass Hannibal den Krieg nicht gewonnen hat. Es ist noch sinnvoll zu untersuchen, warum er gescheitert ist, da man darauf anhand der Faktenlage einigermaßen seriös untermauerbare Antworten geben kann. Aber wenn man dann einen Schritt weitergeht und Alternativszenarien bastelt, wie Hannibal doch noch gewonnen hätte, verlässt man den Boden der seriösen Beschäftigung mit Geschichte und begibt sich ins Reich der Fantasie. Abgesehen davon, dass man bei "Was wäre wenn"-Szenarien ohnehin nie zu belastbaren Antworten kommen kann, kranken sie meist daran, dass nur bestimmte Variablen berücksichtigt werden, praktischerweise die, deren Berücksichtigung zum gewünschten Ergebnis führt. Ein Krieg ist aber ein ungeheuer komplexes Geschehnis, in das von der Moral der Truppen über die wirtschaftlichen, sozialen, politischen etc. Rahmenbedingungen bis hin zum Wetter alles Mögliche hineinspielt und auch vieles, worauf man gar nicht kommen würde. Doch selbst wenn man all das berücksichtigen würde, bleibt immer noch offen, wie der Gegner reagieren würde, also wie die Römer reagiert hätten, wenn Hannibal etwas Bestimmtes gemacht hätte. Wie die römischen Feldherrn reagiert hätten, lässt sich schon gar nicht vorhersagen.
 
Das ist eine Frage was du als Standardwerk ansiehst;) Was ich kürzlich gelesen habe, und was als geraffter Überblick der Beziehungen Rom Karthago m.E. nach sehr gut ist, ist Zimmermann, Rom und Karthago (am besten via Wbg ordern). Hier bekommst du einen Überblick der römisch-karthagischen Beziehungen vom 6. Jh. bis zur Zerstörung Karthagos.

Ansonsten lese ich momentan eine Biographie Hannbials aus der Beck Wissen Reihe, hier bin ich erst auf S. 20 kann nicht so viel hierzu sagen.

Des Weiteren ist Konrad Vössing neulich in einem Seminar etwas herausgerutscht, dahingehend, dass er eine Veröffentlichung bzgl. Rom und Karthago plant, da eines seiner Fachgebiete u.a. Nordafrika in der Antike ist könnte dies durchaus interessant werden.
 
Also, what do you mean by salami tactics?

Salami tactics - Wikipedia, the free encyclopedia

Ging es denn überhaupt darum Rom einzunehmen? [...] die Eroberung, sollte hiermit die absolute Vernichtung Roms gemeint sein, wie Sie von römischen Historikern als Vorhaben Hannibals an die Wand gemalt wurde, eher kontraproduktiv gewesen.

Das musst du näher ausführen: Warum wäre die Vernichtung Roms kontraproduktiv gewesen?
War die Vernichtung Karthagos im dritten Punischen Krieg kontraproduktiv?

Die Machbarkeit dieses Vorhabens anhand der römischen Mentalität aufgrund der Wand im Rücken mal außer acht gelassen, wäre bei einer solchen Taktik, falls Sie denn erfolgreich gewesen wäre,
Ich weiß nicht, ob man mit Gruppenmentalität wirklich viel erklären kann, oder ob das nicht eher ein Erklärungsmuster ist, welches die Hilflosigkeit der Außenstehenden widerspiegelt, die nicht verstehen kann, dass eine Gruppe trotz der widerholten Erfahrung der Niederlage immer wieder, scheinbar völlig irrational, weitermacht.

Das ist eine Frage, was du als Standardwerk ansiehst ;)

Nein, nein, nein. Was ein Standardwerk ist, ist keine Frage des Wollens seitens des einzelnen Lesers und auch nur bedingt eine Frage des Wollens des Verfassers (ich setzte voraus, dass jeder Verfasser einer wissenschaftlichen Monographie froh wäre, wenn es ihm gelänge Maßstäbe zu setzen). Ein Standardwerk ist ein Werk, welches inhaltlich und/oder methodologisch Maßstäbe setzt, an denen die Fachwissenschaft über Jahrzehnte nicht vorbeikommt und welches deshalb - daher Standardwerk - in der Mehrheit der nachfolgenden Arbeiten zitiert wird. Ein Standardwerk wird also durch die Anerkennung der fachwissenschaftlichen Community zum Standardwerk.
 
Kontraproduktiv, falls es Hannibals Ziel gewesen sein sollte die Römer zu einem Friedensschluss zu drängen. Hier wäre die Zerstörung der Hauptstadt, doch eher dazu geeignet gewesen den Krieg entweder ultimativ zu beenden, oder die Römer zu weiteren verzweifelten Verteidigungen zu bringen (wobei ich nicht glaube dass dies dann noch, aufgrund der verlorenen Machtbasis und dem Verlust der Entscheidungsträger), möglich gewesen wäre
 
Die darin besteht, dass...?

"(1) Als aber durch Kraftanstrengung und Gerechtigkeit der Staat gewachsen, mächtige Könige durch Krieg bezwungen, wilde Stämme und große Völker durch Gewalt unterworfen, Karthagohttp://www.gottwein.de/latine/LLLk.php#Karthago, die Nebenbuhlerin der römischen Herrschaft, von Grund auf zerstört, die Zugänge zu allen Ländern und Meeren erzwungen waren, da begann das Schicksal, tückische Gewalt zu üben und alles durcheinander zu werfen. (2) Denjenigen, die Mühen, Gefahren, Angst und Not ohne Beschwer ertragen hatten, war Ruhe und Reichtum, sonst wünschenswert, jetzt Leid und Last. (3) So wurde die Begierde zunächst nach Geld, dann nach Herrschaft, immer mächtiger. Dies war der Keim zu allen Übeln; (4) denn Habsucht zerstört Treue, Redlichkeit und alle anderen Tugenden, sie lehrt dafür Frevelmut, Unmenschlichkeit, Gottvergessenheit, alles für Geld zu tun."
(Sallust, Cat. 10,1)

Kontraproduktiv für die Nobilität, ihren inneren Zusammenhang usw, alles Folgen der Zerstörung Karthagos - nach Sicht des Sallust.
 
Herzlichen Dank für eure Antworten. Betreffs Sallust: Ich verstehe die Stelle nicht so, aber wenn da Diskussionsbedarf besteht, sollten wir einen eigenen Thread dafür aufmachen.
 
Es war tatsächlich umstritten, ob Rom Karthago gänzlich zerstören sollte. Bereits am Ende des 2. Punischen Krieges wurde darüber gestritten, und vor dem 3. Punischen Krieg erst recht. Der alte Cato war bekanntlich dafür, aber insbesondere Scipio Nasica dagegen. In den Quellen (Appian, Florus, Plutarch) werden Argumente für und wider genannt, aber es ist wohl anzunehmen, dass sie zumindest teilweise erst von späteren Autoren (die schon den weiteren Verlauf der Geschichte kannten) ausformuliert wurden und nicht unbedingt die tatsächlichen Diskussionsmuster wiedergeben. Demzufolge war man sich aber insbesondere darüber im Unklaren, was man mit dem Gebiet nach der Zerstörung Karthagos machen sollte: Wenn man die reiche Gegend Massinissa geben würde, würde er zu mächtig und selbst zur Bedrohung werden. Eine dauerhafte römische Besatzung käme teuer. Eine römische Kolonie würde es schwer haben, sich in einer barbarischen Umgebung zu behaupten, könnte sich aber, gestützt auf den Wohlstand der Region, auch abspalten und selbst zu einer Rivalin Roms werden. Diese Argumente könnten noch authentisch sein, aber die bei Florus und Plutarch wiedergegebene Argumentation Scipio Nasicas, dass Rom durch die völlige Auslöschung der alten Feindin zu übermütig werden würde, das Weiterbestehen der Furcht sei für die Aufrechterhaltung der römischen Moral wichtig, wird man wohl als spätere Konstruktion abtun müssen.
 
Hannibals Strategie

Do you think Hannibal could've captured Rome?

Also, what do you mean by salami tactics?[/QUOTE]

Ich denke Hannibal hätte Rom nicht erobern können, zumindest nicht mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften.

Salami Taktik: Hannibal wollte die Verbündeten Roms Stück für Stück aus dem Bündnis mit Rom heraus brechen und zu seinen Verbündeten machen. Eben wie man die Scheiben einer Salami Stück für Stück abschneidet. Auf diese Weise sollte Rom so geschwächt werden, dass es für Karthago nicht mehr gefährlich wäre.
 
Einschließen und Ausweichen

Und wieso hätten die Römer da mitspielen sollen? Um eine Armee einschließen zu können, muss sie stillstehen. Wenn sie sich aber auch bewegt, verkommen die Einschließungsversuche zu einem ewigen Hin und Her. Den Römern gelang es schließlich auch, einer offenen Feldschlacht auszuweichen. Einer Einschließung auszuweichen ist noch einfacher.

Nehmen wir mal für einen Moment an, Du hättest zu 100% Recht mit dieser Aussage. Dann entkommt Marcellus also aus Nola ohne das Hannibal auch nur die geringste Chance hätte ihm eine offene Feldschlacht aufzuwingen.

Dann aber wird Nola eingeschlossen und ohne die Hilfe von Marcellus kann die Stadt sich nicht lange gegen Hannibal halten.

Das gälte für jede nicht Hafenstadt, wenn die Römer die Stadt nicht verteidigen, fällt diese früher oder später, dann kommt Hannibal so zum Ziel.

In der Praxis ist es nicht immer sicher einer Feldschlacht garantiert auszuweichen. Die Römer operierten historisch aus befestigten Feldlagern mit kleinen Trupps, welche vor allem Hannibals Furageure belästigten. Der Großteil der Armee hielt sich aber von Hannibal fern. So war es für Hannibal kaum möglich eine Feldschlacht zu erreichen, außer unter sehr nachteilhaften Bedingungen.

Wenn aber die gesamte Armee geschlossen aus einer vom Feind umzingelten Stadt marschiert, führt sie nicht ihre Feldbefestigung mit sich und befindet sich auch nicht im "befestigten Modus". Während des Marsches kann sie durchaus angegriffen werden. Daraus kann sich eine Feldschlacht ergeben, wenigstens aber ein Nachhutgefecht.
 
Es war tatsächlich umstritten, ob Rom Karthago gänzlich zerstören sollte.

Dem stimme ich zu. Die Kriegsziele beider Seiten im 2. Punischen Krieg waren nicht die Vernichtung Roms bzw. Karthagos. Vielmehr wollten beide Seiten den jeweils anderen so weit schwächen, dass er keine Gefahr mehr darstellte. Hannibals Verträge mit Phillip von Makedonien machen das klar. Auch sein ganzes Verhalten während des Krieges deutet auf eine andere Absicht.
Rom hätte sicher auch am Ende des 2. Punischen Krieges Karthago zerstören können, wollte das offenbar aber nicht.
 
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Dann aber wird Nola eingeschlossen und ohne die Hilfe von Marcellus kann die Stadt sich nicht lange gegen Hannibal halten.

Das gälte für jede nicht Hafenstadt, wenn die Römer die Stadt nicht verteidigen, fällt diese früher oder später, dann kommt Hannibal so zum Ziel.
Aber nur wenn sich die Römer völlig passiv verhalten, also tatenlos zusehen, wie Hannibal eine Stadt nach der anderen erobert. Nicht aber, wenn, während Hannibal die romtreue Stadt A belagert, die Römer einstweilen einige hundert Kilometer entfernt die abgefallene Stadt B erobern. So war es ja auch in der historischen Realität.
 
Gleichgewicht der Kräfte?

Aber nur wenn sich die Römer völlig passiv verhalten, also tatenlos zusehen, wie Hannibal eine Stadt nach der anderen erobert. Nicht aber, wenn, während Hannibal die romtreue Stadt A belagert, die Römer einstweilen einige hundert Kilometer entfernt die abgefallene Stadt B erobern. So war es ja auch in der historischen Realität.



Guter Punkt! Dann versuche ich mich mal in Hannibal hinein zu versetzen. Wenn Marcellus aus Nola entkommen wäre, hätte Hannibal seine Kräfte teilen müssen. Eine ca 20 0000 Mann starke Truppe belagert Nola weiter. Hannibal folgt Marcellus. Solange die Karthager zahlenmäßig überlegen sind (Ich gehe nach wie vor von 20 000 Mann zusätzlichen Truppen aus Karthago aus) kann die Karthagische Seite wohl einige Städte mehr nehmen als historisch während Marcellus von Hannibal geblockt wird, bis sich durch die römischen Rüstungen Mitte 215 ein Gleichgewicht einstellt. Dieses kleine Mehr an von Karthago kontrollierten Städten hätte wahrscheinlich auch nicht zum Sieg Hannibals gereicht.

Ich bezweifele aber:
1. Dass die Römer Nola aufgegeben hätten.
2. Dass wie von Dir angenommen, die jeweilige römische Armee immer zu 100% einer Einschließung durch Hannibal entkommt und auch beim Ausweichen immer zu 100% einer Feldschlacht entgehen kann.

Ist alles hochspekulativ, was aber in der Natur des Themas begründet ist.
 
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Wieso hätten die Römer Nola im Bedarfsfall nicht aufgeben sollen? Sie verloren so wichtige Städte wie Capua und Tarent an Hannibal, da hätten sie wohl kaum wegen Nola alles riskiert.

Außerdem: In Deinem Szenario teilt sich die karthagische Armee. Ein Teil unter Hannibal verfolgt Marcellus, der andere unter einem anderen Kommandanten belagert weiter Nola. Die Römer hätten wohl den Teil bei Nola angegriffen. Es war schließlich nicht so, dass sie generell eine Schlacht gegen die Karthager mieden, nur gegen Hannibal. Anderen karthagischen Feldherrn stellten sie sich durchaus zur Schlacht, nicht nur in Spanien, sondern auch in Italien, und oft auch mit Erfolg. Etwas Besseres als dass Hannibal seine Armee teilt, konnte ihnen gar nicht passieren. In Italien schlugen die Römer auf diese Weise eine Armee unter dem Kommando eines Hanno bei Beneventum und später in derselben Gegend noch einmal eine karthagische Armee unter einem anderen Hanno. Und mit der großen Armee des Hasdrubal wurden sie auch fertig.
 
Es ist sehr schwierig eine Armee, die mit Feldbestigungen nach Nola und nach außen ähnlich wie bei Alesia eingegraben ist anzugreifen, auch wenn diese nicht von Hannibal befehligt würde. Das würde mindestens sehr verlustreich werden, wahrscheinlich aber scheitern. Bedenke bitte dass in 216 Rom nur noch Marcellus Truppe und den sehr stark improvisierten Haufen von Diktator Pera hatte. Diese Truppen waren weit schlechter als römische Standardlegionen und bekamen erst durch jahrelangen Kriegsdienst allmählich Klasse. Die 20 000 aus Afrika waren aber keine Anfänger.

Capua und Tarent haben die Römer auch nicht freiwillig aufgegeben. Im Falle Capuas, war das zeitlich kurz nach Cannae und die Römer haben keine Truppen dort gehabt. Tarent fiel 213 durch Verrat, trotz starker römischer Besatzung.
Ich denke dass zumindest eine römische Besatzung in Nola verblieben wäre.
 
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