Hedwig Dohm- die radikale Vordenkerin der Frauenbewegung

Wann soll denn deiner Ansicht nach diese "christliche Tradition" von Frau-am-Herd entstanden sein? :confused:

Das erste Gleichberechtigungsgesetz der Bundesrepublik ist aus dem Jahre 1957. Bis dahin kämpfte man langsam aber stetig für die Gleichbehandlung der Frau in der Gesellschaft: Streichung des Letztentscheidungsrecht des Mannes in Familienangelegenheiten und sein Kündigungsrecht gegenüber dem Arbeitgeber der Frau.

Einführung der Witwenrente 1949,
Mutterschutzgesetz 1952,
Kindergeldeinführung 1955
Verbot von Frauenlohngruppen 1957
erste Bundesministerin 1961 (sie selbst sah sich als Alibifrau)

Aenne Brauksiepe, 1. Vorsitzende der Bundesvereinigung der Frauen der CDU im Jahre 1958:
Das politische Amt, die aktive politische Mitarbeit der Frau als praktische Selbstverständlichkeit, das auf allen Ebenen zu erreichen, hängt nicht nur von der Großzügigkeit der Männer allein ab, sondern wird in hohem Maße von uns selbst bestimmt.

noch einmal Aenne Brauksiepe 1964:
Ein solcher Kongress ist aber sicherlich der geeignete Ort...vorzutragen: Wie viel Vorurteile und überholte Methoden für Millionen von Frauen, die im Beruf stehen, noch abzubauen sind. Vorzutragen, dass das Bild, das sich ... die Gesellschaft von der Frau macht, längst nicht immer zu den Anforderungen passt, die die gleiche Gesellschaft heutzutage an die Frau stellt.
 
Gern würde ich auch zur Lösung der Frauenfrage beiträgen, habe jedoch Einstiegsprobleme, zumal meine Frau immer die "Emma" vor mir versteckelt...:scheinheilig:

Vielleicht zuerst zu
Hedwig Dohm ..., die "das Frauenwahlrecht zum Schlüssel der politischen Veränderungen" erklärt und es uneingeschränkt fordert...
aber natürlich
nicht die einzige Vordenkerin der Frauenbewegung
war. Von der Bewegung zu sprechen, ist vermutlich bereit ein Wagnis, denn trotz eines gemeinsamen Dachverbands (seit 1865) wurden neben dem Wahlrecht noch ganz unterschiedliche Zwecke verfolgt, insbesondere im beruflichen Bereich (vgl. Nave-Herz, Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, 1993, S. 11 ff.); siehe etwa den 1866 gegründeten "Verein zur Förderung der Erwerbstätigkeit des weiblichen Geschlechts", nach seinem 1. Vorsitzenden "Lette-Verein" genannt, der heute noch in Berlin besteht.

In der Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland werden ja häufig eine "bürgerliche" und eine "proletarische" Strömung unterschieden (aaO., S. 20 ff.,38 ff. bzw. 30 ff., 46 ff.), wobei es schwierig ist, Hedwig Dohm einem dieser beiden "Lager" zuzuweisen. Unter dem berühmten Motto "Menschenrecht hat kein Geschlecht!" (S. 24) wirkte sie polarisierend, weil sie eine strikte Gleichheit verfocht und das von den meisten organisierten Frauen weiter anerkannte "Ergänzungstheorem der Geschlechter" als überholt ablehnte. Ein typisches Zitat (aus: Die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau [1874], abgedr. in: Brinker-Gabler [Hg.], Frauenarbeit und Beruf, 1979, S. 124-133 [133]):
Der maßgebende Gesichtspunkt bei der Frauenarbeitsfrage ist nicht das Recht der Frauen, sondern der Vortheil der Männer. Man zwingt die Frauen zu Arbeiten, für die sie nicht geeignet sind und versagt ihnen diejenigen, für die sie sich ungleich besser qualificirten. Man raubt ihnen ein menschliches Anrecht, das Recht der Existenz.
Die "ehrsamen Familienhäupter und Männer", so schrieb sie halb ironisch, müssten sich aber nicht erschrecken, denn längere Zeit noch würden die Frauen ja "fortfahren euch zu beglücken und sich zu degradieren durch ihre Magdseligkeit" (ebd.)


Als zweites zum Thema Krieg- und Nachkriegsarbeit:
Wie ist es zu erklären, dass sich Frauen, die in der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit "ihren Mann standen", oft auf die alleinige Rolle der Hausfrau und Mutter zurückdrängen ließen...?
Ich habe, wie andere Disputanten, die folgende Verlaufskurve vor Augen: Zu Friedenszeiten besteht eine starke Tendenz, die Frauen aus der Arbeitswelt herauszuhalten; zu Kriegszeiten werden sie aber gebraucht, weil die Männer kämpfen müssen; wenn diese zurückgekehrt sind, werden jene nicht mehr gebraucht. Eine ökonomisches Rezept also, wenn gleich verbrämt/verstärkt durch ideologische, im einzelnen näher zu bestimmende Zutaten.

Man muss wohl die beiden Weltkriege und ihre Vor- und Nachkriegszeiten differenziert betrachten (das folgende nach Henning, Das industrialisierte Deutschland 1914 bis 1972 [1974]):

I) Der Anteil der weiblichen Arbeitskräfte stieg von 1913 = 35 % (10,8 Mio von 31,0 Mio) auf 1918 = 55 % (16,0 Mio von 29,0 Mio). Nach Kriegsende herrschte zunächst Arbeitslosigkeit; zwar kehrten 1,2 Mio bis dahin in der deutschen Wirtschaft beschäftigte ausländische Kriegsgefangene und Zivilarbeiter in ihre Heimat zurück, aber zugleich drängt fast 10,0 Mio ehemalige deutsche Soldaten auf den Arbeitsmarkt und ab Mitte 1919 noch etwa 1,0 deutsche Gefangene. (S. 34, 53)

II) 25 Jahre kam es hingegen nicht zu einer derartig hohen Substitution männlicher durch weibliche Arbeitskräfte: Von 1939 bis 1941 nahm die Zahl der berufstätigen Frauen sogar von 14,6 Mio auf 14,1 Mio ab, um dann bis Ende 1944 auf 14,9 Mio zu wachsen. Den kriegsbedingten Mehrbedarf deckten die Nazis durch die Zwangsarbeit von Kriegs- und Zivilgefangenen aus allen Teilen des besetzten Europa, deren Zahl durchschnittlich bei 7,5 Mio lag (S. 183).

Wenn man sich die für Huldas Ausgangsfrage relevantere Zeit nach 1945 anschaut, so ergibt sich folgendes Bild (Maier: Zwischen Arbeitsmarkt und Familie - Frauenarbeit in den alten Bundesländern, in Helwig/Nickel [Hg.], Frauen in Deutschland 1945-1992 [1993], S. 257-279 [258]):
Bis zur Währungsreform 1948 waren zunächst noch viele Frauen erwerbstätig, teil sogar auf Arbeitsplätzen, die noch während des Nationalsozialismus als für Frauen ungeeignet galten. Mit der Währungsreform, der Gründung der BRD und dem einsetzenden Strom von Männern, die aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrten bzw. aus den Ostgebieten in die BRD übersiedelten, wurden weibliche Beschäftigte systematisch aus bestimmten Berufsbereichen hinausgedrängt: So wurden z. B. aus der Nazi-Zeit stammende Beschäftigungsverbote für Frauen in den Bauberufen und im Landverkehr wieder in Kraft gesetzt, bei verheirateten Beamtinnen wurde auf die "Zölibatsklausel" zurückgegriffen... Im Jahre 1950 waren noch 7,2 Mio Frauen erwerbstätig, das entsprach einem Anteil an allen Erwerbstätigen von 35,6 %. ... Schon in den folgenden Jahren nahm die Anzahl der erwerbstätigen Frauen jedoch kontinuierlich zu ... und Mitte der 60er Jahre war ein erster Höhepunkt erreicht: Über 9,7 Mio Frauen waren nun berufstätig, sie stellten knapp 37 % aller Erwerbstätigen. (S. 258)
Zur eigentlichen Frage, warum diese Entwicklung so und nicht anders verlief - und ob es realistische Alternativen dazu gab -, muss man natürlich über die ökonomischen Fakten hinausgehen und im einzelnen diskutieren,

  • wie die "Rolle" der Frau diskutiert wurde, und zwar gerade im Kontext des Bildes von Ehe und Familie in Art. 6 GG
  • als wie dringlich man es angesichts von 10 Mio Kriegstoten ansah, die Reihen durch eine hohe Geburtenrate "aufzufüllen"
  • wie die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf gesehen wurde (siehe etwa das Lösungsmuster "Teilzeitarbeit")
  • was überhaupt als "Arbeit" gilt und wie diese zu bewerten ist
Aber das wurde ja schon alles angesprochen, müsste nur vertieft werden.:winke:
 
Hedwig Dohm war die Großmutter von Katia Mann. Von Thomas Mann gibt es ein kleines Essay über seine "Großschwiegermutter". Es heißt "Little Grandma" und ist - man ahnt es bei dem Titel - seinen Objekt gegenüber ziemlich überheblich.
 
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