Herrschaftliche Verabredungen wegweisend?

Lukas

Neues Mitglied
Hallo,
im letzten Semester habe ich ein Referat über Magna Carta, Confoederatio cum principibus ecclesiasticis und Statutum in favorem principum gehalten.

Die eigentliche Kernfrage sollte die faktische Macht der Monarchen behandeln. Ein offensichtliches Ergebnis war, dass die Magna Carta die Zusammenarbeit der Barone förderte, während die Pendants des Reichs die Individualtät der Fürsten stärkte.
Mit diesem Ergebnis wurde mir die Frage gestellt, ob man daraus die Entwicklung der Fleckenstaaten zu den heute existierenden Staaten herleiten könne. Ich fand die Frage in dem Referat ein wenig unfair, weil absolut nicht zu meinen Themenkomplex gehört, habe mich aber dennoch bemüht eine Antwort zu geben.
Am Ende haben wir dann festgehalten, dass es wohl eine der Ursachen sein könnte, dass das Reich erst so spät 'geeint' wurde, da die Fürsten im Gegensatz zu England viel mehr Privilegien zu verlieren hatten.

Hättet ihr die Frage ähnlich beantwortet, oder ganz und gar anders?

Gruss,
Lukas
 
Hallo Lukas,

leider bin ich ein bißchen spät dran mit meinen Bemerkungen dazu, weil ich in der letzten Zeit leider nicht mehr gründlich genug das Forum lesen kann...

Lukas schrieb:
Die eigentliche Kernfrage sollte die faktische Macht der Monarchen behandeln. Ein offensichtliches Ergebnis war, dass die Magna Carta die Zusammenarbeit der Barone förderte, während die Pendants des Reichs die Individualtät der Fürsten stärkte.
Mit diesem Ergebnis wurde mir die Frage gestellt, ob man daraus die Entwicklung der Fleckenstaaten zu den heute existierenden Staaten herleiten könne. Ich fand die Frage in dem Referat ein wenig unfair, weil absolut nicht zu meinen Themenkomplex gehört, habe mich aber dennoch bemüht eine Antwort zu geben.
Am Ende haben wir dann festgehalten, dass es wohl eine der Ursachen sein könnte, dass das Reich erst so spät 'geeint' wurde, da die Fürsten im Gegensatz zu England viel mehr Privilegien zu verlieren hatten.

Hättet ihr die Frage ähnlich beantwortet, oder ganz und gar anders?

Eine Ableitung bezüglich Fleckenstaaten ist durchaus möglich; ich äußere einmal meine ergänzenden Gedanken dazu - Du mußt sie also weder teilen noch übernehmen.

Ich sehe das mit der faktischen Macht der Monarchen vor dem Hintergrund, worin sich zunächst das Lehnswesen im Heiligen Römischen Reich einerseits sowie Frankreich und England (die zu der Zeit noch einigermaßen miteinander verbandelt sind) andererseits unterschieden.
In England galt (wie in Frankreich auch) zu jener Zeit die Ligische Treue, d.h., der Lehnseid eines Vasallen galt zunächst immer dem König als obersten Lehnsherren, und ebenso setzte das Königtum die Einziehung erledigter Lehen durch. Man könnte etwas grob formulieren: Königstreue brach Treue gegenüber Baronen.
Dies war jedoch im HRR nicht so: hier galt der Treueeid zuvorderst dem nächsten Lehnsherren - und das war eben meist nicht der König -, und die Fürsten ließen sich andererseits vom Königtum die Vererbbarkeit und Unentziehbarkeit der Lehen bestätigen, d.h., erledigte Lehen fielen eben nicht an die Krone zurück, sondern mußten neu vergeben werden!
Daß dies den Vasallen im HRR später ihrer Hausmachtspolitik mehr als entgegenkam, liegt wohl auf der Hand...

Soweit zu den Gegebenheiten ohne Betrachtung der genannten Dokumente.
Zieht man aber diese nun hinzu, so läßt sich feststellen, daß die Magna Charta zwar die Macht des Königtums einschränkte, aber die geltenden Lehnsrechte und Treueverhältnisse nicht grundsätzlich außer Kraft setzte.
Wobei an der Stelle dann aber auch unbedingt noch hinzugefügt werden muß, daß der englische König später weitere Zugeständnisse an die Barone gewähren mußte und erst Edward I. um 1300 durch einige Reformen die Macht der Krone erneut stärkte.
Im HRR wurde hingegen die für die Vasallen günstigen Bedingungen weiter gefestigt, und ich stimme Dir zu, daß sie in ihrer "Individualität" gestärkt wurden. Natürlich muß auch hier etwas in die Zukunft gesehen werden, denn die späteren Kurfürsten (welche oftmals an einem schwachen Königtum interessiert waren) taten letztendlich das Ihrige, um die Eigenständigkeit der Territorien zu bewahren und sogar zu verstärken, was letztlich (alles zusammengenommen) in dem "deutschen Fleckenteppich" resultierte.
Und daß Deutschland (viel) später als Bund von Einzelstaaten entstand - und die heutige Bundesrepublik steht ja i.w.S. auch in dieser "Tradition" -, läßt sich mE ebenfalls gut daraus ableiten.

Fazit: Sicher läßt sich die territoriale Zersplitterung und die "späte" Reichseinigung auf die Sanktionierung der ausgeprägten Eigenständiglkeit der Territorien zurückführen, während - im Gegensatz dazu - in England (wie auch bspw. in Frankreich) die Entwicklung seit dem Mittelalter stets zentralistisch ausgerichtet war und es zudem gelang, trotz Zugeständnissen die Barone an die Krone zu binden.
 
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