Scorpio
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Die Wirkmächtigkeit der Idee des Dämonenpaktes / Teufelspaktes von Thomas von Aquin ist für das Hochmittelalter an den Ketzerprozessen, insbesondere den Waldensprozessen (nicht bei den deutschen Waldensern, sondern den französischen und italienischen) und ansatzweise schon bei den Katharern nachweisbar. Und für diese "echten Ketzer" war die hochmittelalterliche Dämonologie auch gedacht.
Natürlich kann Thomas von Aquino nichts dafür, dass die Inquisitoren "seine" Dämonologie auf die "erfundene" Hexensekte übertrugen und dass Kramer sie im "Hexenhammer" zitiert auch nicht. Aber falsch zitiert hat Kramer nicht, und der einzige, der Aquin in diesem Zusammenhang zitiert hat, war er ebenfalls nicht.
Und ab dem 16. Jhr. gibt es kaum einen Hexenprozess in dem der Teufelspakt keine entscheidende Rolle spielt (kann in den einzlnen Gerichtsakten nachgelesen werden). Und dieser Teufelspakt/Dämonenpakt hat eben Thomas von Aquin (nicht als einziger Scholastiker aber als massgeblichster) ausdefiniert (das kann bei ihm selbst nachgelesen werden).
Ich verstehe jetzt wirklich nicht, weshalb es Schwierigkeiten machen sollte, die Wirkmächtigkeit der "scholastischen" Dämonologie Aquins auf die Hexenprozesse nachzuweisen - das hat doch Kramer und Konsorten bereits erledigt. Dazu braucht es doch wirklich keine Fähikgeiten, wie man sie den Hexen und Unholdinnen nachgesagt hat -.
Im Übrigen: Die Gegner der Hexenverfolgung oder auch diejenigen, die mässigend auf die Hysterie einzuwirken versuchten, haben sich auf den frühmittelalterlichen "Canon Episcopi" Burchard von Worms berufen - also auf eine noch ältere Autorität als Aquin.
Zunächst mal Herzlich willkommen zurück an Bord, @Armer Konrad! Vielen Dank auch für die Quellenverweise!
Teufelspakt und sogenannte "Teufelsbuhlschaft" waren Standardvorwürfe in Hexenprozessen. Nicht nur das, das Eingeständnis von Teufelspakt und Teufelsbuhlschaft führten in der Regel zu einer sicheren Verurteilung.
Es ist aber doch ein sehr weiter Weg von Augustinus De Civitate Dei bis zum Hexenhammer, bis zu den großen Verfolgungswellen in Frankreich, der Schweiz und den deutschen Ländern. Thomas von Aquin hat zweifellos dazu beigetragen, dass Vorstellungen von Teufelspakt als gültige Lehrmeinung akzeptiert wurden, er hat das Konstrukt einer mächtigen Sekte befördert, hat Vorstellungen von Incubi und Sucubi geteilt und durch seine Autorität Gültigkeit verschafft, und er hat zweifellos, ähnlich wie Augustinus ein sehr negatives Frauenbild befördert, hat Frauen im Grunde nur als Objekt zur Fortpflanzung einen Wert zugemessen.
Bei der Begründung seines geradezu pathologischen Frauenhasses greift der Verfasser des Hexenhammers immer wieder auf Zitate Thomas von Aquins, auch von Augustinus und Chrysostomus zurück.
Der Teufel erscheint in mittelalterlichen Quellen, zumal in Schwänken oft als ein "Teufel in den Flegeljahren". Da ist der Teufel alles andere, als ein eloquenter Libertin wie Mephisto, sondern eher ein Teufel wie im Kasperle-Theater, ein durchaus dummer Teufel, den selbst ein Bauer prellen und überlisten kann, dem man mit etwas Weihwasser beikommen kann. Thomas von Aquin hat Vorstellungen einer Ketzer/Teufelsverschwörung eines Superverbrechens geteilt, und er hat sie befördert, hat mit seiner Dämonologie-Lehre sicher auch einen gewissen Anteil am theoretischen Fundament des Hexenwahns. Er hat die These vertreten, dass Teufelspakt nötig sei für Schadenszauber, dass ohne Teufelspakt keine Magie möglich sei. Er hat damit zweifellos dazu beigetragen, dass diese Verschwörungstheorie so wirkmächtig werden konnte.
Das kann man nicht bestreiten. Er hat aber wie gesagt keine Hexenverfolgung gefordert, er hat vor Häretikern, nicht vor Hexen gewarnt, und er gehört auch nicht zu den Autoren, die als Hexentheoretiker in den üblichen Standardwerken genannt werden: Da sind vor allem Nicolas Jaquier, Johannes Nider, Peter Binsfeld, Martin Delrio zu nennen.
Jaquier war der Erste, der Vorwürfe, die man schon aus den Templerprozessen kannte, Teufelspakt und Sexorgien, weiterentwickelte und von einer Zaubersekte berichtete, die Schadenszauber betrieb und ganz neu erst aufgetreten sei.
Joseph Hansen führt in seiner Geschichte des Hexenwahns aus der Zeit von 1258-1526 insgesamt 46 päpstliche Erlasse und sonstige Publikationen an, die sich mit Zauberei und Hexenwesen beschäftigen:
Arnoldus von Villanova, De maleficiis, Zanchinus Ugolini Super materii de haereticorum, Bertramus Teuto, De ilusionibus daemonorum, Raimundus Tarrega, De invocatione daemonum, Nikolaus von Jauer, Tractatus de superstionem, Johannes Nider, Formicarius, Johannes Wunschilburg, Johannes de Mechlinea, Nicolaus Jaquierus, Flagellum haereticorum, Hyronimus Vicecomes, Petrus Marmoris, Marianus Socinus, Tractatus de sortilegiis, , u, v. a.
Der/die Verfasser des Hexenhammers Ausgabe von 1598 Frankfurt zitiert folgende Autoren in dieser Reihenfolge:
Dionysius Areopagata, Johannes Chrysostomus, Johannes Cassianus, Johannes Damaszenus, Heraklit, Hilarius, Augustinus, Aristoteles,
Papst Gregor I., Isidor, Itineris Clementis, Remigius, Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Bernadus Abbas, Bonaventura, Petrus Damianus, Nicolaus de Lyra, Nicolaus Jaquierus Paulus von Burgos, Magister Historianum, Magister Sententiarum, Vincentius Beluacensis, Vincentius Parisienis, Petrus de Palude, Petrus de Tarentia, Scotus, Guido Carmelita, Alexander des Ales, Johannes Nider, Rabbi Moses, Boetius, Gratianus, Caesarius von Heisterbach.
Es lässt sich das theoretische Fundament des Hexenwahns nicht auf zwei Autoren reduzieren. Augustinus und Thomas von Aquin werden im Hexenhammer sehr häufig zitiert, und ihre Vorstellungen von Dämonen und Teufelspakt haben zweifellos zum theoretischen Fundament beigetragen, und sie sind auch ergiebige Fundgruben für frauenfeindliche Äußerungen.
Das bestreite ich keineswegs, was ich bestreite, das ist, dass von der Civitas Dei des Augustinus eine direkte Traditionslinie zu Hexenverfolgungen 1000-1200 Jahre nach seinem Tod nachweisbar ist, dass Augustinus oder auch Thomas von Aquin vor allem es waren, die zur Entwicklung des Hexenwahns das theoretische Fundament legten, dass ihre Schriften einen beträchtlichen Anteil daran hatten, dass Hexenverfolgung ohne sie und ihre Schriften undenkbar gewesen wäre.
In einschlägigen Werken zur Hexenverfolgung werden im Zusammenhang mit Hexentheoretikern immer wieder die "üblichen Verdächtigen" genannt: Johannes Nider, Nicolas Jaquier, Peter Binsfeld, Heinrich Institoris, Nicolaus Remigius Martin Delrio, i.w. S. vielleicht noch Konrad von Marburg, Benedikt Carpzow, Jean Bodin.
In keinem mir bekannten Werk zu Hexenwahn und Hexenverfolgung habe ich je gelesen, dass Augustinus und Thomas von Aquin das theoretische Fundament des Hexenwahns entwickelt haben oder dass ihnen und ihren Schriften dabei ein entscheidender Anteil zukommt, dass Hexenverfolgung ohne ihren Anteil völlig undenkbar gewesen wäre.