Mich beschäftigt vor allem die Frage, warum fanden diese rigorosen Hexenprozesse nur im Bereich der westlichen, d.h. lateinischen Kirche statt - und auch dort vor allem nördlich der Alpen -, nicht aber im Bereich der griechisch- bzw. russisch-, serbisch-, rumänisch-orthodoxe Kirchen* und auch nicht in dem des Islams?
Wahrscheinlich weil der Hexenglauben in verschiedenen Regionen unterschiedlich stark ausgeprägt war.
Man muss ja durchaus bedenken, dass die damaligen Gesellschaften wesentlich immobiler und regionaler aufeinander bezogen waren.
Hexen und Hexerei als Erklärung für irgendwelche Unglücksfälle etc. heranzuziehen, war eine Möglichkeit mit Dingen, die man sich nicht erklären konnte umzugehen.
Aber selbst in den Gegenden, in denen es starke Hexenverfolgungen gab, war das ja nicht konkurrenzlos das einzige Erklärungsmuster.
Ein anders Motiv, vor allem um Katastrophen zu erklären, war ja auch immer z.B. die Vorstellung einer göttlichen Bestrafung.
Und je nachdem, wie der Volksglaube regional gestrickt war, konnte so etwas ja sicherlich auch anderen Formen irgendwelcher Dämonen oder auf der Spirituellen Ebene irgendeinem Luzifer oder Teufel selbst zugeschrieben werden.
Wenn man eine Bevölkerung hat, die eher an direkten göttliches oder teuflisches Wirken glaubt, als an die Vermittlung solchen Wirkens durch Hexen und Zauberer, wird diese vermutlich auch nicht auf die Idee kommen nach der Verfolgung von Hexen zu verlangen.
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Und in protestantischen Gebieten wurden mehr Frauen als Männer wegen Hexerei hingerichtet, während in den katholischen das Verhältnis umgekehrt war.
Man sagt, dass das an den unterschiedlichen Übersetzungen der Bibel liegen könnte: Luther übersetzte
„Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen“, in der katholischen Vulgata dagegen steht an dieser Stelle
“Zauberer”.
Diese Argumentation scheint mir stichhaltig zu sein – ich sehe mittlerweile kaum einen anderen Grund.
Du siehst selten andere Gründe als Rekurse auf Einlassungen irgendwelcher Theologen, übergehst dabei aber regelmäßig die Frage, ob es Indizien für die besondere Wirkmächtigkeit solcher Einlassungen gibt.
Ich wüde mich dem gegenüber mal weit aus dem Fenster lehnen und die folgende Überlegung in den Raum stellen wollen:
Luther hat in seinen Schriften, auch wenn sich das am Ende anders gestaltete und sich lutherische Amtskirchen herauszubilden begannen (so viel übrigens zur Vorstellung, dass Luthers Wort bei den Lutheranern Quasigesetz gewsen wäre) ja durchaus auf das ebenfalls biblisch fundierte "Priestertum aller Gläubigen" abgstellt.
Das Priestertum
aller Gläubigen wiederrum schließt allerdings Frauen zumindest theoretisch ein.
Ich habe nun offen gesagt keine Ahnung ob es dazu in größerem Maße Forschung gibt, könnte mir aber durchaus vorstellen, dass dass es gerade im Wirkungsbereich der lutherischen Reformation und anderer Reformationsbewegungen, die ebenfalls auf diesen Grundsatz abstellten, durchaus vermehrt Frauen gab, die das ernstnahmen und versuchten aktiv in diese Richtung zu wirken.
Wenn das der Fall gewesen sein sollte, ist es durchaus möglich, dass solche Aktivitäten fundamental mit einem anderen Rollenbild, was Frauen betrifft, im Besonderen in der männlichen Bevölkerung kollidiert sein könnten.
Wäre auch das der Fall, könnte ein verstärktes Maß an aus der Bevölkerung gegen Frauen angestrengte Hexenprozesse, der konservative Reflex darauf gewesen sein um eine Veränderung der Sozialordnung zu unterbinden.
Der Versuch sich gewissermaßen als Laienpriester oder -priesterinnen zu betätigen, hätte sicherlich auch Anlass zu Ausübung diverser (möglicherweise abgewandelter) christlicher Rituale gegeben, die sich sicherlich prinzipiell als Folie für Anschuldigungen betreffs potentieller Hexerei eigneten.
In katholischen Gebieten, in denen die religiösen Strukturen im wesentlichen unter der Amtskriche bestehen blieben, es keine wesentlichen Umwälzungen und Neuverhandlung der Rolle und Stellung des Priestertums gab, hätte sich diese Problematik demgegenüber nicht ergeben.
Ich kann ad hoc nichts davon belegen.
Halte es aber durchaus für eine brauchbare Erklärung.
Und: Wenn die Bibel sagt, Zauberinnen und Zauberer sollte man nicht am Leben lassen, hatten die Richter damals eine Chance gehabt, bei einem Geständnis anders als auf Tod zu entscheiden?
Natürlich, z.B. konnten die die Zurechnungsfähigkeit der Person, die das Geständnis abgegeben hat in Zweifel ziehen.
Du selbst hast dich vor ein paar Beiträgen darüber empört, dass im Fall von Hexenprozessen eine Regelung getroffen wurde, die es ermöglichte Zeugnisse und Aussagen von Personen zu verwenden, die man nach damaligen Maßstäben als verrückt/geisteskrank etc. betrachtete.
Das aber bedeutet, dass dir klar sein müsste, dass die Zurechnungsfähigkeit, und Verunftfähigkeit schon in der damaligen Justiz eine gewisse Rolle spielte.
Das scheint sich auch in anderen Bereichen zu finden.
Ich habe vor einigen Jahren mal eine Luther-Biographie gelesen, die die Annekdote mit dem Unwetter in dass Luther geraten sein soll und dem Schwur, denn er angeblich geleistet habe Mönch zu werden, wenn er das überlebte thematisiert wurde.
In dem Buch wurde da insofern drauf eingegangen, dass erklärt wurde, dass ein solcher Schwur allerdings nach damaligen kirchlichen Auffassungen nicht als bindend betrachtet wurde, selbst wenn er geleistet worden sein sollte und dass damit Luthers weiterer Weg zu den Augustinern durchaus nicht vorgezeichnet war.
Hintergrund war hierbei wohl, dass solche Ereignisse öfter vor kamen, die katholische Kirchen entsprechend immer wieder damit konfrontiert war und dann irgendwann mal zu dem Schluss gekommen zu sein scheint, entsprechende Eide, die in Panik und seelischen Ausnahmesituationen geleistet wurden, nicht als gültig zu betrachten.
Solchen Überlegungen folgend hätte ein Gericht, natürlich die Möglichkeit gehabt, selbst ein nicht erfoltertes Geständnis noch als nicht verwertbare oder nicht bindende Aussage oder unwirksamen Eid einer unvernünftigen, geisteskranken oder hysterischen Person aufzufassen und damit zu verwerfen.
Ob das entsprechende Gericht auch ein Interesse daran hatte so zu handeln, ist demgegenüber eine andere Frage.