Historische Romane

Dieses Thema im Forum "Geschichtsmedien und Literatur" wurde erstellt von Rovere, 30. März 2004.

  1. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Natürlich ist nicht Graves am falschen Wikipedia-Eintrag schuld. Ich brachte das nur als Beispiel für den verzerrenden Einfluss, den Historienromane haben können. Da ich dem Wikipedia-Autor nicht unterstellen will, er habe bewusst etwas Fiktives im Artikel ergänzen wollen, muss ich annehmen, dass er die Information mit der Varusschlacht (mag er sie nun direkt aus dem Roman oder über einen Umweg haben) für authentisch hielt, also davon ausging, dass, was im Roman stand, wirklich so stattfand. Der Roman hat ihm somit durch die Vermengung von Überliefertem und Fiktivem (direkt oder indirekt) falsches Geschichts-"Wissen" vermittelt.

    Das ist das Problem, das ich mit vielen "Historienromanen" (gilt natürlich ebenso für "Historienfilme" und -serien), vor allem solchen, die sich um reale Personen und Ereignisse drehen, habe: Ausgesprochen oder unausgesprochen vermitteln sie den Eindruck, keine fiktive Geschichte zu erzählen, sondern etwas, das tatsächlich stattgefunden hat. Ein erheblicher Teil der Leser oder Zuschauer macht sich vermutlich nicht die Mühe, hinterher nachzurecherchieren, was aus dem Roman belegt ist oder nicht, sondern nimmt das Gelesene hin und hält es für authentisch. Und hier sehe ich schon eine gewisse Verantwortung des Romanautors oder Filmemachers.

    Natürlich gibt es Schlimmeres, aber gut finde ich es trotzdem nicht.
     
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  2. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Eben. Auch ein historischer Roman ist ein Roman und niemals eine Studie über die Zeit oder andere Umstände der Handlung. Wenn auf dem Buch als Genre Roman vermerkt ist, sollte niemand was anderes erwarten als Fiktion, ggf. an reale Ereignisse angelehnt.
     
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  3. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Sehe ich ganz genauso. Vor meiner Zeit im Geschichtsforum hat mir mal jemand für eine historische Tatsachenbehauptung allen Ernstes Dan Browns Sakrileg/The Da Vinci-Code "vorgelegt". Es ist offenbar für viele verführerisch Historische Romane mit Historischer Fachliteratur zu verwechseln.
     
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  4. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    ich weiß nicht so recht: ist das nicht ein wenig wie mit einem Tunnelblick betrachtet?
    Denselben Verdacht könnte man doch einer anderen literarischen Gattung, die nicht weniger Fiktion ist als der historische Roman, ebenso entgegenbringen: dem Drama, der Tragödie. Wimmeln nicht bei Shakespeare prominente historische Personen herum, sogar schon in den Titeln der Dramen? Oder bei Schiller? Und das Theaterstück auf der Bühne, als Aktion, wirkt viel direkter als der historische Roman, den man irgendwo zwischen distanziert und fasziniert im heimischen Stübchen schmökert. Aber mir ist nirgendwo bzgl. Theater jemals der oben zitierte Verdacht begegnet.
    (Opern mit historischem Sujet will ich nicht auch noch erwähnen) Die Gattung Historienroman kann nichts dafür, wenn sie von gar zu naiven Rezipienten goutiert und dabei missdeutet wird.
     
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  5. PostmodernAtheist

    PostmodernAtheist Aktives Mitglied

    Eine Sache die mich etwas gewundert hat will ich mal hier ansprechen, da ich es in nem historischen Roman und nicht in einer Quelle oder Geschichtsbuch gelesen hab - Wie sahen eigentlich die Trinkgewohnheiten der Wikinger aus? Die Populärkultur hat den Met zum Lieblingsgetränk der Wikinger erkoren, aber in Frans G. Bengtssons wirklich guten Wikingerroman "Röde Orm" ist immer von "beim Biere sitzen" die Rede. Ich glaub das Wort "Met" kommt sogar gar nicht vor. Jemand dazu ne Idee? Ich nehme mal an die Wikinger kannten und schätzten beide Getränke, aber vielleicht war Met eher was für besondere Anlässe? Kenn mich auch nicht mit dem Brauverfahren aus. Außer, dass viele Geschichtsfans selber Met machen, was ich am liebsten mal selber ausprobieren würde.
     
  6. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Bier ist in Skandinavien ab der Bronzezeit nachweisbar (Mädchen von Egtvet), im mittelalterlichen Skandinavien gab es ein Wacholderbier, allerdings gab es keinen Hopfen. Hopfen benötigt sowohl die richtigen, Temperaturen, als auch das notwendige Licht. Deshalb wächst Hopfen eben nicht überall, gehopftes Bier (haltbarer und besser schmeckend) musste man im Norden importieren. Das skandinavische Bier der Wikingerzeit stelle ich mit jedenfalls als Plörre vor, die schnell umkippte oder schal wurde
     
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  7. PostmodernAtheist

    PostmodernAtheist Aktives Mitglied

    Interessant. Dann tranken die Wikinger deshalb lieber Met? Lustige Vorstellung.
     
  8. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Sie tranken beides. Met dürfte allerdings teurer gewesen sein und sicher alkoholischer.
     
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  9. Mittelalterlager

    Mittelalterlager Aktives Mitglied

    Der Met ist im Gegensatz zum damaligen Bier auch länger haltbar, ähnlich wie Wein.
     
  10. Riothamus

    Riothamus Aktives Mitglied

    aus der Edda, Alvismal, Strophen 34, 35:

    (Thor lenkt den Zwerg Alwis mit Fragen ab, bis die Sonne aufgeht und den Zwerg versteinert. Dies ist die letzte Frage vor dem Sonnenaufgang.)

    Thor:
    Sage mir Alwis, da alle Wesen,
    Kluger Zwerg, du erkennst,
    Wie heißt das Äl, das alle trinken,
    In den Welten allen?

    Alwis:
    Bei Menschen Äl, bei Asen Bier,
    Wanen sagen Saft,
    Bei Hel heißt es Met, bei Riesen helle Flut,
    Geschlürf bei Suttungs Söhnen.*

    Fragt mich nicht, welche Ausdrücke Simrock im Original vorfand. Vielleicht hat ja jemand eine Ausgabe zum Nachschlagen parat.

    *grob vereinfacht: Suttung besaß zeitweise das Skaldenmet. Odin stibitzte es für Götter und Menschen. Irgendwie sympathischer als der Feuerklau.
     
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  11. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Þórr kvað:
    "Segðu mér þat, Alvíss, - öll of rök fira
    vörumk, dvergr, at vitir -:
    hvé þat öl heitir, er drekka alda synir,
    heimi hverjum í?"

    Alvíss kvað:
    "Öl heitir með mönnum, en með ásum bjórr,
    kalla veig vanir, hreinalög jötnar,
    en í helju mjöð, kalla sumbl Suttungs synir."
     
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  12. Riothamus

    Riothamus Aktives Mitglied

    Danke! Dann haben doch einen Beleg für Ale, Bier und Met und ein paar Bilder dafür.

    Allerdings wird das Alvissmal eher spät datiert, nach Simeks Übersicht meist in die letzte Phase im 12. oder frühen 13. Jahrhundert. Allerdings werde es noch zitiert, was eine ganz späte Entstehung ausschließt. Seltener werde auch das 10. Jahrhundert genannt. Ich habe an der frühen Zeit meine Zweifel, da es für mich nach humorvollem Umgang mit der unchristlichen Mythologie aussieht.
     
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  13. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Das allein spricht nicht zwingend gegen eine Frühdatierung in heidnische Zeit. Auch in der altgriechischen Literatur findet sich mitunter ein etwas „humorvoller“ Umgang mit den Göttern. So z. B. bereits in Homers Odyssee die Szene, in der Aphrodite und Ares bei einem Schäferstündchen in eine von Aphrodites betrogenem Ehemann Hephaistos gestellte Falle tappen und von der versammelten Götterschar (die allerdings belustigt reagiert) in flagranti begutachtet werden.
     
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  14. albaicin

    albaicin Neues Mitglied

     
  15. albaicin

    albaicin Neues Mitglied

    habe auf die Beschreibung hin jetzt auch Die Bibel nach Biff gelesen - soviel Phantasie bei soviel Wissen, einfach schön. Ich habe viel gelacht.
     
  16. Timestheus

    Timestheus Mitglied

    Das Problem ist auch einfach oft "hausgemacht" bei den Autoren. Viele Kollegen neigen dazu, dem Leser das Denken und die Phantasie abzunehmen - und verfangen sich in viel zu viele kleinste Details. Ist auch oft geschuldet an der Sichtweise - je mehr man die historische Umgebung beschreibt, desto besser für den Leser und/oder desto mehr möchte der Autor sich als Kenner der Zeit präsentieren (bzw. seinen Roman als authentisch präsentieren).

    Aus meiner Sicht völlig unnötig (teils - oft). Die meisten Leser ergänzen fehlende Details meist eh mit der eigenen Phantasie. Daher ist es aus meiner Sicht besser eh nie zu arg ins Detail zu gehen. Weder bei historischen Personen, noch bei Details des alltäglichen Lebens. Wie geschrieben - mir ist lieber der Leser denkt sich die gedeckte Tafel selbst aus, anstatt er sich über Fehler aufregt.
     
    Zuletzt bearbeitet: 23. Januar 2023
  17. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Die Details sind die Würze in einem Roman. Man soll Geschehnisse zeigen, nicht lediglich davon erzählen. Das heißt nicht sagen, dass der Tag schön war, sondern den Tag so schildern, dass im Kopf des Lesers das Bild eines schönen Tages entsteht.

    Ein anderes Beispiel: Der Protagonist isst nicht einfach sein Mittagessen, sondern isst (zuerst) eine bestimmte heiße oder lauwarme Lauchsuppe. Und wenn der Autor eines im Mittelalter spielenden Romans in dieser Suppe Kartoffelstücke schwimmen lässt, dann ist das ein Fehler. Punkt.
     
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  18. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    Oder einen "Laberkas" wie Adson von Melk und William von Baskerville im Namen der Rose (kurz nach ihrer Ankunft im Kloster, eine sehr hübsche Szene!) "esse facile, maken une Laberkas" (so in der Übersetzung, wenn ich mich richtig erinnere)
     
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  19. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Geschmackssache. Zu den wenigen Dingen, die mich am "Herrn der Ringe" störten, gehörte, dass bei der Reise der Gefährten für jeden Tag detailliert das Wetter beschrieben wird. Oder wenn in Historienromanen von Ebers, Dahn & Co. detailliert die Inneneinrichtung eines Zimmers beschrieben wird. Oder wenn manche russische Autoren des 19. Jhdts. eine Vorliebe dafür hatten, detailliert Aussehen und Bekleidung von Personen (oft nur Nebencharaktere) zu beschreiben. Ich finde solche Partien eher langatmig und langweilig.
     
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  20. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Es kommt auf das wie an. Nebencharaktere, also Personen, die für die Geschichte gar nicht wichtig sind, allzu detailliert zu beschreiben, ist heute in der Tat langweilig. Aber im 19. Jahrhundert, in dem die wenigsten Leser etwas von früheren Zeiten wussten, konnte man schon ein paar Variationen der Bekleidungssitten von damals bringen, schließlich – Zitat aus Wikipedia: „Die Kleidung im Mittelalter in Europa spiegelte den Platz der gekleideten Person innerhalb der mittelalterlichen Ständeordnung wider.“

    Die Kleidung eines Menschen kurz in ein zwei Sätze zu beschreiben, statt einfach zu sagen, der war ein Händler, Bauer oder Provinzler oder ..., ist genau das, was ich meine mit Zeigen statt Erzählen.
     

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