Historische Ursachen des Folterverbots

Hans forscht

Aktives Mitglied
Nachdem es hier in einem anderen Thread eine hochinteressante Diskussion zu Inquisition, Inquisitionsprozeß, Folter und dem Verhältnis dieser historischen Begebenheiten zum heutigen Verfahrensrecht in unserem römisch-germanischen Rechtsraum gab, möchte ich hier einmal eine sich daraus für mich ergebende Frage zur Diskussion stellen:

Nach heutiger Rechtsvorstellung besteht ein absolutes Folterverbot. Hieraus entwickelt existiert das Prinzip, dass Beweise, die durch unzulässige Erhebung zugänglich geworden sind, nicht verwertet werden dürfen. Dies wiederum führt einerseits dazu, dass auch andere unzulässig gewonnene Beweise nicht verwertet werden dürfen (z.B durch unzulässige Hausdurchsuchungen, illegales Abhören oder ohne eine erforderliche Belehrung über Zeugnisverweigerungsrechte). Andererseits werden jedenfalls in Deutschland Beweise verwertet, die indirekt durch illegale Methoden verfügbar wurden. Das ist z.B. so, wenn ein unter Folter erlangtes Geständnis zu Ermittlungsansätzen geführt hat, die dann sichere Beweise ergeben haben.

Ich stelle mir nun die Frage, warum eigentlich unter Folter erlangte Beweismittel unzulässig wurden und die Folter verboten wurde. War der Grund hierfür eher ein menschenrechtlicher, also der Abscheu der Folter gegenüber? Oder war es eher die Erfahrung, dass die Folter viele falsche und wenige richtige Geständnisse erpresste somit eher Desinformation als zielführende Information zu einem Verfahren beiträgt?
 
Dazu las ich vor einiger Zeit historicum.net: Folter und entnahm diesem Artikel, daß dort eigentlich die Antwort auf diese Thematik gegeben wird.

PS: Das Thema hat aber mit der Inquisition - insbesondere im Mittelalter - doch eher am Rande zu tun (epochal würde es eher zum Zeitalter der Aufklärung oder aber sogar in die Entwicklung der Nationalstaaten passen), so daß ich es zur "Kulturgeschichte" verschoben habe.
 
Ich stelle hier mal den entscheidenden Textteil aus der recht interessanten von Timotheus angeführten Seite ein:

"Die offizielle Abschaffung der Folter begann im 18. Jahrhundert (Preußen 1740 / 1754) und endete im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts (Baden 1831). Während man diese Entwicklung bislang vor allem mit Änderungen im Beweisrecht erklärt hat, scheint der Einfluss aufklärerischen Gedankenguts doch weit bedeutender gewesen zu sein. Für die Verurteilung zur Todesstrafe blieb der formale Vollbeweis durch Geständnis oder Tatzeugen weiterhin erforderlich. Der Verzicht auf das erfolterte Geständnis wurde aber dadurch erleichtert, dass an Stelle von Todesstrafen immer öfter langjährige Zwangsarbeitsstrafen verhängt wurden. In fast allen Territorien ersetzte man die Folter zunächst durch die Anwendung von Schlägen oder Beugehaft gegenüber leugnenden Verdächtigen. Diese "Ungehorsamsstrafen" blieben bis ins 19. Jahrhundert hinein gebräuchlich."

Für mich beantwortet das meine Frage nicht sondern stellt eher fest, daß die Frage besteht und nicht klar beantwortet ist.

Während in dem Zitat die Meinung vertreten wird, "aufklärerisches Gedankengut" (also wohl ein menschenrechtlicher Gedanke) sei "doch weit bedeutender gewesen", wird gleich danach eine gute Begründung für die gegenteilige Annahme geliefert, nämlich Veränderungen im Prozessrecht und in den Strafandrohungen, die die Folter entbehrlich gemacht hätten.
 
Das kommt darauf an, wie Du die Textstelle verstehen möchtest (ist hier ein zwingend kausaler Zusammenhang aufgebaut?), die leider auch noch sehr allgemein gehalten ist und zeitlich, sowie regional nicht differenziert.
Als Friedrich II. (der Große) die Folter abschaffen ließ, so tat er dies wohl aus Überzeugung und damit durch Einfluss aufklärerischen Gedankenguts. Ich habe zudem gelesen, dass die Verantwortlichen für Rechtsprechung, als sie von den Plänen ihres Königs hörten, sehr erregt waren und sich fragten, wie sie denn dann noch Urteile zustande bringen könnten. Vor allem hat man befürchtet, dass nach Abschaffung der Folter viel mehr Straftaten begangen werden, da Straftäter mit dem Wissen von der Abschaffung und dem gleichzeitigen Problem der Urteilsfindung, gute Chancen sehen konnten, ungestraft davon zu kommen.
Aus diesem Grund soll die Abschaffung der Folter durch Friedrich II., wenn ich es noch richtig erinnere, zuerst nicht öffentlich geschehen sein, damit man nicht zu mehr Straftaten animierte. Wenigstens bei diesem Beispiel wird wohl tatsächlich zunächst das aufklärerische Gedankengut den Anstoß gegeben haben, was schließlich zu einer Reaktion und damit zu Änderungen im Prozessrecht führen musste.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenigstens bei diesem Beispiel wird wohl tatsächlich zunächst das aufklärerische Gedankengut den Anstoß gegeben haben, was schließlich zu einer Reaktion und damit zu Änderungen im Prozessrecht führen musste.

Und nichts anderes sagt auch der zitierte Abschnitt aus: unter Einfluß aufklärerischen Gedankenguts vollzog sich ein Wandel dahingehend, auf welche Weise künftig ein Geständnis - neben Zeugenaussagen nach wie vor für den Vollbeweis zwingend erforderlich - erlangt werden sollte. Als weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor erscheint zudem eine zeitliche Entwicklung, was die Art von Strafen bzw. das Strafmaß betrifft: hier trat mehr und mehr die Zangsarbeitsstrafe an die Stelle der Todesstrafe, was den Verzicht auf die Erlangung eines Geständnisses mittels Folter zusätzlich erleichterte.
 
Aus diesem Grund soll die Abschaffung der Folter durch Friedrich II., wenn ich es noch richtig erinnere, zuerst nicht öffentlich geschehen sein, damit man nicht zu mehr Straftaten animierte.
Deine Erinnerung trügt Dich nicht! Es gibt dazu die sehr ausführliche Habilitationsschrift von Schmoeckel [1], die Friedrichs komplexen, um nicht zu sagen: dialektischen Umgang mit dem Thema genau analysiert. Grob verkürzt:

  • Friedrich war von der Richtigkeit seines Edikts von 1740 überzeugt.
  • Gleichwohl diente die Folter auch weiterhin zur Abschreckung.
  • Sie wurde auch praktisch nicht vollständig abgeschafft, sondern für einen bestimmten Kreis von "Majestäts"- und anderen Verbrechen beibehalten und auch praktiziert.
  • Noch für 1772 und 1777 sind königliche Folter-Genehmigungen aktenkundig.
Der Friedrich-Kritiker Augstein weist noch auf etwas anderes hin [2]: Geprügelt wurde auch weiterhin von Amts wegen, um Geständnisse zu erzwingen, womöglich sogar mehr als vorher. "Früher war ein förmliches Verfahren eines landesherrlichen Gerichts erforderlich, jetzt genügte, daß ein Untersuchungsrichter Lust zu prügeln verspürte; 'die Inquirenten bedurften dazu keiner höhern Ermächtigung und wandten das erwünschte Mittel so energisch an, daß man bald einige eklatante Justizmorde zu beklagen hatte'."


[1] Humanität und Staatsraison: die ... - Google Bücher - in historicum.net auch erwähnt.
[2] Preußens Friedrich und die Deutschen. Frankfurt 1971, S. 146. Augstein zitiert hier aus dem Aufsatz eines Rechtshistorikers in Band 5 der Preußischen Jahrbücher.
 
Aus diesem Grund soll die Abschaffung der Folter durch Friedrich II., wenn ich es noch richtig erinnere, zuerst nicht öffentlich geschehen sein, damit man nicht zu mehr Straftaten animierte. Wenigstens bei diesem Beispiel wird wohl tatsächlich zunächst das aufklärerische Gedankengut den Anstoß gegeben haben, was schließlich zu einer Reaktion und damit zu Änderungen im Prozessrecht führen musste.

Die Folter als Beweismittel ist unlogisch. Als Methode zur Beschaffung von Informationen kann sie jedoch nützlich sein, weshalb man sie bei Sonderverbrechen, wie "Majestätsverbrechen" noch aufrecht erhielt. Schließlich muss man die Hintermänner finden. Weshalb sollte die ein zum Tode Verurteilter preisgeben? Da ist Folter wieder logisch und ist sie bis heute noch. Deshalb muss sie auch, unter allen Umständen, verboten bleiben.
 
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