excideuil
unvergessen
Mein kürzlicher Ehrentag brachte mir die Erfüllung eines länger gehegten Bücherwunsches:
Bernstein, Amir D.: Von der Balance of Power zur Hegemonie – Ein Beitrag zur europäischen Diplomatiegeschichte zwischen Austerlitz und Jena/Auerstedt, Duncker & Humblot, Berlin, 2006
(Die Philosophische Fakultät I der Humboldt Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen)
An sich ist das Buch trotz des hohen Preises sehr gut, bringt es mich doch weiter bei der Gewinnung weiterer Erkenntnisse zur Politik Talleyrands in diesen Jahren.
Dann bin ich auf diese Stelle gestoßen:
"Auch der sächsische Kurfürst versagte schließlich den versprochenen Beistand. [350] Zwar machte er schon in der zweiten Septemberwoche 25 Bataillone (22000 Mann) mobil, [351] aber er schob deren Einsatz im Kampf stets auf und beschränkte sich auf eine Bewachung des eigenen Territoriums. [352] Erst als Preußen am 3. Oktober Dresden erneut um militärische Unterstützung ersuchte und hierzu auch Vorteile im Frieden in Aussicht stellte, [353] kam man in Kursachsen in Bewegung. Am 10. Oktober erklärte Minister Loß, dass das casus foederis gemäß dem alten Erbverbrüderungsvertrag (1614) eingetreten sei. [354] Folglich stellte Kursachsen der preußischen Armee 20000 Mann zur Verfügung, um gemeinsam Norddeutschland zu verteidigen. Zur tatsächlichen Mitwirkung der kursächsischen Streitkräfte kam es allerdings infolge der preußischen Niederlage nicht. [355] In dem Moment, da die Kriegsgefahr konkreter wurde, versagte Kursachsen Preußen seine Unterstützung. Der kursächsische Kriegsrat beschloss am 17. Oktober, also unmittelbar nach dem Eingang der Nachricht über die preußische Niederlage, [356] sich von Preußen zu trennen und für neutral zu erklären. [357] Nach kurhessischem Vorbild ließ jetzt Friedrich August III. entlang seiner Grenze Neutraltätstafeln - 30 cm hoch, 40 cm breit - mit der Inschrift: "Territoire de la Saxe Electorale. Pays neutre" platzieren. [358]" (Seiten 216-217)
Ich erspare mir die Zitierung der auf im Text verwiesenen zahlreichen Erläuterungen.
Ich will dem Autor auch keine Absicht unterstellen. Tatsache bleibt aber, dass er trotz vieler Quellen die Geschichte "umgeschrieben" hat, denn die Teilnahme sächsischer Truppen bei Jena unter Hohenlohe ist Tatsache. Auch zu dem zweiten von mir hervorgehobenen Satz gibt es eine andere Version:
"Nach der Schlacht von Jena erklärte Napoleon vor gefangenen sächsischen Offizieren, er wisse wohl, dass sie nur gezwungen gegen ihn gekämpft hätten. Sie wurden auf Ehrenwort entlassen. Der französische Marschall Berthier ließ am 17. Oktober an den Grenzen des Kurfürstentums Sachsen Schilder mit der Aufschrift "Territoire de Saxe, Pays neutre" anbringen, um das Land vor Übergriffen französischer Streitkräfte zu schützen." [1]
Gut, das mit den Schildern mag als Detail durchgehen, aber wenn man nur 2 Jahre näher untersucht, dann sollte doch schon bekannt sein, wer da wann gegen wen Krieg geführt hat. Oder?
Werden Dissertationen vor der Veröffentlichung denn nicht auf Fehler geprüft? Anders gefragt, liegt der Schwerpunkt einer Prüfung - wenn sie denn statt findet - nur auf dem eigentlichen Thema und die randberührten Themen finden in der Beurteilung/Prüfung nicht statt?
Und noch eine Frage:
Mir ist aufgefallen, dass neue und neuere Werke immer intensiver auf Werken anderer Autoren aufbauen. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Geschichte so nach und nach - und das betrifft nicht nur Dissertationen - "umgeschrieben" wird?
Grüße
excideuil
[1] Blaschke, Karl Heinz: Sachsens Erhebung zum Königreich 1806, in
Martin, Guntram; Vötsch, Jochen; Wiegand, Peter (Hrsg.): Geschichte Sachsens im Zeitalter Napoleons – Vom Kurfürstentum zum Königreich 1791 – 1815, Sächs. LZ für pol. Bildung, Beucha, Dresden, 2008, Seite 21
Bernstein, Amir D.: Von der Balance of Power zur Hegemonie – Ein Beitrag zur europäischen Diplomatiegeschichte zwischen Austerlitz und Jena/Auerstedt, Duncker & Humblot, Berlin, 2006
(Die Philosophische Fakultät I der Humboldt Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen)
An sich ist das Buch trotz des hohen Preises sehr gut, bringt es mich doch weiter bei der Gewinnung weiterer Erkenntnisse zur Politik Talleyrands in diesen Jahren.
Dann bin ich auf diese Stelle gestoßen:
"Auch der sächsische Kurfürst versagte schließlich den versprochenen Beistand. [350] Zwar machte er schon in der zweiten Septemberwoche 25 Bataillone (22000 Mann) mobil, [351] aber er schob deren Einsatz im Kampf stets auf und beschränkte sich auf eine Bewachung des eigenen Territoriums. [352] Erst als Preußen am 3. Oktober Dresden erneut um militärische Unterstützung ersuchte und hierzu auch Vorteile im Frieden in Aussicht stellte, [353] kam man in Kursachsen in Bewegung. Am 10. Oktober erklärte Minister Loß, dass das casus foederis gemäß dem alten Erbverbrüderungsvertrag (1614) eingetreten sei. [354] Folglich stellte Kursachsen der preußischen Armee 20000 Mann zur Verfügung, um gemeinsam Norddeutschland zu verteidigen. Zur tatsächlichen Mitwirkung der kursächsischen Streitkräfte kam es allerdings infolge der preußischen Niederlage nicht. [355] In dem Moment, da die Kriegsgefahr konkreter wurde, versagte Kursachsen Preußen seine Unterstützung. Der kursächsische Kriegsrat beschloss am 17. Oktober, also unmittelbar nach dem Eingang der Nachricht über die preußische Niederlage, [356] sich von Preußen zu trennen und für neutral zu erklären. [357] Nach kurhessischem Vorbild ließ jetzt Friedrich August III. entlang seiner Grenze Neutraltätstafeln - 30 cm hoch, 40 cm breit - mit der Inschrift: "Territoire de la Saxe Electorale. Pays neutre" platzieren. [358]" (Seiten 216-217)
Ich erspare mir die Zitierung der auf im Text verwiesenen zahlreichen Erläuterungen.
Ich will dem Autor auch keine Absicht unterstellen. Tatsache bleibt aber, dass er trotz vieler Quellen die Geschichte "umgeschrieben" hat, denn die Teilnahme sächsischer Truppen bei Jena unter Hohenlohe ist Tatsache. Auch zu dem zweiten von mir hervorgehobenen Satz gibt es eine andere Version:
"Nach der Schlacht von Jena erklärte Napoleon vor gefangenen sächsischen Offizieren, er wisse wohl, dass sie nur gezwungen gegen ihn gekämpft hätten. Sie wurden auf Ehrenwort entlassen. Der französische Marschall Berthier ließ am 17. Oktober an den Grenzen des Kurfürstentums Sachsen Schilder mit der Aufschrift "Territoire de Saxe, Pays neutre" anbringen, um das Land vor Übergriffen französischer Streitkräfte zu schützen." [1]
Gut, das mit den Schildern mag als Detail durchgehen, aber wenn man nur 2 Jahre näher untersucht, dann sollte doch schon bekannt sein, wer da wann gegen wen Krieg geführt hat. Oder?
Werden Dissertationen vor der Veröffentlichung denn nicht auf Fehler geprüft? Anders gefragt, liegt der Schwerpunkt einer Prüfung - wenn sie denn statt findet - nur auf dem eigentlichen Thema und die randberührten Themen finden in der Beurteilung/Prüfung nicht statt?
Und noch eine Frage:
Mir ist aufgefallen, dass neue und neuere Werke immer intensiver auf Werken anderer Autoren aufbauen. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Geschichte so nach und nach - und das betrifft nicht nur Dissertationen - "umgeschrieben" wird?
Grüße
excideuil
[1] Blaschke, Karl Heinz: Sachsens Erhebung zum Königreich 1806, in
Martin, Guntram; Vötsch, Jochen; Wiegand, Peter (Hrsg.): Geschichte Sachsens im Zeitalter Napoleons – Vom Kurfürstentum zum Königreich 1791 – 1815, Sächs. LZ für pol. Bildung, Beucha, Dresden, 2008, Seite 21