Historizität Mohameds

@Sepiola

Zitat aus Deinem letzten Link: "... Nach der Einnahme von Mekka im Jahre 630 kam es jedoch zu einem friedlichen Ausgleich mit den Häuptern der Quraisch, und Mohammed wurde allgemein als Führer des Stammes anerkannt. Mit der Anerkennung Mohammeds durch die anderen Stämme auf der Arabischen Halbinsel gelangten die Quraisch selbst in eine Führungsrolle gegenüber den anderen Arabern. "

Es lohnt sich, die Texte genau zu lesen, bevor man sie als Links hier einstellt.
 
Zitat aus Deinem letzten Link: "... Nach der Einnahme von Mekka im Jahre 630 kam es jedoch zu einem friedlichen Ausgleich mit den Häuptern der Quraisch

Ja und?
Die Häupter der Quraisch haben sich nachträglich dem Islam angeschlossen, nachdem sie in den Auseinandersetzungen den Kürzeren gezogen haben.

Nun war aber Mohammed der Boss, nicht die Häupter der Quraisch.

Wie kann man da auf die Idee kommen, die Quraisch hätten die neue Religion "erfunden"?


Es lohnt sich, die Texte genau zu lesen
Den verlinkten Text habe ich schon gelesen, keine Sorge.

Nun zurück zu meiner Frage:

Hast Du eigentlich mal das Gilgamesch-Epos gelesen? Oder die Bibel? Oder den Koran?
 
@Ravenik: Danke für die weiterführenden Informationen. Der Serapiskult ist mir ein Begriff, aber ich dachte in dem Zusammenhang gar nicht daran. Damit stimmt natürlich mein Einwand so nicht mehr.

@Elde: Man muss hier wohl differenzieren. Die Ausgangsfrage war ja, ob es sich bei Mohammed um eine historische Persönlichkeit oder nur um eine literarische Figur einer sich vom Christentum allmählich ablösenden arabischen Sekte handelt (wie Ohlig und seine Mitstreiter vermuten). Falls letzteres zutrifft, kann die "Erfindung" dieses Religionsstifters im Grunde nur unter den frühen Kalifen stattgefunden haben, und dann stellt sich natürlich die Frage, weshalb sie ihren literarischen Helden dann nicht besser mit der eigenen Familie verknüpften und vor allen Dingen, warum sie den Koran nicht stärker auf die Bedürfnisse der Herrscherdynastie einer sich entfaltenden Großmacht abstimmten.

Deine These ist nun offenbar, dass Mohammed eine reale historische Persönlichkeit war und auch eine neue Religion gründete, die durchaus dem späteren Islam entsprach. Du vermutest nun, dass der Prophet an den von ihm verkündeten Glauben selbst nicht glaubte, sondern ihn nur als Vehikel für seine Machtansprüche oder die seiner Familie verwendete. Das ist aber im Grunde keine historische Fragestellung mehr, weil wir natürlich keinen Zugriff auf Motivation, Empfindungen und Überzeugungen einer historischen Persönlichkeit haben, wenn keine Selbstaussagen oder zeitgenössischen Einschätzungen vorliegen. Solche Zeugnisse gibt es für antike Persönlichkeiten durchaus, selbst wenn die daraus gewonnenen Erkenntnisse ihrerseits stets ein wenig umstritten bleiben. Bei Mohammed dürfte eine solche Einschätzung aber in seriöser Weise kaum zu treffen sein, weil uns dazu schlicht die Grundlage fehlt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was erzählst Du denn da? Mohammeds "Projekt" führte zu großen Scherereien mit den Quraisch:
An diesem Punkt anknüpfend, eine ergänzende Darstellung im wesentlichen in Anlehnung an Donner (Muhammed and the Caliphate). Aus der Sicht von Donner ist die Entwicklung des Islam nur angemessen vor dem Hintergrund des Konflikts der beiden Großmächte in dieser Region zu verstehen. Zum einen beeinflußt durch Byzanz und durch das Reich der Sasaniden und war durch eine religiöse (Christentum vs Zoroastrianismus) und kulturelle (Hellenismus vs. antiker persischer bzw. semitischer Kultur).

https://en.wikipedia.org/wiki/Zoroastrianism

https://en.wikipedia.org/wiki/Ancient_Semitic_religion

In diesem Sinne waren die Konflikte in der Region des Nahen bzw. Mittleren Ostens eine Mischung aus machtpolitischen, religiösen, kulturellen und nicht zuletzt auch wirtschaftlichen Interessen. „Arabia occupied a strategic position in relation tot he Orient trade, a fact that led both empires to intervene decisively in ist affairs during the sixth century.“ (1. S. 3) In diesem Umfeld ist die Entwicklung des Islam als religiöse und damit zusammenhängend auch als weltliche Kraft im 6. Bzw. siebten Jahrhundert zu kontextualisieren. Und wurden durch die Eroberung des Mesopotanischen Herzlandes der Sasaniden in 628 durch Byzanz und dem entstehenden politisichen Vakuum beschleunigt.

Vor diesem Hintergrund schreibt Donner zu Mohammed, dass er ca. 570 in Mekka geboren wurde und zum Hashim-Clan zählte, einem Teil des Quraysh-Stammes, der Mekka dominierte. Relativ früh kam er unter die Aufsicht seines Onkels, Abu Talib, der das Oberhaupt des Hashi,-Clans war.

Zu diesem Zeitpunkt war Mekka ein Ort, mit einem bedeutenden heidnischen (pagan) Schrein, die Kaaba. Der Quraysh-Stamm war zu diesem Zeit der Hüter des Schreins und es wurde der „Kult des Hubal“ praktiziert.

Um das Jahr 610 begann Mohammed „religious experiences in the form of visions and sounds that presented themselves as revelations from God“ zu haben (1, S. 6) Diese „Botschaften“ sammelte er in seinem „Quran“ bzw. „Koran“ und bildete die heilige Schrift der Muslime. Die Botschaften, die er formulierte können einerseits in den Zusammenhang mit der Entwicklung geschriebener Religionen gefaßt werden, andererseits war es eine direkte Bedrohung für die heidnischen Bräuche in Mekka und somit ein massiver Affront gegenüber seinem eigenen Stamm. „Much of M. prophetic career…was consumed with warding off and eventually overcoming the opposition of his own tribe, the Quraysh“. (1, S. 6).

Seit 615 bis zum Tode seines Onkels, der ihn als Clan-Oberhaupt schützte, im Jahr 619 spitzte sich der Konflikt in Mekka zu. Parallel hatte Mohammed in Yathrib (später Medina) ca. 400 km nördlich von Mekka die Einwohner für seine religiösen Überzeugungen gewonnen. Im Jahr 622 wechselte er nach „madinat al nabi“ (Medina) die „Stadt des Propheten“.

„Muhammad`s hijra to Medina in 622 was thus the beginning of Islams`s long life as a political force (1, S.8)

In der Folge setzte sich Muhammed in einem Machtkampf durch, den er teils durch religöse Überzeugungskraft, teils durch die Anwendung von militärischer Gewalt für sich entschied. In diesen Kontext gehört seine Rückkehr nach Mekka, die ohne Blutvergießen stattfand, und Muhammed kooptierte seinen alten Stamm in seine Ambitionen, indem er die Mitglieder in wichtige Positionen in der Verwaltung und der Armee einsetzte.

Und Donner resümiert:“ By Muhammad`s death in 632, his community had expanded – more by religious persuation and political alliances than by force – to include all western Arabia (1, S. 10)

1.Donner, Fred M. (1999): Muhammed and the Caliphate. Political History of the Islamic Empire up to the mongol conquest. In: John L. Esposito (Hg.): The Oxford history of Islam. New York, N.Y.: Oxford University Press, S. 1–62.
2.Donner, Fred M. (2010): Muhammad and the believers. At the origins of Islam. Cambridge, Mass.: Belknap.
3.Donner, Fred M. (2014): Early islamic conquests. [Place of publication not identified]: Princeton Univ Press.
4.Donner, Fred McGraw (2012): The articulation of early Islamic state structures. Farnham, Surrey, Burlington, VT: Ashgate Variorum (The formation of the classical Islamic world, vol. 6).

Ansonsten schließe ich mich der Sicht von Ravenik (#154) an (als "Durkheimianer") und kann die Arbeiten von Bassam Tibi, wie schon im Thread empfohlen (vgl. "Hulda" #143), auch nur sehr empfehlen.
 
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Eine Religion "konstruieren" ist von mir unglücklich formuliert. Gemeint war, dass diese nicht fertig vom Himmel gefallen ist oder wen auch immer geoffenbart wurde. Sondern Religion ist von Menschenhand bzw. -geist erfunden und planvoll in einem durchaus langen Prozess entwickelt worden.
....
(Hervorhebung durch mich)

Ravenik hat die Entwicklung des Christentums umrissen (und anderes auch).
Wo ist da der Plan und wer soll der Planer sein?
Ist es da nicht eher so, dass Religionen eine geringere Planbarkeit als andere kulturelle Aktivitäten aufweisen?
Immerhin könnte das ja genausogut der Fall sein.

Der Konstruktions-Planungs-Gedanke gefällt mir als Techniker natürlich sehr,
aber ich denk da passt der Schraubenschlüssel nicht. ;)
 
Neue Literatur

Die Diskussion hier war/ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.
Weil häufiger der hiesige Emeritus Ohlig zitiert ist, noch der Hinweis, dass einen neuen Wälzer zum Thema gibt:

Kurt Bangert, "Muhammad". Eine historisch-kritische Studie zur Entstehung des Islams und seines Propheten. Wiesbaden: Springer VS 2016. – Setzt sich auf schlappen 940 Seiten auch mit Ohlig und Nagel auseinander; liest sich angenehm, weil ohne Schaum vor dem Mund.
 
Da wir ja ein Diskussions- und kein Literaturanpreisungsforum sind: Was vertritt Bangert denn genau und warum?
 
durch Übersetzungen kann überhaupt viel passieren, angeblich werden aus Tauen Kamele
Das muss dann aber auf einen Lesefehler bzw. falsche Punktierung eines Schreibers zurückgehen. Denn Seile sind im Arabischen ḥ-b-l (حبل , ح ب ل ) Kamele hingegen ǧ-m-l ( جمل ,ج م ل).
Deutlich ist, dass ḥ und ǧ sich in der Graphie nur durch den Punkt unter dem ج (ǧ) bzw. dem Fehlen dieses Punktes unter dem ح (ḥ) unterscheiden. Wenn nun jemand den Punkt ungenau setzt und das -m- undeutlich schreibt, oder die HS verderbt ist, dann kann es zu einer solchen Fehlinterpretation kommen, die liegt dann aber nicht in der Sprachkompetenz des Übersetzers, sondern in dem Material, welches er übersetzt. Hat man einen rasm vor sich, also einen Text, dem nicht nur die Vokalisierung sondern auch die Punktierung fehlt, wird es entsprechend schwieriger.
 
Eine weitere Quelle, die vor 660 entstanden sein muss, ist die eines anonymen nestorianischen Verfassers, die Chronik von Khuzistan (Chuzestan), die von den islamischen Eroberungen in Südpersien berichtet. Sie wird tw. dem Metropoliten Elias von Merw zugeschrieben, der als Geschichtsschreiber bekannt ist, von dem aber kein Werk überliefert ist (es sei denn, er wäre tatsächlich der anonyme Verfasser der Chronik von Khuzistan).
 
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