Holz im Flugzeugbau, insbesondere im 2. WK?

Mein Gedanke: Was ist also billiger und geht schneller? Duraluminium stanzen und nieten, oder Holz mit speziellen Klebern leimen und das ganze dann auch noch wetterfest versiegeln? Letzteres braucht einiges an Chemie. Die Härter des Leimes stellte damals z.B. nur die Firma CIBA in Wehr (Baden) her.

Das ist die falsche Frage. Billiger spielt keine Rolle während der Kriegsfinanzierung, das hat 1944 nicht interessiert. Schneller ist eine Frage von 1., 2. und 4. oben in #12, damit u.a. eine Frage der Produktionsmittel (bzw. der Nichtnutzung aufgebauter Kapazitäten) ausserhalb von Engpässen.

Die angeschnittene Frage betrifft auch nicht den Modellbau, sondern die Großserienproduktion, und ist daher etwas komplexer. Deshalb hatte ich auf Budraß verwiesen, der das erschöpfend abhandelt.

Die Vorschriften (BVF, 1933) für die Verwendung spezieller Holzleime im deutschen Flugzeugbau stammen aus den 30er Jahren. Es durften nur freigegebene Leime benutzt werden.
Warum nicht? Aerodux ist zwar ein etwas modernerer Phenol- bzw. Resorcinharzleim aus den 40.ern, im zweiten Weltkrieg wurden aber ähnliche Kleber auf Formaldehyd-oder Harnstoffbasis verwendet. In Deutschland der Klemm-Leim

Ich verstehe nicht ganz, aus welchem Grund die Textstelle von Kurt Tank problematisiert wird. Natürlich kann man das "von der Papierlage" her hinterfragen, aber die Schlussfolgerungen bei Budraß sind nachvollziehbar, da die Nachfrage der chemischen Grundstoffe die Produktion bei weitem überstieg. Die 15750 MoTo-Kapazität an Formaldehyd (auch die 30.755 MoTo an Methanol) sanken im Verlauf 1944 auf 15% ab, und reichten schon zuvor bei weitem nicht für den Bedarf aus. Das Ergebnis waren Streckungen, minderwertige oder sogar unbrauchbare Folgeprodukte, Produktionsengpässe.

Kurt Tanks Hinweis in dem Schreiben an Milch ist in der Weise zu verstehen, dass geeigneter Leim eben 1944 nicht zur Verfügung stand. Hinzu kommen die genannten Probleme in der Ist-Produktion bei Holzbauweise, die das Leimproblem ebenfalls indizieren (wenn man das Schreiben von Tank an Milch nicht als Quelle verfügbar hätte, ...was aber nun eben nicht der Fall ist).

Siehe auszugsweise einige Anlagen zur Chemieproduktion im Bombenkrieg und unter den industriellen und rüstungsbezogenen Engpässen (USSBS E110 und E111).

Nun kann man sich natürlich in Gedankenspielen üben, was umzusteuern gewesen wäre, oder einfach davon ausgehen, dass Tank Milch angelogen hat, weil er nach Beginn seiner Ingenieurkarriere nicht auf Holzbauweise stand. Alternate History ... :devil:
 

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Für den Einsatz in Burma und später Thailand fürchtete man, dass die verwendeten Kasein-Kleber mit der hohen Temperatur und der Feuchtigkeit nicht zurechtkämen. Es gab tatsächlich eine Reihe von Fällen, in denen Mosquitos plötzlich in der Luft zerlegten, was man zunächst auf den Kleber schob. Sie wurden durchgängig durch synthetische Kleber ersetzt. Die genaue Untersuchung der Abstürze ergab aber, dass es sich nicht um ein Kleberproblem handelte, sondern dass alle betroffenen Flugzeuge aus einem Baulos stammten, bei dem es zu Fehlern im Tragflächenzusammenbau gekommen war.

Besten Dank für den Hinweis.

Ich habe den Hinweis in der Literatur nicht wiedergefunden, lediglich hier ist das ähnlich dargestellt:

"In November 1944, several crashes occurred in the Far East. At first, it was thought these were as a result of wing structure failures. The casein glue, it was said, cracked when exposed to extreme heat and/or monsoon conditions. This caused the upper surfaces to "lift" from the main spar. An investigating team led by Major Hereward de Havilland travelled to India and produced a report in early December 1944 stating that "the accidents were not caused by the deterioration of the glue but by shrinkage of the airframe during the wet monsoon season". However a later inquiry by Cabot & Myers definitely attributed the accidents to faulty manufacture and this was confirmed by a further investigation team by the Ministry of Aircraft Production at Defford which found faults in six different Marks of Mosquito (all built at De Havilland`s Hatfield and Leavesden plants) which showed similar defects, and none of the aircraft had been exposed to monsoon conditions or termite attack; thus it was concluded that there were construction defects found at the two plants. It was found that the "Standard of glueing...left much to be desired”. Records at the time showed that accidents caused by "loss of control" were three times more frequent on Mosquitoes that on any other type of aircraft. The Air Ministry forestalled any loss of confidence in the Mosquito by holding to Major De Havilland`s initial investigation in India that the accidents were caused "largely by climate"
To solve the problem, a sheet of plywood was set along the span of the wing to seal the entire length of the skin joint along the main spar."

de Havilland Mosquito - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Kleber und Holz sperren sich beide gegen eine systematische Qualitätssicherung.
Diese Schwierigkeit macht sich besonders bemerkbar bei Großserienfertigung und bei sicherheitsrelevanten Bauelementen.

Flugzeuge des WK2 sind noch keine Großserie, bewegen sich aber auf diese zu.
Die Sicherheitsrelevanz ist von Anfang an dominierend, weils insgesamt gefährlich ist.

....
Man sagt "Gut Holz" und "Kleben heißt glauben".
 
....
Ich verstehe nicht ganz, aus welchem Grund die Textstelle von Kurt Tank problematisiert wird. Natürlich kann man das "von der Papierlage" her hinterfragen, aber die Schlussfolgerungen bei Budraß sind nachvollziehbar, da die Nachfrage der chemischen Grundstoffe die Produktion bei weitem überstieg. Die 15750 MoTo-Kapazität an Formaldehyd (auch die 30.755 MoTo an Methanol) sanken im Verlauf 1944 auf 15% ab, und reichten schon zuvor bei weitem nicht für den Bedarf aus. Das Ergebnis waren Streckungen, minderwertige oder sogar unbrauchbare Folgeprodukte, Produktionsengpässe.

Kurt Tanks Hinweis in dem Schreiben an Milch ist in der Weise zu verstehen, dass geeigneter Leim eben 1944 nicht zur Verfügung stand. Hinzu kommen die genannten Probleme in der Ist-Produktion bei Holzbauweise, die das Leimproblem ebenfalls indizieren (wenn man das Schreiben von Tank an Milch nicht als Quelle verfügbar hätte, ...was aber nun eben nicht der Fall ist).

Siehe auszugsweise einige Anlagen zur Chemieproduktion im Bombenkrieg und unter den industriellen und rüstungsbezogenen Engpässen (USSBS E110 und E111).


Da muss ich jetzt etwas weiter ausholen:

In deinem Zitat aus Wikipedia und dem Beitrag KWSchäfers wird der Kaseinleim erwähnt, der von den Briten zuerst verwendet und erst später durch Kunstharzleime ersetzt wurde. Ich bin diesem Thema nochmals nachgegangen. Kaseinleim besteht aus Quark und etwas Löschkalk und wurde auch in Deutschland bis in die 50.er Jahre für den Segelflugzeug- und Bootsbau verwendet, da er entsprechende Festigkeit aufweist und relativ Wasserfest ist. Quark und Löschkalk dürften auch 1944 leichter zu bekommen gewesen sein als Aluminium oder Stahlrohr.

Göring beklagt sich in seinem berühmten Zitat über die Mosquito, sinngemäß dass er schon vor Jahren die Verwendung von Holz zum Flugzeugbau gefordert hätte, man ihm aber gesagt hätte dieses ginge nicht und man würde sich dabei nur lächerlich machen. Nun mache man sich lächerlich, weil die Briten gezeigt hätten es ginge doch. Bei den entsprechenden Stellen dürfte er mit dieser Aussage nicht gerade Begeisterung hervorgerufen haben, man musste sich rechtfertigen.

Mein Großvater war während des Krieges als Ingenieur in der Rüstungsindustrie tätig. Er hat früher mehrmals darüber erzählt, wie konservativ das Militär war, wenn es um Rationalisierungen in der Produktion ging bzw. in der Umstellung von Materialien. Z.B. produzierte die Firma in der er tätig war unter vielen Anderem, Teile für Torpedos bei denen es zu Zeitpunkten große Engpässe gab. Man schlug Firmenseits vor die Antriebsschrauben statt aus geschmiedetem Stahl (sehr zeitaufwendig) aus Hartbronze zu produzieren, dieses wurde vom Beschaffungsamt jedoch kategorisch zurückgewiesen. Rationalisierungen wurden meistens erst dann angenommen, als das ursprüngliche Material gar nicht mehr zur Verfügung stand.

Er erzählte auch in einer etwas anekdotischen Form (ich war noch ein Kind damals) dass der Entwickler des MGs 42, Werner Gruner, den er persönlich kannte, aus der Spielzeugproduktion kam und man ihn im Heereswaffenamt zuerst auslachte, als er Vorschlug in seiner Firma in Döbeln Waffen zu produzieren, und er ersteinmal ein Prototyp auf eigenes Konto produzierte und vorstellen musste um die Faktibilität zu beweisen.
Dass wird vermutlich alles etwas komplexer gewesen sein, Tatsache ist jedoch, dass es erhebliche Widerstände gegen Änderungen bei bewährten Produktionsformen gab. Das ist auch nicht unlogisch, da jede Umstellung immer erhebliche Risiken beinhaltet.

Nun kann man sich natürlich in Gedankenspielen üben, was umzusteuern gewesen wäre, oder einfach davon ausgehen, dass Tank Milch angelogen hat, weil er nach Beginn seiner Ingenieurkarriere nicht auf Holzbauweise stand. Alternate History ... :devil:

Warum auch nicht? Das würde ich überhaupt nicht ausschliessen. Er sollte die ihm vertrauten Materialien und Techniken beiseite lassen und sich mitten in der Kriese mit für ihn völlig neuen Lösungen befassen. Es wäre nur logisch dass er sich dagegen sträubte. Wenn man ein Flugzeug aus Holz bauen wollte, hätte man besser einen Konstrukteur wie Klemm herangezogen, der kooperierte aber nicht.

Es gab schon vorher eine ähnliche Situation bezogen auf den für Seelöwe geforderten Großraum-Transportsegelflieger. Junkers wurde aufgefordert diesen aus Holz zu konstruieren, obwohl gerade Junkers DER pionier des Ganzmetallbaus war. Man hatte weder die Einrichtung noch die Erfahrung mit dem Material, das Ganze wurde ein Fehlschlag und das bereits angekaufte hochwertige Bauholz in ofengerechte Scheite gesägt und im nächsten Winter verfeuert. Den Zuschlag bekam Messerschmidt für die Me 321 "Gigant" die zwar einen Stahlrohrrumpf hatte, in Tragflächen und Leitwerk jedoch auch Sperrholz einsetzte.

Ich bin selber als Planer tätig und habe jeden Tag mit Auftraggebern, Ingenieuren und ausführenden zu tun. Alle bringen ihre eigenen Erfahrungen und Vorurteile mit in den Prozess und ich kann versichern, dass ein großteil der Entscheidungen zugunsten von diesem oder jenen Material nicht rationell, sondern "aus dem Bauch" heraus erfolgen oder schlicht weil man mit diesem schon vertraut ist, aus Gewohnheit oder weil man gegen dieses andere schlicht Vorurteile hat. Einen Zimmermann habe ich Jahrelang versucht für eine neue Art Verbindungsschrauben zu überreden die ihm eine erhebliche Zeitersparnis bedeutet hätten. Erst als ich persönlich eine Kiste gekauft und ihm in die Hand gedrückt habe, liess er sich dafür begeistern.

Ich will nicht behaupten, dass es einfach gewesen wäre 1944 ein Teil der deutschen Flugzeugproduktion auf Holz umzustellen oder dass dieses irgend etwas bewirkt hätte. Die Briten haben dieses jedoch in einer für sie kritischen Phase getan um bis weit nach dem Krieg hochwertige Flugzeuge in Holz zu produzieren. Und auch im Deutschen Reich wurden wie erwähnt Rümpfe (Natter) und Tragflächen (me 321, V1) aus Holz produziert, was beweist dass es auch nicht unmöglich war.

Der Brief Tanks klingt deshalb für mich nach Ausrede um sich damit nicht weiter befassen zu müssen, bei allem Respekt den ich für seine technischen Leistungen habe. Die Sache damit zu erklären, es habe schlicht keinen Kleber gegeben, halte ich für zu simplistisch.
Wie sich herausstellte, haben die Briten ja auch bewusst die Schuld Ihrer Unfälle auf den Kleber und das nasse Wetter geschoben um nicht die tatsächlichen Produktionsfehler zuzugeben und damit das Vertrauen in das Modell zu schädigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kleber und Holz sperren sich beide gegen eine systematische Qualitätssicherung.
....
Man sagt "Gut Holz" und "Kleben heißt glauben".

Einspruch !

Das Verleimen von Holzwerkstoffen ist lange handwerklich bekannt und genutzt.
Das beginnt vermutlich bereits mit der Nutzung von Birkenpech.
dann folgte die Nutzung von Knochenleimen und schließlich
Kaseinleimen - mal auf die Nutzung für üblichen Gebrauch wie bei
Werkzeugen, Möbeln etc bezogen.

Holznutzung für den Flugzeugbau ist eine Sondernutzung und
stellt höchste Ansprüche an Paßfähigkeiten und Festigkeiten aller Art.
Vermutlich sind hier Kaseinleime kaum verwendbar - weil diese
früher nicht sehr wasserfest waren .

Es ist wohl klar, daß "normales" Holz dabei kaum in Betracht kommt , sondern vorveredelte Holzwerkstoffe.
Ich meine Sperrhölzer, Schichthölzer und Verbundwerkstoffe .
All dies war im 3. Reich bekannt - wer es nicht glaubt - dazu gibt es
zahlreiche Veröffentlichungen zB. der Hochschule für Holztechnik
München ( heute Rosenheim ) für die deutsche Holzindustrie und
deren ingenieurtechnisches Personal.

Die Herstellung von Sperrhölzern etc mittels Klebstoffen auf Phenol - bzw
Formaldehyd - Basis war seit 1915 bekannt .
Selbst Verbundwerkstoffe ( Resopal ) waren bekannt.

Das es keine Klebstoffe mit den nötigen Festigkeitswerten gegeben
haben soll bestreite ich .
Möglicherweise gab es Mangel daran - ja - weil die chem. Industrie
stark gebombt wurde.

Die techn. Möglichkeit für den Flugzeugbau weitgehend auf Basis von
Holzwerkstoffen halte ich für vollständig vorhanden.
Ganz abgesehen davon , daß aus erbeuteten brit. Flugzeugen schnell
Rückschlüsse auf Aufbau und Verleimung / Befestigung gezogen wurden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich will nicht behaupten, dass es einfach gewesen wäre 1944 ein Teil der deutschen Flugzeugproduktion auf Holz umzustellen oder dass dieses irgend etwas bewirkt hätte. Die Briten haben dieses jedoch in einer für sie kritischen Phase getan um bis weit nach dem Krieg hochwertige Flugzeuge in Holz zu produzieren. Und auch im Deutschen Reich wurden wie erwähnt Rümpfe (Natter) und Tragflächen (me 321, V1) aus Holz produziert, was beweist dass es auch nicht unmöglich war.

Danke, das wird jetzt klarer.

Es ging doch oben weder darum, ob das unmöglich war, oder überhaupt theoretisch geeigneter Leim bekannt war. Und schwingt da immer noch ein zweites Misssverständnis mit (insbesondere bei Treibsand): Substitution von Alu durch Holz, weil hier ein Engpass im Material oder bei den Werkzeugmaschinen vermutet wird? Nochmals: das war seit Frühjahr 1942 nicht der Fall! Hier wird mit der Darstellung bei Budraß auch nichts simplifiziert: das praktisch vorhandene Leimproblem 1944/45 ist ein Problem unter mehreren, wie oben in der Zusammenfassung ersichtlich ist. Schließlich ist die britische Situation aus den genannten Gründen nicht übertragbar.

Es bringt auch wenig, das Schreiben von Tank mit Vermutungen zu wegzuwischen: das Versuchsmuster der Ta154 stürzte einige Monate später und nach dem Tank-Schreiben jedenfalls nach der offiziellen Darstellung wegen der mangelhaften Verleimung ab. Danach war die Entwicklung praktisch erledigt, obwohl Ende 1944 die Produktion des verbesserten Klebers Polystal anlief und damit hierzu eine Lösung verfügbar war.
Kosin, Die Entwicklung der deutschen Jagdflugzeuge, Ta 154, S. 170,171.
Griehl, Ta 154, S. 11.
http://de.wikipedia.org/wiki/Focke-Wulf_Ta_154#Produktionsprobleme

Zum zweiten Fall mit einer teilweisen Holzkonstruktion: He162 Volksjäger.

"... Mit vielen Konstruktions-, und noch mehr Fertigungsmängeln behaftetes Flugzeugmuster ...
Die Hauptfertigungsmängel dagegen lagen vor allem im Bereich der schlechten Verleimung der Holzteile, was sowohl auf schlechte Verarbeitung, als auch auf mangelhaftes Material zurückzuführen war ..."
Prien/Rodeike, Jagdgeschwader 1 und 11, Band 3, S. 1571. Das JG 1 flog in zwei Gruppen gegen Kriegsende hauptsächlich die He162 A-2.

Bei der He162 zeigte sich außerdem das produktionsseitige Problem der vielen dezentralisierten Zulieferer (ein Hauptargument für Holz, nicht dagegen der Mangel an Alu). Die angelieferten Baugruppen waren von so schlechter Qualität, so dass bei Heinkel eigens eine Nachbearbeitung eingerichtet werden müsste. Hier schlugen eben die Economics of Scale mit voller Wucht zu.

Die Probleme zeigten sich übrigens bereits bei den Versuchsmustern (worauf Rurik zutreffend angespielt hat): Die He162 V-2 stürzte am 10.12.1944 ab. "... Kam es bei einem Bahnneigungsflug mit 10 Grad Neigung und einer Geschwindigkeit von 700 km/h zum Aufbruch der Sperrholznase des rechten Flügels, die Beplankung schälte sich förmlich ab ... Die Ursache hierfür war eine schlechte Verleimung der Flügelnase. "
Diedrich, Die deutschen Strahlflugzeuge, S. 16.

Danach wurden einerseits umfangreiche Untersuchungen der Musterprüfkommission als auch umfangreiche Festigkeitsversuche bei Heinkel vorgenommen, die "zu zahlreichen Veränderungen bei der Holzverleimung" führten.
Köhler, Ernst Heinkel, S. 210 (wobei hier auch einer überzogenen Kritik entgegen getreten wird, die 162 als "Sperrholzvogel" zu disqualifizieren). Als Gegengewicht sind die Praxisberichte bei Prien/Rodeike empfehlenswert, die die Masse an Problemen mit dem Handling des Flugzeugs zeigten, diametral den ursprünglichen, sozusagen propagandistischen und praxisfernen Anforderungen als "Volksjäger" entgegen stehend.

Man muss den Produktionsrealitäten 1943/45, den Engpässen und Folgemängeln von schlechtem Material schon ins Auge sehen. Hier wurden High-End-Projekte von eigentlich banalen Problemen erschwert, die zeigen, dass Serienfertigung eben nicht auf Knopfdruck unter solchen Umständen funktioniert, oder aufgrund der theoretischen Verfügbarkeit von Produkten nach Vorkriegslage.

Wenn nun weder ein Aluminiumengpass noch ein Maschinenengpass den Umstieg erzwingt, ist nicht verständlich, welche Umstiegsszenarien für Holz das eigentlich bei den angerissenen Folgeproblemen erzwingen sollen. Und schließlich ist die deutsche Flugzeugproduktion nicht von zu wenig Flugmustern geprägt gewesen, sondern von zuviel und einer einzigartigen Zersplitterung der Ressourcen. Mit jeder Improvisation riss man dabei neue Problemfelder auf, wie sich hier an der Diskussion zeigt. Hier sollte man sich nicht am grünen Tisch festhalten, sondern mal den real existenten Problemen von damals anhand der speziellen Literatur nachgehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke es dürfte heute klar sein, dass die Hauptprobleme der deutschen Luftwaffe damals der Mangel an Treibstoff und an ausgebildeten Piloten war. Die Industrie hat bis zuletzt eine erstaunliche Anzahl an Maschinen produziert (wenn auch die Qualität irgendwann nachliess) die wie schon anderswo behandelt, gar nicht mehr alle zum Einsatz kommen konnten weil es entweder an Treibstoff oder an Piloten mangelte.

Etwas anderes ist jedoch der Standpunkt aus der damaligen Perspektive (bzw. der zu Beginn dieser Diskussion) bei der man die tatsächlichen anstehenden Probleme viellicht (noch) nicht so deutlich sehen konnte oder wollte. Aus dem Zitat Görings ("Ein Flugzeug aus Holz...das man dort in jeder Klavierfabrik herstellen kann") höre ich zwei Punkte heraus: Den Wunsch nach Dezentralisierung und die Erschliessung bislang ungenutzter Produktionskapazitäten.
Dass dieses jedoch von den Verantwortlichen innerhalb der traditionellen Wehrproduktion nicht so gesehen wurde und mit wenig Begeisterung hin bis zur stillen Verweigerung entgegen getreten wurde, kann ich mir jedoch auch vorstellen.
Und es ist prägnanter und überzeugender einem Nicht-Techniker zu sagen, es gäbe keinen geeigneten Leim, als ihn davon zu überzeugen, dass es den Aufwand nicht Wert ist eine komplette neue Produktionsweise aufzubauen, Handwerker anlernen oder umzuschulen, andere Materialien besorgen und das Ganze dezentral zu koordinieren, wenn die bereits laufende Produktion keine wesentlichen Engpässe aufweist.
Wenn man jedoch 1940 in GB eine Mosquito-Produktion aufbauen konnte, gibt es keinen technischen Grund, dass man 1944 dieses im Reich nicht auch hätte tun können.
 
Zuletzt bearbeitet:
...Wenn nun weder ein Aluminiumengpass noch ein Maschinenengpass den Umstieg erzwingt, ist nicht verständlich, welche Umstiegsszenarien für Holz das eigentlich bei den angerissenen Folgeproblemen erzwingen sollen. ...

Das ist wahrhaftig nicht mein Thema und Du hast das nachdrucksvoll wirtschaftshistorisch dargelegt.

Was mir als Laien dabei aber einfällt, wäre der mögliche "Tarnkappen-Effekt" von Holz. Das wäre dann nicht kriegswirtschaftlich sondern militärisch getrieben und somit ökonomischer Rationalität enthoben. Ich weiß absolut nicht, ob dieses im UZ bereits bei den Überlegungen (Quellenlage=> ?) eine Rolle spielte.

M. :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ging doch oben weder darum, ob das unmöglich war, oder überhaupt theoretisch geeigneter Leim bekannt war. Und schwingt da immer noch ein zweites Misssverständnis mit (insbesondere bei Treibsand): Substitution von Alu durch Holz, weil hier ein Engpass im Material oder bei den Werkzeugmaschinen vermutet wird?

Moment.

Es gibt kein Mißverständnis, dieweil ich lediglich aufzeigen wollte, daß es
grundsätzlich keine technologischen Probleme für den Einsatz von Holzwerkstoffen im Flugzeugbau gegeben hat.
Beweis hierfür könnte der umfangreiche Segelflugzeugbau in den
30ern liefern - der ja auf Holztechnologien aufbaute und erfolgreich war.

Was damals in der Realität zu Problemen geführt haben kann ist derart
vielfältig ( Mangelprobleme, Facharbeitermangel, Einbindung von neuen
Zulieferern ohne Erfahrung etc ) das ich darüber nicht urteilen will.
 
Dann habe ich diesen "Drang zum Holz" missverstanden, sorry:winke:
Bislang hat ist hier allerdings nirgends explizit dargelegt worden, worin eigentlich der tiefere Sinn des Wechsels liegen soll, bei gegebenen Alu-Produktionskapazitäten und fehlendem Engpass.

Die Ganzholz-Typenentwicklungen der Luftwaffe sind vielmehr ein weiteres Beispiel für eine Zersplitterung von Ressourcen, Missmanagement im NS-Wirtschaftssystem, Engpassproblemen und weitreichenden Folgen des Alliierten Bombenkriegs auf den Militärindustriellen Komplex des Dritten Reiches. Nochmals der Hinweis auf die Vielfalt der fertigungstechnischen Probleme abseits der "Leimfrage" von Tego, Kaurit, P 600, Polystal etc.

Die prinzipielle Eignung von Holzrümpfen hat niemand bestritten, soweit ich das übersehe. Das Problem sind hier wie bei den Holzteilen der Alu-basierten Typen die Kriegsbedingungen. Ein auch unmittelbar einsichtiges "das geht..." war da gar nicht so einfach umzusetzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auftragsverluste und brachliegende Kapazitäten der Möbelindustrie im Krieg

... bei gegebenen Alu-Produktionskapazitäten und fehlendem Engpass.

Damit das nicht zu neuen Missverständnissen führt, noch ein Hinweis auf den speziellen Fall des Holzrumpfes der He162.

Heinkel stand im Sommer 1944 vor einer unternehmerischen Katastrophe. Bei den Jägernotprogrammen hatte man mit der He280 den Kürzeren gezogen, die Messerschmitt 262 war bevorzugt worden. Das eigene Strahltriebwerk brachte nur Probleme und verschleuderte Entwicklungskapazitäten und Ressourcen. Der Grossbomber He177 wurde eingestellt, der Massentyp He111 war ausgelaufen und total veraltet.

Was also tun, um die eigene Produktion zu sichern? Ein Massenflugzeug musste her. Und da bot sich nicht die P1073 an, sondern der Übergang zum "Volksjäger". Von Beginn an sollte das Volkonstruktion aus Holz statt Alu sein.

Warum Holz, warum diese Wahl des Werkstoffes?

Ganz geklärt ist diese Entwicklung nicht, aber es gibt hinreichende Indizien:

1. die rasante Geschwindigkeit des Fertigungsaufbaus
Tatsächlich gab es Kapazitäten in der Möbelindustrie, der Zellenfertigung zugewiesen werden konnte. Der Vorteil: anders als beim Aufbau Werkzeugmaschinen-Sätzen würden hierfür nur wenige Wochen in Anspruch genommen werden, was den Überlegungen bei Heinkel sehr entgegen kam. Der notwendige Investitionsvorlauf wurde wesentlich verkürzt. Die Holzwahl war somit ein Faktor in dem überhasteten Programm einer völlig überhasteten Typenentwicklung, die in die Produktion geschleust werden sollte.

2. die Möbelindustrie war dezentralisiert, und versprach maximale Unempfindlichkeit gegen den Alliierten Bombenkrieg

3. die Möbelindustrie hatte freie Kapazitäten, wies wenig Rüstungsrelevanz (mit evt. verbundenen Ressourcen-Streitereien) auf und war in den Fachqualifikationen leichter als die kompliziertere, Werkzeugmaschinen-gestützte Alu-Produktion mit Zwangsarbeitern zu beschicken. Schließlich wurde die vorher "verplante" Möbelindustrie-Kapazität für das Ta154- und Ju352-Programm frei, die nicht realisiert bzw. benötigt wurden. Also: Stahljäger statt Wohnzimmerschränke.

Überlegungen zu Werkstoffqualitäten spielten für dieses "Wegwerfflugzeug" keine Rolle. Man muss sich hier vor Augen halten, dass selbst für die Me262 nur "Überlebensraten" von 10-15 Einsätzen gehandelt wurden. Der Volksjäger benötigte dann nur ein Triebwerk, was die Gelegenheit bot, Einsatzzahlen bei gegebenen Engpässen der Triebwerksfertigung verdoppeln zu können. Auch hieraus folgte wieder: maximal beschleunigte Entwicklung, einfachste Zellenkonstruktion, möglichst "in Wochen" eine Zellenfertigung hinzustellen.

Die Holzwahl der He162 war somit keine Materialfrage, sondern Improvisation im Untergang und in der letzten Phase des Krieges. Man nahm einfach, was man (anscheinend) noch verfügbar hatte: Möbelindustrie. Bei dieser sich überschlagenden Entwicklung spielte die "Phantasie" eine große Rolle, wollte man doch in den Wochen, als gerade die ersten Prototypen verunglückten und Heinkel erfahrene Versuchspiloten kostete, binnen 4 Monaten eine Massenproduktion von 1000-2000 Flugzeugen im Monat hinstellen. Völliger Realitätsverlust!

Siehe u.a.
Koos, Heinkel Raketen- und Strahlflugzeuge, S. 173ff.
Forsyth/Creek, He162, From Drawing-Board to Destruction, S. 31ff.
 
Warum Holz, warum diese Wahl des Werkstoffes?

Ganz geklärt ist diese Entwicklung nicht, aber es gibt hinreichende Indizien:

1. ....

2. die Möbelindustrie war dezentralisiert, und versprach maximale Unempfindlichkeit gegen den Alliierten Bombenkrieg

3. die Möbelindustrie hatte freie Kapazitäten, wies wenig Rüstungsrelevanz (mit evt. verbundenen Ressourcen-Streitereien) auf und war in den Fachqualifikationen leichter als die kompliziertere, Werkzeugmaschinen-gestützte Alu-Produktion mit Zwangsarbeitern zu beschicken. Schließlich wurde die vorher "verplante" Möbelindustrie-Kapazität für das Ta154- und Ju352-Programm frei, die nicht realisiert bzw. benötigt wurden. Also: Stahljäger statt Wohnzimmerschränke.

Überlegungen zu Werkstoffqualitäten spielten für dieses "Wegwerfflugzeug" keine Rolle. Man muss sich hier vor Augen halten, dass selbst für die Me262 nur "Überlebensraten" von 10-15 Einsätzen gehandelt wurden. Der Volksjäger benötigte dann nur ein Triebwerk, was die Gelegenheit bot, Einsatzzahlen bei gegebenen Engpässen der Triebwerksfertigung verdoppeln zu können. Auch hieraus folgte wieder: maximal beschleunigte Entwicklung, einfachste Zellenkonstruktion, möglichst "in Wochen" eine Zellenfertigung hinzustellen.

Zu 2. fällt mir vorallem eins ein, nämlich die Transportfrage. Wie kommen die Komponenten, welche zum Bau benötigt werden zur Flugzeugwerft? Bei der kaputten Infrastruktur in der 2. Hälfte des Jahres 44 wurde es immer schwieriger große Bauteile zu transportieren.

Und zu 3. Möbelbauer brauchen nicht die Präzision, welche Flugzeugbauer und auch Bootsbauer benötigen, also war an der Stelle schon ein starker Schwachpunkt in der Überlegung auf Holz auszuweichen.

Und zum Thema Wegwerfjäger, wo sollten den die Piloten herkommen? Die Flugschulen hatten doch keine Qualität mehr, dadurch das die Flugkurse viel zu schnell beendet wurden. Die ganzen Überlegungen waren Hirngespinste, welche nur Material und vor allem Menschen gekostet hat.

Das nächste Problem war auch die irre Vielfalt mit den Typen und Untertypen an Flugzeugen, welche jeweils eigene Ersatzteile benötigten.

Apvar
 
Bemerkungen zu :

Warum Holz, warum diese Wahl des Werkstoffes?

Ganz geklärt ist diese Entwicklung nicht, aber es gibt hinreichende Indizien:

[verkürzt]
1. schnelle Einführung von Produktionen - kein besonderer Investitionsbedarf
2.Dezentralisation bereits gegeben
3. die Möbelindustrie hatte freie Kapazitäten, wies wenig Rüstungsrelevanz (mit evt. verbundenen Ressourcen-Streitereien) auf und war in den Fachqualifikationen leichter als die kompliziertere, Werkzeugmaschinen-gestützte Alu-Produktion mit Zwangsarbeitern zu beschicken.

Da ich im Holz -Fach zu Hause bin, erlaube ich mir dazu zu ergänzen:

Zu 1. Es ist zwar richtig , daß im Bereich Möbelproduktion kaum noch
gefertigt wurde, jedoch waren (vermutlich alle ) Unternehmen -
bis hin zur örtlichen Tischlerei in Kriegsproduktionen eingebunden -
und wenn es "nur" Munitions - oder Transportkisten oder vorgefertigte Bunker -Teile waren .
Ich habe dazu Korrospondenzen eines Klein- Unternehmens der
Zeit 1942 - 1945 nachlesen können, die sehr viel über die
Material - und Personal -Situation enthielten.
Es waren ca. 60 volle A 4 - Aktendeckel :nono:
Besagter Unternehmer war gleichzeitig als Obmann ( Nicht als WWF )
für eine Kreishandwerkerschaft auch in Kommunikation mit anderen Unternehmen ( ca 30) , daher gab es sogar breite Einblicke in die Situationen.
Deshalb : Neue Produzenten zur Zellenfertigung heranzuziehen riß
anderswo Löcher !

Zu 2. Diese Überlegung traf zu.

Zu 3. Hier erlag man leichtfertig einer Täuschung.
Zum einen arbeiteten selbst die Klein - Unternehmen bereits mit
"Fremdarbeitern" unzureichenden Qualifikationsniveaus - was ständig
gemeldet/ besprochen wurde - es gab ständig Auseinandersetzungen über nicht gehaltene Liefer - Termine und Qualitätsprobleme.
Bei Zellenfertigung mussten selbst bei der angesprochenen geringen
Einsatzzahl hohe Qualitätsstandards erfüllt werden , sollte das
Fluggerät nicht bereits beim Probelauf eines Triebwerks in Auflösung
übergehen.
Das ist mit hohen Anteilen ungelernter Arbeiter und zusätzlichen
Verständigungsproblemen ein hochgestecktes Ziel.

Holz und Holzwerkstoffe sind insbesondere empfindlich in Bezug auf
Feuchtigkeit , Bearbeitungsfehler werden nicht verziehen - man kann
an Holz nichts "dranschweißen", Verleimungen müssen mit genau
beachteten Temperaturen ( bei formaldehydbasierten Leimen ) und
mit Aushärtungszeiten ausgeführt werden etc.
Einfach sind nur Bretterzäune ....

Ich muss sagen, holzbasierte Flugzeugfertigung in grossem Umfang halte
ich im Rückblick auf die in den Dokumenten geschilderte Material - ,
Werkzeug- und Personalsituation für ein nur teilweise ausführbares
Vorhaben.
Die Führungskräfte des Jäger- Notprogramms täuschten sich da
weitgehend über die Umsetzbarkeit ihrer Vorstellung.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
@Apvar, Treibsand

Völlig d'accord, was Eure Anmerkungen betrifft.

Das sind oben (nur) die Überlegungen in den Konstruktionsabteilungen von Heinkel gewesen, sozusagen "Planungsküche".
 
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