Homer: Barbaren

Homer? Ich glaube, du verwechselst da jemanden. Homer verlässt den Mittelmeerraum (mit ein wenig Landstreifen auf allen Seiten) nicht. Eine allgemeine Definition von "Barbaren" oder gar "Germanen" findet sich bei ihm mit Sicherheit nicht, auch wenn ich seine Werke nicht ganz auswendig kenne. "Barbarisch" ist zwar ein Beiwort für das kleinasiatische, nichtgriechische Volk der Karer in der Ilias, hat aber keine generelle Verwendung für nichtgriechische Völker.

Erst später bei Herodot werden grundsätzlich alle Nichtgriechen wertungsfrei als "Barbaren" bezeichnet, Thukydides verwendet das Wort ähnlich, nur noch gleichgestellter den Griechen gegenüber. Aber auch diese beiden haben mit "Germanen" nichts zu tun.
 
Homer? Ich glaube, du verwechselst da jemanden. Homer verlässt den Mittelmeerraum (mit ein wenig Landstreifen auf allen Seiten) nicht. Eine allgemeine Definition von "Barbaren" oder gar "Germanen" findet sich bei ihm mit Sicherheit nicht, auch wenn ich seine Werke nicht ganz auswendig kenne. "Barbarisch" ist zwar ein Beiwort für das kleinasiatische, nichtgriechische Volk der Karer in der Ilias, hat aber keine generelle Verwendung für nichtgriechische Völker.

Ich habe mich auch gewundert, aber der Wikipedia-Artikel Barbaren nennt tatsächlich Homer (mit Quellenstelle), der damit die kleinasiatischen Karer bezeichnete. Ich habe das nicht überprüft, weil es plausibel klang.
 
Hallo,

in welchem Werk definiert Homer die Germanen bzw. die Barbaren?

Die "typischste" barbarisch(st)e Lebensform, die Homer in seinen Werken beschreibt, ist meiner Ansicht nach die der Kyklopen im Allgemeinen und Polyphems im Besonderen. Diese Episode findet sich im IX. Gesang der Odyssee. In der modernen Altphilologie gehen die meisten Wissenschaftler allerdings davon aus, dass die Odyssee nicht von Homer selbst verfasst wurde, sondern eher von Homer-Schülern, Autoren die im Stile Homers schrieben.

Homer/Pseudo-Homer schreibt, die Kyklopen treiben weder Landwirtschaft, noch kennen sie eine Volksversammlung. Auf der Insel der Kyklopen gedeihen Wein und Früchte, sie werden aber von den Kyklopen nicht im Obstbau kultiviert und wachsen sozusagen wild.

Polyphem lebt als Hirte, seine Schaf- und Ziegenherden sind sein ganzer Stolz, er lebt von Käse und Milchprodukten und frisst Odysseus Gefährten als Festmahl. Vom Weinbau, der Landwirtschaft und der Obst-Kultivation hat er keinen Schimmer, ganz nach "barbarischen" Sitten" lässt er sich mit ungemischtem Wein volllaufen. Ein Mischkrug (Kratér) wie ihn die homerischen Helden verwenden, ist ihm unbekannt. Die Tugend der Mäßigung ist ihm total fremd-und das wird ihm schließlich zum Verhängnis, seine Unmäßigkeit ist der Schwachpunkt, an den ihn Odysseus besiegen kann. Die Verehrung der Götter ist den Kyklopen fremd, sie kennen keine Kulte, Tempel oder Priester. Polyphem ist ein Sohn Poseidons und geblendet ruft er seinen Vater an und bittet ihn zu rächen, als Odysseus aber Polyphem kennenlernt, ist er hochfahrend und sagt, die Kyklopen seien ja stärker, als die Götter.

Alles, was Zivilisation und Zivilisationstechniken ausmachen: Wolle zu weben, Leinen zu verarbeiten oder Purpur zu färben, ist den Kyklopen unbekannt. Polyphem und andere Kyklopen sind mit Tierfellen bekleidet. Als Waffe dient ihm weder Schwert noch Lanze, sondern eine riesige Keule aus Olivenholz, womit ihn Odysseus Gefährten blenden.

Polyphem kümmert sich auch nicht um göttliche und menschliche Gebote. Das Land der Kyklopen ist sozusagen gott- und gesetzlos. Odysseus will nicht Käse und Proviant aus Polyphems Höhle stehlen und vertraut auf die Gebote der Gastfreundlichkeit. Darauf pfeift Polyphem, Odysseus Gastgeschenk soll darin bestehen, dass Polyphem ihn als letzten auffressen will.

Als Odysseus den Phäaken von seinen Abenteuern erzählt, entwirft er schon in den ersten Versen den Entwurf einer barbarischen Gesellschaft- oder besser Nicht-Gesellschaft:

Und zu der übergewaltigen, satzungslosen Kyklopen Land gelangten wir,
Die den Göttern vertrauend weder Gewächse pflanzen mit ihren Händen, noch pflügen
Sondern ohne zu pflügen und ohne zu säen wächst alles.
Weizen sowohl als Gerste und Reben, die ihnen bringen
Große Trauben für Wein, die ihnen der Regen des Zeus nährt.
Und sie haben nicht Ratsversammlungen und Gesetze,
Sondern sie wohnen auf Gipfeln der hohen Berge in hohlen
Grotten; für seine Kinder und Frauen setzt jeder
Eigene Ordnungen fest, und sie kümmern sich nicht umeinander.

Homer, Odyssee IX. Gesang 105-115


Odysseus und seine Gefährten haben manche Abenteuer und Gefahren zu überstehen, Sirenen, Seeungeheuer, die "Hexe" Kirke. Auch das Land der Lotophaken trägt manche Züge des Barbarentums, eine Gesellschaft die sozusagen eine Party-Kultur pflegt, wo sozusagen ewig Feierabend ist. Das Land der Lotophagen zeichnet sich aber immerhin noch durch gefährliche Attraktivität aus. Ihre Bewohner sind gastfreundlich, "doch wer von der honigsüßen Frucht des Lotos gekostet, der bringt keine Kunde zurück und denkt nicht an Rückkehr."
Wenn aber das Land der Lotophaken noch eine attraktive Verlockung, eine Art Schlaraffenland ist, so ist die Insel der Kyklopen sozusagen eine Art "Heart of Darkness", der Inbegriff eines barbarischen Landes mit barbarischen Sitten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ähnliches über Polyphem stellt auch I.F. Stone in Der Prozess des Sokrates fest.

(...) noch kennen sie eine Volksversammlung.

(...)

für seine Kinder und Frauen setzt jeder
Eigene Ordnungen fest, und sie kümmern sich nicht umeinander.

Jeder Zyklop (evtl mit Familie) lebt für sich, und legt für diese Regeln und Gesetze fest. Auch für Griechen galten solche Gesetze va innerhalb einer Gemeinschaft (Krieg und Raub waren für die ja nichts fremdes, wenn man Ilias & Odyssee als Maßstab nimmt...), aber die Zyklopen kennen nicht mals eine Rechtsgemeinschaft über der Familie.

Enden tut der Abschnitt mit einem Hinweis, der Stanfords Kommentar zur Odyssee entnommen ist: Sowohl Polyphem als auch Nestor fragen ihre Besucher (hier Odysseus, dort Telemachos), welche Absichten sie hätten, ob sie gar Piraten seien. Aber Nestor, der Zivilisierte, tut dies, nachdem er seinen Gästen Speis und Trank angeboten hat. Der ungehobelte Polyphem fällt sofort mit der Tür ins Haus. Zitat: "Der Zyklop war kein Gentleman."
 
Ähnliches über Polyphem stellt auch I.F. Stone in Der Prozess des Sokrates fest.



Jeder Zyklop (evtl mit Familie) lebt für sich, und legt für diese Regeln und Gesetze fest. Auch für Griechen galten solche Gesetze va innerhalb einer Gemeinschaft (Krieg und Raub waren für die ja nichts fremdes, wenn man Ilias & Odyssee als Maßstab nimmt...), aber die Zyklopen kennen nicht mals eine Rechtsgemeinschaft über der Familie.

Enden tut der Abschnitt mit einem Hinweis, der Stanfords Kommentar zur Odyssee entnommen ist: Sowohl Polyphem als auch Nestor fragen ihre Besucher (hier Odysseus, dort Telemachos), welche Absichten sie hätten, ob sie gar Piraten seien. Aber Nestor, der Zivilisierte, tut dies, nachdem er seinen Gästen Speis und Trank angeboten hat. Der ungehobelte Polyphem fällt sofort mit der Tür ins Haus. Zitat: "Der Zyklop war kein Gentleman."

Dazu nur eine Ergänzung. Piraten pflegen zwar rauhe Sitten, "den Reisenden Übles ersinnend" heißt es bei Homer. Grundsätzlich aber waren die Übergänge zwischen Seehandel und Piraterie doch recht fließend. Sich als Pirat zu betätigen, war nicht unbedingt ehrenrührig. Als Odysseus nach Ithaka heimkehrt und von Eumaios, dem Sauhirten gastfrei aufgenommen wird, erzählt er eine lange Geschichte, in der er sich als Kreter und eine Art Kaperkapitän ausgibt, der Kreta wegen eines Todschlags verlassen musste und sich auf allerlei Seeabenteuer begab.
 
Ja, interessanter Punkt. Das meinte ich ua damit, dass den Griechen Krieg & Raub nicht fremd gewesen seien. Ich denke, der unterscheidende Punkt im griechischen Verständnis waren die Einschränkungen. Verkürzt: Nicht gegen die eigene Gemeinschaft, nicht gegen Gastfreunde usw. Der Zyklop unterwarf sich keiner diesen Einschränkungen.

Dazu die Stelle:

"Fremde, wer seid ihr? von wo kommt ihr die feuchten Pfade gefahren? eines Geschäfts wegen? oder schweift ihr nur so hin wie Seeräuber über die Salzfluten, die da umherschweifen und ihr Leben daran setzen, indem sie anderen Böses bringen?"

(aus obigem Buch, dass da Homer Odyssee 9,252ff. zitiert, aber auch sagt, die Zeilen seien bei Polyphem und Nestor identisch)

Das könnte man vielleicht auch als Grund für das unterschiedliche Vorgehen Nestors und Polyphems ansehen: Nestor fragt, ob Telemachos ein Pirat sei, nachdem dieser seine Gastfreundschaft akzeptiert hatte. Hätte sich Telemachos dann als Räuber gegenüber Nestor aufgeführt, wäre das wohl ein Bruch der Gestze der Gastfreundschaft gewesen. Polyphem, dem diese Gestze ohnehin nichts bedeuteten, musste das vorher klären. Oder anders: Das Gentleman-Verhalten hat Voraussetzungen, die Homer bei den wilden Zyklopen wohl nicht gegeben sah... ;)
 
(aus obigem Buch, dass da Homer Odyssee 9,252ff. zitiert, aber auch sagt, die Zeilen seien bei Polyphem und Nestor identisch)
Das ist richtig, die Parallelstelle ist 3,71ff.

Das muss allerdings nicht zwingend bedeuten, dass der Dichter an beiden Stellen dieselben Worte verwendete, um Nestor und Polyphem ganz bewusst gegenüberzustellen. Er verwendete häufig Phrasen und auch ganze Partien wieder. Immerhin musste das Epos ursprünglich vorgetragen werden, da waren Wiederholungen hilfreich.
 
, nicht gegen Gastfreunde usw. Der Zyklop unterwarf sich keiner diesen Einschränkungen.

;)

In einer berühmten Szene der Ilias (Ilias VI. Gesang) treffen Diomedes der König von Argos und Glaukos gemeinsam mit Sarpedon Anführer der Lykier sich auf dem Schlachtfeld.

Nachdem sie sich vorgestellt haben, lassen sie vom Kampf ab, weil die Großväter Oineus und Bellerophontes Gastfreunde gewesen waren und Gastgeschenke ausgetauscht haben. Im Gedenken der alten Bindung erneuern sie die Freundschaft und tauschen die Rüstungen.

Bei diesem Tausch macht allerdings Diomedes das bessere Geschenk, er tauscht einen Bronzepanzer gegen einen goldenen, der ein Mehrfaches (100 Stiere) wert ist. Homer schreibt Darauf nun raubte Zeus der Kronide Glaukos jede Überlegung, dass er mit Diomedes, des Tydeussohnes die Rüstung tauschte Ilias VI, 234,
 
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