Hügelgräber: Kriterien für die Wahl des Ortes?

Linkubus

Neues Mitglied
Guten Tag,

ich bin schon länger eifriger Leser dieses Forums und seit meiner Kindheit sehr an Geschichte und Archäologie interessiert, habe mich jedoch erst jetzt hier registriert, weil ich einige Fragen habe, die ich anders wohl nicht beantwortet bekomme.
Leider habe ich die Geschichte nicht zu meinem Beruf machen können. Dennoch gehe ich mit offenen Augen durch die Welt...
So lebe ich in Sichtweite einer Gruppe von Hügelgräbern (ca. 25 Hügelgräber) aus der Hallstattzeit.
Einige Kilometer weiter befinden sich weitere ca. 65 Stück.
Da ich diese also täglich vor Augen habe, habe ich mich gefragt, wie wohl der Ort für die Gräber ausgewählt wurde. Heute befinden sie sich in kleinen Mischwäldern, sind aber wohl auch nur deswegen erhalten geblieben, da mindestens zwei von ihnen durch Straßen- und Wegebau angeschnitten sind. Steine aus der Umfassung liegen frei.
Meine Frage zielt nun auf die Wahl der Lokation eines solchen Gräberfeldes.
-Muss man eine ehemalige Siedlung, bzw. ein Gehöft in unmittelbarer Nähe erwarten?
-Haben mehrere Siedlungen ein Gräberfeld genutzt? (ähnlich wie wir heute die Friedhöfe)
-Wurde extra Land gerodet, war es unfruchtbar gewordenes Ackerland, oder wurde im Wald bestattet?
-Wurde der Ort nach rituellen Gesichtspunkten ausgewählt und die eigentliche Siedlungsfläche kann deutlich entfernt liegen?
Für Informationen bin ich sehr dankbar, denn die Informationen über Hügelgräber, die ich online bekommen kann, geben in dieser Richtung nichts her.
Schriftliche Quellen stehen mir noch nicht zur Verfügung, aber auch da bin ich für Hinweise dankbar.

Die eigentlichen Fragen habe ich zur besseren Übersicht gefettet.

Mit besten Grüßen aus Frankfurt am Main
 
Bronzezeitliche Hügelgräber lagen häufig in der Nähe von Wegtrassen. Teilweise wirken sie daher kartiert wie eine Perlenkette in der Landschaft.
 
Hallo El Quijote,

das ging ja schnell.
Wegtrasse kann hinkommen. Es gibt einen natürlichen Weg unmittelbar "nebenan". Den gibt es seit mehreren zehntausend Jahren.
Stichwort ist Kelsterbacher Terasse. Die Gräber befinden sich ca. 1 Kilometer vom heutigen Mainverlauf entfernt.
Kann also auch damaliges Flussufer gewesen sein. Also auch ein Weg.
Aber heißt das, daß die Menschen auch dort gelebt haben?
Also einfach logistische Gründe für die Wahl des Begräbnisortes?
Sozusagen in Sichtweite?

Beste Grüße Nicolas

http://www.geschichtsforum.de/members/el-quijote/
 
Unser Problem ist, dass wir aus der Epoche nichts Schriftliches überliefert haben, wir werden niemals genau sagen können, warum die Menschen der Bronzezeit ihre Gräber (zumindest die einer Oberschicht) in der Nähe von Wegen angelegt haben. Wir können aber durchaus Analogien bilden. Die Römer beispielsweise, wollten nicht vergessen werden und deshalb ziehen sich römische Friedhöfe die Straßen entlang. Spätere römische Gräber sind mit aufwendigen Reliephs verziert und mit ebenso aufwendigen Inschriften versehen, die über das Leben der Toten erzählen, über ihren Beruf und Werdegang. Nicht nur der römischen Prominenz sondern auc von Handwerkern und sogar Sklaven repsektive Freigelassenen. Man könnte sich für die bronzezeitlichen Hügelgräber ähnliches denken, nämlich, dass sie an Wegen angelegt wurden, damit die darin Bestatteten nicht vergessen wurden. Nur dass dies hier wohl ein Privileg einer Oberschicht war, anders als in manchen Phasen der römischen Geschichte.
 
Stichwort ist Kelsterbacher Terasse. Die Gräber befinden sich ca. 1 Kilometer vom heutigen Mainverlauf entfernt.

Zur Kelsterbacher Terrasse gibt es ja einen Wikipedia-Artikel, der sagt zu den Hügelgräbern folgendes:
Im Frankfurter Stadtwald befinden sich zwischen der Stadtgrenze von Kelsterbach im Westen und der von Offenbach im Osten insgesamt neun bekannte, verschieden große Gruppen mit insgesamt 370 Hügelgräbern aus der Epoche von der Älteren Bronzezeit bis zur jüngeren Eisenzeit;[12] vier Gruppen von Gräbern sowie einige Einzelhügel liegen auf dem oberen Rand der Kelsterbacher Terrasse. Da die Hügel oft für mehrere, teils in größeren Zeitabständen vorgenommene Bestattungen genutzt wurden, variieren sie durch die Anzahl der darin enthaltenen Gräber stark in Höhe und Umfang.
[...]

Die Hügelgrab-Gruppen entlang der Kelsterbacher Terrasse haben zueinander annähernd gleiche Abstände von etwa 1,5 Kilometern.
Die Belegungszeit ist also außerordentlich lang, ca. 1000 bis 1500 Jahre, eine Kontinuität ist aber eher nicht zu erwarten, eher eine Wiedernutzung. Die annähernd gleichen Abstände, die im Artikel genannt sind, könnten tatsächlich auch auf Siedlungen hinweisen, zu denen die einzelnen Hügelgruppen ursprünglich gehörten. Wobei dann die Siedlungsräume recht eng bemessen gewesen wären. Vermutlich lagen die Hügelgräber außerhalb des fruchtbaren Bodens und die Siedlungen und ihre Wirtschaftsflächen müssten wir in der Flussaue des Main suchen.

Wobei auch dazu der Wikipedia-Artikel etwas weiß:
Im April 1972 wurden bei einem Durchstich der Terrasse in Kelsterbach umfangreiche Funde von Tonscherben, Tierknochen, Werkzeugen und Feuerstein in Abfallgruben aus der Mittleren Bronzezeit (14. bis 13. Jahrhundert v. Chr.) gemacht. Zu den Funden zählen ebenso zwei aus Ton gebrannte künstlerische Skulpturen, die als Darstellungen von Rindern interpretiert werden. Bereits im Jahr 1964 war beim Bau von Sportstätten in Kelsterbach eine Radnadel aus Bronze aufgefunden worden, die als Grabbeigabe gilt. Diese Funde sowie die vor Ort ebenfalls aufgefundenen Pfostenlöcher und Feuerstellen von mehreren Rundhäusern weisen auf eine dortige größere Ansiedlung in dieser Zeit hin.[9] Als eine Filialsiedlung dieser Niederlassung der Bronzezeit auf der Kelsterbacher Terrasse werden die wenige hundert Meter weiter nördlich an einem Altarm des Mains, am Rohsee ebenfalls in den 1970er-Jahren aufgefundenen bronzezeitlichen Siedlungsspuren gedeutet.[10] Dazu zählt eine in etwa einem Meter Tiefe vorgefundene Konstruktion aus Baumstämmen, die von Schwanheimer Heimatforschern als Hafen, Uferbefestigung oder Anlegestelle am Flussufer aus jener Zeit interpretiert wird.[11]
Du wirst das sicher alles viel besser einordnen können, als jemand wie ich, dem die Ortskenntnis fehlt.
 
Vielen Dank für die Antworten. Das hilft mir schonmal weiter.
Die Wikiseiten sind mir bekannt, aber es geht mir nicht nur um die Situation hier vor Ort, sondern ob es möglich ist eine gewisse Regelmässigkeit festzustellen.
Könnte man allgemein feststellen, daß:

-Hügelgräber regelmässig an Wegen angelegt wurden. Zur besseren Sichtbarkeit und gegen das Vergessen?
-Diese Gräber regelmässig in unmittelbarer Nähe der zugehörigen Siedlung liegen? (wenige hundert Meter entfernt)
-Regelmässig unfruchtbares, bzw. unfruchtbar gewordenes Land verwendet wurde?
-Regelmässig lediglich "Adlige", also "Häuptlinge" der Siedlungen und deren enge Verwandte, oder z.B. auch verdiente Krieger etc. auf diese Weise geeehrt wurden

Kann man also eine solche Regel für alle Hügelgräber in Deutschland postulieren? (mit entsprechenden Ausnahmen von der Regel...)

Mit besten Grüßen

Nicolas
 
Das Hügelgräber an Wegtrassen angelegt wurden, ist meines Wissens eine Eigenheit der Bronzezeit. Nur hat man in der Eisenzeit gerne Großstein- und Hügelgräber wiederbelegt.
Unser Problem bleibt einfach, dass wir nur interpretieren können, da wir keine schriftliche Überlieferung aus der Zeit haben. Die Analogiebildung gibt uns Anhaltspunkte, aber eben keine Sicherheit.
Ein Archäologie-Prof. den ich kenne, sagt beispielsweise etwas überspitzt über die vorrömische Eisenzeit, dass man entweder die Siedlungen finde aber nicht die Gräberfelder oder aber die Gräberfelder aber nicht die zugehörigen Siedlungen. Dabei ist klar, dass dort, wo gestorben wird, auch gelebt werden muss und umgekehrt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für die Antworten. Aber, “nichts genaues weiß man nicht“, bleibt wohl der Status quo.

Beste Grüße Nicolas
 
Hallo,
bei der Beschreibung
Zur Kelsterbacher Terrasse gibt es ja einen Wikipedia-Artikel, der sagt zu den Hügelgräbern folgendes:
....
vier Gruppen von Gräbern sowie einige Einzelhügel liegen auf dem oberen Rand der Kelsterbacher Terrasse. Da die Hügel oft für mehrere, teils in größeren Zeitabständen vorgenommene Bestattungen genutzt wurden, variieren sie durch die Anzahl der darin enthaltenen Gräber stark in Höhe und Umfang.
[...]

Die Hügelgrab-Gruppen entlang der Kelsterbacher Terrasse haben zueinander annähernd gleiche Abstände von etwa 1,5 Kilometern.

Du wirst das sicher alles viel besser einordnen können, als jemand wie ich, dem die Ortskenntnis fehlt.
ist mir etwas aufgefallen, was ich auch aus einer Örtlichkeit bei Weilheim kenne. Sowohl am "Gögerl" (für Haube, Kaputze) wie auch beim nördlich gelegenen Wilzofen und Pähl (am "Hirschberg" gegenüber dem "Hochschloss") finden sich Hügelgräber - und die sind auch entlang einer Terrasse an deren oberer(westlicher) Hangkante situiert.

Die Hügelgräber blicken sozusagen auf das westlich davon gelegene Tal herunter.
Diese Lage "an einer Hangkante" wie auch (man erinnere sich an die Pharonengräber) an einer von Nord nach Süd laufenden Hangkante, also an einer Himmelsrichtung orientiert (das kann aber auch Zufall sein) könnten eine gewisse absichtliche Orientierung widerspiegeln.
 
Zuletzt bearbeitet:
Solange die Hangkante nicht anthropogen ist (was sie sicher nicht sein wird), würde ich von ihrer Himmelsausrichtung nicht allzuviel ableiten. Das ist eben die vorhandene Geomorphologie.
 
Hallo,
bei der Beschreibung
ist mir etwas aufgefallen, was ich auch aus einer Örtlichkeit bei Weilheim kenne. Sowohl am "Gögerl" (für Haube, Kaputze) wie auch beim nördlich gelegenen Wilzofen und Pähl (am "Hirschberg" gegenüber dem "Hochschloss") finden sich Hügelgräber - und die sind auch entlang einer Terrasse an deren oberer(westlicher) Hangkante situiert.

Die Hügelgräber blicken sozusagen auf das westlich davon gelegene Tal herunter.
Diese Lage "an einer Hangkante" wie auch (man erinnere sich an die Pharonengräber) an einer von Nord nach Süd laufenden Hangkante, also an einer Himmelsrichtung orientiert (das kann aber auch Zufall sein) könnten eine gewisse absichtliche Orientierung widerspiegeln.

Manche Vorgeschichtler haben auch dies mit einer "Straßen"- bzw. Wegenähe der Hügelgräber zu erklären versucht. Danach seien vorgeschichtliche Talwege zwar eher entlang der Höhenzüge geführt worden, anstelle in den Tälern selbst. Die Wege aber habe man nicht entlang der Grate der Höhenzüge geführt, sondern an den Seiten, um so einen besseren Wetterschutz zu haben.
 
In einem Zeitungsartikel von 2011 wird über eine Notgrabung etwa 200 Meter von mir entfernt berichtet. Es handelt sich um die eingangs beschriebene Gruppe von Hügelgräbern.
Jedenfalls wird beschrieben , das weder die Steine der Umfassung, noch der Sand, bzw.die Erde des Hügels vor Ort vorkommen. Allerdings wird die Herkunft nicht erläutert.
Wieso sollte man die Erde von irgendwoher heranschaffen?
Aus rituellen Gründen? (Heiliger Boden...)
Kennt jemand dafür noch andere Beispiele, wo so etwas belegt ist?

Beste Grüße
 
Die Frage die sich mir immer stellt,ist,ob alle Hügelgräber, deren Entstehung sich ja über einen längeren Zeitraum hinzieht tatsächlich einem einheitlichen Kulturhorizont entstprungen sind, die eine einheitliche Betrachtungsweise zulassen .

Im südHessischen zwischen Lampertheim und Lorsch z.B. gibt es Hügelgräber,die soweit erkennbar weder bei Wegen noch unmittelbar bei Siedlungen lagen und auch mangels Hängen nicht an Hangkanten belegen waren
Und wenn ich richtig informiert bin gab es daneben in Siedlungsnähe auch noch Gräberfelder.
Es liegt also eher der Schluss nahe,dass man dort herausgehobene Personen an einem damals zentralen regional bedeutsamen Ort bestattet hat.
 
Der Zeitungsartikel ist etwas müllig.

Die Hallstattzeit schon 1200 v.Chr. anfangen zu lassen und das als keltisch zu bezeichnen ist, äh sagen wir mal höflich, sehr veraltet.

Die Hügelgräber im Stadtwald gehören normalerweise zur Urnenfelderkultur. Die Gruppe dort nennt sich Sandhof-Gruppe. Im Artikel steht Sandholz-Gruppe. Warum nicht gleich Sandelholz ? :)

Ich schätze mal, folgende Publikation ist die richtige(selbst nicht gelesen):
Andrea Hampel, Ein neuer Hügel der „Sandhof-Gruppe“ im Frankfurter Stadtwald, hessenARCHÄOLOGIE 2013, ISBN 978-3-8062-2984-4
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke edgar,

aber Frau Hampel ist die Dame aus dem Artikel.
Ihr Aufsatz hat nur vier Seiten. Das ganze Buch kostet
24,90....
Wenn die Zeitung die Informationen von ihr haben sollte,
möchte ich das nicht lesen.
Trotzdem nochmal danke für den Tipp.

Beste Grüße
 
Hallo Linkubus,

der Artikel in der HessenArchäologie dürfte, da er drei Jahr jünger ist (Band 2013 ist der aktuellste Band, erschienen 2014), mehr Informationen enthalten. Die Artikel in dieser Zeitschrift bilden bei größeren Grabungen den Zwischenstand für die dann oft erst Jahre später entstehende größere Publikation. Bei kleineren Grabungen (wozu ich diese vom Augenschein mal rechne) fungieren sie dann auch als eine Art Abschlussbericht. Die HessenArchäologie ist in allen wissenschaftlichen Bibliotheken (also Uni-Bibl.) und vielen öffentlichen (Stadtbibliotheken) in der Region verfügbar. Ich denke, dass auch das Landesdenkmalamt ihn dir zur Verfügung stellen würde, wenn du nett fragst und dir verständlicherweise nicht den ganzen Band kaufen willst.
 
Danke, hast recht. Vielleicht doch einfach mal reinschauen....
Hab gerade gesehen, das es eine Publikation von 1960 gibt.
“Hügelgrab 1 der Sandhof Gruppe“. Eventuell stammt das Wissen der Zeitung
ja daher und ist deshalb veraltet.
 
Ich habe heute einen Artikel von Andrea Hampel gelesen, der sich mit der Öffnung von drei Hügelgräbern im Bereich Frankfurt Schwanheim beschäftigt.
Die Hügelgräber gehören zu der gleichen Gruppe, die ich erwähnt habe. (Kelsterbacher Terasse)
Auch hier wird, auch grafisch, dargestellt, daß es einen Kern aus Sand/Erde über dem Kern gibt, der eigentliche Hügel aber nicht mit Material aufgeschüttet wurde, welches vor Ort gewonnen wurde, sondern mit Sand, der z. T. auch aus einer etwas früheren Epoche? stammt. Es sind Siedlungsspuren, wie z.B. Scherben enthalten, die beim "Kern" völlig fehlen.

Meine Annahme zur Wahl des Ortes für die Gräber ist zurzeit:

-Der Ort im Bereich eines Weges wurde gewählt , um eine prominente Stelle
zu haben, wo die Gräber auch gesehen wurde und logistisch gut ereichbar waren, um ? zu tun.

-Die "Heimaterde" wurde dorthin verbracht, um den Toten in der "dörflichen" Gemeinschaft zu behalten.

-Vielleicht brachte jeder ein wenig Erde mit und trug so, nach und nach, zur Entstehung der Hügel bei (ähnlich unserer heutigen Sitte, daß alle Besucher einer Beerdigung eine kleine Schaufel Erde in die Grube werfen, den Toten also symbolisch gemeinsam begraben)
Auch für Hügelgräber aus Steinen denkbar.

Natürlich kann man so eine Aussage nicht generalisieren, aber geht bei den obigen Punkten jemand mit, oder kann es sogar belegen?

Beste Grüße Linkubus
 
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