Ibn Fadlans/Faḍlāns Reisebericht und die Rus

smilie87

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Hallo Ihr! Ich hoffe, mir kann jemand helfen... ich soll eine Hausarbeit zu der Symbolik in Ibn Fadlans Reisebericht, genauer gesagt zu der darin erwähnten Bestattungszeremonie zu Ehren eines Häuptling anfertigen! Das Volk, über das er schreibt sind die Rus d.h. die Waräger im Osten, die ja Wikinger waren.. Vielleicht kennt sich jemand mit den Wikingern aus und kann mir die ein oder andere Frage beantworten.. Einige Symbole usw. konnte ich schon aus dem Text deuten, aber andere bereiten mir Schwierigkeiten.. Ich würde mich über jeden noch so kleinen Tipp freuen! Schonmal vielen Dank ;)
Ich schreib einfach mal meine Fragen auf:
(falls man es nicht aus meinen Fragen versteht, habe ich den Text Ibn Fadlans nochmal hier hinein kopiert (weiter unten))

-über dem Häuptling bzw. seinem (vorläufigem) Grab wird ein Dach aufgestellt, er liegt in diesem Grab 10 Tage, dann wird er herausgehoben und beerdigt (auf einem Schiff), hat das Dach noch eine andere Bedeutung, außer, dass es vor der Witterung schützt? Haben die 10 Tage eine (symbolische) Bedeutung? (oder wird die Zeit nur für die Vorbereitung der Zeremonien benötigt?)

-das Hab und Gut des Mannes wird in 3 Teile geteilt: ein Drittel für seine Familie, eins zum Schneiden für (seine) Kleider (Beerdigung, für das andere brauen sie Nabid (Bier), hat das irgendeine Bedeutung?

-Seine Familie fragt seine Sklavinnen: Wer von Euch will mit ihm gehen (sterben)? (Die Sklaven werden geopfert) Ibn Fadlan sagt, dass dies meist die Mädchen machen.. gibt es dafür irgendeinen Grund? Waren die Sklavinnen einfach (noch) weniger Wert? Oder wurden sie gezwungen?

-Neben dem Toten wurden in sein vorläufiges Grab Nabid, Früchte und eine Mandoline gestellt, gibt es da eine symbolische Bedeutung? Allerdings wurden die Gegenstände (scheinbar) nicht in sein Schiffsgrab gestellt d.h. Nicht mit ihm verbrannt...?!

-als Opfergaben werden dem Häuptling u.a. Nahrung in Form von Früchten, Brot, Fleisch, Zwiebeln und Blumen geboten, warum gerade diese Nahrungsmittel?
-auch ein Hund wird geopfert, allerdings wird dieser in 2 Teile zerhiebt, was soll das bedeuten? Auch die beiden Pferde, welche geopfert werden, werden in mehrere Teile zerlegt und neben den Toten gelegt..
-unter den Opfertieren sind auch 2 Kühe und ein Hahn und eine Henne, stehen diese Tiere für etwas besonderes? Und warum werden von allen Tieren 2 geopfert, außer bei dem Hund?

-Die Sklavin, welche hinterher geopfert wird geht in jedes der Zelte (der Zeltherren) und jeder Zeltherr verkehrt mit ihr (und sagt: „Sage deinem Herrn. Ich habe dies aus Liebe zu dir getan“).. Kann mir jemand dazu etwas sagen? Welchen Zweck sollte dies erfüllen? Anscheinend hatten die Wikinger/Waräger eine recht offene Sexualität?!

-Als die Sklavin auf das Schiff geführt wird, legt sie ihren Schmuck ab, bevor sie getötet wird, warum?

-bevor das Mädchen getötet wird, verkehren noch einmal 6 Männer mit ihr.. zu welchem Zweck? Warum gerade 6? Waren das vielleicht „besondere“ Männer?

-Einer der Menschen zündet als erstes das Schiffsgrab an, er ist dabei nackt... hat das eine tiefere Bedeutung? ;)
"Es wurde mir ständig erzählt, daß wenn einer ihrer Häuptlinge stürbe, viele Dinge passieren würden, wovon die Leichenverbrennung das mindeste war. Ich war deshalb sehr daran interessiert etwas genaueres darüber zu erfahren. Eines Tages bekam ich davon zu hören, daß ein angesehener Mann unter ihnen gestorben war. Sie legten ihn in ein Grab und deckten dieses für 10 Tage zu, bis sie mit dem Zuschneiden und Nähen der Leichenkleider fertig waren.
Dies ging auf folgender Art und Weise vonstatten. Für den Armen unter ihnen machten sie ein kleines Schiff, legten ihn hinein und verbrannten es. Aber wenn es um einen Reichen unter ihnen ging, so sammelten sie sein ganzes Vermögen und teilten dieses in drei gleichgroße Teile. Ein Drittel geht zu seiner Familie, für das zweite Drittel machten sie die Leichenkleider für ihn und für das letzte Drittel brauten sie Nabid (wahrscheinlich nordisches Bier), welches getrunken wird, wenn seine Sklavin sich für ihn tötet und mit ihrem Herrn verbrannt wird. Die Rus sind ganz dem Nabid verfallen, welchen sie Tag und Nacht trinken. Oft geschieht es, daß einer von ihnen mit dem Becher in der Hand stirbt.
Wenn ein Häuptling unter ihnen tot ist, so sagt seine Familie zu seinen Sklavinnen und Dienern: "Wer von euch möchte mit ihm sterben?" Eine von denen antwortete: "Ich." Da bekamen zwei andere Sklavinnen den Auftrag sie zu bewachen, wo sie stand und wohin sie ging und es geschah das sie mit ihren eigenen Händen ihr die Füße wuschen. So begannen sie und nahmen sich der hinterbliebenen Dinge des Toten an, um die Kleider für den Toten zu nähen und machten alles fertig, wie es sein sollte. Aber die Sklavinnen tranken und sangen jeden Tag in einer Freude, als ob sich etwas glückliches in naher Zukunft ankündige.
Als der Tag kam, an dem er und seine Sklavin verbrannt werden sollten, ging ich zum Flußufer, wo sein Schiff lag. Dies war an Land hochgezogen und wurde durch vier Stützen aus Birkenholz oder anderen Holzarten aufrechtgehalten. Weiter war etwas aufgebaut, was wie ein großes Lager oder Magazin aus Holz aussah. Das Schiff wurde dorthin gezogen und an das Holzgestell angebracht. Und das Volk lief hin und her und sie sprachen eine Sprache die ich nicht verstand, während der Tote noch in seinem Grabe lag. Sie hatten ihn noch nicht aus dem Grab herausgenommen.
So kamen sie mit einer Bank und setzten sie auf das Schiff und bedeckten sie mit Teppichen mit byzantinischem Dibag (bemalter Seidenstoff) und mit Kissen aus byzantinischem Dibag. Nun kam eine alte Frau, welche der Todesengel genannt wurde und sie breitete die Teppiche über die Bank aus. Sie stand vor den Kleidern für den Toten und vor dem Gestell für die Leiche. Das ist auch sie, welche die Mädchen tötet (Sklavinnen). Ich sah, das sie eine alte, riesengroße Frau, dick und düster vom Aussehen her war.
Als sie zu seinem Grab kamen, nahmen sie die gesamte Erde weg vom Holz und danach entfernten sie das gesamte Holz. Und so zogen sie von ihm die Kleider, in welchen der Tote war. Ich möchte bemerken, das er ganz schwarz aufgrund der Kälte im Lande geworden war. Im Grabe zusammen mit ihm, hatten sie Bier, Früchte und eine Mandoline hineingelegt. Und all dies taten sie nun aus dem Grab. Der Tote roch merkwürdigerweiße überhaupt nicht und nichts hatte sich verändert an ihm, ausgenommen seiner Hautfarbe. So kleideten sie ihn mit Hosen, Überhosen, Stiefeln, Gürtel und einen Mantel aus Dibag mit Goldknöpfen dran. Sie setzten ihm eine Kappe aus Dibag und Zobelfell auf seinen Kopf und trugen ihn in das Zelt, was auf dem Schiff aufgestellt wurde. Dort setzten sie ihn auf den Teppich und stützten ihn mit Kissen.
Dann kamen sie mit Nabid, Früchten und wohlriechenden Pflanzen und legten diese zu seinen Seiten nieder. Weiter kamen sie mit Brot, Fleisch und Zwiebeln. Und warfen es vor ihm hin. Dann kamen sie mit einem Hund und schnitten ihn in zwei Teile und warfen ihn ins Schiff. Danach kamen sie mit seinen Waffen und legten sie zu seinen Seiten nieder. Dann nahmen sie zwei Pferde und trieben sie solange bis sie schweißnaß waren. Daraufhin hieben sie diese in Stücke mit ihren Schwertern und warfen das Fleisch in das Schiff. Genauso taten sie es mit zwei Kühen, auch diese hackten sie in Stücke und warfen das Fleisch ins Schiff. So kamen sie mit einem Hahn und einem Huhn, töteten diese und warfen diese auch aufs Schiff.
Die Sklavin, welche getötet werden wollte, ging währenddessen hin und her. Sie ging in das eine oder das andere Zelt und der Herr des Zeltes hatte sexuellen Umgang mit ihr, während er sagte: "Sage dies zu deinem Herren: das habe ich getan aus Liebe zu Dir."
Als es Freitag Nachmittag geworden war, nahmen sie die Sklavin mit zu einer Art Türrahmen. Sie setzte ihre Beine auf die Handflächen der Männer und kam so hoch, das sie über diesen Rahmen hinausragte und sagte etwas in deren Sprache. Danach ließen sie sie herunter. Aber kurz darauf hoben sie sie wieder hoch und sie machte dasselbe wie beim ersten mal. Endlich ließen sie sie wieder herunter um sie ein drittes mal hochzuheben und sie tat dasselbe wie beim ersten und beim zweiten mal. So reichten sie ihr eine Henne und sie schnitt dem Huhn den Kopf ab und warf es weg. Sie hoben die tote Henne auf und warfen sie in das Schiff. Da fragte ich den Übersetzer was sie gemacht hatte.
Er antwortete: "Das erste mal als sie hoch gehoben wurde sagte sie: "Seht dort, ich sehe meinen Vater und meine Mutter dort sitzen!" Das zweite mal sagte sie: "Seht dort, ich sehe alle meine toten Verwandten dort sitzen!" Und beim dritten mal sagte sie: "Seht dort, ich sehe meinen Herrn im Paradies sitzen und das Paradies ist farbig und grün und zusammen mit meinem Herren sind Männer und junge Diener. Er ruft nach mir. Laßt mich zu ihm gehen!" Und so gingen sie mit ihr zum Schiff.
Sie nahm zwei Armreifen von ihrem Arm und gab sie der alten Frau, welche der Todesengel genannt wurde und sie töten sollte. Dann nahm sie von sich zwei Achselringe und gab sie den Töchtern der Frau, welche der Todesengel genannt wurde. So führten sie sie hinauf zum Schiff, aber ließen sie nicht ins Zelt. Dann kamen Männer mit Schildern und Holzstäben. Und reichten ihr einen Becher mit Nabid. Sie sang darüber und trank den Becher aus.
Der Übersetzer sagte zu mir: "Nun nimmt sie Abschied von ihren Freundinnen." Und so wurde ihr ein neuer Becher gereicht. Sie nahm ihn und trank diesen lange aus. Aber die alte Frau drängte sie, schnell auszutrinken, damit sie ins Zelt zu ihrem Herren gehen konnte. Da sah ich zu ihr und sie sah ganz verstört aus. Sie wollte in das Zelt hineingehen und steckte den Kopf ins Zelt, so daß sie zwischen dem Zelt und dem Schiff war. Aber da nahm die Frau ihren Kopf und zog ihn in das Zelt und die Frau ging ihr in das Zelt nach.
Die Männer begannen da mit den Holzstäben gegen die Schilde zu schlagen, so das der Lärm die Schreie der Sklavin überdeckte, damit die anderen Mädchen nicht verängstigt würden und nicht mehr den Tod zusammen mit ihren Herrn suchen würden wollen, wenn die Zeit dafür kommt. Da gingen sechs Männer in das Zelt und sie nahmen sie nacheinander. Da lag sie neben ihren Toten Herren. Zwei hielten ihre Beine und zwei die Hände. Und die Frau welche der Todesengel hieß, legte einen Strick um ihren Hals und knüpfte die Enden in die entgegengesetzte Richtung, so daß zwei Männer daran ziehen konnten. So ging die Frau mit einem kleinen Dolch mit breitem Blatt und stach diesen zwischen die Rippen des Mädchens und zog ihn wieder heraus und die zwei Männer würgten sie mit dem Strick. So starb sie.
Dann kamen die vom Volk, die mit dem Toten am nächsten verwandt waren zum Platz. Der Häuptlingssohn nahm ein Holzstück und zündete es an. So ging er rückwärts mit dem Rücken zum Schiff und das Gesicht zum Volk und hielt in der einen Hand das Holzstück während er die andere Hand hinter dem Rücken auf seinem Gesäß ruhte. Und er war nackt. Und auf diese Weise wurde überall Feuer unter dem Gestell, welches das Schiff stützte gelegt, nachdem sie die getötete Sklavin zur Seite ihres Herren gelegt hatten.
Nun kam das Volk zum Platze mit Holz und jeder hatte ein Holzstückchen mit Feuer an der Spitze. Die warfen das Holz so unter das Schiff, das das Feuer nur so um sich griff. Erst brannte das Schiff und so das Zelt mit dem Mann und der Sklavin darinnen und alles was im Schiffe war. Danach kam ein kräftiger und fürchterlicher Wind, so daß die Flammen kräftiger wurden und das Feuer züngelte sehr weit dem Himmel empor.
Zu meiner Seite stand ein Mann von den Rus und ich hörte ihn, wie er sich mit dem Übersetzer unterhielt. Ich fragte ihn dann, was er zu ihm gesagt hatte. Er antwortete: "Ihr Araber seit dumm." - Ich fragte: "Wieso das?" - Er sagte: "Den den ihr am meisten unter euch Menschen liebt und ehrt, werft ihr in die Erde wenn er tot ist, so daß die Erde, Kriechtier und Gewürm ihn verzehren kann. Wir dagegen brennen ihn hinauf in einem Augenblick, so geht er dann ins Paradies am selben Ort zur selben Stund." Und da begann er laut zu lachen.
Als ich ihn genauer darüber fragte, sagte er: "Sein Herr in seiner Liebe hat den Wind gesendet, so daß er in einer Stunde hinweggetragen wird." Und dies geschah wirklich. Nicht mehr als eine Stunde und das Schiff und das Gesamte Holz und die Sklavin und ihr Herr und alles wurde zu Asche und Aschestaub!
Endlich bauten sie da, wo das Schiff welches sie vom Ufer hochgezogen hatten stand, einen Hügel auf. Mitten auf diesem Hügel errichteten sie eine schwere Holzstütze aus Birkenholz. Auf diese schrieben sie den Namen des Mannes und den Namen Rus-König und so gingen sie ihres Weges."


(es ist leider nicht genau die Übersetzung, die ich hab, denn die hab ich im Netzt nicht gefunden... kommt der aber recht nahe)
 
1. Die Rus waren keine Wikinger. Was in Norwegen geschah, war etwas ganz anderes, als was in Rus geübt wurde. Wie Waräger kamen aus Ostschweden. Ob dort diese Zeremonie geübt wurde, ist nicht bekannt. Die Beerdigungssitten ändern sich relativ rasch, (Hügelgrab, Flachgrab, Leichenverbrennung). Oft kommen Mischformen vor, insbesondere. wenn einheimische Frauen geheiratet wurden. Wenn deren Sippe an der beerdigung teilnimmt, erwartet sie auch ihre Bräuche. Und die Sippe des Verstorbenen tut das gleiche. Also mixt man beides. Einige Elemente im Bericht sind sicher nicht skandinavisch. Das Vergraben von Gegenständen (meist Zaumzeug und Sattelzeug - zerbrochen) in der Nähe ist von östlichen Reitervölkern bekannt, die bis nach Skandinavien kamen. Das Zerbrechen, zerteilen usw. ist eine rituelle Tötung, damit diese Gegenstände dem Toten im Jenseits zur Verfügung stehen. Auch die 10 Tage im Totenhäuschen sind mir aus dem übrigen Skandinavien nicht bekannt, ebensowenig der Geschlechtsverkehr der Skalvin. Das scheinen mir eher autochthone Bräuche zu sein.
 
A propos Rus

Hallo Smilie 87
Die Begräbnis-Zeremonie hat Dir Fingalo schon analysiert.
Ich möchte aber noch etwas Allgemeines zu den Rus nachtragen; Du kennst ja sicher den ganzen Bericht.
Ist Dir da nicht aufgefallen, dass diese Leute von den Fingerspizen über die Schulter bis zum Hals tätowiert waren? Von den Schweden und Gotländern, also den Warägern, hat das niemand je berichtet und soweit ich die Sagas kenne, gibt es auch da nirgens einen Hinweis.

Ich habe im Übrigen zu der Rus-Frage schon einmal Stellung genommen , im Strip <>Liegt der Sagenfigur Siegfried einehistorische Gestalt zu Grunde?>, ab Beitrag267 (Seite 14)
Ich habe dabei auf einen östlichen Motivbeitrag durch die Waräger plädiert, aber das wollte niemand hören. Meine Zitate haben nur flapsige Bemerkungen hervorgerufen
Mein letzter Beitrag dort ist No 312 (s.16), wie folgt:
Zitat:(Mein Text mit heutigem Kommentar)

//:Cherusker, Du schreibst in Deinem Beitrag 278 als Argument gegen meine "Kaukasus-Kaspis-Theorie"
" Man gut, dass Goten und Wikinger nicht aufeinander trafen", aber siehst Du, das ist gar nicht so sicher:
Wenn das für die eigentlichen Wikinger gilt, meist Dänen und Norweger, so ist das eine andere Frage hinsichtlich der schwedisch-gotländischen Waräger.
Wir kommen da freilich auf ein unterminiertes Gelände, denn die Waräger sollen unter dem Namen "Rus" den Grundstein für das russische Reich gelegt haben. Das ist die sogenannte "normannistische Theorie" , die vor allem unter Germanen-Historikern vertreten ist.
Du kannst Dir aber vorstellen, dass sie in Russland noch nie beliebt war.Dort zweifelt man, und nicht ohne Grund, an der Ableitung des Namens von "Ruderer" oder der schwedischen Provinz "Roslagen", die tatsächlich besser umgekehrt zu deuten ist, denn altnord. "lag" bedeutet nicht nur "Lage, Liegestelle", sondern auch "Bûndnis, Gesellschaft, Gesetz" ("Danelag" in England). Roslagen wäre also seinerseits eine Gründung eingewanderter "Ros". (Siehe auch hier weiter unten)
So nimmt die "antinormannistische Theorie" an, das die "Ros" etwas mit den "Roxolanen" und "Rosomonen" in der Ukraine zu tun haben, die es eben vor dem Hunnensturm gab, und die nach Norden gawandert seien.
Im Übrigen haben sich laut Procop Krimgoten auch östlich der Strasse von Kertch niedergelassen, wo, vor 600, die syrische "Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor" nebeneinander Alanen, "Hros" (angeblich sehr gross)und "Burgaere" (Burgunder?) kennt und wo später ein Warägerfürst die Stadt Tmuturakan gegründet haben soll.
Ich masse mir nicht an, zwischen den beiden Theorien zu entscheiden, aber es gibt genug Material, das zeigt, dass ein Kulturstrom vom schwarzen Meer nach Skandinavien führte. So sind etwa die Waffen der "Vendelgräber" bei Upsala, die man um 500-550 datiert, deutlich sarmatisch-vorderasiatischer Herkunft.

Du findest auch bei Herodot, dass die Daker/Geten einen Boten an die Götter schicken, indem sie ihn hochwerfen und mit Speeren auffangen, um dann dem Sterbenden ihre Botschaft zu sagen.
In der "Ragnarsaga Lodbrokar " Kap.10 verlangt Erik, Sohn König Ragnars, der in Gefangenschaft geraten ist, dass er auf eben solche Weise getötet werde.
Übrigens ist er der Sohn Thoras, der ersten Frau Ragnars. Dessen zweite Frau, Aslaug, ist nach dieser Sage eine Tochter des SigurdR Fafnisbani und der Brynhild, Tochter des Hunnenkönigs Budli.!!
(Das ist natürlich un-historisch aber laut den Eddagedichtn <Helreid Brynhildar> und <Sigurdrkvida in Skamma> ersticht sich Brynhild selbst und verlangt sterbend, mit dem toten Sigurd verbrannt zu werden, während der Name <Fafnir> für den Drachen laut der Thidreksaga von den Warägern überliefert wurde. Der Tod Brynhilds ist eine Parallele zu Ibn Fadhlan, Die Unterschiede ergeben sich aus der unterschiedlichen sozialen Stellung der Frauen)
Es gibt noch einige solcher Angaben mehr, die alle einen Kulturstrom vom unteren Don und der Wolgamündung nach Norden zeigen, lange ehe die Waräger-Rus in der Geschichtsschreibung auftauchen. Die Antwort auf die Frage, ob Waräger- Wikinger und südrussische Goten je zusammengetroffen seien ist also im Grunde eine blosse Frage der Klassifikation. Wer war Wer?:// Zitat-Ende

Die oben erwähnten Roxolanen (Hroux-Alanen = Licht-Alanen?) werden von mehreren Autoren erwähnt, die Rosomonen nur einmal, als die Attentäter Ammius und Sarus, diie Ermanarich schwer verletzten (Ammian Buch 31) und die in der Edda (Hamdismal, Gudrunarhvot) als Gudrun(Kriemhilds) Sôhne Hamdir und Sörli genannt werden.

Zu den oben erwähnten Vendelgräbern möchte ich noch eine Referenz hinzufügen, die ich Fingalo verdanke:
"""Charlotte Fabech: Offerfundene fra Sösdala, Fulltofta og Vennebo. Eksempler på rytternomadiske riter og certemonier udført i sydskandinaviske jernaldersamfund. In: Nordisk Hedendom. Et symposium. Odense 1991. S. 103-112. (Die Opferfunde von Sösdala, Fulltofta und Vennebo. Beispiele für reiternomadische Riten und Zeremonien ausgeführt in der südskandinavischen Eisenzeitgesellschaft. In: Nordisches Heidentum. EinSymposium). (Sosdalagruppe)"""
Das sind also Einwanderer aus Südrussland oder der Ukraine. (Hros? Rosomonen? Roxelanen?)



Und schliesslich hier noch die "normannistische" Erklärung des Namens <Rus> laut <E. Oxenstjerna: Die Wikinger> (Kohlhammer-Verlag, Stuttgart)
Zitat:
""""Die Gegend nördlich von Stockholm heisst Roslagen und ihre Anwohner sind die ...Ruspiggar. Hier rekrutierte der Schwedenkönig im Mittelalter seine Armee. Jede Einheit hatte ein wohlgerüstetes Schiff mit seiner Mannschaft .................Das Wort Rus muss das Resultat folgender Entwicklung sein:
Rõdr = Ruderweg, Wasserweg,...Fluss. siehe engl road
Rõd(r)s =Genitiv dieses Wortes
Rõds = Die Männer des Ruderwegs (zweifellos nannten
die Männer dieser Küste sich so)
Rötsi = Typisch finnische Abkürzung des gleichen
Wortes, entstanden, als die Finnen in der
Gegend des Ladoga-Sees mit den Schweden in
Berührung kamen.
Ruotsi = nennen die Finnen die Schweden.....
Rus = Die Slaven haben den Finnen ihren eigenen
Namen entlehnt."""" Ende des Zitats

Obacht: Das ist von mir aus der französischen Ausgabe (Editions Payot) rückübersetzt.

Ansonsten:
1. Wenn die Rus oder Rõds aus Roslagen gekommen sind, dann sind logischerweise die Dänen aus dem englischen Danelag gekommen. Sonst liest man's umgekehrt.
2; Das englische Wort für "Landstrasse" von schwedisch
"Ruderweg" abzuleiten, darauf muss man erst mal kommen.
3. "Die Männer des Ruderwegs", Das Altnordische bildet sonst solche Ableitungen mit dem Wort für "Männer" (madr), aber das Altschwedische natürlich mit dem Genitif allein, Klaro!
4. Die Finnen also haben Rõds zu Rõtsi "abgekürzt" ! "Typisch finnisch"! Maulfaul! So ist das Wort natürlich viel kürzer und leichter auszusprechen
5. Und die Slaven haben abgewartet, bis das Wort im Finnischen von "Rõtsi" zu "Ruotsi" geworden ist, um es als ihre eigene Bezeichnung zu übernehmen!
Das steht also bei Oxenstierna im Kap.5 und wenn Du das Buch in die Finger kriegst, dann schau mal, welche Argumente gegen diese Deutung anführt.
Man ist versucht, da Witze über seinen Namen zu machen, aber er hat den Unsinn ja nicht selber erfunden.
Kurzum:Die Russen sind nicht die Einzigen, die da eng nationazlistisch denken;
Na Ja, ich geb's zu, für Deine Arbeit ist das letzte unbrauchbar. Aber vielleicht die Parallele Ibn Fahdlan/ Helreid BrynhildaR ?

Alles Gute
Boiorix
 
Ich habe mich zur Herleitung der Rus sowohl unter Antinormannismus - Wikipedia als auch unter Rus - Wikipedia geäußert. Die Tatsache, dass viel früher slawische Völker nach Norden gewandert sind, führt nicht dazu, dass nicht die Waräger von Norden nach Süden, sondern auch hier eine Wanderung von Süden nach Norden stattgefunden habe. Das sind unterschiedliche Epochen. Die Nordwanderung fand im 5. Jh. statt und hat außer einigen Gräbern keine besonderen Spuren hinterlassen. Die Einwanderung der Waräger fand im 8. Jh. statt und ist archälogisch gut belegt.
 
Boiorix schrieb:
Wir kommen da freilich auf ein unterminiertes Gelände, denn die Waräger sollen unter dem Namen "Rus" den Grundstein für das russische Reich gelegt haben. Das ist die sogenannte "normannistische Theorie" , die vor allem unter Germanen-Historikern vertreten ist.

Es gibt allerdings auch einen ganz guten zeitgenössischen Beleg für die Verbindung der Rus/Normannen; Liutprand von Cremona schreibt um 950 über die Nachbarn der Byzantiner: "Im Norden nämlich sind es die Ungarn, die Petschenengen, die Chasaren, die Russen, die wir mit einem anderen Namen Normannen nennen, und als nächste Nachbarn die Bulgaren...
(Antapodosis, Liber I, 11).

In der so genannten russischen "Ersten Chronik" finden sich zudem zwei byzantinische Urkunden aus den Jahren 911 und 945 mit Namen aus der Oberschicht der Kiewer Rus, die skandinavischer Herkunft sein sollen. (Whittow, The Making of Orthodox Byzantium, S. 244). Diese Chronik stammt aus dem Hochmittelalter.
 
Kann denn niemannd hier Smilie87 konkrete Antworten auf ihre Fragen
geben? Ich finde den Beitrag sehr interessant und würde gerne auch genaueres wissen.
Manchmal habe ich das Gefühl einige nutzen jedes Stichwort um
private "Grabenkriege" auszufechten ohne Rücksicht darauf zu nehmen
das sich hier Geschichtsinteressierte Leute anmelden um seriöse
Antworten zu geschichtlichen Fragen zu bekommen.
Da müßt ihr euch nicht wundern wenn diese Leute in andere Foren abwandern in denen sie (fragwürdige) Antworten bekommen.
Meine Meinung
Corvus
 
Kann denn niemannd hier Smilie87 konkrete Antworten auf ihre Fragen
geben? Ich finde den Beitrag sehr interessant und würde gerne auch genaueres wissen.
Manchmal habe ich das Gefühl einige nutzen jedes Stichwort um
private "Grabenkriege" auszufechten ohne Rücksicht darauf zu nehmen
das sich hier Geschichtsinteressierte Leute anmelden um seriöse
Antworten zu geschichtlichen Fragen zu bekommen.
Da müßt ihr euch nicht wundern wenn diese Leute in andere Foren abwandern in denen sie (fragwürdige) Antworten bekommen.
Meine Meinung
Corvus
Was hast Du nur? Das, was wir zu ihrer Frage haben sagen können, haben wir gesagt. Dass man bei dieser Gelegenheit auch noch anderes anspricht, ist doch nicht schlimm.
 
An Corvus und Ashigaru

Hallo Corvus
Dein Einwand scheint auf die Beiträge von Fingalo und von mir zu zielen, aber was haben wir eigentlich getan?
Fingalo hat das Begräbnisritual , um das es hier ging, analysiert und ich fand es für nötig da noch ein paar Ergänkzungen vorzunehmen.Ich wollte damit eigentlich nur darauf hinweisen, dass die Situation nicht ganz so klar ist, wie man meinen könnte. Ich glaube eben nicht, dass die Waräger allein aus Skandinavien kamen.
Die Züge in der Totenzeremonie, die Fingalo nicht wikingerisch nennt sind nicht die Einzigen, weswegen ich z.Beispiel auf die von Jbn Fahdlan berichteten Tätowierungen hinwies, und andererseits auf die schon im 6.Jh bezeugten "Hros" am Asowschen Meer.
Das scheint wieder Fingalo missverstanden zu haben, weswegen er auf seine Wikipeda-Beiträge hinweist.
Die können allerdings meine Zweifel an der "offiziellen" Ableitung des Namens "Rus" (die ich zitiere) nicht ausräumen.
Aber ich will hier auf diese Fragen nicht näher eingehen.Eine weitere Diskussion nützte Smilie 87 nichts, Du hast ja keine Fragen formuliert, und sonst kamen auch nur Ergänzungen
Du nennst das einen "privaten Grabenkrieg", aber ohne solche gegenseitigen Einwände, Ergänzungen und Berichtigungen existierte doch das ganze Geschichtsforum nicht.
Du hast selbst Fragen? Also formuliere sie, statt die Diskussion abwürgen zu wollen.
Mir scheint, Du verwechselst ein Diskussionsforum mit einem Nachschlagewerk.(aber nur allzuoft liefern auch Nachschlagewerke nicht die absolut sichere richtige Feststellung, sondern nur die gerade die Meinung , der der Verfasser anhängt.)
Wenn Du in heutigen Büchern eine andere Meinung vrtreten findest als in denen von vor 50 Jahren, dann heisst das nicht, dass sie der Weisheit letzter Schluss sind

Hallo Ashigaru
Dankeschön für Deine Zitate. Ich revanchiere mich mit einem Zitat nach dem Taschenatlas Knaur, der in seiner Bulgarien-Karte nördlich des Golfes von Burgas eine Gegend namens "Deli Ormanie" aufweist, aber das heisst "Süd-Ormanien" und "Ormanije" ist die Form, in der die "Normannen" alias Skandinavier in der russischen Nestor-Chronik erwähnt werden. Und zudem gibt es dort ein Dorf "Rusokastro" , 20 Km von Burgas entfernt.

Schöne Grüsse, Corvus und Ashigaru
Boiorix
 
Die Züge in der Totenzeremonie, die Fingalo nicht wikingerisch nennt sind nicht die Einzigen, weswegen ich z.Beispiel auf die von Jbn Fahdlan berichteten Tätowierungen hinwies, und andererseits auf die schon im 6.Jh bezeugten "Hros" am Asowschen Meer.
Das scheint wieder Fingalo missverstanden zu haben, weswegen er auf seine Wikipeda-Beiträge hinweist.
Habe ich als Bestätigung dafür aufgefasst, dass hier keine warägische Zeremonie geschildert wird.
Die können allerdings meine Zweifel an der "offiziellen" Ableitung des Namens "Rus" (die ich zitiere) nicht ausräumen.
Das ist offenbar nicht möglich. Aber habe in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Epochen für die jeweiligen Wanderbewegungen und auf die archäologischen Funde hingewiesen.

Dankeschön für Deine Zitate. Ich revanchiere mich mit einem Zitat nach dem Taschenatlas Knaur, der in seiner Bulgarien-Karte nördlich des Golfes von Burgas eine Gegend namens "Deli Ormanie" aufweist, aber das heisst "Süd-Ormanien" und "Ormanije" ist die Form, in der die "Normannen" alias Skandinavier in der russischen Nestor-Chronik erwähnt werden. Und zudem gibt es dort ein Dorf "Rusokastro" , 20 Km von Burgas entfernt.
Und aus welcher Zeit stammt das?
 
Moderatorenhinweis

Hallo miteinander,

ehe es hier noch mehr unnötige Mißverständnisse gibt und daraus folgende Metadiskussionen erfolgen, habe ich den Threadtitel ein wenig erweitert.
Es ist doch bei Diskussionen um historische Kontexte klar, daß dabei mitunter auch andere damit zusammenhängende Sachverhalte zur Sprache kommen, selbst wenn die Diskussion - wie in diesem Fall - aus einer Fragestellung erwachsen ist und die weiteren zusammengetragenen Fakten nicht mehr direkte Antworten auf diese Fragestellung, aber dennoch für den Kontext wichtig sind.

In diesem Sinne

Timotheus
Moderator
 
Biorix:
Du hast selbst Fragen? Also formuliere sie, statt die Diskussion abwürgen zu wollen.
Ich fand den Auszug aus dem Reisebericht und die von Smilie87
gestellten Fragen interessant!
Eure Rus-Diskussion möchte ich auf keinen Fall abwürgen,
Gott behüte.
Nur zu ... Aber Fragen dazu habe ich keine.
Schönes Wochenende
Corvus
 
..

Ersteinmal vielen Dank für die Antworten ;)
Mit meiner Hausarbeit bin ich mittlerweile ein bisschen voran gekommen, ich habe auch in einem Buch gelesen, dass die Zeltherren bzw. Männer durch den Geschlechtsverkehr der "Zeltherren" mit der Sklavin ihre Lebenskraft dem Häuptling durch die Sklavin mit auf den Weg ins Jenseits gaben und der Verkehr mit den 6 Männern kurz vor der Tötung soll ein nachgestelltes Hochzeitsritual sein...
Früher stand wohl den Brautführern das Recht der Hochzeitsnacht zu, es gibt noch einige Hinweise, dass die Sklavin den Häuptling sozugagen "heiratet"...
Jetzt stellt sich mir die Frage warum die Sklavin dann ihren Sch,uck ablegen muss usw. und keine Grabbeigaben erhält.. Damals wurden wohl auch die Ehefrauemn getötet und mit ihrem mann bestattet, sie dient also wahrscheinlich als Ersatz.. Die Ehefrauen haben dann aber wohl reichlich Schmuck usw. mit ins Grab bekommen.. könnt ihr euch einen Reim darauf machen??? Bin etwas verzweifelt ;)
 
Na, in dem Buch wird aber offenbar reichlich freihändig spekuliert. Denn irgendwelche Nachrichten dazu gibt es nicht.
 
mhhh... weiß denn jemand, ob es damals eine Hochzeitsritual war vorher eine Becher Alkohol (Nabid) zu trinken? Und noch etwas wird mir nicht ganz schlüssig.. Was war das für eine Ritual, dass die Sklavin gleichzeitig erwürgt und erstochen wird? Was sollte das für einen Zweck erfüllen? War das ein gewöhliches Ritual?
 
Steht im Kommentar zu deiner Ausgabe des Ibn Faḍlān nichts dazu, dass mittelalterliche Chronisten die Sitten der nichtislamischen Völker meist schräger darstellten, als diese wohl tatsächlichen waren (v.a. aus dem sexuellen Bereich).

Sind seit 1939 noch Fragmente aufgetaucht? Ich habe nur die Übersetzung von A. Zeki Validi Togan für die Deutsche Morgenländische Gesellschaft gelesen und die war eben von 1939.
 
Ich habe dieselbe Version... ich habe auch schon in meiner HA angemerkt, dass es sich oft um Übertreibungen etc handeln kann... aber versuchen zu analysieren muss ich trotzdem ;)
 
Charakteristiken der Rus

Hallo Smilie 87
Ich hab nun den Ibn Fadlân noch einmal aufgeschlagen, und da fiel mir noch etwas auf: gleich nach dem Begräbnis-Zeremoniell schildert er den König und seine Gefolgsmannen in der Trinkhalle:
Da ist dann die Rede von einem riesengrossen,reich mit Edelsteinen eingelegten Thron, und davon dass der König von ihm direkt auf's Pferd steige, und umgekehrt, also ohne den Boden zu berühren.
Das schreibt ihm eine besondere, soll ich sagen "sakrale" Qualität zu, die man bei skandinavischen Händlern vergeblich sucht, ganz zu schweigen davon, dass diese wohl kaum einen "Reisethron" von Gotland mitgebracht hatten.
Nimmt man also alles "Nicht-Nordische" zusammen, dann scheint der Einfluss der Umgebung so stark gewesen zu sein, dass diese "Wolga-Waräger" sich kulturell praktisch von der "Skandinavischen Heimat "
abgekoppelt" hatten. Die Existenz eines lokalen "Königs" mit Prunkthron und "vom Profanen abgehobenen" Zeremoniell zeigt, wie gross die Entfernung war, denn in welchem Verhältnis hätte der wohl zu dem König von Schweden gestanden?
Und bei aller Verehrung für einen Anführer, dass die Mitglieder einer kaufmännischen oder auch kriegerischen Expedition fern der Heimat ein an Ort und Stelle unersetzbares Transportmittel (Schiff) verbrennen, das dürfte ebenso unwahrscheinlich sein, wie die, ausdrücklich erwähnte Anwesenheit von halskettengeschmückten Ehefrauen (neben den Sklavinnen/Konkubinen). Was unser Araber da beschreibt, das ist keine Handels-Niederlassung mit wechselndem Personal, sondern wirklich ein hier ansässiges "Volk".
Tatsächlich würde niemand an eine skandinavische Herkunft der Rus (auch der von Kiev und Novgorod) glauben, wenn nicht die Nstor-Chronik es ausdrücklich sagte.(Obwohl sie in ihren zwei Varianten, nicht so klar ist wie man es wünschen möchte.)
Dass es einen archäologisch nachweisbaren "warägischen" Kulturstrom gegeben hat, braucht zu dieser Schilderung nicht in Widerspruch zu stehen.
Archäologisch nachgewiesen ist auch, dass man in der den Goten zugeschriebenen südrussischen Tchernjacov-Kultur im 4. Jh gelernt hatte Glaswaren herzustellen. Man findet Einzelstücke entlang den russischen Flüssen, aber die grösste Fund-Dichte ist am Harz, an der Weichsel-Mündung und vor Allem auf den Dänischen Inseln.( P.Heather "The Goths" Oxford 1996)
Soll ich daraus schliessen, dass die Völker, die in diesen Bereichen lebten, von gotischen Händlern aus der Ukraine gegründet wurden?
(das mährische Reich des fränkischen Händlers Samo ist kein Gegenbeweis. Es entstand unter dem Druck der Avaren, und hat seinen Gründer kaum überlebt.)
Es gab unter den "Wolga-Rus" zweifellos ein Element skandinavischer Herkunft, aber wie stark es war und welche Rolle es spielte, das wissen wir nicht.
Dass die Evaluation von der bewussten oder unbewussten Vorliebe des Betrachters abhängt, das ist evident.
Auch die Pruzzen und das Land Preussen haben schon vor den Hohenzollern existiert , aber die Könige dieser Dynastie haben Preussen geprägt. Wenn man aber etwa Treitschke liest, den Historiker des 19.Jh, dann könnte man meinen, es hätte ohne diese Dynastie kein Preussen gegeben.
Ebenso gab es sicher die "Rus" schon vor dem Auftreten der skandinavischen "Söldner" (Varjag). Dass diese in Novgorod grösseren Einfluss hatten als an der Wolga bei Astrachan, das versteht sich von selbst, und dass sie in der Nestor-Chronik eine hervorragende Rolle spielen ist kein Wunder, denn sie wurde im Interesse dieser Dynastie geschrieben. Man sollte ihre Beweiskraft daher nicht überschätzen.
Das Ganze ist eben eine Frage der Methode der Klassifizierung.
Genug.
Noch ein paar Bemerkungen:
Dass von Ibn Fadlâns Bericht nach 1939 noch Teile aufgetaucht sind, halte ich für unwahrscheinlich.Meine französische Ausgabe stammt von 1983 und weiss nichts davon.
Zur "doppelten Ermordung", Erstechen und Erwürgen:
Mir scheint, dass hier zwar eine "letzte Hochzeit" gefeiert wurde, aber die "Fahrt ins Jenseits" unter dem Zeichen zweier verschiedener Mächte (Götter) stand.
Auch in Skandinavien war es ja ein Unterschied, ob man Odin opferte, durch Erhängen, oder Tyr, durch die blanke Waffe. Aber bitte, damit will ich nicht sagen, dass diese Götter deswegen auch bei den Rus eine Rolle spielten. Der "Hochzeitsbecher" dagegen könnte wohl nordisch sein, aber schliesslich war es bei allen Völkern Usus, Feste mit Alkohol zu feiern.
GRuss
Boiorix
 
Kurze Frage zu diesem- schon etwas älteren- Beitrag:

Ist jemandem bekannt, ob es eine Ausgabe des Manuskriptes von Ibn Fadlan irgendwo frei erhältlich gibt?
 
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