Identifikation deutscher Soldaten mit Russlandfeldzug 1812 und Grande Armée

Aus heutiger Sicht mag der Zeitraum 1806-1812 tatsächlich sehr kurz erscheinen. Für die Betroffenen waren die Jahre der französischen Herrschaft jedoch durchaus ausreichend um über eine Anpassung an das neue Herrschaftssystem nachzudenken, da man bei aller Abneigung und Resistenz gegen einen Herrschaftswechsel schließlich doch seinen Lebensunterhalt verdienen musste. Bei den französischen Modell- und Satellitenstaaten hat man außerdem zumindest versucht die Einheimische Oberschicht in die Verwaltung einzubinden. Auch ehemals preußische Adelige dienten im Russlandfeldzug in den Heeren der Satellitenstaaten. Es gab auch deutsche Einheiten die bis 1814 an Napoleons Seite blieben. Die Motive dafür sind natürlich nur schwer zu ergründen, vielleicht Angst vor Racheaktionen da man den richtigen Moment zum Überlaufen zu den Truppen der Koalition verpasst hatte? Napoleons Herrschaftskapital als charismatischer Feldherr ist natürlich auch nicht zu unterschätzen. Viele Kriegsteilnehmer gingen nach 1815 noch stolz mit ihren Leistungen in der Grande Armée um. Im 19. Jahrhundert ist dieses äußerst ambivalente Bild der Wahrnehmung des Russlandfeldzugs übertüncht worden. Insofern muss man bei einer Master-Arbeit zum Thema Kriegserfahrung deutscher Teilnehmer am Russlandfeldzug sauber arbeiten und nach Möglichkeit auf zeitnah geschriebene Tagebücher, Briefe oder Memoiren zurückgreifen. Wann hat z.B. Herr von Strombeck geschrieben? ;)
Könnt ihr mir dazu weiterhelfen?
Ute Planert wirst du zu dem Thema vermutlich schon zigmal gelesen haben?

Fakt ist das es im hessischen Westphalen zwei Aufstände gegen die Herrschaft gab.
Ohne bei diesen Aufständen die genauen Hintergründe zu kennen: Der Knüppelrussenaufstand im Großherzogtum Berg war hauptsächlich sozial und wirtschaftlich motiviert. Gibt es für Hessen auch aktuelle Forschungsergebnisse zu den Ursachen der Aufstände?
 
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Ohne bei diesen Aufständen die genauen Hintergründe zu kennen: Der Knüppelrussenaufstand im Großherzogtum Berg war hauptsächlich sozial und wirtschaftlich motiviert. Gibt es für Hessen auch aktuelle Forschungsergebnisse zu den Ursachen der Aufstände?

Hallo,
http://www.unikassel.de/hrz/db4/extern/dbupress/publik/abstract.php?978-3-89958-475-2

Ein mit diesen Bürgerrechten ausgestattetes Königreich hätte gelingen können. Doch die Umstände sprachen dagegen. Das Misstrauen gegenüber der Fremdherrschaft war gross. Vor allem litt das Land darunter, dass Napoleon das Königreich Westphalen finanziell systematisch ausplünderte und aufgrund seiner Feldzüge immer mehr Soldaten und Geldmittel brauchte.
Es war daher kein Wunder, dass sich schon am 28. Dezember 1806 einige tausend Bauern bei Homberg zum Angriff auf Kassel versammelten, um die Stadt zu befreien. Der Aufstand brach jedoch schnell wieder zusammen.
Der zweite Bauernaufstand wurde von Oberst Wilhelm Freiherr von Dörnberg im Jahre 1809 organisiert und ging wieder von Homberg und Felsberg aus. Nach Gefechten bei der Knallhütte, auf der Kirchbaunaer Höhe und der Hertingshäuser Heide wurde auch dieser Aufstand niedergeschlagen.

en hesse
 
Hallo,

gelesen und wieder vergessen:

http://www.vhghessen.de/inhalt/zhg/ZHG_114/10_Bickert_Doernberg.pdf

http://www.vhghessen.de/inhalt/zhg/ZHG_113/10_Arndt_Lemberg_Friedrich%20Ludwig%20Freiherr%20von%20Berlepsch.pdf

Herr Professor Dr. Kleinschmidt hielt darauf den angekündigten Vortrag: „Bairische Gesandtschaftsberichte aus der Regierungszeit Königs Jerôme von Westphalen“.
Derselbe bemerkte einleitend, dass das Münchener geheime Haus- und Staatsarchiv bisher der Forschung hermetisch verschlossen gewesen und erst in unserer Zeit durch das liberale Verhalten der Behörde eröffnet worden und er dadurch im Stande sei, manches Neue, bisher Unbekannte mitzutheilen. Kassel war als Residenz des Königreichs Westphalen für die Rheinbund-Fürsten von besonderer Bedeutung, und Bayern; der grösste Staat im Rheinbunde, durch geschulte Diplomaten und hervorragende Persönlichkeiten an dem Hofe Königs Jerôme vertreten.
Der erste dieser Männer war Max von Lerchenfeld, welcher im Jahre 1808 als ausserordentlicher Minister in Kassel beglaubigt wurde. Dieser schilderte in seinen Berichten die Schattenseiten der damaligen Zeit: die ungeheueren Ansprüche des Kaisers Napoleon in Bezug auf Geld-( Kontributionen und Truppenlieferungen, einer Seits und die unablässige Verfolgung und Chikanirung der Anhänger des Kurfürsten von Hessen u. a. seines Agenten Buderus (später v. Carlshausen), welcher in Mainz verhaftet und nach 14tägigem Arrest nur durch Opferung seines ganzen Vermögens — 80000 Thaler — freigelassen wurde, und einer Frau von Thümmel, welch Letztere wegen einer unvorsichtigen Aeusserung des Landes verwiesen wurde. Ebenso wird beklagt, dass im Gegensatze zu der vorhergehenden kurfürstlichen Zeit zu wenig gebaut werde, und daher die Miethpreise bedeutend gestiegen seien. Lerchenfeld bezahlte für ein kleines unmöblirtes Haus an der Wilhelmshöher Allee (das spätere Waitz’sche Grundstück) 2500 Thaler Miethe. Er bat deshalb um Aufbesserung seines Gehalts von 14000 Thalern, da seine laufenden Ausgaben allein 9000 Thaler betrügen, während er in München mit der Hälfte auskomme. Die Finanz-Noth wuchs zum Theil in Folge der hohen Civilliste des Königs und die Zwangs-Anleihe und die Steuer-Erhöhung halfen Nichts.
Lerchenfeld reiste schon im Juli 1809 zurück, während der König, der auf seinen Wunsch ein Commando in Sachsen erhalten, ruhmlos gegen den Kaiser von Oesterreich kämpfte, und starb bald darnach (19. Oct. 1809) in den Armen seiner Freundin, Gräfin Therese von Thurn und Taxis.
Sein Nachfolger, Wilibald von Rechberg, Bruder des langjährigen Ministers des Aeusseren in Oesterreich, tadelt in seinem ersten Berichte die von Napoleon über die englischen Waaren verhängte Continental-Sperre, da man namentlich in Kassel an deren strenger Durchführung kein Interesse gehabt und den Leuten durch die Finger gesehen habe, und schildert später das rücksichtslose Verfahren des Kaisers gegen seinen Bruder, welcher u. A. am 15. Dec. 1810 ganz zufällig im Moniteur gelesen, dass am 13. Dec. die Abtrennung eines Theiles von Hannover von dem Königreich Westphalen verfügt worden sei, und dann auf deshalbige Anfrage in Paris gar keine Antwort erhalten habe. Derselbe schildert weiter, wie Jerôme von den Dingen der Aussenwelt so gut wie gar nicht unterrichtet, während man von Allem, was an seinem Hofe sich zugetragen, in Paris genau in Kenntniss gesetzt worden sei, da am westphälischen Höfe eine Reihe von Spionen gearbeitet hätten, wie der Polizeichef Bercagny und sein Sekretär.
Das Jahr 1811 zeichnete sich aus durch den grossen Schlossbrand und die Ermordung des Grafen Morio. Bis zu des Letzteren Tode hatte sich der Hof in dessen Hause einquartiert, dann bei dem Grafen Fürstenstein. Der Wiederaufbau des Schlosses schien zu kostspielig. Napoleon schloss mit Preussen 1812 eine Allianz gegen Russland, und theilte die westphälischen Truppen in zwei Divisionen unter dem Oberbefehl von Jerôme, worauf einige Zeit in Kassel tödtliche Stille und Langeweile herrschte. Doch machte sich Jerôme bald durch Streit mit dem Marschall Davoust und Anderes unmöglich und wurde im August 1812 heimgeschickt. Die westphälische Armee hat im russischen Feldzuge ungeheuere Verluste gehabt, theils durch die Waffen der Kosaken, theils durch die erstarrende Winterkälte. Von 28000 Mann, welche aus Westphalen ausgerückt waren, kehrten keine 2000 wieder heim. General Allix brachte von der Artillerie nur 9 Mann zurück. Dennoch wurde im Jahre 1813 die Armee trefflich organisirt; an Pferden war Hessen damals so reich, dass nicht nur die einheimische, sondern auch württembergische Cavallerie mit diesem Material beritten gemacht werden konnte. Da schloss Preussen im März 1813 sein Bündniss mit Russland, feindliche Haufen streiften bis in die Nähe von Kassel und Rechberg hielt es für gerathen, die Stadt zu verlassen im April 1813; er war später noch an anderen Orten als Gesandter thätig und starb zu Paris 1849.
Sein Nachfolger, Graf Friedrich von Luxburg, der letzte Gesandte Bayerns am westphälischen Hofe, hat in seiner kurzen Amtsdauer nur wenig Berichte erstatten können, beklagt sich ebenfalls über den theuern Aufenthalt in Kassel, glaubt aber, dass das Genie des Kaisers noch einmal triumphiren werde, zumal die westphälischen Truppen sehr gut uniformirt und kriegstüchtig seien, wenn auch bei ihnen eine Neigung zur Desertion vorwiege. Napoleon war jedoch hierin anderer Ansicht, löste die westphälische Armee auf und vertheilte sie unter andere Corps. Luxburgs Berichte hören mit 1. Juli 1813 auf, doch reiste er selbst erst ab, als Czernitscheff im September vor Kassel erschien, und verbrannte vorher alle Gesandtschaftspapiere, während die Verwaltung des Königlich Westphälischen Archivs dies nicht that, weshalb im Jahre 1814 eine eingesetzte Kommission gegen besonders schwer Compromittirte vorgehen konnte. Graf Luxburg war noch an anderen Orten thätig und starb 1856.
Die Berichte des bayerischen Gesandten in Darmstadt, des Oberst Sulzer, waren immer noch voll Vertrauen auf den endlichen Sieg Napoleons. Während Jerôme nachher am 26. October 1813 Kassel und Westphalen auf immer verliess, schloss sich Darmstadt erst am 3. November 1813 durch den Vertrag zu Dörnigheim an die Verbündeten an.

 
Danke für eure Antworten! Könnt ihr mir vielleicht noch Literaturtipps geben, welche belegen, dass sich die Sachsen sehr mit ihrem König Friedrich August I. identifizierten und die Westfalen dies mit König Jerome nicht taten?

Liebe Grüße Maui25
 
Noch eine andere Frage: Wie sah das eigentlich mit der Verbundenheit der Bayern zu ihrem König König Max I. Joseph aus? Auf der Seite Für Bayern mit Napoleon | Bayerisches Fernsehen | Fernsehen | BR.de wird diese Frage nicht beantwortet...

"Waren die [Bayern] patriotische Kämpfer, die begeistert für Bayern in den Kampf zogen, oder wurden sie gezwungen ihr Leben für einen König und einen Staat einzusetzen, den sie nicht, oder noch nicht für den ihren hielten?"

Könnt ihr mir dazu eventuell Literaturbelege geben?
 
Für süddeutsche Themen empfiehlt sich die bereits genannte Planert:
Ute Planert: Der Mythos vom Befreiungskrieg. Frankreichs Kriege und der deutsche Süden: Alltag - Wahrnehmung - Deutung 1792-1841. Paderborn 2007. - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher
Da Bayern durch Napoleon enorm an Gebieten zugelegt hat, war die Identifikation der 'bayrischen' Soldaten mit ihrem Landesherrn ganz unterschiedlich ausgeprägt. In den altbayrischen Gebieten kann man von einer höheren Akzeptanz des althergebrachten Herrschers ausgehen. In den neubayrischen Gebieten - in denen es womöglich vorher keine Rekrutierung durch Konskription gab - gab es gegenüber der Rekrutierung für die bayrische Armee auch die für die Zeit üblichen Resistenzhaltungen in Form von Selbstverstümmlung, Desertion und Versuche die als Soldaten 'entbehrlichen' Gesellschaftsmitglieder im Dorf selbst auszuwählen.

Könnt ihr mir vielleicht noch Literaturtipps geben, welche belegen, dass sich die Sachsen sehr mit ihrem König Friedrich August I. identifizierten und die Westfalen dies mit König Jerome nicht taten?
Zu Westfalen und dem Großherzogtum Berg finden sich Informationen in:
Gerd Dethlefs, Armin Owzar, Gisela Weiss (Hrsg.): Modell und Wirklichkeit. Politik, Kultur und Gesellschaft im Großherzogtum Berg und im Königreich Westphalen 1806-1813. Paderborn 2008. - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher
Ein Beleg für eine so pauschale Aussage wird allerdings schwer. Westfalen hatte mit dem Hof zu Kassel sicherlich auch noch am ehesten die Chance (lukrative Aufträge für Künstler und Personalbedarf) die Untertanen in den Staat zu integrieren.
 
Speziell zu Bayern empfiehlt sich auch Julia Murken: Bayerische Soldaten im Russlandfeldzug 1812: Ihre Kriegserfahrungen und deren Umdeutungen im 19. und 20. Jahrhundert.

Sie arbeitet auch sehr gut aus, wie die zeitnahen Erfahrungen und Deutungsmuster im Laufe der Jahrzehnte auch in der später entstandenen Memoirenliteratur umgedeutet wurden, um den neuen politischen Rahmenbedingungen zu entsprechen.
 
Der Russlandfeldzug Napoleons 1812

Hallo,

im Buch von Eckart Kleßmann "Die Verlorenen. Die Soldaten in Napoleons Rußlandfeldzug" steht auf S. 10 sinngemäß, dass die Arroganz mit der die Franzosen ihre Verbündeten innerhalb der Grande Armée behandelt haben gegenüber den deutschen Verbündeten besonders ausgeprägt war. Kann mir jemand sagen, weshalb die Arroganz gerade gegenüber den Deutschen in diesem Feldzug so ausgeprägt war?

Lg
 
Naja, das Deutsche Reich, welches 1806 aufhörte zu existieren, war ein Gegner Napoleons. Die Eingliederung der Rheinbundstaaten in das napoleonische Bündnissystem und später die Hochzeit Napoleons mit der österreichischen Prinzessin Marie-Louise von Habsburg und auch das Bündnis mit Preußen waren gewissermaßen durch Napoelons militärische Erfolge erzwungen (wobei es durchaus auch freiwillige Eintritte in das Bündnis gab, wie etwa durch Fürstin Pauline von Lippe). Das wusste natürlich auch die Franzosen. Kameradschaft mit jemanden, gegen den man vor einem halben Jahr noch gekämpft hatte? Mit Deutschland im Rücken nach Polen und Russland ziehen? Das konnte frz. Soldaten nicht ganz geheuer sein.
 
Hallo,

im Buch von Eckart Kleßmann "Die Verlorenen. Die Soldaten in Napoleons Rußlandfeldzug" steht auf S. 10 sinngemäß, dass die Arroganz mit der die Franzosen ihre Verbündeten innerhalb der Grande Armée behandelt haben gegenüber den deutschen Verbündeten besonders ausgeprägt war. Kann mir jemand sagen, weshalb die Arroganz gerade gegenüber den Deutschen in diesem Feldzug so ausgeprägt war?

Lg

War Sie denn "gerade" gegen die Deutschen besonders ausgeprägt? Wie sieht es denn mit den Niederländern, Italienern, Dänen, sogar Spaniern aus, die dabei mitmarschieren mussten?
 
Hallo,
im Buch von Eckart Kleßmann "Die Verlorenen. Die Soldaten in Napoleons Rußlandfeldzug" steht auf S. 10 sinngemäß, dass die Arroganz mit der die Franzosen ihre Verbündeten innerhalb der Grande Armée behandelt haben gegenüber den deutschen Verbündeten besonders ausgeprägt war. Kann mir jemand sagen, weshalb die Arroganz gerade gegenüber den Deutschen in diesem Feldzug so ausgeprägt war? Lg
Wenn es heißt die Franzosen und die Deutschen, dann werde ich misstrauisch.
Glücklicherweise bietet ein großer Online-Buchhändler einen Blick in das Buch, so dass die Seite der Einleitung lesbar ist.
Konkret heisst es:

"Die Arroganz, mit der die Franzosen andere Nationalitäten, desonders die Deutschen, behandelten, spürt man auch in den schriftlichen Zeugnissen, zum Beispiel in den Erinnerungen Marbots. Es ist schon kurios, wenn großmütig deutsche Soldaten innerhalb eines Gefechts eine Leistung gerade einmal als Hilfstruppen der Franzosen zugebilligt wird, wenn Franzosen gar nicht bei den Kampfhandlungen dabei waren, wie er dem Leser suggeriert. Auch für Ségur ist dies Haltung ganz normal. Die entscheidende Eroberung der großen Schanze in der Schlacht von Borodino ist für ihn selbstverständlich einzig der Leistung französischer Kürassiere zu verdanken. Dabei wäre dieser Erfolg gar nicht möglich gewesen ohne die Beteiligung von zwei sächsischen und zwei westphälischen Kürassierregimentern, zusätzlich noch unterstützt von polnischer Kavallerie." [1]

Aber Kleßmann relativiert seine Aussage selbst, der folgende Absatz beginnt:

"Diese Rivalität fehlt in der russischen Armee, von persönlichen Intrigen abgesehen..." [2]

Stellt sich die Frage: Arroganz oder doch eher Rivalität?

Ich bin ja nicht so sehr der Militär, aber ich meine, mich zu erinnern, dass die einzelnen nichtfranzösischen Kontingente der Großen Armee durchaus differenziert betrachtet wurden.

Grüße
excideuil

[1] Kleßmann, Eckhart: Die Verlorenen – Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug, Aufbau Verlag, Berlin 2012, Seite 10/11
[2] Kleßmann, a.a.O., Seite 11
 
Wenn es heißt die Franzosen und die Deutschen, dann werde ich misstrauisch

Danke für diesen erhellenden Beitrag. Er erinnert mich sehr stark an altrömische Berichte über das Ansehen der Legionen und der Hilfstruppen und dass auch zwischen diesen Rivalitäten erkennbar werden.
Wie lobt doch Tacitus in seinem Agricola, dass sein Held im heutigen Schottland eine Schlacht gewinnt und dabei das Blut der Legionen geschont wird, weil er Hilfstruppen einsetzt... Wie blitzt in den Annalen die Rivalität zwischen den Batavern und den Legionen auf? Wie bewertet noch die Überlieferung die Schlacht am Frigidus 394 n.Chr. als doppelten Erfolg für Rom, weil der Kaiser nicht nur seine römischen Bürgerkriegsgegner besiegte, sondern die kaiserlichen Foederati (Goten) einen so entsetzlichen Blutzoll für den Sieger errichten mussten, dass dieser Fakt als ein weiterer Sieg gewertet wurde... Gerade die Römer der Spätzeit schätzten ihre Foederaten auf dem Schlachtfeld, ohne deren Hilfe wäre ihre Armee längst nicht mehr Herr der Lage gewesen - aber dennoch misstraute man ihnen und was sie wünschten, wird aus der Aussage zum Sieg am Frigidus deutlich...

Weder Bataver noch Goten konnten sich mit ihrem Einsatz in die "Herzen der Römer" kämpfen. Genauso ging es den napoleonischen Verbündeten: So lange sie nützlich waren, war alles in Ordnung. Bei Misserfolgen wurden sie schnell Sündenböcke und im Zweifel gerne "sinnvoll verheizt"... Imperiale Logik scheint unausrottbar?
 
spürt man auch in den schriftlichen Zeugnissen, zum Beispiel in den Erinnerungen Marbots.

Arroganz ist aber leider ein universelles Ding. Habe mir die Memoiren des Generals Marbot nochmal - quer - durchgelesen.

Seine Schilderung enthält folgendes:
- Es kommen Franzosen und HIlfstruppen vor
- Den Russen wird ein gewisser Respekt gezollt.
- Es kämpfen Franzosen gegen Russen, ohne das Hilfstruppen erwähnt werden (habe es zumindest nicht gelesen)

Ob die Darstellung der Grande Armee, bestehend aus Franzosen und Hilfstruppen, eine bewußte Ausgrenzung der Hilfstruppen ist oder Marbot diese bei folgenden Schlachtbeschreibungen einfach als "Franzosen" sieht, ist nicht sofort ersichtlich.

Generell kitisiert dabei Marbot eine Form der Arroganz bzw. Überheblichkeit der französischen Offiziere, die sich vor allem in Bezug auf die Unterschätzung der russischen Armee auswirkt und sieht darin eine große Gefahr.

Interessant ist aber auch die Schilderung über den Umgang innerhalb der Armee. Die Arroganz der Umgebung von Marschällen gegenüber der "Linie". Wichtige Aufklärungsergebnisse, übermittelt von französischen Regimentskommandeuren persönlich, werden beispielsweise nicht ernst genommen, sondern arrogant belächelt.

In diesem Sinne ist das allgemeine Muster der Arroganz in der französichen Armee als "Ausgangspunkt" zu betrachten, um dann die spezifische Ausprägung gegenüber den unterschiedlichen nationalen Kontingenten zu bestimmen.

Insgesamt glaube ich, dass die Werte von "Soldatengesellschaften" sehr ähnlich sind. Und bis zu FdG ohnehin der Adel quer durch alle nationale Zugehörigkeiten seinen Dienst in ganz Europa tun konnte. Und es bis zu einem gewissen Punkt die individuelle oder auch kollektive Erfüllung der universellen soldatischen Normen waren, die die Wertschätzung der einzelnen Einheiten bestimmt hat.
 
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Sachsens und die Grande Armée

Danke für eure Antworten! Könnt ihr mir vielleicht noch Literaturtipps geben, welche belegen, dass sich die Sachsen sehr mit ihrem König Friedrich August I. identifizierten und die Westfalen dies mit König Jerome nicht taten?

Liebe Grüße Maui25

Für Dich ebenso einschlägig wie aktuell wäre wohl: Uwe Niedersen (Hg.), Sachsen, Preußen und Napoleon. Europa in der Zeit von 1806-1815, Dresden/Torgau 2013. Dieser Sammelband enthält zwar auch den ein oder anderen unbrauchbaren Aufsatz; aber auch Profis wie Salisch, Rauchensteiner und Kronenbitter sind dort vertreten. Als Monographie wäre für Dich neben der schon erwähnten Dissertation von Julia Murken über die Bayern im Russlandfeldzug sicher auch die Dissertation von Roman Töppel (Die Sachsen und Napoleon. Ein Stimmungsbild 1806 - 1813, Köln 2008) unverzichtbar.

Bemerkenswert ist m. E. vor allem deren Ergebnis, dass sich hinsichtlich der Identifikation sächsicher wie bayerischer Soldaten mit der "Sache Napoleons" (worin auch immer diese "Sache" eigentlich genau bestanden haben mag) deutliche Unterschiede zwischen zeitnahen Quellen wie Briefen oder Tagebüchern einerseits und zeitferneren Dokumenten wie Memoiren anderseits ergeben: Keinerlei antifranzösische, nationale Feindbilder in den zeitnahen Quellen, aber starke antifranzösische Affekte in den zeitferneren Dokumenten.

Die deutsche "Nationalisierung" des Feldzugs von 1812 (angeblich: "Beginn der nationalen Idee") taucht jedenfalls auf breiter Basis sozusagen erst im Rückspiegel auf...

Viele Grüße,
Mundharmonika
 
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