Gast schrieb:
Ich schreibe morgen eine Geschichtsklausur und bereite mich im Moment auf diese vor.
Könnte mir jemand sagen, inwieweit der Deutsche Imperialismus eine Ursache des 1. Weltkriegs ist?
Morgen schon? Tja, das wird dann etwas knapp sich tiefer reinzuarbeiten. Hier mal eine paar Gedanken dazu von mir...
Um die Jahrhundertwende war die Weltpolitik geprägt von einem Ringen der Großmächte um Einfluß und Geltung. Aus der Natur der Sache ist jeder Machtgewinn irgendwann zwangsläufig ein Machtverlust eines Konkurrenten. Die Rolle Deutschlands als "neuer Spieler" auf dem Globus fällt genau in dieses Schema. Da in Europa ein Ausbau der eigene Rolle für die Großmächte praktisch nur auf dem Gebiet der Wirtschaft möglich war, verlegte sich der Wettkampf um Gebietserweiterungen auf die "weißen Flecken" der Weltkarte in anderen Erdteilen, wie Pope schon richtig anführte. Auch dort kam es dann zu Konkurrenzkämpfen und Mißstimmungen, weil sich andere Großmächte auf diverse Arten in die fremden imperialen Bestrebungen "einmischten". Nach dem Prinzip: wenn ich den Fleck nicht bekomme, soll der andere ihn auch nicht bekommen...oder nur gegen Gegenleistungen an mich.
Zweifellos sorgten diese Interessenkollisionen fernab von Europa für eine Verschärfung der Gegensätze unter den (europäischen) Großmächten, aber ein alleiniger oder auch nur sehr gewichtiger Grund ist der deutsche Imperialismus nach meiner Einschätzung nicht. Es gab viele Staaten, die imperialistische Politik betrieben (Niederlande, Portugal, Spanien, Belgien...) die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges nichts zu tun hatten.
Gegenüberlegung ist, wie wäre die Geschichte abgelaufen, wenn sich Deutschland konsequent jeder Kolonialpolitik enthalten hätte und auch jeden Zusammenstoß mit den Interessen anderer Großmächte in Drittländern (z.B. Bagdadbahn) vermieden hätte? Was hätte man sich langfristig alles "gefallen" lassen müssen? Wäre es innenpolitisch verkraftbar, die eigene Wirtschaftsexpansion ständig zurückzupfeifen, wenn andere Großmächte sich pikiert zeigten? Wie hätte die Reaktion auf militärische Drohungen ausfallen sollen, wenn man selbst tief gerüstet hätte? Wie kann eine vor Kraft strotzende Wirtschaft, eine ganze Nation ständig gezügelt werden - und kann so eine Macht auf Dauer unpolitisch bleiben? :grübel:
Alles Spekulation...vielleicht hilft ein Blick auf die Bundesrepublik der späten 80er Jahre und auf das wiedervereinigte Deutschland. Dieser Staat, als eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt, konnte sich nicht mehr den Forderungen auf Mitarbeit in z.B. der UN (Blauhelme) verschliessen. Ein reicher Kaufmann, der mit Geld Einfluß ausübt, aber seine Meinung nicht offensiv vertritt? Das funktioniert in der Realität nicht.
Nein, ich meine die Hauptgründe für den großen Krieg lagen in der damaligen weltpolitischen Situation und vor allem der Denkweise, in der jeder den anderen erstmal als Konkurrenten ansah und man Kriege noch für regional begrenzt führbar hielt. Nach diesen Denkmustern mußte es einfach irgendwann einmal "krachen", sobald sich einerseits die Lage scheinbar zum Vorteil eines Machtblocks verschoben hatte und es dann noch einen Anlaß gab, das Pulverfaß zu zünden...