Industrialisierung und Umweltverschmutzung

L

Lealein

Gast
Ihr Lieben, aktuell mache ich eine Unterrichtssequenz zu langfristigen Folgen der Industrialisierung in der Q1. Hierzu möchte ich in meinem ersten UB das Thema Umweltverschmutzung thematisieren, da es sehr aktuell ist. Leider fällt mir keine Problematisierung ein. Vielleicht hat jemand eine Idee. Quellen liegen vor, sowohl zu den Umweltschäden, zu Demonstrationen gegen die Errichtung von Chemiewerken und auch zwei Quellen aus denen hervorgeht, dass die Natur nicht so wichtig sei, da neue Fabriken ja neue Arbeit schaffen würden und daher etwas gegen die sozialen Missstände tun.

Über jede Hilfe bin ich sehr dankbar. MFG Lea
 
Was liegen dir denn für Quellen vor?

Bei Umweltschutzthemen konkurrieren ja immer - je nach Sichtweise - zwei bis drei legitime Interessen miteinander: Arbeit (und Profit) vs. Umweltschutz. Da kann es schon mal sein, dass sich der in seiner sozioökonomischen Existenz bedroht fühlende Arbeiter aus dem Braunkohletagebau und der Umweltschützer unversöhnlich gegenüber stehen (es gibt auch immer wieder Berichte von wechselseitigen Übergriffen). Zum problematisierenden Unterrichtseinstieg eignen sich Bildquellen ganz gut (abhängig von der Aussagekraft des Bildes natürlich). Zur Problematisierung könntest du, wenn du hast, eine entsprechende Bildquelle nehmen (oder zwei Bildquellen einander gegenüberstellen): den Umweltschützer, den ganz konkrete Ängste über das wie und ob unserer Weiterexistenz auf diesem Planeten plagen und den Arbeitnehmer, der ganz konkret seinen Arbeitsplatz und seine Alterssicherung bedroht sieht. Beide haben legitime Interessen, die sich aber diametral gegenüber stehen. Als dritte Partei kommen Unternehmer und Aktionär in Frage, die investiert haben und natürlich am Ende des Tages mehr und nicht weniger Geld in den Taschen haben wollen. Das könnte aber heikel werden, weil du, wenn du hier nicht aufpasst, leicht gegen das Gebot verstößt, die Schüler nicht emotional zu überwältigen (Beutelsbacher Konsens). Wenn deine Schüler aber gut und diskussionsfreudig sind, dann kommen sie auch allein auf das Thema des Profits und es gibt garantiert ein paar diametrale Auffassungen dazu im Kurs, dass da durchaus die Fetzen fliegen können. Ich hoffe, der UB liegt in einer geeigneten Stunde (also 2. oder 3.: die Schüler sind nicht noch verschlafen oder schon wieder müde ;-) ).
 
Hierzu möchte ich in meinem ersten UB das Thema Umweltverschmutzung thematisieren, da es sehr aktuell ist. Leider fällt mir keine Problematisierung ein. Vielleicht hat jemand eine Idee.

1. Das Thema ist nicht "aktuell". Es war seit den siebziger Jahren aktuell und in diese Phase fällt auch die Formulierung einer "Politischen Ökologie". Die Relevanz zeigt sich an den Berichten des Club of Rome. Und hat unser Verständnis von Natur als ein System grundlegend verändert.

Gruhl, Herbert (1978): Ein Planet wird geplündert. Die Schreckensbilanz unserer Politik. Frankfurt am Main: Fischer
Meadows, Dennis; Meadows, Donella; Zahn, Erich; Milling, Peter (1980): Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart: Dt. Verl.-Anst.
Meadows, Donella H.; Randers, Jørgen; Meadows, Dennis L. (2004): Limits to growth. The 30-year update. White River Junction, Vermont: Chelsea Green Publishing Company.

Als aktuelle Sammlung von Tabellen und Schaubildern etc. ist der Atlas zur Globalisierung empfehlenswert.

Buitenhuis, Adolf (2019): Atlas der Globalisierung. Welt in Bewegung. Berlin: taz Verlags

2. Dass Dir keine Problematisierung einfällt, überrascht doch ein wenig. Anyway......

Es sind in jedem Fall sehr abstrakte Aspekte. Und Dir selber würde ich empfehlen, Dietrich Dörner: Die Logik des Mißlingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen anzusehen. Den systemischen bzw. kausalen Zusammenhang beleuchtet z.B. Gomez & Probst: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens. Das Denken in komplexen kausalen Strukturen hilft, die Probleme transparent zu machen. Kann man auch sehr schön durch Gruppen von Schülern leisten lassen.

Und deswegen folgende Problemstellungen:
- Was sind die Gründe für die Ursachen der Umweltverschmutzung?
- Was verhindert effektive Strategien zur Eindämmung der Umweltverschmutzung ?
- Welche alternativen Modelle - falls welche vorhanden sind - stehen uns zur Verfügung, Gesellschaft, Wirtschaft und Ökologie in ein sinnvolles Gleichgewicht zu bringen?

Im Prinzip kann man das Thema auf einzelne Aspekte runterbrechen. Das Thema "Wasser" wird eines der zentralen Probleme in den nächsten 50 Jahren werden. Und Verteilungskonflikte sind programmiert. Es wäre ein sehr gutes "Gesamtprojekt".

3. Idee?Ja, einen "Klassiker" zu lesen, der es unkompliziert an vielen Punkten zeitlos auf den Punkt bringt. Und auf eine geradezu beängstigenden Art aktuell ist in seinen Fragen.

Pestalozzi, Hans A. (1980): Nach uns die Zukunft. Gümligen: Zytglogge.

Vielleicht ist es lohnenswert mit Schülern das Thema des Kommunitarismus in diesem Kontext zu besprechen. Es bietet einen Ansatz, einer solidarischen Problemlösung

https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunitarismus

Und aktuell und pointiert:
https://www.freitag.de/autoren/michael-jaeger/kaeufer-vereinigt-euch
 
Zuletzt bearbeitet:
In einer durchaus "einflussreichen" Sammlung von Beiträgen zu Zukunftsentwürfen für das Jahr 2050 aus dem Jahr 2012, kommt aus ökonomischer Sicht das Thema Ökologie nicht vor.

Lediglich auf S. 269 ist eine Tabelle vorhanden: "Weather becomes less deadly", was einerseits ein tragischer Irrtum in der Prognose ist und andererseits deutlich macht, dass das Thema von der Ökonomie gemieden wird.

Was lernen wir daraus für die Ursachen des Klimawandels und dem Umgang mit dieser Situation?

Franklin, Daniel; Andrews, John (Hg.) (2012): 2050. Megachange. The world in 2050. Profile Books, London: The Economist in association with Profile Books Ltd
 
Ist das womöglich ein Problem des Buches, nicht (mehr) der Ökonomie an sich?

Als eifriger Zeitungsleser entsinne ich mich, dass die großen Rückversicherer sich dieses Themas mehr und mehr annehmen, ebenso wie die ersten großen institutionellen Anleger, z. B. der norwegische Staatsfonds. Hier dürfte die Praxis die Theorie schneller überholt haben, als es jener lieb ist, egal, ob bis irgendwohin noch gewollt oder ab diesemdort gezwungenermaßen...
 
Leute, es geht hier um Geschichtsuntericht der JGS 11 (oder in Bundesländern mit 13 Schuljahren der JGS 12) in einem Unterrichtsbesuch, es sind also 45 bis 90 Minuten Zeit, Überfrachtung der Schüler oder des Pädagogen bringt nichts. Es geht wohl um den Problematisierenden Unterrichtseinstieg, eine didaktische Methode des Geschichtsunterrichts, bei der bei Schülern eine kognitive Dissonanz ausgelöst werden soll. Z.B. durch einen in einer (meist Bild-)Quelle unaufgelösten Widerspruch oder dadurch, dass das vermeintlich sichere Wissen der Schüler durch einen Sachverhalt in Frage gestellt wird.
 
Ist das womöglich ein Problem des Buches, nicht (mehr) der Ökonomie an sich?

Als eifriger Zeitungsleser entsinne ich mich, dass die großen Rückversicherer sich dieses Themas mehr und mehr annehmen, ebenso wie die ersten großen institutionellen Anleger, z. B. der norwegische Staatsfonds. Hier dürfte die Praxis die Theorie schneller überholt haben, als es jener lieb ist, egal, ob bis irgendwohin noch gewollt oder ab diesemdort gezwungenermaßen...

Das ist ein Problem des Buches, von Kolumnisten und Journalisten.

Mit einer Wissenschaftsebene hat das nichts zu tun.
 
Es wird nichts "Überfrachtet", wenn man eine Reihe von Aspekten aufzeigt. Was dann umgesetzt wird, liegt im Verantwortungsbereich des Lehrers. Nur sollte er das Thema schon ein wenig umfangreicher wie seine Schüler beherrschen und es ist nicht meine Aufgabe, ein Thema so einzuschränken, dass keine Auswahl mehr möglich ist.

Die Beiträge aus dem Umfeld von "The Economist" sind eher als Beiträge von "Meinungsbildnern" zu verstehen, die die Sicht aus und in die Etagen der CEO`s mit beeinflussen. Viele - auch einflussreiche mit hoher Reichweite - Wirtschaftsmagazine haben im engeren Sinne wenig mit einer "Wissenschaftsebene" zu tun, dennoch sind sie Meinungsbildner in der Wirtschaft. Auch für den Umgang mit ökologischen Themen.

Das ich es angeführt habe, sollte lediglich den temporären Befund verdeutlichen, dass selbst "Zukunfts-Szenarien" nicht stark durch Einflussgrößen der Ökologie geprägt worden sind.

Das mag sich verändert haben, vermutlich auch branchenspezifisch.
 
Ich teile nicht die Ansichten, Pauschalierungen wie zB von "der Ökonomie" (und was "sie" angeblich meidet) vorzunehmen.
Meinungsbildnerschaften und Etagenbeeinflussungen durch Magazine wären auch konkret zu belegen.
Das ist aber nur ein Diskussionsrand und Wahrnehmungsfrage, letztlich egal.

Zum Thema Ökonomie und Climate Change sei nur auf den Nobelpreisträger Nordhaus und seine jahrzehntelangen Forschungen verwiesen. Zu seiner Basis Tobin, Solow und Samuelson auf das Vorwort seiner Publikation 2013 The Climate Casino - Risk, Uncertainty, and Economics for a Warming World, relevanter als ein auf breiten Absatz zielender Reader vom The Economist, der hier in keiner Weise den Anspruch formulieren kann, für "the economics" zu stehen. Nordhaus ist hier nur Beispiel für andere wie Alan S. Manne/Stanford, der mit seinen Modellen für den Energiesektor eine Generation von Ökonomen beeinflusst hat.

Ob dagegen die Öffentlichkeit inkl. Wirtschaftspresse oder Politik das früh (und angemessen) wahrgenommen hat, kann auch dahin gestellt bleiben. Diese Rezeptions-Kritik würde aber auch andere Bereiche treffen, inkl. den naturwissenschaftlichen.
 
Lea,

dazu ein paar Gedanken.
Umweltverschmutzung (so der unglückliche deutsche Begriff, der besser Umweltbeeinträchtigung hieße) ist ja ein ein altes Problem welches (zunächst) erheblich mit der Nutzung der Kohle einhergeht.
Berühmt ist ja die Smog-Katastrophe in London 1952.
http://scienceblogs.de/frischer-wind/2010/01/25/die-londoner-smogkatastrophe-von-1952/?all=1

London jedoch kämpft bereits im 19. Jhd. mit dem Problem.
Folgt man Brüggemeier (Grubengold -C.H.Beck 2018 – S.110), dann findet sich eine ähnliche Krise in London bereits 1873 und in den 1890ern traten größere Smog Ereignisse „jährlich an 70 bis 80 Tagen“ auf.
Und allgemein entstammten die „Rußwolken“ zum größeren Teil den Feuerstätten von Industrie und Handwerk.

Das Problem fand sich hier überall wo große Mengen an Kohle verfeuert oder auch abgebaut wurden,
blieb jedoch eine eher lokale Erscheinung.

Aber, ab wann eigentlich wird dergleichen als internationale oder gar globale Erscheinung gesehen?
Anfang der 80er gibt es Verhandlungen zwischen Kanada und den USA bezüglich des grenzüberschreitenden sauren Regens. (Naomi Oreskes – Mechants of Doubt Bloomsbury 2010 – S.118ff)
Mitte der 80er wird das, sich ausweitende, Ozonloch über der Antarktis entdeckt. (Für wesentliche Beiträge zur Entschlüsselung der globalen Ursachen menschlichen Tuns erhält Paul Crutzen den Nobelpreis 1995 dafür. )

Spätestens jetzt ist die Problematik der „Umweltverschmutzung“ als global beschrieben.

Und das scheint mir ein interessanter Punkt zu sein.
Denn es kennen wohl alle Schüler und Schülerinnen die Schülerin Greta Thunberg, die schneidend intelligent, und mit wissenschaftlicher Beratung, die Gefahren für die Zukunft ihrer Generation zutreffend und verstehbar als global beschreibt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Stichwort könnte einfach Willy Brandt sein mit der Forderung das der Himmel über dem Ruhrgebiet wieder blau werden muss.
 
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