Interessenausgleich 1912

bine

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hallo könnt ihr mir helfen bitte?
britische karikatur 1908 und deutsche karikatur 1912
wie spiegeln sich diese verhältnisse?Welche (damals) aktuellen Hintergrund haben die beiden ?
warum scheitert der deutsch-britsche Interssenausgleich 1912? Nicht nur auf das Jahr 1912 bezogen.
Danke gibt es irgendwo Links die man sich anschauen kann habe keine gefunden
 
Ein Hinweis:

Für Bismarck waren die Expansionsbestrebungen Deutschlands auf dem Kontinent nach 1871 zunächst saturiert gewesen. Nach dem Thronbesteigung Wilhelms II. und der Absetzung Bismarcks wuchs der Einfluss jener Kräfte, die eine expansive Politik auch in Europa befürworteten. Angesichts ausbleibender greifbarer außenpolitischer Erfolge mit diplomatischen Mitteln geriet eine bewaffnete Auseinandersetzung immer mehr zu einer scheinbar annehmbaren Option, um die in den Augen der Elite Deutschlands unbefriedigende Situation zu durchbrechen. In einem Klima des übersteigerten Nationalismus wuchs die Bereitschaft der Regierenden, eine militärische Lösung der Konflikte zu suchen...

http://www.stmuk.bayern.de/blz/web/erster_weltkrieg/3.html
 
gibt es irgendwo Links die man sich anschauen kann habe keine gefunden
Ja, gibt es in jeder guten Bibliothek und auch im Buchhandel, z.B. Wolfgang J. Mommsen: War der Kaiser an allem schuld?, Berlin 2002. Das Buch ist kürzlich in einer preiswerten TB-Ausgabe erschienen und geht sehr ausführlich auf dieses Thema ein.
 
...warum scheitert der deutsch-britsche Interssenausgleich 1912? Nicht nur auf das Jahr 1912 bezogen....

Zu den ökonomischen und politischen Zusammenhängen der deutsch-britischen Beziehungen erscheint mir folgendes Zitat recht erhellend:
„1890 erneuerte Caprivi den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht, das sich daraufhin Frankreich näherte, mit dem es 1892 einen Militärpakt abschloss. In den neunziger Jahren schien wiederholt eine deutsche Annäherung an England möglich; aber die entscheidenden Bündnisverhandlungen scheiterten um die Jahrhundertwende. England verbündete sich statt dessen mit Frankreich (1904 ) und kam schließlich auch trotz weltweiter Gegensätze zum Ausgleich mit Russland ( 1907 )....“

Die deutsche Außenpolitik der Vorkriegszeit hatte keine Wahl zwischen englischer und russischer Orientierung. Solange in Deutschland die Konservativen [die im wesentlichen die Interessen des ostelbischen Großgrundbesitzes vertraten] politischen Einfluß hatten und solange die ganze Wirtschaftspolitik primär auf die staatliche Subventionierung der agrarkapitalistischen Getreideproduktion durch [Schutz-] Zölle eingestellt war, hätte eine außenpolitische Entscheidung für England oder für Rußland sozial in der Luft geschwebt. Mit dem sozialen Aufbau des Bismarck-Reiches harmonierte, seitdem es in Deutschland eine Krise des politisch mächtigen, verschuldeten Grundbesitzes östlich der Elbe gab, nur die Entscheidung der Außenpolitik gegen England und gegen Rußland...
Die preußische Binnenwirtschaftspolitik, die ihre außenpolitische Basierung seit dem 18. Jahrhundert nicht in der Beherrschung von Kolonien und überseeischen Interessengebieten, sondern in der... Exploitierung des industriell unerschlossenen Ostens fand, änderte in der Agrarkrise seit 1875 ihre Tendenz. Bismarcks Zollpolitik von 1879 hatte außenpolitisch die Wirkung, dass Rußland seine deutsche Einfuhr in den achtziger Jahren fast auf die Hälfte drosselte, in den neunziger Jahren mit äußerster Anstrengung... an den Aufbau einer eigenen Industrie ging, um von der deutschen Handelspolitik unabhängig zu werden... Schon Bismarcks politische Russenfreundschaft und wirtschaftliche Russenfeindschaft widersprechen sich vollständig und lassen in viel stärkerem Umfange als meist eingestanden wird, das kunstvolle Gebilde seines außenpolitischen Systems als eine anachronistische künstliche Konstruktion einer diplomatischen Kabinettspolitik, neben der isoliert eine autonome Wirtschaftspolitik steht, deren entgegengesetzte Wirkungen nicht ins Kalkül gezogen werden... Die wirtschaftliche Rücksicht auf die politisch russenfreundlichen Agrarkonservativen [d.h. die ostelbischen Grundbesitzer] hat eine zunächst wirtschaftliche und dann auch politische Feindschaft zwischen Rußland und Deutschland hervorgerufen. Bismarck hat die wirtschaftliche Grundlinie des preußischen Staates: Exploitierung des industriell unerschlossenen Ostens durch die eigene Industrie - umgebogen und, da ein ausländisches Absatzgebiet nötig war, die Industrie auf die überseeische Expansion gezwungen. Der deutsche Imperialismus hat sein letztes Motiv nicht im Kapitalismus, sondern in der Machtstellung der Agrarier, die der Industrie die Expansionsrichtung vorschrieben. Und die deutsche Industrie, deren Führer sich dem Staat anglichen..., fügte sich dem agrarischen Willen, der vom Staat gestützt wurde...Es war nicht so sehr der kapitalistische Gegensatz Deutschlands gegen England, der die Entscheidung von 1900 [2.Flottengestz] bestimmte, als die Vereitelung der kapitalistischen Expansion nach Rußland durch die Landwirtschaft, welche die Expansion über See und damit den militärischen Gegensatz zu England zur Folge hatte...
Dass das deutsche Kapital anstatt des kampflosen Einströmens in das kapitalbedürftige Rußland den Weg des gefährlichen Kampfes mit England wählte, das war ihm aus der sozialen Lage mit ihrem Primat der Agrarier vorgeschrieben...
Und England, dessen Eintritt in die russisch-französische Entente erst den Ausgang des Weltkrieges entschied, wurde durch die deutsche Außenpolitik aus dem Anschluß an Deutschland zum Anschluß an Frankreich und Rußland hinübergedrängt. Das hat seine soziale Unterbauung darin, dass in der Englandfeindschaft sich Kapitalismus und Agrarier in Deutschland trafen... Die Englandfeindlichkeit ist das Ventil gewesen, um den aufeinander prallenden Kräften der Industrie und der Landwirtschaft einen außenpolitischen Ausweg zu ermöglichen.“
aus: Kehr, E.: Englandhaß und Weltpolitik. In: Der Primat der Innenpolitik. Berlin 1965, S. 152 ff
[Anmerkungen von mir - Klaus P.]
 
Die losen französischen –russische Absprachen von 1892 mündeten in eine vertragliche Militärallianz, die am 27.12.1894 zustande gekommen ist.. Das hatte sich bereits in den Jahren 1891, Besuch der französischen Flotte in Kronstadt und 1893, Gegenbesuch der russischen Flotte in Toulon, abgezeichnet. Die Reichsleitung hat diesen Vorgängen nicht den angemessenen Stellenwert beigemessen, den sie tatsächlich aber hatten. Man hielt eine erneute Verbesserung der Beziehungen zu Russland für möglich.

Die Entente Cordiale war kein formales Bündnis, sondern eher eine kolonialer Interessenausgleich in Nordafrika. Hier dazu der Vertragstext:

http://www.lsg.musin.de/gesch/Material/Quellen/entente_cordiale.htm

England kam mit seiner „Weltpolitik“ an seine Grenzen (Afrika, Indien,Persien, Südostasien) und sondierte beim Deutschen Reich die Aussichten einer Annäherung. Die Gründe hierfür waren u.a.:

  • Verhältnismäßige, zu diesem Zeitpunkt 1898, geringe Gegensätze zum Deutschen Reich
  • Heftige imperialistische Gegensätze zu Russland und Frankreich
  • Verhinderung eines deutsch-.russischen Kontinentalblocks
Das Deutsche Reich lehnte ab, weil man der irrigen Meinung war, man hätte immer noch „freie Hand“ Weitere Gründe für die Ablehnung waren die Befürchtung, in einem künftigen Kriege zwischen England und Russland die Hauptlast tragen zu müssen. Des Weiteren pokerte man wohl auf weitere Zugeständnisse seitens Englands.
 
Ein komplexes Thema, mit dem man Seiten füllen könnte. Ich möchte mich so kurz wie möglich fassen und nur auf die lezten Jahre vor der Katastrophe eingehen. Das deutsche Weltmachtstreben und der Flottenbau sind schon zur Genüge durchgekaut worden.

Hier spielt eine Reihe von Aspekten eine Rolle. Ein ganz wichtiger Punkt ist der, das im Jahre 1905 in Großbritannien die Liberalen die Regierung übernahmen. Der neue Außenminister war Edward Grey. Grey war zu jener Zeit ausgesprochen antideutsch eingestellt.

Er signalisierte bereits wenige Tage nach der Amtsübernahme den Russen, es gab auch schon unter der Vorgängerregierung entsprechende Bemühungen, ein starkes Interesse an einem kolonialpolitischen Ausgleich in Asien. Gemeint sind hier konkret Afghanistan, Persien und China. Das Ergebnis war der Ausgleich von 1907. In der Folge ging es Grey darum, die Beziehungen zu Frankreich aber noch mehr zu Russland irgendwie zu trüben. Das schränkte seinen Handlungsspielraum gegenüber dem Deutschen Reich naturgemäß ein.

Nach der Marokkokrise Teil 2 veränderte sich Grey Einstellung gegenüber dem Deutschen Reich aber merklich. Ursache war die konstruktive und erfolgreiche Zusammenarbeit zur Verhinderung einen großen Krieges im Zuge der Balkankriege 1912/13. Erschüttert und getrübt wurde diese Entspannung nach dem Bekanntwerden der Verhandlungen einer Marinekonvention zwischen Russland und Großbritannien. Der britische Außenminister hat diese Verhandlungen auf sehr geschickte Weise gegenüber dem britischen Parlament und dem deutschen Botschafter geleugnet.

Allerdings muss man der Fairnesshalber auch anmerken, das Grey praktisch keine andere Wahl hatte, als auf diesen sehr nachdrücklich vorgetragenen Wunsch der Russen und Franzosen einzugehen; es sei denn er wäre bereit beispielsweise in Persien Nachteile in Kauf zu nehmen. Das stand aber nicht ernsthaft zur Disposition und des Weiteren ebenfalls auch nicht eine Trübung der Beziehungen zu den Ententepartnern. Nichts destotrotz gilt es festzuhalten, das Grey gute Beziehungen zum Deutschen Reich wünschte.

Aus deutscher Sicht gilt es festzuhalten, dass man zu viel wollte. Es ging in der Sache darum Großbritannien aus dem empfundenen eisernen Ring herauszubrechen. Das war nach Lage der Dinge ein vollkommen unrealistisches Vorhaben. Die Haldane Mission ist u.a. an dieser Frage aber auch an dem Betonkopf Tirptiz mit seiner unflexiblen Haltung in der Frage der Flottenrüstung gescheitert. Nach dem Scheitern dieser Mission war man sich aber einig, das Flottenrüsten erst einmal beiseite zu lassen und den Kontakt eben nicht wieder abreißen zu lassen und es kam ja auch, wie bereits oben erwähnt, durchaus zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit.

Erwähnenswert ist noch, das im Foreign Office und den wichtigen Botschaften in Paris, Petersburg und Berlin Botschafter tätig waren, die antideutsch eingestellt waren. Das hat die Verständigung auch nicht eben erleichtert. Dafür galt im Deutschen Reich immer mehr der Primat des Miltärs. Als Beispiel sei hier nur der Schlieffenplan erwähnt. Als Bethmann-Hollweg und das AA Kenntnis hervon bekamen, insbesondere sei hier die Verletzung der belgischen Neutralität erwähnt, haben sie nicht gegen die militärischen Halbgötter protestiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus deutscher Sicht gilt es festzuhalten, dass man zu viel wollte. Es ging in der Sache darum Großbritannien aus dem empfundenen eisernen Ring herauszubrechen. Das war nach Lage der Dinge ein vollkommen unrealistisches Vorhaben. Die Haldane Mission ist u.a. an dieser Frage aber auch an dem Betonkopf Tirptiz mit seiner unflexiblen Haltung in der Frage der Flottenrüstung gescheitert.

Die diversen "Interessenausgleiche" weisen folgenreiche Interdependenzen auf:

"Der [britisch-russische] Ausgleich vom Sommer 1907 entzog der deutschen Außenpolitik eines ihrer wichtigsten Instrumente überhaupt: die Ausbeutung des anglo-russischen Gegensatzes, die fast ein halbes Jahrhundert wirksam eingesetzt worden war und letztlich aber auch durch fortwährende Bewegung in den Beziehungen zur Stabilität des Systems beigetragen hatte."

Rose (Zwischen Empire und Kontinent, S. 447) umschreibt hiermit die Katastrophe für die deutsche Außenpolitik, die die nächsten Jahre prägte. 1912 gab es zudem - anders als zu Bismarcks Zeiten, etwa noch 1885 - nichts, was Großbritannien an der kolonialen Peripherie vom Deutschen Reich angeboten werden konnte. Dafür war man auf besten Wege, sich in der Achse Dardanellen-Persischer Golf anzulegen. Und in der Flottenrüstung produzierte der deutsche Anteil einen gewissen Bedrohungsfaktor, sowie unangenehme finanzielle Folgen für Großbritannien. Dank des "dreadnought-scares" befand er sich mit verstärkten britischen Anstrengungen aber auf dem absteigenden Ast.

Es blieben damit theoretisch:
a) das weitgehende deutsche Entgegenkommen in der Machtpolitik auf der Linie Berlin-Bagdad
b) das Flottenarrangement

Beide Aspekte dürften - selbst kumulativ! - nicht die Attraktivität gehabt haben, Großbritannien aus dem Interessenausgleich mit Rußland zu lösen. Dieser hatte als Hintergrund die Sicherung der britischen Interessen im Mittleren und Fernen Ostens, diese wiederum stellten nach Auffassung der Politik das Herzstück des Empire dar. Was sollte man dagegen tauschen? Eine Wende hätte hier nur ein aufsteigender britisch-russischer Konflikt gebracht, der jedenfalls von britischer Seite für die nächste Dekade befürchtet wurde.
 
silesia schrieb:
"Der [britisch-russische] Ausgleich vom Sommer 1907 entzog der deutschen Außenpolitik eines ihrer wichtigsten Instrumente überhaupt: die Ausbeutung des anglo-russischen Gegensatzes, die fast ein halbes Jahrhundert wirksam eingesetzt worden war und letztlich aber auch durch fortwährende Bewegung in den Beziehungen zur Stabilität des Systems beigetragen hatte."

Ja, für die deutsche Außenpolitik war das schier Unvorstellbare geschehen.


silesia schrieb:
Dafür war man auf besten Wege, sich in der Achse Dardanellen-Persischer Golf anzulegen.

Hier hat man sich viel zu sehr im Schlepptau von ÖU nehmen lassen und des Weiteren auch die britische Rolle als "Wächter" der Meerengen übernommen. Das konnte und musste und hat die Beziehungen zu Russland in der Fogle sehr schwer belastet. Andererseits musste man in der Reichsleitung darauf achten, ÖU war schließlich der einzige verbliebende Verbündete, Italien zählte praktisch nicht mehr, diesen zu verlieren. Es stand die Drohung des Ballhauplatzes im Raum, man könnte sich ja mit Großbritannien und Frankreich arrangieren. Das war zwar ein unrealisitisches Szenario, aber man zu es in Berlin damals ernst genommen.


Beide Aspekte dürften - selbst kumulativ! - nicht die Attraktivität gehabt haben, Großbritannien aus dem Interessenausgleich mit Rußland zu lösen.

Das haben weder Bethmann, Kiderlen-Wächter und später Jagow in vollen Ausmaße erkannt. Sie waren der Meinung, im Verlaufe der Zeit, sei es möglich mit Großbritannien zu weiterreichenden Vereinbarungen zu gelangen. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn nicht der Weltkrieg dazwischen gekommen wäre. In Persien hatte es zu jener Zeit, wieder einmal, bedenklich geknirsch. Die Russen waren dort ziemlich rücksichtslos und haben die britische Schwäche knallhart ausgesnutzt.
 
silesia schrieb:
Es blieben damit theoretisch:
a) das weitgehende deutsche Entgegenkommen in der Machtpolitik auf der Linie Berlin-Bagdad
b) das Flottenarrangement

Ja, und genau das entscheidende Entgegenkommen in der Flottenfrage, dazu war Kiderlen-Wächter ja durchaus bereit. Das hatte er ja schon sehr deutlich in seinen Denkschriften als Botschafter an Bethmann-Hollweg zum Ausdruck gebracht. Überhaupt stimmten Kiderlen und Bethmann in der Frage und Vorgehensweise der politik gegnüber Großbritannien weitesgehend über ein. Das dürfte nicht zuletzt der Grund dafür gewesen sein, das Kiderlen Staatssekretär des AA geworden war.

Es wird wohl schon seine Gründe gehabt haben, das ausgerechnet der Staatssekretär des AA bei den Gesprächen/Sondierungen mit Haldane nicht hinzugezogen worden war. Interessant ist, das Kiderlen den Charakter dieser Sondierungen durch zutreffend erfaßt hatte; im Gegensatz zum Kaiser oder Bethmann-Hollweg.

Als dann 1912 die Balkankrise, später Krieg, ausbrach, ging es Kiderlen um eine Verhinderung bzw. Ausweitung des Konflikts, nicht um Bündnistreue. Das musste Kiderlen erst einmal Wilhelm klarmachen, der den "Siegezug" der Balkanmächte nicht gestoppt sehen wollte. Das war der entscheidene Gegensatz zu dem Juli 1914, wo es um unbedingte Treue gegeüber Österreich-Ungarn ging.

Es hat durchaus etwas für sich, das die Julikrise 14 möglicherweise einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn Kiderlen nicht am 30.Dezember 1912 überraschend verstorben wäre. Wie klamm das Reich mit fähigen Diplomaten war, mang man schon daran ermessen, wie schwer man sich mit der Nachfolgefrage tat.
 
Des Weiteren ist auch zuberücksichtigen, das für Grey die Haldane Mission auch ein vorzügliches Druckmittel war, um das Zarenreich in Persien zur Räson zu bringen. Die britische Position war ja auch nicht soo elastisch, obwohl das Scheitern klar auf das Konto von Wilhelm und Tirpitz zu buchen ist.
 
Des Weiteren ist auch zuberücksichtigen, das für Grey die Haldane Mission auch ein vorzügliches Druckmittel war, ...

Hast Du dazu weitere Informationen, zu dieser "Instrumentalisierung"?

In 1912 gab es doch auch die ersten Fühler für eine Marinekonvention, außerdem die absehbaren Budgetprobleme für die auf Hochtouren laufende Rüstung.
 
Die Briten waren üer das Vorghen der Russen im nördlichen persien nur äußerst mäßg begeistert; wurden doch die Abmachungen von 1907 mit den Füßen getreten. Die Russen ließen den Briten brutal spüren, das sie am längeren Hebel saßen und traten entsprechend auf. Britische beschwerden wurden geflissentlich ignoriert.

Die britische Presse beschwerte sich lautstark über die russischen Zumutungen und forderte daher in Teilen die Annäherung an Deutschland. Das galt auch für das Unterhaus.

Grey war zu jener zeit noch darauf festgelegt, das erst die Flottenrüstung geklärt sein müßte. Aber für das Zarenreich könnte man ja, öffentlichkeitswirksam, demonstrieren, das es auch die Option einer Annäherung an das Deutsche Reich gäbe. Es ging also nicht so sehr um ein Ergebnis, sondern einfach um das Verhandeln als solches.
 
Die Briten waren üer das Vorghen der Russen im nördlichen persien nur äußerst mäßg begeistert;

Mit dem Interessenausgleich 1907 war Persien im Prinzip in 3 Zonen aufgeteilt: die nördliche wurde als russische Interessensphäre geführt, die mittlere war neutralisiert, die südliche den Briten zugeschlagen.

Allerdings verstärkte sich die russische Position aus britischer Sicht bedenklich: es wurden Ansprüche auf den neutralisierten Teil geltend gemacht. Zusätzlich engagierte sich Russland mit Anleihen für Persien, um die Abhängigkeit zu vergrößern. Der russische Einfluss "sickerte" also zunehmend nach Süden durch.

Der britische Fokus lag auf dem Persischen Golf, als Zugang zu Indien.

Neben Schröder, Neilsson und Siegel siehe:
Persée
The Strangling Of Persia : W Morgan Shuster : Free Download & Streaming : Internet Archive

Was mir unbekannt war, ist der Einsatz der Haldane-Mission unter diesem Aspekt.:winke:
 
Es blieben damit theoretisch:
a) das weitgehende deutsche Entgegenkommen in der Machtpolitik auf der Linie Berlin-Bagdad
b) das Flottenarrangement

Beide Aspekte dürften - selbst kumulativ! - nicht die Attraktivität gehabt haben, Großbritannien aus dem Interessenausgleich mit Rußland zu lösen. Dieser hatte als Hintergrund die Sicherung der britischen Interessen im Mittleren und Fernen Ostens, diese wiederum stellten nach Auffassung der Politik das Herzstück des Empire dar. Was sollte man dagegen tauschen? Eine Wende hätte hier nur ein aufsteigender britisch-russischer Konflikt gebracht, der jedenfalls von britischer Seite für die nächste Dekade befürchtet wurde.

Da wollte ich grundsätzlich noch was zu sagen. Appeasementpolitik, also in dem Sinne, dass man dem Gegner von dem man sich bedroht fühlt Zugeständnisse macht, ist ja kurzfristig gesehen immer am einfachsten. Aber wie können der mittlere und ferne Osten langfristig gesichert sein, durch den guten Willen des Zaren und einen Schrieb, den er genauso leicht kündigen kann, wie er ihn unterschrieben hat? Was ist wenn Russland anderweitig aggressiv vorgeht, gegen Korea oder gegen die Türkei oder auf dem Balkan. Muss GB dann neutral bleiben, weil die Sicherheit seines Empires vom guten Verhältnis zu Russlands abhängt?

Die Sicherheit des Empires lag doch letztlich im Antagonismus der Großmächte und in GBs Fähigkeit sich gegen den Aggressor zu verbünden. Russlands Bedrohung der brit. Position in China ist man durch das Bündnis mit Japan sehr effektiv und wirksam entgegengetreten. Wahrscheinlich wäre es auch möglich gewesen, Russland wohlwollende Neutralität gegenüber Japan anzubieten und dadurch irgendwelche Zusagen (Interessenausgleich) zu kriegen.

Eine wirkliche Vertrauensbasis und damit Sicherheit war doch zwischen Russland und GB naturgemäß nicht möglich.

Solange die Bedrohung durch das Reich und seine Flotte und Hegemonialpolitik Priorität hatte, war es logisch, sich mit Russland gegen die Deutschen zusammenzutun. Wenn aber das DR zurücksteckt, eben durch

a) das weitgehende deutsche Entgegenkommen in der Machtpolitik auf der Linie Berlin-Bagdad
b) das Flottenarrangement

dann wäre es doch blöd gewesen, da dran festzuhalten. Nicht weil man sich gegen die Deutschen nicht auch im Konflikt hätte durchsetzen können, sondern weil einfach die Bedrohungslage sich verschoben hat.

Es geht aus meiner Sicht nicht so sehr darum, was man gegen russischen Zusagen und Abmachungen eintauschen kann, sondern wo GB die größte Bedrohung verorten muss.
 
Die Sicherheit des Empires lag doch letztlich im Antagonismus der Großmächte und in GBs Fähigkeit sich gegen den Aggressor zu verbünden.

Was Du da beschreibst, inkl. aller Optionen, ist doch letztlich die Basis der splendid isolation. So konnte man jedenfalls bis 1900/02 verfahren, dann fuhr sich dieser Karren bei den globalen Entwicklungen fest.

Die erste Sondierungsrunde Großbritannien richtete sich auf die (globalen) Newcomer USA, Deutsches Reich und Japan. Die beiden ersten winkten dankend ab. Die Sondierungsrunde zeigt aber, wo man die Hauptkontrahenten sah: Frankreich und vor allem Rußland, mit dem das "Great Game" nun 2 Jahrzehnte lief.

Die nächsten Entwicklungen betrafen nicht nur Machtverschiebungen, sondern warfen auch Probleme auf, wie die einzelnen kolonialen Kontrahenten "angepackt" werden konnten. Bei Frankreich lag das auf der Hand: die Royal Navy war die zuverlässige Sicherheitsgarantie.

Anders bei Rußland: Navy, Army und die indische Kolonialverwaltung waren sich einig, dass man keine russische "Schwachstelle" zum Anpacken finden konnte. Fehlte aber eine wirksame Drohung "short of war", dann trat in GB Ratlosigkeit ein. Das Deutsche Reich wäre ein wirksamer Partner gewesen, weil es eine Drohoption zu Lande gegen Rußland darstellen würde. Umgekehrt war das für das Deutsche Reich wenig attraktiv, denn "britische Linienschiffe sind nicht hilfreich gegen russische Armeekorps in Ostpreußen".

Das Bündnis mit dem Flotten-Ziehkind Japan ist da logisch und liegt auf der Hand: so bekam dieser Pakt eine straff antirussische Komponenten sowie eine Sicherheitsgarantie für Indien, auf Großbritanniens Wunsch.


Zurück zum Thema Entspannung 1912 und Rüstungspause: das würde ich nicht nur auf die politische Rahmenlage beziehen, über solche Verengungen als reine (Außen-)"Politikgeschichte" sind die Forschungen auch schon länger hinaus. GB hatte zwar kein Finanzproblem ieS, siehe Haushaltslage. Aber Rüstung konkurriert eben stets mit anderen Ausgabenbereichen, bzw. mit neuen Ideen zur Einnahmenbeschaffung und ist politisch umstritten bzw. unbequem (bis auf die Sonderfälle der scares, die immerhin zwischenzeitlich Solidarität in GB brachten - siehe Morris, A. J. Anthony: The Scaremongers - The Advocacy of War and Rearmament 1896-1914). Zwar stemmte Großbritannien den Rüstungswettlauf Dank seiner Finanz- und Werftenlage gegen das Deutsche Reich, aber hier wurde ernsthaft nach einer Alternative gesucht.
 
Ich halte die Splendid Isolation für sicherer als das neue Verfahren mit den Bündnissen. Schon das japanische Bündnis hätte um ein Haar zum Krieg mit Russland und ev. sogar mit Frankreich dann geführt. Auf Seiten der Tripple-Entente hats dann richtig gekracht.

Nichts gegen einen Interessenausgleich, aber dann hätte man doch sagen müssen: Ausgleich in Persien ja, aber eure Streitereien mit dem Zweibund tragt ihr mal schön alleine aus. Ich habe jetzt "Kriegsausbruch" von Neitzel gelesen, da wird es tatsächlich so dargestellt, als habe sich GB mit Russland und Frankreich gegen die Deutschen zusammengetan, um dadurch Wohlverhalten zu ernten. Also in etwa nach dem Motto: Wir hauen jetzt alle zusammen die Deutschen und dafür lasst ihr unsere Kolonien in Frieden.
Wenn das stimmt sind das aber dann schon Verzweiflungsmaßnahmen.
 
Ich halte die Splendid Isolation für sicherer als das neue Verfahren mit den Bündnissen. Schon das japanische Bündnis hätte um ein Haar zum Krieg mit Russland und ev. sogar mit Frankreich dann geführt. Auf Seiten der Tripple-Entente hats dann richtig gekracht.

Sowohl Frankreich und Großbritannien waren fest entschlossen es nicht zum Krieg kommen zu lassen. Großbritannien war zu jener Zeit nicht mehr in der Lage die Splendid Isolation aufrechtzuerhalten, da es sein Kräfte überspannte. Schau die beispielsweise den Burenkrieg an. Sicher, einer logistische Meisterleistung, aber die Armee hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Und wenn dann noch in dem britischen Empire eine weitere militärische Krise eingetreten wäre, dann hätte es schlecht für die Briten ausgesehen.

]Nichts gegen einen Interessenausgleich, aber dann hätte man doch sagen müssen: Ausgleich in Persien ja, aber eure Streitereien mit dem Zweibund tragt ihr mal schön alleine aus. Ich habe jetzt "Kriegsausbruch" von Neitzel gelesen, da wird es tatsächlich so dargestellt, als habe sich GB mit Russland und Frankreich gegen die Deutschen zusammengetan, um dadurch Wohlverhalten zu ernten. Also in etwa nach dem Motto: Wir hauen jetzt alle zusammen die Deutschen und dafür lasst ihr unsere Kolonien in Frieden.
Wenn das stimmt sind das aber dann schon Verzweiflungsmaßnahmen.

Formal war der Ausgleich von 1907 ähnlich wie die Entente Cordiale angelegt und beinhaltete keine militärischen Vereinbarungen, sondern ein Abgrenzng von Interessensphären.
Und Großbritannien benötigte diesen Ausgleich, denn wenn die Russen ernst gemacht hätten, wären die britischen Positionen wohl nicht zu halten gewesen. Das war den Briten bewußt und deshalb bestand hier auch eine gewisse Abhängigkeit. Die Verhandlungen über eine Marinekonvention waren u.a. dieser Abhängigkeit geschuldet.
 
Ich habe jetzt "Kriegsausbruch" von Neitzel gelesen, da wird es tatsächlich so dargestellt, als habe sich GB mit Russland und Frankreich gegen die Deutschen zusammengetan, um dadurch Wohlverhalten zu ernten. Also in etwa nach dem Motto: Wir hauen jetzt alle zusammen die Deutschen und dafür lasst ihr unsere Kolonien in Frieden.

Das wäre allerdings ein Armutszeugnis für Neitzel, was ich mir nicht recht vorstellen kann. Vielleicht handelt es sich um einen Extrem-Wechsel: die deutschsprachige Literatur hat diese Vorgänge früher nahezu ausgeblendet, nun werden sie übertrieben.

Tatsache ist allerdings, dass es massive Befürchtungen bzgl. Rußland gab, die das Handeln (mit)bestimmten.
 
silesia schrieb:
Das wäre allerdings ein Armutszeugnis für Neitzel, was ich mir nicht recht vorstellen kann.

In der Tat. Neitzel seine Sicht der britischen Politik, die angeblich konsequent deutschfeindlich gewesen war, ist durch die Forschung längst widerlegt. Zutreffend ist sicher, das man billigend die deutsche Isolation in Kauf nahm und sich zu wenig Gedanken über deren Folgen gemacht hatte. Neitzel seine Interpretation geht jedoch zu weit.
 
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