Diese Entwicklung musste nur deshalb zum Bürgerkrieg führen, weil die von Serbien dominierte Regierung keine friedlichen Bedingungen zur Loslösung schuf. Ich nannte als Beispiel bereits die tschechoslowakische Regierung, die eine Volksabstimmung anberaumte, und anschließend die Trennung von der Slowakei vollzog. Gleiches wäre mit gutem Willen selbst in Bosnien möglich gewesen, geschweige denn in Kroatien, Slowenien und Makedonien.
Bekanntlich hinderten aber ein übersteigerter Nationalismus und eine Trennungsphobie seitens der maßgebenden Serben die südslawischen Völker an einer unblutigen Trennung. Die Führer der einzelnen Nationen muss man dafür gar nicht gebetsmühlenhaft in Feld führen, denn auch die Bevölkerung wünschte die Sezession.
Dieser Prozess war im übrigen seit Jahrzehnten absehbar, sobald Autokratie und Diktatur erst einmal verschwunden waren.
Zu erst einmal muss man im Falle Bosniens festhalten, das dort die Ideologie vom Selbstbestimmungsrecht relativ spät einzug fand. Bereits 1990/91 liefen Massendemonstrationen in Sarajevo, einem bis dato bekannten Vorzeigebild einer Multi-Kulturellen Stadt, auf - um gegen etwaigen Kampfhandlungen und für einen Erhalt ihres Landes die Stimme zu erheben. Von irgend einem Selbstbestimmungs-Klamauk war zu dem Zeitpunkt noch gar keine Rede. Und hier kommen dann die vershiedensten Machthaber ins Spiel, die aber erst später in Punkto Bosnien den Nationalen Gedanken auffassten und die verschiedenen Völkerschaften in diese Schiene, und damit auch in den Krieg drängten. Von einem natürlichen Zerfall kann somit auf keinen Fall die Rede sein - Was die Völker (und damit meine ich die Völker Jugoslawiens) zu diesem Zeitpunkt wollten war kein Krieg und noch weniger ein Zerfall ihres Landes - Aber beachtet hat das offenbar keiner. Noch weniger das die Leute Angst hatten - Angst vor Krieg und Angst vor Zerfall. Doch der wurde ihnen aufgezwungen - darüber besteht kein Zweifel.
Mehr noch, dort wo die irsinnige Anwendung von Selbstbestimmung nur zum Krieg führen konnte - Hätten meiner Meinung nach, der Jugoslawische Staat der Jugoslawische Generalstab und die Europäische Gemeinschaft ein klares Zeichen setzen müssen, unter "möglichst" friedlichen Aspekten und unter wahrung des Völkerrechts.
So bereits 1990, als die "Affäre Spegelj" ans Licht trat. Kroatien, das zu dem Zeitpunkt weder als Unabhängigkeit ausgerufen, geschweige denn International anerkannt war - Liess sich aus Ungarn ein paar Tausend Maschinengewehre liefern um ihre neugeschaffene "Kroatische Nationalgarde" aus Freiwilligen zu wappnen. An dieser Stelle muss man sich ganz klar Fragen, was denn höhere Priorität hat? Die blinde Anwendung von Selbstbestimmung - wenn nötig auch verfassungswidrig, unter Durchsetzung von Kampfhandlungen. Oder aber der Wille des Volkes eines Gesamtstaates, der zu diesem Zeitpunkt noch weit davon entfernt war Auseinanderzufallen, geschweige denn Blutig - denn zu dieser Zeit gab es noch keinen Krieg, weder in Bosnien noch sonst irgendwo.
Als dann die Kroatischen Nationalgardisten, laut eines Erlasses des Jugoslawischen Staatspräsidiums von 9. Januar 1991, dazu aufgefordert wurden bis zum 23. Januar ihre Waffen abzugeben - die neugeschaffene Regierung aber darauf verzichtete, und die Kroatischen Freischärler in überwiegend Serbisch besiedelte Gebiete einrücken liess, konnte spätestens ab diesem Zeitpunkt nur noch von Missbrauch des Selbstbestimmungsrechts die Rede sein.
Tut mir leid Dieter, an dieser Stelle scheint mein Verständnis von Selbstbestimmung absolut zu versagen - Solche Kampfhandlungen, innerhalb eines Souveränen Staates, noch dazu unter Missachtung der gängigen Verfassung und der UN-Charta in den frühen 1990/91er Jahren, haben mit Selbstbestimmung nichts mehr zu tun - Das ist meiner Meinung nach ganz klar Landesverrat und Völkerrechtlich ohne Zweifel als Terrorismus einzustufen. Zumal die Sozialistische Republik Kroatien noch immer eine Teilrepublik Jugoslawiens war - Es wird jetzt zwar eine Spur zu politisch (offensichtlich ist das zu diesem Thema leider unumgänglich) - Aber meiner Meinung nach wäre das Grund genug gewesen, das die Jugoslawische Volksarmee unter Einwillgung des Staatspräsidiums, die Kroatische Regierung, zur Sicherheit des Staates, entmachtet um weitere illegale und völkerrechtswidrige Kampfhandlungen zu unterbinden und damit die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten - So sehe ich das zumindest.
Anstatt jedoch sämtliche Redeslführer zu verhaften, sowohl Serbische-Paramilitärs unter dem Rechtsradikalen Seselj, Kroatische Nationalgardisten als auch die Redelsführer innerhalb der Kroatischen und Serbischen Regierung begnügte sich die Jugoslawische Volksarmee damals nur damit, als "Puffer" zwischen den Kampfhandlungen zu dienen - und das reichte offensichtlich nicht. Mal abgesehen davon, das es das Gewaltpotential in beiden Lagern steigerte - ging das so lange, bis Kroatien auf Druck gewisser Europäischer Länder die Unabhängigkeit ausrief, eine neue Verfassung kreierte, in der einerseits auf die Jugoslawische Verfassung bezug genommen - Gleichzeitig jedoch die selbe Missachtet wurde, in der man ein Staatstragendes Volk mit einem Streich ausradierte. Damit war die Eskalation, die durch das Selbstbestimmungsrecht erst möglich war, perfekt - Wahrscheinlich wartete Milosevic nur darauf, und einem 11 Jahre langen Blutvergiessen standen Tür und Tor sperrangelweit offen.
Dabei hätte man alles, was danach kam, friedlich lösen können - Auf Völkerrechtlichem Wege, auf die Verfassung bezug nehmend. Denn Kroatien, wie alle anderen Länder auch hatten durchaus das Recht auf Sezession, auch verfassungsmässig - So hätte die Europäische Gemeinschaft Druck ausüben müssen, um genau darauf bezug zu nehmen. Nämlich die Jugoslawischen Teilrepubliken zur Wahlurne zu beten, ob sie denn einer Sezession oder der Auflösung zustimmen. Ich wäre heute gespannt wie ein Flitzebogen, wie damals so eine Abstimmung verlaufen wäre. Denn nach der Wahl, hätte es auch kein Problem darstellen sollen, über Minderheiten-Rechte zu verhandeln. Aber statt dessen setzte man auf die sture Durchsetzung einer Ideologie, die in diesen Kunterbunten Territorien da unten am Balkan im Endeffekt nur zu Krieg führen konnte, angesichts der unfähigen Politiker da unten, meiner Meinung nach sogar musste.