Jeanne d'Arc - Alles echt ?

Mittelwalter

Mitglied
Hallo
Ist eigentlich alles was die Jungfrau von Orleans erlebte und tat wirklich belegt, oder ist sie eher so eine Art Halbmythos?
Denn irgendwie kam mir dieser Teil der Geschichte schon immer ein bisschen komisch vor.
 
Hallo
Ist eigentlich alles was die Jungfrau von Orleans erlebte und tat wirklich belegt, oder ist sie eher so eine Art Halbmythos?
Denn irgendwie kam mir dieser Teil der Geschichte schon immer ein bisschen komisch vor.

Welchen Teil der Geschichte kommt dir komisch vor?

Das Jeanne d'Arc zu einem Nationalmythos verklärt wurde wissen wir. Verschmelzung von historischer Wahrheit und Romanfigur. Deshalb solltest du schon konkret sagen, was dir seltsam vor kommt.
 
Hauptsächlich die Rückeroberung Frankreichs.
Warum wurden die Franzosen durch ein Bauermädchen mit einem "göttlichen" Auftrag so beflügelt ? In wie weit konnte sie in die Schlachten und in den Krieg überhaupt einwirken ?
 
Charisma und Überzeugungskraft. Sieh' Dir nur an, wie viele Sektenführer und Esoterikgurus es sogar in unserer heutigen aufgeklärten, skeptischen Welt schaffen, fanatische Anhänger um sich zu scharen. Und dann versetze Dich ins Frankreich des frühen 15. Jhdts. zurück und bedenke auch die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung vieler Franzosen angesichts der Übermacht der Engländer und der Verheerungen des Landes durch marodierende Banden. Wenn da dann jemand überzeugend behauptet, sie wäre "von oben" beauftragt worden ...

Man darf auch nicht vergessen, dass Johanna in erster Linie nur eine Gallionsfigur war, um die Soldaten zu motivieren. Die tatsächlichen Entscheidungen wurden eher von ihrem Umfeld getroffen, in dem sich erfahrene Anführer und Soldaten befanden. Und trotzdem erlitt sie auch Rückschläge. Johannas Wirkung bestand hauptsächlich darin, wieder Aufbruchsstimmung bei den Franzosen zu erzeugen. Die tatsächliche Befreiung Frankreichs dauerte noch Jahrzehnte, weit über ihren Tod hinaus.
 
Hauptsächlich die Rückeroberung Frankreichs.
Warum wurden die Franzosen durch ein Bauermädchen mit einem "göttlichen" Auftrag so beflügelt ? In wie weit konnte sie in die Schlachten und in den Krieg überhaupt einwirken ?

Nun, weil man wohl annahm, daß die Dame direkt im göttlichen Auftrag Frankreich befreien sollte. Als Mädchen in Domrémy-la-Pucelle vernahm sie ja schon die "göttlichen Stimmen", die sie dazu aufriefen, Frankreich zu befreien.

Im Mittelalter war so etwas möglich. Würde heute so etwas passieren, würde man sich fragen, was die Dame geraucht oder getrunken hätte oder ob dies ein Fall für einen Psychiater wäre.

Sie wurde ja letztendlich zum König gebracht, dort nochmals geprüft und sie schaffte es ja den König in einem Dialog (dessen Inhalt unbekannt ist) auf Chinon von ihrer göttlichen Mission zu überzeugen.
 
Dass er wirklich überzeugt war, ist natürlich möglich, aber ich halte es auch für denkbar, dass er bloß die Zugkraft dieses Mädchens erkannte. Wirklich viel zu verlieren hatte er nicht mehr, also warum es nicht mit ihr versuchen? Er gab ihr ja auch nicht gleich ein ganzes Heer, sondern erstmal nur einen kleinen Trupp mit begrenztem Auftrag. Das könnte man durchaus als eine Art "Probezeit" interpretieren, ob sie etwas taugt.
 
Im Wesentlichen: Ja. Natürlich kämpft es sich zuversichtlicher, wenn man glaubt, dass Gott selbst die Befreiung Frankreichs von den Engländern wünscht.
 
Also seid ihr ihr durchaus der Meinung, dass Jeanne d'Arc einfach durch ihre Anwesenheit das französische Heer beflügelt hat ?

Das lieg nahe, bei dem Erfolg. Ihre Truppe befreite Orléans, das Tor in den Süden, von der englischen Belagerung. Anschließend schlug sie die Engländer bei Jargeau, Beaugency und Patay und ermöglichte so den Einzug Karls VII. nach Reims wo er endlich gekrönt werden konnte.

Das Auftreten Jeanne d'Arcs hat die Wende in der zweiten Phase des hundertjährigen Krieges gebracht, ähnlich wie eine Generation zuvor das der Connétable du Guesclin vollbracht hatte. Natürlich dauerte der Krieg noch etwas mehr als 20 Jahre nach ihrem Tod an, aber die Engländer hatten nach ihr keinen grünen Zweig mehr in Frankreich gefunden, was übrigens auch mit der Versöhnung zwischen Karl VII. und Burgund (Vertrag von Arras) zu tun hatte.

Wie schon geschrieben, hat Jeanne d'Arc eher die Rolle einer Gallionsfigur eingenommen, an der sich die Soldaten aufrichten konnten. Wichtige militärische Führer in ihrem Umfeld waren Leute wie der Duc d'Alencon, der Connétable de Richemont, Dunois (der Verteidiger von Orléans), Gilles de Rais, La Hire.
 
Entscheidend war ja vollem ihre vorgebliche "göttliche Sendung", wenn sie "nur" ein einfaches Bauernmädchen aus einem abgelegenen Örtchen (das ist wirklich abgelegen, ich war schon mal da) in Lothringen gewesen wäre, wäre ihr Nimbus natürlich so überragend gewesen.

Aber hier war sie halt "Beauftragte Gottes", die mit den französischen Truppen kämpfte. Bei den Kreuzzügen gab es doch auch so eine wunderbare oder eher wunderliche Auffindung einer allerheiligen Reliquie (war das das "wahre Kreuz" Christi?), mit dem man in den Kampf zog (müßte ich heraussuchen). Bei den Kriegen gegen die Ungarn wurde ja auch die "Heilige Lanze" mitgeführt.

Damit demonstrierte man, daß Gott auf seiner Seite stand. Das war doch für die Franzosen ermutigend, daß man den Allmächtigen als Alliierten hatte.
 
Aber hier war sie halt "Beauftragte Gottes", die mit den französischen Truppen kämpfte. Bei den Kreuzzügen gab es doch auch so eine wunderbare oder eher wunderliche Auffindung einer allerheiligen Reliquie (war das das "wahre Kreuz" Christi?), mit dem man in den Kampf zog (müßte ich heraussuchen). Bei den Kriegen gegen die Ungarn wurde ja auch die "Heilige Lanze" mitgeführt.
Im Ersten Kreuzzug wurde im eroberten Antiochia aufgrund von "Visionen" die "echte" Heilige Lanze gefunden. Ihre Echtheit wurde aber damals schon angezweifelt.
 
Entscheidend war ja vollem ihre vorgebliche "göttliche Sendung", wenn sie "nur" ein einfaches Bauernmädchen aus einem abgelegenen Örtchen (das ist wirklich abgelegen, ich war schon mal da) in Lothringen gewesen wäre, wäre ihr Nimbus natürlich so überragend gewesen.

Aber hier war sie halt "Beauftragte Gottes", die mit den französischen Truppen kämpfte. Bei den Kreuzzügen gab es doch auch so eine wunderbare oder eher wunderliche Auffindung einer allerheiligen Reliquie (war das das "wahre Kreuz" Christi?), mit dem man in den Kampf zog (müßte ich heraussuchen). Bei den Kriegen gegen die Ungarn wurde ja auch die "Heilige Lanze" mitgeführt.

Das Kreuz Christi hatte schon Kaisermutter Helena aufgefunden. Die Hl. Lanze wurde durch den fränkischen Mönch Petrus im von den Türken belagerten Antiochia aufgefunden. Aber die zeitgenöss. Quellen sind voller Zweifel. Eine andere Hl. Lanze gehörte zum Kronschatz des HRR seit den Ottonen, sie befindet sich heute in der Hofburg.

Damit demonstrierte man, daß Gott auf seiner Seite stand. Das war doch für die Franzosen ermutigend, daß man den Allmächtigen als Alliierten hatte.[/QUOTE]
 
Nun, weil man wohl annahm, daß die Dame direkt im göttlichen Auftrag Frankreich befreien sollte. Als Mädchen in Domrémy-la-Pucelle vernahm sie ja schon die "göttlichen Stimmen", die sie dazu aufriefen, Frankreich zu befreien.

Im Mittelalter war so etwas möglich. Würde heute so etwas passieren, würde man sich fragen, was die Dame geraucht oder getrunken hätte oder ob dies ein Fall für einen Psychiater wäre.

Sie wurde ja letztendlich zum König gebracht, dort nochmals geprüft und sie schaffte es ja den König in einem Dialog (dessen Inhalt unbekannt ist) auf Chinon von ihrer göttlichen Mission zu überzeugen.

Das dies heute nicht möglich ist wage ich zu bezweifeln, man denke nur an den göttlichen eweigen Präsidenten in Nordkorea oder den Messias Onkel Adolf.

Von den fast schon religiösen Ideen mancher Ökos ganz zu schweigen.
 
Im Wesentlichen: Ja. Natürlich kämpft es sich zuversichtlicher, wenn man glaubt, dass Gott selbst die Befreiung Frankreichs von den Engländern wünscht.

An der ganzen Geschichte verstehe ich das am wenigsten wie kommen die Franzosen drauf das Gott für die Kriege der Menschen interessiert und sogar noch Partei ergreift.

Immerhin waren die Engländer damals noch Katholiken.
 
An der ganzen Geschichte verstehe ich das am wenigsten wie kommen die Franzosen drauf das Gott für die Kriege der Menschen interessiert und sogar noch Partei ergreift.
Mich verwundert das nicht. Es war doch auch zu allen Zeiten üblich, dass in den Krieg ziehende Menschen zu ihrem Gott / ihren Göttern um Hilfe und um den Sieg flehten, auch wenn der Gegner denselben Glauben hatte. Irgendwie spielt da wohl die Hoffnung mit, die eigene Sache sei die gerechte. Bei den Franzosen kam noch hinzu, dass sie sich als unterdrücktes, bedrängtes, geknechtetes Volk fühlen konnten.
 
Also seid ihr ihr durchaus der Meinung, dass Jeanne d'Arc einfach durch ihre Anwesenheit das französische Heer beflügelt hat ?

Moralische Unterstützung ist in militärischen Dingen immer hilfreich, zumal in einer so disziplinabholden Zeit wie dem Mittelalter (grob gesagt).

Für die Römer (und tausend andere) waren es die Standarten, die als Wohnsitze bzw Symbole von Göttern galten, für die Franzosen war es eben ein Bauernmädel... :scheinheilig:

Dazu fällt mir dies als praktisches Beispiel ein, wie ein religiöses Symbol militärischen Nutzen antfaltet haben könnte (hab allerdings keine AHnung, wie da der aktuelle Forschungsstand ist):

Delbrück, Hans, Geschichte der Kriegskunst, 3. Teil. Das Mittelalter, 3. Buch. Das hohe Mittelalter, 5. Kapitel. Die italienischen Kommunen und die Hohenstaufen, Das Carroccio - Zeno.org
 
Mich verwundert das nicht. Es war doch auch zu allen Zeiten üblich, dass in den Krieg ziehende Menschen zu ihrem Gott / ihren Göttern um Hilfe und um den Sieg flehten, auch wenn der Gegner denselben Glauben hatte. Irgendwie spielt da wohl die Hoffnung mit, die eigene Sache sei die gerechte. Bei den Franzosen kam noch hinzu, dass sie sich als unterdrücktes, bedrängtes, geknechtetes Volk fühlen konnten.


War den der Nationalstolz damals schon so ausgeprägt.

Und war der englische Adel damals schon englischsprachig und nicht mehr französischsprachig???
 
An der ganzen Geschichte verstehe ich das am wenigsten wie kommen die Franzosen drauf das Gott für die Kriege der Menschen interessiert und sogar noch Partei ergreift.

Da ist natürlich der Wunsch der Vater des Gedankens.

Es war übrigens so, dass in der Antike die Götter um Beistand für den Sieg angerufen wurden. Diese Denkweise hat sich wohl noch über längere Zeit irgendwie erhalten. Auch im Alten Testament gab es die sogenannten gottgewollten Kriege.

Was ich eher verwunderlich finde, dass es Jeanne d'Arc gelungen sein soll, unbehelligt und unentdeckt mitsamt ihrer Truppen ins belagerte Orléans zu ziehen.

Aber noch etwas: nur weil etwas denkbar ist, ist es nicht zum vornherein historische Tatsache.
 
Zuletzt bearbeitet:
War den der Nationalstolz damals schon so ausgeprägt.
Das hat doch nicht direkt mit Nationalstolz zu tun, sondern mehr mit "Wir sind im Recht, die sind im Unrecht, also wird Gott uns helfen" oder so ähnlich.

Und war der englische Adel damals schon englischsprachig und nicht mehr französischsprachig???
Damals ja. Der Hundertjährige Krieg ließ es als unangebracht erscheinen, die Sprache des Feindes zu sprechen. Daher wechselte im 14. Jhdt. auch der englische Adel zum Englischen.

Auch im Alten Testament gab es die sogenannten gottgewollten Kriege.
Der Vergleich hinkt allerdings etwas, weil die Israeliten in Anspruch nahmen, dass ihr Gott Jahwe ihnen als seinem auserwählten Volk gegen die anderen Völker mit ihren Götzen beistehen würde. Die Kriege richteten sich somit gegen Völker mit anderen Göttern.
 
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