Jenseitsvorstellung des Judentums

Michel

Neues Mitglied
Wie stellen sich die Juden eigentlich das Jenseits vor? Gibt es auch Himmel, Hölle und Ewiges Leben?:grübel:
 
Hab noch etwas vergessen:

Was bedeutet eigentlich im Judentum:
Versöhnung des Endlichen mit dem Unendlichen ????
 
Hallo,

ich habe wieder einen Thread gefunden, zu dem ich etwas schreiben kann - wie schön :)

Zuerst einmal gibt's einen Link, ist auf Englisch, ich hoffe, das ist nicht schlimm:
http://www.jewfaq.org/olamhaba.htm

Die Seite kann ich ohnehin sehr empfehlen. Unter
http://www.jewfaq.org/current.htm
findet man z.B. auch einen jüdischen Kalender.

Gut, und dann schreibe ich ein bisschen etwas zu dem Thema, muss aber dazu sagen, dass ich mir das alles nur angelesen habe.

Zunächst einmal: Es gibt im Judentum keine Hölle. Wenn jemand wirklich ganz furchbar böse war, dann kann diese Seele sozusagen "aufgelöst" werden, aber das ist die absolute Ausnahme. Für diejenigen, die nur ein bisschen böse waren, gibt es eine zeitlich begrenzte "Hölle", die je nach Art und Anzahl der Untaten bis zu maximal einem Jahr dauern kann.

Eigentlich befasst sich das Judentum aber gar nicht so sehr mit dem, was nach dem Tod passiert. "Here is our home", würden meine jüdischen Internetbekannten dazu sagen. Es ist unsere Aufgabe hier auf Erden, die unvollkommene Schöpfung sozusagen perfekt zu machen. Was danach kommt - tja, wer weiß das schon. Das ist im Moment nicht so wichtig. Der Jenseitsglaube ist da auch nicht eindeutig.

Es gibt die Vorstellung von einer Auferstehung. Bis dahin "wartet" man sozusagen. (Deshalb ist es auch wichtig, dass der Körper unversehrt bleibt. Eine Feuerbestattung wird abgelehnt.)

Dann glauben auch manche, dass nach dem Tod einfach gar nichts mehr kommt.

Und wieder andere glauben an Wiedergeburt. Hier gibt es mehrere Varianten: Man kommt noch einmal wieder, um eine unvollendete Aufgabe zu Ende zu bringen, oder man wird immer wieder geboren.

Wie du siehst, ist so ziemlich alles vertreten, was die Jenseitsvorstellungen angeht. Es ist auch gar nicht wichtig, dass alle unterschiedliche Vorstellungen von dem haben, was nach dem Tod kommt, denn "here is our home".

Ach ja, und hier noch ein weiterer Link. Wenn meine Ausführungen zu verworren war, kannst du da ja noch einmal fragen. Kannst ja einen schönen Gruß von mir sagen, aber sag ihnen nicht, was ich dir schon erzählt habe, sonst sind sie böse mit mir ... ein bisschen schlecht gelaunt sind die eh grade, aber ansonsten echt lieb.

http://www.beliefnet.com/boards/discussion_list.asp?boardID=407

Schöne Grüße

Petra
 
Da bin ich beim Stöbern im Forum doch auf ein interessantes Thema gestoßen... :)

Auch wenn Fragestellung und Antworten schon lange zurückliegen, möchte ich zu dem vorher Geschriebenen noch ein paar Gedanken und Fakten ergänzen:
Es gilt bei den Jenseitsvorstellungen zwischen der leiblichen Auferstehung der Toten und der Unsterblichkeit der Seele zu unterscheiden.
"Die Seelen der Gerechten aber sind in Gottes Hand, und keine Qual kann sie berühren" (Weish 3,1) ist unter hellenistisch- philosophischem Einfluss entstanden, durch den die Trennung von Leib und Seele gedacht werden konnte.
So kommt es dann zu unterschiedlichen Vorstellungen über den Aufenthaltsort der Seele bis zur Auferstehung, in der die Vereinigung mit (dem dann wieder unversehrten) Körper und der Seele erfolgt:

Eine der Vorstellungen beinhaltet den Aufenthalt der Seele von "Frevlern" im Gehinnom (Hölle) zur Läuterung.

Das Judentum- wenn auch auf diesseitige Vervollkommnung der Welt durch vorbildliches Verhalten bedacht (was mit der Messiaserwartung im Zusammenhang steht, s.u.)- ist auf die Endzeit (Eschaton) ausgerichtet.
Woher sonst hätten die Endzeitvorstellungen des Jesus von Nazareth kommen sollen?

Wie die messianische Endzeit nun konkret aussehen sollte? Eher diesseitig oder eher jenseitig? ... Damit könnte man Bücher füllen.

Mit dem alljährlichen Wunsch zu Pessach "Nächstes Jahr in Jerusalem" ist jedenfalls das durch den Messias erlöste, erneuerte Jerusalem gemeint.

Über das Jenseits existieren keine besonderen, konkreten Vorstellungen. Es wird als Ort des Fehlens von Leid etc. gesehen (z.B. s.o. Weish 3,1, auch wenn es sich konkret auf die Seele allein bezieht, andere Texte, die ich momentan nicht finde, besagen Ähnliches))
 
Zuletzt bearbeitet:
Da bin ich beim Stöbern im Forum doch auf ein interessantes Thema gestoßen...
... an dem sich wieder gut zeigen lässt, dass religiöse Vorstellungen ihre eigene Entwicklungsgeschichte mit sich führen.

Was Du richtigerweise über Gehinnom (Gehenna) schreibst, gehört bereits eine zweiten Entwicklungsstufe an, die mit Hiob beginnt und mit Daniel (im 2. Jh. v. Chr.) deutlich herausgebildet wird.

Für die Zeit davor, also für die Entstehungszeit des JHWH-Glaubens, nehmen viele Autoren an, dass darin noch kein Platz war für Gedanken an Auferstehung, Gericht usw. Der zentrale Begriff in dieser Zeit ist der Scheol [1], das Totenreich, welches in seiner Konzeption am ehesten an den griechisches Hades erinnert.

Die älteste Überlieferung spricht von einem Reich der Schatten, in welchem JHWH nicht wirkt. Die Toten darin können aus diesem Reich auch nicht entkommen. Es handelt sich um "die einzige biblische Konzeption, wo man so etwas wie die Idee eines Nicht-Seins findet". [2].

Gönke Eberhardt [3] hat ein voluminöses Buch darüber geschrieben, inwieweit sich JHWH im jüdischen Glauben mit der Zeit der Unterwelt (des Scheol) "bemächtigt", wodurch dieser dann eine Funktion bekommt, die mehr der christlichen Hölle (bzw. Vorhölle) entspricht; maßgeblich für den Wandel sind möglicherweise persische Einflüsse aus der Zeit der Gefangenschaft.


[1] Im GF bisher nur einmal erwähnt in http://www.geschichtsforum.de/66246-post26.html
[2] Verstndnis des Seins bei Hermann Cohen - Google Bcher
JHWH und die Unterwelt: Spuren einer ... - Google Bcher
 
Danke @jschmidt für die detaillierten Ausführungen.

Ich bezog mich in meinem vorhergehenden Beitrag eher auf die eingangs gestellte Frage nach den als auf die Entwicklung der Jenseitsvorstellungen. Heutzutage muss man zwischen den Auffassungen des orthodoxen und des Reform- Judentums unterscheiden. Erstere bleiben bei der Auferstehung, letztere sprechen eher von der Unsterblichkeit der Seele.

Und jetzt zur Hölle und zum Reich der Toten:
Scheol und Gehinnom sollten nach meiner Auffassung nicht vermischt werden.

Während Gehinnom der Ort ist, an dem Frevler Läuterung erfahren, ist mit Scheol das Reich der Toten gemeint, in das alle Verstorbenen (s. jschmidt) unabhängig von ihren Taten während ihres irdischen Lebens gelangen.
Zu bedenken ist dabei auch, dass Gehinnom auf ein real existierendes Tal, einen Ort des Unglücks im religiösen Sinne, weil dort Menschenopfer dargebracht wurden, zurückzuführen ist.

Leider!!! finde ich im Moment nicht die passenden Textstellen, die mein Geschriebenes untermauern...
 
Zuletzt bearbeitet:
Lesenswert auch:

Bernhard Lang/Colleen McDannell; Der Himmel, Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens, edition suhrkamp 1586; erste Auflage 1990. Titel der Originalausgabe: Heaven: A History ; Yale Universitiy Press 1988

Sehr gut geschriebene, mit Quellen unterfütterte Darstellung der Entwicklung der Jenseitsvorstellungen, beginnend mit dem antiken Judentum bis zu Karl Rahner.
 
zu ergänzen wäre, dass die jüdischen Jenseitserwartungen ihrererseits zurückzuführen sind auf viel ältere, etwa im Zweistromland, Indien, Ägypten, was auch für die Wiedergeburt ( Auferstehung im Juden-und Christentum) gilt. Wie man denn überhaupt sagen kann, dass nichts ohne etwas davor denkbar und erklärbar ist, was uns im Religionsunterricht vor Jahrzehnten ganz anders, nämlich als originär christlich dargestellt wurde.
 
Gibst du mir mal eine Erklärung zu Ezechiel 32,17-32?
Besser ne späte Antwort als keine ;)

Bei Kapitel 32 handelt es sich um ein Klagelied über den ägyptischen Pharao, wie Vers 2 ja vorgibt. Es handelt sich dabei also um Poesie und Bildersprache, die gar nicht den Anspruch auf eine reale Vorstellung des Verfassers, oder gar seiner Kultur hat.
Statt wie manche Christen glauben, dass es sich hier um offenbarte Geheimnisse handelt, sind diese Bildnisse doch eher nützlich zum Verständnis anderer biblischer Texte, da Symboliken immer wieder kehren, oft aber nicht so offensichtlich sind wie in Hesekiel 32.
 
Die älteste Überlieferung spricht von einem Reich der Schatten, in welchem JHWH nicht wirkt. Die Toten darin können aus diesem Reich auch nicht entkommen. Es handelt sich um "die einzige biblische Konzeption, wo man so etwas wie die Idee eines Nicht-Seins findet".
Das erinnert sehr sehr stark an die mesopotamische Totenwelt.
 
Diese "Textsammlung" ist für Einsteiger in die Materie allerdings nicht allzu hilfreich, sondern eher verwirrend, da sich in den verschiedenen Texten (die ja nicht nur zu verschiedenen Zeiten entstanden sind, sondern in denen sich auch verschiedene Strömungen und Einflüsse wiederspiegeln) voneinander abweichende Jenseitsvorstellungen finden.
 
Zurück
Oben