Jungpaläolithische Lebenserwartungen

Luziv

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Hat jemand Informationen, vielleicht einen Link oder einen Buchhinweis, zu der Lebenserwartung der Menschen in der ausgehenden Altsteinzeit (oder meinetwegen auch Mittelsteinzeit), also bezüglich der Jäger und Sammler?

Aus einem Buch ("Moorleichen" von Thomas Brock) habe ich die Zahl 35 Jahre für die Zeit ca. 8000 v. Chr. (also mesolithisch) im Bereich Dänemark. Das ist eine sehr hohe durchschnittliche Lebenserwartung, verglichen mit späteren Zeiten. Für die Jungsteinzeit in unseren Breiten spukt mir so ca. 25 Jahre durchschnittliche Lebenserwartung herum. Für die griechische und römische Antike, wo ich mich etwas besser auskenne, liegen die Zahlen -bei sehr hoher Unsicherheit bezüglich der Datenlage!- für das durchschnittliche Sterbealter zwischen 20 und 30 Jahren, je nach Region und Studie. Das hat sich bis ins 19. Jhd. wohl auch nicht groß verändert.

Mich interessiert vor allem die Lebenserwartung eines 20-jährigen, also unter Ausblendung der hohen Kindersterblichkeit. Für die Antike kann man im Schnitt von einer Lebenserwartung eines Neugeborenen von 22 bis 25 Jahren ausgehen, bei einem 20-jährigen von noch weiteren ca. 30 Jahren. Gibt es solche Zahlen auch für die Jäger und Sammler der ausgehenden Altsteinzeit? Welche durchschnittliche Lebenserwartung hatte ein 20-jähriger Jäger in der Zeit vor 40000 bis 10000 Jahren?
 
Eine fundierte Zusammenstellung über die Lebenserwartung im Jungpal. habe ich leider nicht gefunden.
Du wirst wohl um dir die Frage zu beantworten dich durch die entsprechende Literatur kämpfen müssen.
Z.b.:


 
Mir leuchtet der Sinn der Fragestellung nicht ganz ein : Möchtest Du wissen, ob sich (a) die potenzielle biologische Lebenserwartung des Homo Sapiens verändert hat oder ob sich (b) die Wahrscheinlichkeit verändert hat, durch Krankheit Hiunger oder Krieg "vor der Zeit" aus dem Leben gerissen zu werden ?

Wenn (a) gemeint ist, so halte ich es für wenig wahrscheinlich, dass sich die "Auslegung" einer Spezies für ein höheres/niedrigeres Maximalalter stark verändert. Der Homo Sapiens vor 100.000 Jahren unterscheidet sich praktisch nicht vom Homo Sapiens von heute.

Allerdings gibt Wikipedia für das Wildschwein eine maximale Lebenserwartung von 21 Jahren an und für das - daraus gezüchtete - Hausschwein von 12 Jahren. Die "mittlere Lebenserwartung unter Ausblendung der Kindersterblickeit" beträgt beim Hausschwein allerdings exakt 6 Monate, dann wird es geschlachtet. Auch das Wildschwein erreicht in der freien Wildbahn im Durchschnitt nur ein Alter von ca. 6 Jahren, das liegt aber nicht an seiner biologischen Ausstattung sondern an allerlei Gefahren, Krankheiten und dem edlen Waidmann. Die Auswirkung einer solchen (Selbst-) Domestizierung wäre für den Homo Sapiens eine durchaus interessante Fragestellung. Ist das gemeint ?

Wenn Du allerdings (b) wissen möchtest, wir groß die Wahrscheinlichkeit für unsere Urahnen war, in einem Krieg oder durch eine Lungenentzündung ums Leben zu kommen - sollte man sich doch eher um die Todesursachen selbst Gedanken machen als um den Zeitpunkt des Ablebens durch was-auch-immer.
 
Theoretisch ist das richtig, es gab auch früher vereinzelt Menschen, die sehr alt wurden. Manche Wissenschatler vermuten, dass frühe Menschenformen eher geschlechtreif wurden und nicht über das Klimakteriun hinauskamen. Das K. ist eine biologische Besonderheit, die ziemlich einmalig dasteht und bei der Menschwerdung sicher eine Rolle spielte.
Ein Vergleich mit unseren überzüchteten Haustieren greift da nicht.
Eine Silbermöwe kann 35 werden, trotzdem lebt nach den ersten 5 Jahren nur noch ein Drittel des Jahrganges und nimmt dann jährlich um ca. 7% ab. Ein Wildschwein wird bestimmt im Schnitt keine 6, da sorgen Jäger und Autoverkehr für. Wenn das nicht so wäre, würde es bei ihrer Vermehrungsrate noch viel mehr davon geben.
 
Ich frage mich ohnehin, wie man heute die durchnittliche Lebenserwartung im Paläotikum messen bzw. berechnen will. An welchen Kennzahlen orientiert man sich da? Welche Vergleichswerte gibt es? Können die wenigen aufgefundenen Skelette tatsächlich eine realistische Maßeinheit für die durchschnittliche oder auch maximale Lebenserwartung abgeben? :grübel:

Klar, berechnen und analysieren kann ich alle möglichen Werte, die Frage ist jedoch die Sinnhaftigkeit diverser Berechnungen und erst recht der Ergebnisse. Wobei Mathematiker vor allem Wahrscheinlichkeitsberechnungen lieben, denn da können sie sich so richtig austoben ...
 
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Es gibt verschiedene Methoden, anhand von Anatomie bzw. Chemie von Knochen und Zähnen das Lebensalter von Fossilien ziemlich exakt zu bestimmen. Du hast doch bestimmt auch mal die verbreiteten Gerichtsmediziner-Serien wie "Bones" oder "Navy CSI" gesehen. Man hat bisher keine Neandertaler oder erectus gefunden, die älter als 60 wurden, was bei den Cro-Magnon im Gegensatz dazu durchaus vorkam.
 
Birdy, wie man das Alter von Skeletten jedweden Ursprungs bestimmt ist mir klar, aber wie kommt man anhand weniger Skelette auf das durchschnittliche Lebensalter, bzw. Maximalalter ?
Zumal das Todesalter im Normalfall weder Maximal-, noch Minimalalter war.
Man kann den Zustand ermitteln, ja, frühere Brüche, Verletzungen usw. festlegen, aber doch nicht, in welchem Lebenszyklus (ausser seinem jetzigen Lebensalter) es sich befand, und wieviele Jahre unter "normalen" Umständen noch drin gewesen wären. Das sind doch nicht mehr, als statistische Hochrechnungen, und damit blanke Theorie.
 
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...und wieviele Jahre unter "normalen" Umständen noch drin gewesen wären. Das sind doch nicht mehr, als statistische Hochrechnungen, und damit blanke Theorie.

Dann kannst du die Demographie als Wissenschaft komplett in die Tonne kloppen. Oder weisst du, wieviel Jahre du noch hast?
Auch wenn es in eine spätere Zeit fällt, man hat aus Gräbern tausende Skelette oder Leichenbrand unserer Vorfahren geborgen und untersucht. Daher wissen wir ziemlich genau, wie der Aufbau der Bevölkerung nach Alter und Geschlecht bei Bandkeramikern oder den ollen Germanen aussah.
Vom Neandertaler fand man bisher etwa 300 Individuen, z.T. gut erhalten - vom Neugeborenen bis zum gereiften Mann, sogar ganze Gruppen. Das reicht locker, um gesicherte Aussagen zum Thema treffen zu können.

Von Statistik hälst du wohl nix, hab ich recht? Sei froh, dass @deSilva nicht mehr hier schreibt.
 
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Vom Neandertaler fand man bisher etwa 300 Individuen, z.T. gut erhalten - vom Neugeborenen bis zum gereiften Mann, sogar ganze Gruppen. Das reicht locker, um gesicherte Aussagen zum Thema treffen zu können.
Du kannst Aussagen über diese 300 Skelette und über ihr bisheriges Leben machen, nicht jedoch darüber, wie lange sie noch gelebt hätten, hätte man ihnen nicht einen "übergezogen" usw.

Das kann selbst ein heutiger Arzt nicht wirklich voraussehen. Meiner Großmutter sagte man, sie würde nicht 35 werden; jeden Tag erwartete sie den Tod, bis sie 40 wurde. Danach wartete sie nicht mehr auf ihn. Gestorben ist sie mit über siebzig, und hat Mann und einige Kinder überlebt ...

Von Statistik hälst du wohl nix, hab ich recht? Sei froh, dass @deSilva nicht mehr hier schreibt.
Gut erkannt. Gebranntes Kind scheut Feuer, oder wie meine Kollegen so gern sagen "Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gebaut hast". :devil:
 
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Nocheinmal: 300 Individuen reichen für eine Statistik dieser Art. Für Wahlumfragen etc. nimmt man auch nur etwa max. 1000 Leute. Man muss den Aufwand nicht gegen unendlich treiben, weil der Erkenntnisszuwachs und die Genauigkeit nicht proportional besser werden. Eine Irrtumswahrscheinlichkeit innerhalb einer 2-3%-Spanne ist immer drin. Bei Messreihen sind sögar 5%-Toleranz oft noch zulässig und gelten als signifikant.
 
Viel kann ich so aus dem Stehgreif nicht beitragen, aber folgendes fällt mir dazu ein:

Der namensgebende Neanderthaler aus dem Neandertal war wohl zwischen 60-70 Jahre alt. Für ihn gut, für die frühe Wissenschaft schlecht, weil sein Gesundheitszustand und Erscheinungsbild das Bild des N. als gekrümmt laufend und demnach „zurückgeblieben“ beeinflusste.
Was den Jetzt-Menschen angeht. Ich gehe auch stark davon aus, dass sich an der Genetik an sich nichts mehr geändert hat, von kleinen Details, wie der Milchverträglichkeit mal abgesehen.

Das Problem ist die medizinische Grundversorgung. Bei vorgeschichtlichen Sterbetabellen fällt auf, dass die Sterblichkeitsrate von Frauen in der Zeit der ersten Kinder deutlich ansteigt, ebenso liegt die Sterblichkeit von adulten, also „jungen, kräftigen Männern um die 25" recht hoch. Da liegt die Erklärung wohl bei den Lebensumständen, sprich der Unfall- und Verletzungsgefahr. Danach flacht die Kurve für beide Geschlechter ab, steigt dann wieder am maturen Alter an, wobei die Frauen hier deutlich früher sterben. Ein paar wenige Männer und Frauen erreichen dann seniles Alter.

Das Dumme war offenbar die mangelnde Medizinische Versorgung. Wenn ich mich recht entsinne, starb z.B. eine ca 40-50 Jahre alte Dame aus dem Gravettien (bzw. Pavlowien), also ca. um 25.000 an einem entzündlichen Prozess im Kiefer. Huch.

Mein Eindruck: Wenn sie nicht krank oder verletzt wurden, erreichten sie durchaus seniles Alter. Die Frauen starben etwas früher als die Männer.
Nur meine zwei Knochen....

Thomas
PS: Fragt mich jetzt bitte nicht nach der konkreten Quelle. Da gibt´s einfach zu viele Fachartikel, die ich zusammengefasst im Kopf habe....
 
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@balticbirdy:
Ich habe nur grundlegendes Wissen über Statistik aus dem Studium mit herübergerettet...verzeih also den vielleicht seltsamen Einwurf:

Wenn wir heute eine bestimmte Gruppe (Wahlberechtige Menschen in einem Land) haben, reichen 300 Leute als Grundgesamtheit sicher aus, um valide Daten zu erhalten.

Ich habe jedoch Zweifel, ob dies für die Daten aus der Vorgeschichte reicht. Die oben genannten 300 werden ja „repräsentativ“ ausgewählt. Man fragt ja nicht nur 300 bewaffnete männliche Spartaner....
Deshalb stellt sich für mich Frage ob die Menschenfunde aus der Vorgeschichte tatsächlich „repräsentativ“ sind.
Grabriten, Grabbrauch steht oftmals mit sozialem Status in Verbindung. Gerade sozialer Status korreliert ja stark mit Krankheiten und Lebenserwartung.
Manche Bestattungen sind nur schwierig zu interpretieren, da bleibt oft unklar, welche Bevölkerungsgruppe da weshalb zusammengefasst wurde. (, wie z.b. die hallstatt/LT-zeitlichen Frauenköpfe aus der „Jungfernhöhle“ in Mittelfranken, oder die wohl mesolithischen Funde von der Offnethöhle etc. etc.)
Moorleichen, Mumien anderer Art etc. sind oft Sonderformen.
Will heißen: Grabbrauch und Bestattungsumstände verändern das Bild, wir laufen Gefahr, dass die Daten einfach nicht wirklich repräsentativ sind.

Insoweit verstehe ich die Bedenken bezüglich vorgeschichtlicher Statistikdaten schon.
Nix für ungut.
Thomas
 
@balticbirdy:
Ich habe nur grundlegendes Wissen über Statistik aus dem Studium mit herübergerettet...verzeih also den vielleicht seltsamen Einwurf:

Wenn wir heute eine bestimmte Gruppe (Wahlberechtige Menschen in einem Land) haben, reichen 300 Leute als Grundgesamtheit sicher aus, um valide Daten zu erhalten.

Ich habe jedoch Zweifel, ob dies für die Daten aus der Vorgeschichte reicht. Die oben genannten 300 werden ja „repräsentativ“ ausgewählt. Man fragt ja nicht nur 300 bewaffnete männliche Spartaner....
Deshalb stellt sich für mich Frage ob die Menschenfunde aus der Vorgeschichte tatsächlich „repräsentativ“ sind.
Grabriten, Grabbrauch steht oftmals mit sozialem Status in Verbindung. Gerade sozialer Status korreliert ja stark mit Krankheiten und Lebenserwartung.
Manche Bestattungen sind nur schwierig zu interpretieren, da bleibt oft unklar, welche Bevölkerungsgruppe da weshalb zusammengefasst wurde. (, wie z.b. die hallstatt/LT-zeitlichen Frauenköpfe aus der „Jungfernhöhle“ in Mittelfranken, oder die wohl mesolithischen Funde von der Offnethöhle etc. etc.)
Moorleichen, Mumien anderer Art etc. sind oft Sonderformen.
Will heißen: Grabbrauch und Bestattungsumstände verändern das Bild, wir laufen Gefahr, dass die Daten einfach nicht wirklich repräsentativ sind.

Insoweit verstehe ich die Bedenken bezüglich vorgeschichtlicher Statistikdaten schon.
Nix für ungut.
Thomas

Irgendwelche hallstattlichen Fürstengräber rechnet man da schon raus, diese frühen Schmarotzer waren besser genährt und größer als das gemeine Volk. Da es hier aber vordergründig um die Altsteinzeit geht, spielen soziale Unterschiede im Klan keine oder eine nur untergeordnete Rolle. Dem toten Cheffe oder Schamanen gab man vielleicht ein paar Elfenbeinperlen mehr ins Grab, das war es aber auch schon.
 
Ja, hast schon recht. Ich wollte nur mal auf die Detailproblematik hinweisen.
Ganz banal: von 25 süddeutschen mesolithischen Menschen starben 23 an perimortaler Trennung des Craniums vom postcranialen Skelett...:pfeif::)

Nochmal nix für ungut.
Thomas
 
Schon mal danke, besonders an DerGeist, werde mal schauen, ob es da etwas zu holen gibt.

@ Klaus, Caro1: Warum will ich das wissen? Durchschnittliche Lebenserwartungen sagen vielleicht etwas über die Lebensumstände der Menschen aus. Die Zahlen selbst geben zunächst keinen Hinweis auf die Gründe. Gibt es statistische Abweichungen, sind sie mittels anderer Daten und Spekulationen zu erklären. So könnte man den Anstieg der Lebenserwartung ab der zweiten Hälfte des 19. Jhd. u.a. mit genetischen Änderungen am Menschen, übernatürlicher Hilfe, dem heilsamen Wirken Außerirdischer, Änderungen am Sonnenwind, der Erfindung der Konserve, Änderungen der Lebensweise und Ernährung und/oder mit Fortschritten der Medizin und der Hygiene (z.B. Abwassersysteme) erklären. Sicher wird man die Ursache nie wissen, aber einige Erklärungen sind plausibler als andere. :pfeif:

Wenn es so wäre, daß Jäger und Sammler im Schnitt länger lebten als jungsteinzeitliche Bauern (den Eindruck habe ich aus verschiedenen Zahlen, die ich im Laufe der Jahre an verstreuter Stelle gelesen habe), wäre das erklärungsbedürftig.

Die großen statistischen Schwierigkeiten bezüglich der Daten wegen der Fundlage sind mir bewußt. Das muß man eben immer im Hinterkopf haben. Sogar bezüglich antiker römischer Zahlen zu Sterblichkeiten, für die man neben archäologischen Funden Volkszählungen, Erbregeln usw. auswerten kann, bestehen große Unsicherheiten.

Du kannst Aussagen über dies
e 300 Skelette und über ihr bisheriges Leben machen, nicht jedoch darüber, wie lange sie noch gelebt hätten, hätte man ihnen nicht einen "übergezogen" usw.

Das kann selbst ein heutiger Arzt nicht wirklich voraussehen. Meiner Großmutter sagte man, sie würde nicht 35 werden; jeden Tag erwartete sie den Tod, bis sie 40 wurde. Danach wartete sie nicht mehr auf ihn. Gestorben ist sie mit über siebzig, und hat Mann und einige Kinder überlebt ...

Es kommt auf Einzelschicksale, die man niemals absehen kann, ja auch nicht an. Aus der Verteilung der Sterbealter der Begrabenen kann man relativ leicht auf die jeweiligen durchschnittlichen Lebenserwartungen in jedem gegebenen Alter schließen. Das sind immer durchschnittliche (!) Lebenserwartungen, ob der 20-jährige Jäger ein Jahr nach seinem 20. Geburtstag von einem Wildschwein aufgespießt wird, ist dabei egal. Das geht nur gemittelt in die Zahlen ein, man findet eben die Knochen eines 21-jährigen, was die durchschnittliche Lebenserwartung aller 20-jähriger senkt. (So genau kann man Sterbealter oft nicht festlegen, je älter die Toten, desto unsicherer die Datierung, aber nur, um das Prinzip zu erläutern.)
 
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