Kaiserkult

fingalo

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Welchen Effekt sollten eigentlich die Opfer aus damaliger Sicht in den Tempeln des Kaiserkultes haben?

Um die Frage zu verdeutlichen: Die Opfer an die germanischen Götter hatten den Zweck, die Lebenskraft der Götter zu erhalten und zu stärken und so zur Aufrechterhaltung der Weltordnung beizutragen.

Aber was sollte ein Opfer in Griechenland an einem vergöttlichten Kaiser in Rom bewirken? Haben die Menschen - Priester - sich darüber überhaupt Gedanken gemacht? Überall heißt es, das Opfer habe der Stärkung der nationalen Einheit gedient. Das ist aber ein politisch/soziologischer Gesichtspunkt. Mich interessiert der theologische Gehalt. Wenn wir heute von "Gott" sprechen, dann denken wir an ein Wesen, das etwas vermag, was der Mensch nicht vermag. Das steht hinter dem "Bittgebet". Aber der römische Kaiser, wenn er zu Lebzeiten zum Gott erhoben war, war seinen Zahnschmerzen genauso hilflos ausgeliefert, wie jeder andere auch. Was war das für ein Gottesbegriff? Gab es so etwas wie eine römische Theologie?
 
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Das Problem des Kaiserkultes ist, daß man ihn zwischen die Aspekte Rationalität und Spiritualität stellen muß.

Zum einen ist der antike Gottesbegriff nicht absolut, es gibt kein allmächtiges, transzendentales Wesen, daß über alles erhoben ist. Auch Götter können Schmerzen und Eigenschaften und Grenzen haben. Während unsere christlich geprägte Gottesvorstellung von einem immer existierenden Gotteswesen ausgeht, werden antike Götter geboren, haben Eltern und Gefühle und Ängste.

Ein Gott ist ein Gott, weil er Macht hat. Für gewöhnlich bewirkt diese Macht übernatürliches, aber dies ist nicht zwingend. Auch ein Mensch kann solche Macht erringen, daß er weit über alle anderen Menschen gestellt ist, und dann kann man seine Macht mit einer göttlichen Macht vergleichen. Für die Menschen ist weniger wichtig, woher die Macht kommt, sondern vielmehr, was sie bewirkt und ob man dieser Wirkung ausgesetzt ist. Ein Kaiser kann mit einem Fingerzeig Völkerschaften ausrotten, ganze Städte umsiedeln oder ähnliches, seine umfassende Machtstellung ist so für jeden jederzeit erfahrbar.

Es ist ja beim Opfer an den Kaiser nicht so, daß man glaubt, dieser würde die Opfergabe persönlich erhalten. Insofern läßt sich der politische und soziologische Effekt nicht direkt vom theologischen trennen. In erster Linie ist das Opfer für den Kaiser eine Loyalitätsbekundung, und man weiß auch, was passieren würde, wenn man diese Loyalitätsbekundung verweigert. Es ist also ein gemeinschaftsstiftendes Opfer, daß auch in der Regel vor der Gemeinschaft vollzogen wird, jeder soll ja sehen, wie treu der andere zum Kaiser steht. Dazu bedarf es übrigens gar keines Tempels, es reicht eine Nische mit einer Kaiserbüste durchaus aus.

Schließlich kommt der Begriff des Genius hinzu. Dieser ist die einem Menschen innewohnende, quasi göttliche Kraft, die jeder haben kann. Beim Kaiser ist sie natürlich besonders ausgeprägt. Hätte der Kaiser also diesen besonderen Genius nicht, wäre er auch nicht Kaiser, er hätte diese Macht dann gar nicht. Er steht unter einem besonderen göttlichen Schutz, der ihm erst diese Position ermöglicht hat und seine Stärke darstellt. Man betet und opfert allso auch, um diese Kraft des Kaisers zu bewahren. Es gibt durchaus auch Fälle, wo man im privaten Rahmen neben den Hausgottheiten, den Laren und Penaten, auch eine kleine Figur des Kaisers, seinen Genius zu stehen hat, der mit in die alltäglichen häuslich-religiösen Rituale einbezogen wird. Da geht es nun nicht darum, daß man meint, der Kaiser würde es sehen, ob man ihm opfert oder nicht, sondern darum, daß man seine private Frömmigkeit den göttlichen Mächten generell darbringt und natürlich, daß die Geschäftspartener und Klienten beim morgendlichen Empfang sehen können, wie treu man zum Kaiser steht.
 
Um die Frage zu verdeutlichen: Die Opfer an die germanischen Götter hatten den Zweck, die Lebenskraft der Götter zu erhalten und zu stärken und so zur Aufrechterhaltung der Weltordnung beizutragen.
welche schriftliche Quelle zu den germanischen Religionen belegt, dass die Opfergaben / Opfer genau in diesem Sinne stattfanden? (das klingt ein wenig nach den goldenen Äpfeln in Wagners Ring des Nibelungen...)
 
welche schriftliche Quelle zu den germanischen Religionen belegt, dass die Opfergaben / Opfer genau in diesem Sinne stattfanden? (das klingt ein wenig nach den goldenen Äpfeln in Wagners Ring des Nibelungen...)
Darauf kommt es in unserem Zusammenhang eigentlich nicht an. Das wäre eine Extra-Diskussion. Ich habe diese Angabe aus Gro Steinsland (Professorin für Religionsgeschichte in Oslo), "Norrøn religion."
 
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Darauf kommt es in unserem Zusammenhang eigentlich nicht an.
na ja, da das nun mal so erwähnt hast, hab ich interessehalber nachgefragt. Ich kenne ähnliche Erklärungen u.a. auch, z.B. von de Vries (schon älter) oder Hasenfratz (neuer), aber sie alle leiden etwas darunter, dass sie kaum schriftliche Quellen vorweisen können - lesenswert ist der RGA Sonderband zur german. Religionsgeschichte.

bzgl. des Kaiserkults - womit hier wohl die römische Kaiserzeit gemeint ist - ist der angesprochene "Genius" interessant: das erinnert etwas an das "Königsheil". Freilich mischen sich in den römischen Zeiten religiöse, politische und staatlich-formale Aspekte (wie man sagt später auch orientalisch beeinflusst)
 
na ja, da das nun mal so erwähnt hast, hab ich interessehalber nachgefragt. Ich kenne ähnliche Erklärungen u.a. auch, z.B. von de Vries (schon älter) oder Hasenfratz (neuer), aber sie alle leiden etwas darunter, dass sie kaum schriftliche Quellen vorweisen können - lesenswert ist der RGA Sonderband zur german. Religionsgeschichte.

bzgl. des Kaiserkults - womit hier wohl die römische Kaiserzeit gemeint ist - ist der angesprochene "Genius" interessant: das erinnert etwas an das "Königsheil". Freilich mischen sich in den römischen Zeiten religiöse, politische und staatlich-formale Aspekte (wie man sagt später auch orientalisch beeinflusst)

Zum Teil. Denn der Genius war ja im Gegensatz zum Gönigsheil keine separate Entität, der man ein Opfer hätte darbringen können.
So ganz kann man das doch nicht nachvollziehen. Nach Deiner Erklärung müsste der Herr für den Sklaven ein Gott sein, da er über ihn genausoviel macht hat wie der Kaiser über den Herrn. Eine Transzendenz liegt da offenbar nicht vor.
 
Nach Deiner Erklärung müsste
hab ich irgendwas erklärt??? ...das täte mir leid (Konjunktiv), da erklären nicht meine Absicht war... deine Schlußfolgerungen zu Herrn und Sklaven bzgl. meines Beitrags kann ich nicht nachvollziehen.

das german. Königsheil scheint erblich gewesen zu sein, jedenfalls bei den Merowingern, Amalern und evtl. Hasdingen (falls die Geiserich-Sippe so hieß) - der Genius des Kaisers scheint solche familiären Banden nicht so sehr gekannt zu haben. ;) Allerdings trotz mancher partieller Anleihe an den Gebräuchen rund ums römische Kaisertum (Purpurmantel etc) scheinen die merowinigschen und gotischen Könige auf orientalisch inspirierte Hofsitten verzichtet zu haben.

merkwürdig bleibt, dass sich in diesem Bereich (Hofsitten, Ettikette etc) auch nach der endgültigen Einrichtung des Christentums als Staatsreligion mancherlei verblüffende Sitte hielt (auch in Byzanz)
 
Zum Teil. Denn der Genius war ja im Gegensatz zum Gönigsheil keine separate Entität, der man ein Opfer hätte darbringen können.
Das sehe ich anders. Der Genius wurde durchaus auch als eine Art Schutzgeist verstanden und auch in der bildenden Kunst als separates Wesen dargestellt, wobei nicht nur Menschen, sondern auch Städte und Provinzen einen Genius hatten.

merkwürdig bleibt, dass sich in diesem Bereich (Hofsitten, Ettikette etc) auch nach der endgültigen Einrichtung des Christentums als Staatsreligion mancherlei verblüffende Sitte hielt (auch in Byzanz)
Warum ist das merkwürdig? Wieso hätte man sie wegen des Christentums aufgeben sollen? Das Hofzeremoniell hatte u. a. die Funktion, den Kaiser zu einer seiner Umgebung entrückten, unnahbaren Gestalt zu machen und so den Respekt und die Achtung vor ihr zu fördern, dem Kaisertum aber durchaus auch einen transzendentalen Charakter zu verleihen, der mit dem Christentum vereinbar war: der Kaiser als von Gott ausgewählt, beschützt und geleitet.
 
Warum ist das merkwürdig? Wieso hätte man sie wegen des Christentums aufgeben sollen? Das Hofzeremoniell hatte u. a. die Funktion, den Kaiser zu einer seiner Umgebung entrückten, unnahbaren Gestalt zu machen und so den Respekt und die Achtung vor ihr zu fördern, dem Kaisertum aber durchaus auch einen transzendentalen Charakter zu verleihen, der mit dem Christentum vereinbar war: der Kaiser als von Gott ausgewählt, beschützt und geleitet.

Eben, neben der "Christianisierung des Imperiums" kam es spätestens seit Konstantin I auch zu einer starken "Romanisierung des Christentums".

So hatte etwa der Kaiser jahrhundertelange die Rolle und Amtsgewalt eines Pabstes inne. Erst als es den nicht mehr gab, baute man langsam den Bischof von Rom zum neuen "Kaiser" der katholischen Kirche auf, wohl auch weil man eine Strukturreform scheute. Ganz anders im Osten, wo der Patriarch nur Höfling des Kaisers war und auch nach Byzanz nie die umfassende Amtsgewalt eines Pabstes erreichte. Das Christentum wurde heftiger romanisiert, als uns die Kirche glauben machen will.
 
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So hatte etwa der Kaiser jahrhundertelange die Rolle und Amtsgewalt eines Pabstes inne.
Meinst Du damit, dass der Kaiser Pontifex maximus war, also Leiter des institutionalisierten altrömischen Staatskultus? Eine derartige Rolle hatte er im Christentum nie, vor allem nicht im Westen des Reiches, wo die Bischöfe von Rom schon im 4. Jhdt. klar den Primat innehatten. Im Westen des Reiches war die Kirche generell weniger gefügig, man denke nur daran, dass Ambrosius, der Bischof von Mailand, sich mehrmals offen gegen Kaiser Theodosius I. stellte und sich gegen ihn auch durchsetzte. Einen "Cäsaropapismus" wie im Osten des Reiches gab es im Westen, also dem späteren Machtbereich des Papstes, nie.

Erst als es den nicht mehr gab, baute man langsam den Bischof von Rom zum neuen "Kaiser" der katholischen Kirche auf, wohl auch weil man eine Strukturreform scheute.
Der Primat des Bischofs von Rom im Westen entwickelte sich unabhängig von der Existenz eines Westkaisers, zumal die Westkaiser im 4. und 5. Jhdt. ohnehin nicht mehr in Rom residierten, was wohl dazu beitrug, dass der Bischof mehr Freiräume hatte als sein Kollege in Konstantinopel. Die herausragende Rolle des Bischofs von Rom wurde im Westteil des Reiches schon im 4. Jhdt. kaum noch bestritten, und im Osten des Reiches wurde sie auch später nur formal akzeptiert. Weltliche Macht erlangte der Papst in der Stadt Rom und ihrer unmittelbaren Umgebung erst ab dem späten 6. Jhdt., als die (formal weiterhin unter oströmischer Herrschaft stehende) Stadt nach dem Einfall der Langobarden und der damit verbundenen Konzentration der oströmischen Präsenz in Italien auf Ravenna und die süditalienischen Küstenstädte zunehmend sich selbst überlassen wurde.

Eine "Romanisierung des Christentums" kann ich daher in der von Dir behaupteten massiven Weise nicht erkennen. Zu nennen wäre allerdings die Angleichung der kirchlichen territorialen Verwaltungsstruktur an die spätrömische weltliche oder die Bedeutung des Lateinischen für die Bibelübersetzung und die Liturgie. Das Christentum behielt aber seinen orientalischen Charakter mit Erlösungsverheißung und mysterienkultähnlichen Elementen, die den altrömischen Traditionen fremd waren.
 
Die Griechen unterschieden nicht wirklich zwischen Kaiser und Gott. Deshalb hatten die Opfer wohl einen ähnlichen Zweck, wie bei Göttern. Die Gesunderhaltung ist doch ein gute Stichwort. Und natürlich diente das dem Kaiser auch bei seinem Ziel, dass die Untertanen ihn anhimmeln. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass er dieses Ziel hatte. Grade dort, wo er ein "neuer" Herrscher war, dem sich die Leute erstmal unterwerfen mussten. Da kann einem nix besseres passieren, als für einen Gott gehalten zu werden.

Es ist aber wichtig, dass das in Rom (ich gehe jetzt mal von der frühen Kaiserzeit aus, 4. Jh. und so können die anderen sicherlich besser erklären ;)) grundsätzlich anders war. Da war der Kaiser kein Gott. Die Vergötterung des Herrschers (meist ein König) zu Lebzeiten hatte in Griechenland, Ägypten usw. eine lange Tradition, aber war in Rom verpönt seit der Vertreibung der Könige. Man konnte erst nach dem Tod in göttliche Sphären aufsteigen. Römern, die z.B. in Griechenland lebten, war deshalb auch die Teilnahme an diesen Kaiserkulten verboten und in Rom gab es das so auch nicht... da wurde dem Kaiser vielleicht Gesundheit gewünscht, aber er wurde eben nicht Vergöttert. Und es gab auch Bestrebungen, dass Römer möglichst nicht bei der "Vergötterung" in anderen Provinzen zugucken... z.B. durften Senatoren diese Provinzen nicht bereisen.

Das Hofzeremoniell hatte u. a. die Funktion, den Kaiser zu einer seiner Umgebung entrückten, unnahbaren Gestalt zu machen und so den Respekt und die Achtung vor ihr zu fördern, dem Kaisertum aber durchaus auch einen transzendentalen Charakter zu verleihen, der mit dem Christentum vereinbar war: der Kaiser als von Gott ausgewählt, beschützt und geleitet.

Das wäre z.B. im frühen Prinzipat nicht denkbar gewesen, jedenfalls nicht in Rom.
Dass das frühe Kaisertum allerdings gar keinen "transzendentalen Charakter" hatte, glaube ich auch nicht ganz. Religiöse Aspekte waren eine wichtige Stütze der Macht... ich denke da z.B. an die sacrosanctitas auf Lebenszeit (diese wurde Octavian angeblich verliehen, weil der Blitz in sein Haus einschlug und man das als eine "Auserwählung" durch Apollo verstand und die rettete ihm eine Zeitlang den Hintern, abgesehen vom Heer, was er auch ununterbrochen besaß) oder die Tatsache, dass wenn man kein Gott sein durfte, man wenigstens von einem abstammen wollte, weshalb zumindest der schon verstorbene Vorgänger, der oft ein Verwandter war, als Divus (Vergöttlichter) bezeichnet wurde. Diesem wurden dann auch Tempel errichtet und Opfer dargebracht.
 
Die Griechen unterschieden nicht wirklich zwischen Kaiser und Gott. ... Und natürlich diente das dem Kaiser auch bei seinem Ziel, dass die Untertanen ihn anhimmeln. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass er dieses Ziel hatte. Grade dort, wo er ein "neuer" Herrscher war, dem sich die Leute erstmal unterwerfen mussten. Da kann einem nix besseres passieren, als für einen Gott gehalten zu werden.

Jeder halbwegs normale Grieche wird sicher zwischen Zeus und dem Kaiser einen Unterschied gemacht haben. In einem polytheistischen System ist es aber nicht so problematisch, wenn zu den vielen Göttern ein neuer hinzukommt. Wie gesagt, man darf sich unter dem begriff des Gottes in der Antike eben nicht nur etwas vollkommen Jenseitiges vorstellen, das göttliche Wirken war diesseitig und täglich erlebbar und konnte sich auch in Menschen manifestieren.
Das das Ziel des Kaisers darin bestand, angehimmelt zu werden, ist etwas ausschweifend formuliert. Das Ziel des Kaisers war eher, seine Herrschaft auf allen Ebenen und in allen Bereichen eines sehr heterogenen Reiches zu sanktionieren.
Das hatte auch nichts mit mit neu eroberten gebieten zu tun. Ein frühes Zentrum des Kaiserkultes war Kleinasien, wo schon 29 v. Chr. in Pergamon ein erster provinzialer Tempel für Augustus (damals noch Caesar) und Roma errichtet wurde, und da herrschten die Römer seit 133 v. Chr.

Es ist aber wichtig, dass das in Rom grundsätzlich anders war. Da war der Kaiser kein Gott. Die Vergötterung des Herrschers (meist ein König) zu Lebzeiten hatte in Griechenland, Ägypten usw. eine lange Tradition, aber war in Rom verpönt seit der Vertreibung der Könige. Man konnte erst nach dem Tod in göttliche Sphären aufsteigen. Römern, die z.B. in Griechenland lebten, war deshalb auch die Teilnahme an diesen Kaiserkulten verboten und in Rom gab es das so auch nicht... da wurde dem Kaiser vielleicht Gesundheit gewünscht, aber er wurde eben nicht Vergöttert. Und es gab auch Bestrebungen, dass Römer möglichst nicht bei der "Vergötterung" in anderen Provinzen zugucken... z.B. durften Senatoren diese Provinzen nicht bereisen.

Wir wissen über die römischen Könige zu wenig, um sagen zu können, daß eine Verpönung der Vergötterung mit ihrer Vertreibung eingesetzt hätte, daß war zu dieser Zeit wohl überhaupt kein Thema.
Richtig ist, daß ein offensives Auftreten als Gott in Rom weniger von den Römern an sich nicht toleriert worden wäre als vielmehr das uralte Gleichheitsprinzip des Senatsadels verletzt hätte, und auf diesen nahmen die Kaiser in der Regel ja Rücksicht, entstammten sie doch selbst dieser Schicht und konnten ohne diese auch nicht herrschen.
Genauso offensichtlich ist es aber, daß sich schon seit Augustus das Bestreben zeigte, den Kaiser von den normalen Menschen abzugrenzen und ihn in eine göttliche Nähe zu bringen. Die vielen Ehrungen zeigen dies deutlich, die Verbindung des Wohnhauses mit dem Apollontempel, die Altäre im Namen des Augustus, die Schwursäule an der Stelle, wo Caesar verbrannt worden war, usw. Du gibts ja selbst auch Beispiele dafür an.

Daß der Kaiserkult in den Provinzen vor allem für die Peregrinen gedacht war, ist ja richtig. Da der Kaiserkult aber in allen Provinzen durchgeführt wurde, übrigens auch in Rom, wo schon seit Augustus der Genius des Kaisers zusammen mit den Compitallaren verehrt wurde, weiß ich nicht, warum Senatoren nicht in "diese Provinzen" reisen sollten. Daß Senatoren ohne Genehmigung nicht nach Ägypten durften, ist etwas anderes.

Wenn man dem Kaiser einfach nur Gesundheit gewünscht hätte, warum haben sich die Christen dann so dagegen gewehrt?


Dass das frühe Kaisertum allerdings gar keinen "transzendentalen Charakter" hatte, glaube ich auch nicht ganz. Religiöse Aspekte waren eine wichtige Stütze der Macht

Eben! Es lassen sich in Rom Politik und Religion nicht trennen.
 
Die Vergötterung des Herrschers (meist ein König) zu Lebzeiten hatte in Griechenland, Ägypten usw. eine lange Tradition, aber war in Rom verpönt seit der Vertreibung der Könige.
Wie hjwien schon geschrieben hat, wissen wir über die römische Königszeit viel zu wenig, um solche Aussagen treffen zu können. Falls Du Dich aber darauf beziehst, dass Romulus der Sage nach nach seinem Tod unter dem Namen Quirinus unter die Götter aufgenommen wurde, so darf man das nicht so interpretieren, dass die römischen Könige nach ihrem Tod wie später die Kaiser oder sogar schon zu Lebzeiten vergöttlicht worden wären. Ob es überhaupt jemals einen König namens Romulus gab, ist ohnehin höchst fraglich, und seinen Nachfolgern wurde nicht einmal in der Sage eine Vergöttlichung zugeschrieben. Quirinus war ursprünglich allem Anschein nach ein Kriegsgott und einer der wichtigsten Götter überhaupt. Später aber verlor er an Bedeutung und wurde als Kriegsgott von Mars abgelöst. Erst gegen Ende der Republik scheint seine Identifizierung mit dem vergöttlichten Romulus aufgekommen zu sein.

Und es gab auch Bestrebungen, dass Römer möglichst nicht bei der "Vergötterung" in anderen Provinzen zugucken... z.B. durften Senatoren diese Provinzen nicht bereisen.
Woraus schließt Du, dass der Kaiserkult der Grund für die Reisebeschränkungen der Senatoren war? Immerhin galten sie für fast alle Provinzen, auch solche ohne ausgeprägten Kaiserkult, außerdem erteilten die Kaiser natürlich auch Genehmigungen, sofern sie Senatoren nicht ohnehin selbst entsandten.
 
Es ist vor allem wichtig, daß man zwischen munizipalem und provinzialen Kaiserkult unterscheidet. Zum Kaiserkult gehörte auch, daß zum Geburtstag oder zum Regierungsjubiläum die Büste des Imperators bekränzt wurde, ein Opfer gebracht wurde, eine Prozession und ein Opfermahl abgehalten wurde, wahrscheinlich auch Kultgesänge, und das fand reichsweit statt. Eine Ableitung vom Loyalitätseid, den sich Octavian vor dem Kampf gegen Marc Anton von ganz Italien schwören ließ.
 
Man verliert den Faden ... das Thema ist allzu interessant, um spitzenzuklöppeln.

Darf ich Plinius einbringen? ... wo hier doch ein römischer Pfad ist ...

Auf die Frage, wie er es mit den Göttern halte - die Vergöttlichung hatte m.W. (bitte gerne um Berichtigung) erst Augustus, recte Octavian für einen Röm. Kaiser (also einem Menschen/Erdgeborenen) in Anspruch genommen - meinte der alte, sehr dicke und zuletzt als Flottenchef gelangweilte Naturbeobachter:

"Götter? Für mich ist ein Gott ein Mensch, der den Menschen Gutes tut."
(hoffentlich richtig übersetzt)

Und das ist auch für mich die Antwort auf gerechtfertigten "Kaiserkult" bzw. ein Abschlag an allfälligen fatalistischen Spiritualismus.

Ave Caesar / Gruß (;-) fingalo) ning

Änderung=Nachtrag: geschrieben hat Plinius (d.Ä.) diesen Satz anscheinend 73 n. (sic!) - als längst die Flavier Brot und Spiele jeder Spiritualität entgegenzusetzen wussten.
 
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Naja, ich bin ja nur ein schlichtes Gemüt. Aber die Formulierung "gerechtfertigter Kaiserkult" wirft natürlich die Frage auf, wann er denn dann nicht gerechtfertigt wäre?
 
- meinte der alte, sehr dicke und zuletzt als Flottenchef gelangweilte Naturbeobachter:

"Götter? Für mich ist ein Gott ein Mensch, der den Menschen Gutes tut."
(hoffentlich richtig übersetzt)
so weit mir bekannt, hat Plinius d.Ä. nichts am Kaiserkult geändert d.h. keinerlei Einfluß hierbei gehabt, auch hat er sich nicht ernsthaft mit einem Kaiser überworfen - da stellt sich mir die Frage, was die von dir zitierte Äusserung des Plinius für die Diskussion nützt? War das eine relativ areligiöse Haltung eines privilegierten Intellektuellen in der frühen Kaiserzeit? Und hierin nur eine vereinzelte oder gab es mehr solcher Stimmen?
 
Zwischen dem Kaiser und den übrigen Göttern muss doch ein Unterschied empfunden worden sein. Man betete zu den Göttern im Tempel und war davon überzeugt, dass sie das Gebet unmittelbar wahrnahmen. Das war beim vergöttlichten Kaiser in Rom sicher nicht so.
Hatten die Römer eigentlich eine echte Transzendenz? Um auf die Nordgermanen zurückzukommen: Sie kannten eine Transzendenz nicht. Beim Regnarök teilten die Götter das Schicksal der Welt. Sie standen nicht darüber. Bei den Römern konnte sich die Wertigkeit der Götter doch wohl ändern? Anfangs Jupiter, unter Aurelian Sol invictus ganz oben. Auch Hermes trat mal in den Vordergrund, wenn ich mich recht erinnere. Das spricht nicht für eine Transzendenz. Da wäre der Pantheon doch wohl menschlicher Einflüsse in Bezug auf die Hierarchie und Zuständigkeit entzogen gewesen.
 
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