Kalkriese Angrivarierwall

maelo

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Und jetzt mal Butter bei die Fische:
Welche Beschreibung des Tacitus bzgl. der Schlacht am Angrivarierwall passt auf Kalkriese ohne dass du einen der Identifikatoren wegdiskutieren musst?


Dann mach ich mal hier weiter, wenn ich darf.

Es passen sämtliche geographischen Gegebenheiten die Tacitus für die Schlacht am Angrivarierwall anführt mit der Geographie von Kalkriese überein. Es gibt den Fluss, der unter ungünstigen Umständen für ein im Rückzug begriffenes römisches Heer ein gefährdendes Hindernis bedeutete und es gibt den an einer Seite errichteten Wall an dem ein Teil der Kämpfe stattfanden*, es gibt den Berg den die Römer letztendlich im Rücken hatten, es gibt den Sumpf den letztendlich die Germanen im Rücken hatten, es gab die schmale sumpfige Fläche in der Mitte der Niewedder Senke und es gab Bewaldung mit Lichtungen.

Durch die Niewedder Senke führte der ideale Weg den ein träges und schwerfälliges Heer beim Rückmarsch von der Weser zur Ems durchqueren konnte und höchstwahrscheinlich auch benutzte. Der heutige Lutterdamm bot schon vor zweitausend Jahren eine bekannte und feste Wegetrasse.Weiter südlich von Kalkriese bot der bergige Teutoburger Wald ein ungünstiges und aufwändig zu durchquerendes Terrain für die marschierenden Legionen und nördlich davon gab es ausgedehnte Sumpf- und Marschgebiete, die gleichfalls in ihrer großen Anzahl und Weitläufigkeit für die Römer schwierig zu passieren waren. Da diese Trasse die wahrscheinlichste war, konnten sich die Germanen aufgrund dieser Wahrscheinlichkeit auch auf den Durchzug der Römer in ausreichender Zeit mit dem Bau des Walles vorbereiten.

Zudem trennte sich das Heer des Germanicus nach der Schlacht am Angrivarierwall. Ein Teil der Legionen ist auf dem Landweg in die Winterquartiere zurückgekehrt. Es ist aus Entfernungsgründen nicht anzunehmen, dass dieser Teil noch bis zu den Schiffen an der Emsmündung mitmarschiert ist, und dann erst zu den festen Standlagern am Rhein zurückgekehrt ist, sondern sich schon früher, also nach dem Erreichen der mittleren Ems, in der Gegend von Lingen(von mir vermutet), von der übrigen Truppe getrennt hat. Alles andere wäre nicht plausibel.

Weiterhin bietet das bisherige Ausgrabungsergebnis große Übereinstimmungen zu den Schilderungen des Tacitus zur Schlacht am Angrivarierwall:
Die nach Westen auslaufenden Streufunde in der Niewedder Senke lassen auf ein weitläufiges Kampfgeschehen von Ost nach West hindeuten.

Der Wall wurde mit Fernkampfwaffen beschossen, was nicht auf eine militärische Notlage der Römer deutet, sondern exakt eine Situation widergibt die Tacitus beschreibt.

Die Auffindung der ärztlichen Utensilien in einigem Abstand zu dem Wall lassen auf eine Wundversorgung der Römer schließen, was gleichfalls nicht auf eine Notlage hindeutet.

Die „Verschrottung“ vor dem Wall kann genauso gut vom römischen Heer nach der Schlacht vorgenommen worden sein.

Die Auffindung der teilweise intakten Gesichtsmaske passt nicht zu einem germanischen Beutespektrum, wo doch vermutlich die vollständige Maske als herausragendes Beutestück mitgenommen worden wäre.

Die Knochengruben mit Maultier und Menschenknochen decken sich nicht mit der Beschreibung eines Grabtumulus des Tacitus und Cassius Dio zur Varusschlacht, sondern geben ein vollständig anderes Bild wieder.

Die Münz-Hortfunde widersprechen einer germanischen Plünderung des Schlachtfeldes, da der Metallwert und nicht der Geldwert für einen Germanen wichtig war.



* Da mögen hier einige Diskutanten auch noch so gedanklich Einbetoniert sein. Aber hier halte ich es ähnlich wie @ Germanicusaron. Gottseidank denkt man bei den Ausgräbern in Kalkriese mittlerweile über die Sachlage wesentlich entspannter als noch vor zehn Jahren.
 
Bei einer wortwörtlichen Interpretation von Tacitus stimmt die Kalkrieser-Niewedder Senke nicht ganz genau mit Tacitus' Beschreibung des Schlachtfeldes am Angrivarierwall überein. Allerdings war Tacitus kein Augenzeuge der Schlacht und auf Informationen aus zweiter oder dritter Hand angewiesen, und Tacitus' Informanten werden nicht unbedingt seinen eigenen Genauigkeitsanspruch gehabt haben. Wenn man daher Tacitus' Beschreibung des Schlachtfeldes am Angrivarierwall abstrahiert, um das bei antiken Quellen immer latent vorhandene Fehlerpotential zu minimieren, ergibt sich in etwa, dass die Umgebung des Schlachtfeldes aus einem fließenden Gewässer, Wald und Sumpfgebieten bestand, und dass Angrivarier und Cherusker dort in räumlicher Relation zu einem Wall standen, was mit den Gegebenheiten der Kalkrieser-Niewedder Senke übereinstimmt. Schlussendlich ist also das relevanteste Detail aus Tacitus' Beschreibung des Schlachtfeldes am Angrivarierwall der von den Germanen konstruierte Wall, bei dem wie oben diskutiert eine taktische Funktion sehr viel wahrscheinlicher ist als eine strategische Funktion; bei topografischen Details aus 2000 Jahre alten römischen Beschreibungen Germaniens ist immer eine gewisse Skepsis angebracht, weil diese Stereotype bedienen können, oder schlichtweg die Erzählung ausschmücken sollen (ein Fluss erzeugt im 'Kopfkino' des Lesers bessere Bilder als ein Bach).

Aktuell (seit 2017) wird der Wall am Oberesch auf Grund des Funds eines weiteren Wall weiter nördlich geschichtswissenschaftlich als südlicher Wall eines römischen Marschlagers diskutiert, der an die Topografie des Kalkrieser Berges angepasst war und daher eine geschwungene Form hatte. Hierbei stellt sich allerdings zwingend die Frage, wenn es ein römischer Lagerwall war, wieso ihn die Römer am Fuß des Kalkrieser Bergs angelegt haben, wo man von der Anhöhe des Berges fast ungehindert und mit guter Sicht mit Pfeil und Bogen ins Lager hineinschießen konnte? Und es stellt sich die Frage wieso der Wall geschwungen war? Ein gerader Wall war mit einer Schnur abzustecken und daher viel schneller zu bauen, und er war auch leichter zu verteidigen da man den gesamten Wallabschnitt einsehen konnte.
Zudem wurde der Wall mit Bolzen beschossen. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich dass die Römer gegen Ende der Varusschlacht noch über funktionierende Torsionsgeschütze verfügten, weiterhin wäre der Einsatz solcher Geschütze innerhalb eines Marschlagers zur Verteidigung eines Wallabschnitts auch nicht sinnvoll gewesen, die Gefahr von 'friendly fire' wäre sehr groß gewesen. Und während die für die Legionäre zur Verfügung stehende Fläche in einem standardisierten, ungefähr rechteckigen Marschlager schnell zu berechnen war, musste die Fläche eines Lagers mit geschwungenen Wällen erst zeitaufwendig berechnet werden. Die Errichtung eines so ungewöhnlichen Marschlagers unter Gefechtsbedingungen widerspräche jeglicher Vernunft, daher erscheint mir die Interpretation des Oberesch Walls als germanische Befestigung des Kalkrieser Engpasses sehr (sehr) viel sinnvoller.

Was dann in der Kalkrieser-Niewedder Senke übrig bleibt ist ein von Germanen konstruierter taktischer Wall von beachtlicher Dimension, der in keiner der Quellen zur Varusschlacht erwähnt wird, während andererseits in den antiken Quellen ein germanischer Wall mit der Funktion eines Grenzwalls beschrieben wird, der allerdings nirgendwo auffindbar ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es passen sämtliche geographischen Gegebenheiten die Tacitus für die Schlacht am Angrivarierwall anführt mit der Geographie von Kalkriese überein.
Nein.

Es gibt den Fluss, der unter ungünstigen Umständen für ein im Rückzug begriffenes römisches Heer ein gefährdendes Hindernis bedeutete
Die Hunte ist im Wiehengebirge kein Fluss und war es auch vor 2ooo Jahren nicht, die Hunte ist vor ihrem Eintritt in den Dümmer ein Bach und wird erst danach ein Fluss. Und außerdem kilometerweit entfernt.

und es gibt den an einer Seite errichteten Wall an dem ein Teil der Kämpfe stattfanden*,
Ein Wall, der nicht zu den Schlachtbeschreibungen der Angrivarierwallschalcht passt.
Ein Wall, der kaum ein Grenzwall sein kann, da er nur 400 Meter lang ist und NICHTS begrenzt.
Ein Wall, der weit entfernt ist vom Gebiet der Angrivarier.
Ein Wall, der weit entfernt ist vom Gebiet der Cherusker.
Wie sollte der Angrivarier und Cherusker voneinander unterscheiden?
Ein Wall der vielleicht der Südwall eines Römerlagers ist.

es gibt den Berg den die Römer letztendlich im Rücken hatten, es gibt den Sumpf den letztendlich die Germanen im Rücken hatten, es gab die schmale sumpfige Fläche in der Mitte der Niewedder Senke und es gab Bewaldung mit Lichtungen.
Die meisten Leute, welche Kalkriese versuchen den Status als Schlachtort der Varusschlacht abzusprechen, meinen ja, dass es Standort der Schlacht an den pontes longi sei. Demnach müssten die Germanen südlich des Walls also nicht zur Sumpfseite sondern zur Hangseite gestanden haben. Zudem liegen auf der Sumpfseite des Walls die ganzen römischen Klamotten (die auch nicht gerade für den Sieg sprechen, den Germanicus am Angrivarierwall einfuhr), die Funde sprechen eher für eine römische Niederlage, nicht nur wegen ihrer Masse, sondern auch wegen der Art der Funde. Es sei denn, wir gehen davon aus, dass ein Augurenkommando den Wall gestürmt hat.

Weiter südlich von Kalkriese bot der bergige Teutoburger Wald ein ungünstiges und aufwändig zu durchquerendes Terrain für die marschierenden Legionen und nördlich davon gab es ausgedehnte Sumpf- und Marschgebiete, die gleichfalls in ihrer großen Anzahl und Weitläufigkeit für die Römer schwierig zu passieren waren. Da diese Trasse die wahrscheinlichste war, konnten sich die Germanen aufgrund dieser Wahrscheinlichkeit auch auf den Durchzug der Römer in ausreichender Zeit mit dem Bau des Walles vorbereiten.
Was wieder zu der Problematik führt, dass die Germanen, die eigentlich auf der Flucht in Richtung der Elbe gewesen sein sollen, die Römer beim Überqueren der Weser überholten und an einer möglichen Marschtrasse (die über die Geest ignorierst du gleich ganz) einen Hinterhalt legten.
Weiterhin ist das Gebiet zwischen Wiehengebirge und Teutoburger Wald eigentlich sehr marschfreundlich.
 
Ich musste den Beitrag leider zweiteilen:

Zudem trennte sich das Heer des Germanicus nach der Schlacht am Angrivarierwall. Ein Teil der Legionen ist auf dem Landweg in die Winterquartiere zurückgekehrt. Es ist aus Entfernungsgründen nicht anzunehmen, dass dieser Teil noch bis zu den Schiffen an der Emsmündung mitmarschiert ist, und dann erst zu den festen Standlagern am Rhein zurückgekehrt ist, sondern sich schon früher, also nach dem Erreichen der mittleren Ems, in der Gegend von Lingen(von mir vermutet), von der übrigen Truppe getrennt hat. Alles andere wäre nicht plausibel.
Durchaus richtig. Nur warum leitest du diesen Absatz mit zudem ein? Für diesen Sachverhalt ist es egal, wo an der Weser die Angrivarierwallschlacht stattfand, es zählt am Ende nur, dass die Truppen nach der Schlacht weitermarschierten und sich irgendwo trennten. Ob das nun in Rheine, Lingen oder Lathen war ist für die Verortung der Schlacht egal.

Weiterhin bietet das bisherige Ausgrabungsergebnis große Übereinstimmungen zu den Schilderungen des Tacitus zur Schlacht am Angrivarierwall:
Zunächst einmal fehlen die Identifikatoren der Angrivarierwallschlacht:
a) der Grenzwall und
b) die Weser

Ja, ich weiß, du meinst, es sei nicht die Weser gemeint, aber mal ehrlich...

Tac. ann. II, 9: Flumen Visurgis
Tac. ann. II, 10: ne flumine quidem interiecto cohibebantur,
Tac. ann. II, 11: trans Visurgim
Tac. ann. II, 12: transgressus Visurgim
Tac. ann. II, 16: inter Visurgim et collis, ut ripae fluminis
Tac. ann. II, 17: et plerosque tranare Visurgim conantis iniecta tela aut vis fluminis, postremo moles ruentium et incidentes ripae operuere.
Tac. ann. II, 19: locum flumine et silvis clausum

Die Annahme, dass mit dem flumen in II, 19 ein anderer gemeint ist, als die Weser, von der zuvor die ganze Zeit die Rede war, ist schon ziemlich unvernünftig und nur durch Trotz zu erklären, oder?

...Übereinstimmungen zu den Schilderungen des Tacitus zur Schlacht am Angrivarierwall. Die nach Westen auslaufenden Streufunde in der Niewedder Senke lassen auf ein weitläufiges Kampfgeschehen von Ost nach West hindeuten.
Die Weitläufigkeit steht ja gerade im Widerspruch zu Tacitus, der beschreibt das Gelände mehrfach als beengt!
Aber klar, wer den flumen ignoriert, oder die Hunte kurzerhand zum flumen erklärt, der kann auch das clausum ignorieren.
Tac. ann. II, 19: locum flumine et silvis clausum
Tac. ann. II, 19: arta intus planitie et umida:
Tac. ann. II, 20: hostem a tergo palus, Romanos flumen aut montes claudebant:

(noch mal: Nach herkömlicher Deutung griffen die Germanen in Kalkriese vom Berg her an.)

Der Wall wurde mit Fernkampfwaffen beschossen, was nicht auf eine militärische Notlage der Römer deutet, sondern exakt eine Situation widergibt die Tacitus beschreibt.
Da schönst du dir aber die archäologischen Funde in Kalkriese zu Recht. Mal abgesehen davon, dass nicht einzusehen ist, dass römische Truppen, solange sie noch kämpfen konnten, nicht alle Waffen einsetzten, die sie zur Verfügung hatten. Die werden bei der Varusschlacht nicht gesagt haben "Och, wir sind so bedrängt, dass wir die Fernwaffen besser liegen lassen". Bisher ist doch der Stand eher, dass in Kalkriese erstaunlich wenige Fernwaffen zum Einsatz kamen.
Zudem ist mir immer noch nicht klar, warum wir nach dem römischen Sieg der Angrivarierwallschlacht direkt im Wallumfeld
- verschüttete Packtiere finden - haben die Römer mit Packtieren den Wall gestürmt?
- mutmaßliche Litui finden - haben die Römer mit Auguren den Wall gestürmt?
- Ärztebesteck finden - haben die Römer ihre Ärzte und Sanitäter gegen den Wall eingesetzt?
finden.

Hinzu kommt, dass wir
- keinen germanicuszeitlichen Münzhorizont haben
- überhaupt so außergewöhnlich viele Münzen finden - haben die Römer ihre Barschaften als Wurfgeschosse eingesetzt?)
- Spuren von nachträglichen Bestattungen finden - wie von Tacitus ausrücklich für die Varusschlacht berichtet!

Die Auffindung der ärztlichen Utensilien in einigem Abstand zu dem Wall lassen auf eine Wundversorgung der Römer schließen, was gleichfalls nicht auf eine Notlage hindeutet.
Wenn du es vorher nicht getan hast, dann stellst du dich aber spätestens hier blind. Was passiert bei einer römischen Niederlage? Genau, die Leute sterben. Und verlieren dabei ihre Utensilien.

Die „Verschrottung“ vor dem Wall kann genauso gut vom römischen Heer nach der Schlacht vorgenommen worden sein.
Nur um das richtig zu verstehen: Die Römer haben ihre eigenen Gerätschaften verschrottet, um sie dann liegen zu lassen? Sie haben Schildrandbeschläge von den Schildern entfernt, sie transportfertig zerknüllt? Und sie haben ihr Kleingeld in der Gegend verteilt, wir wir es sonst an keinem Ort finden?

Die Auffindung der teilweise intakten Gesichtsmaske passt nicht zu einem germanischen Beutespektrum, wo doch vermutlich die vollständige Maske als herausragendes Beutestück mitgenommen worden wäre.
Aber die Römer waren nur an dem Silberbeschlag interessiert und hatten auf dem Schalchtfeld die Zeit, die Maske zu zerlegen?

Die Knochengruben mit Maultier und Menschenknochen decken sich nicht mit der Beschreibung eines Grabtumulus des Tacitus und Cassius Dio zur Varusschlacht, sondern geben ein vollständig anderes Bild wieder.
Hängst du immer noch der naiven Vorstellung an, alle zehn- bis zwanzigtausend Gefallenen der Varusschlacht seien in einem einzigen Grabtumulus niedergelegt worden? Und dass der einzelne römische Legionär ein Spezialist in der Unterscheidung halbverwester Knochen war?

Die Münz-Hortfunde widersprechen einer germanischen Plünderung des Schlachtfeldes, da der Metallwert und nicht der Geldwert für einen Germanen wichtig war.
Die diese Satz inhärente Logik erschließt sich mir nicht, da auch beim römischen Geld durchaus die unedlen und edlen Metalle den Werten der Münzen entsprachen. Die Verluste des Geldes mögen im Einzelnen sehr unterschiedlich von Statten gegangen sein, der eine verlor seine Barschaft im Matsch oder Gebüsch, der andere mag sich einen Landmarke gesucht haben und sein Geld verbuddelt, in der Hoffnung es im Überlebensfalle wiederzfinden und bergen zu können.

Gottseidank denkt man bei den Ausgräbern in Kalkriese mittlerweile über die Sachlage wesentlich entspannter als noch vor zehn Jahren.
In Kalkriese hat sich nichts geändert, die Datierung ist dieselbe gelieben. Und bereits vor zehn Jahren, im Varsschlachtjahr, habe ich einen Artikel verlinkt, indem die Eheleute Rost sich überaus offen für die Interpretation des Schlachtfeldes von Kalkriese zeigten, nur so viel zu dieser Behauptung bzgl. der Haltung der Kalkrieser.
 
Wenn man daher Tacitus' Beschreibung des Schlachtfeldes am Angrivarierwall abstrahiert,

Leider ist nur Abstraktion für euch (Maelo, Germanicusaron und dich) nichts anderes, als ein Code dafür, Quellen willkürlich auszulegen oder Cherrypicking zu betreiben.
Quellenkritik funktioniert aber so nicht.

Die äußere Q-Kritik lasse ich hier mal außen vor und beschränke mich auf die innere Q-Kritik von Monumentalquellen (dazu zählt die Historiographie).
- Wer ist der Verfasser, was will er erreichen?
- Wer ist der Adressat?
- Was kann er wissen? Was nicht?

Wenn man keine Quelle B hat, die Quelle A widerspricht, bleiben nur textimmanente Gründe zur Quellenkritik:
- gibt es Dinge, die in der Quelle berichtet werden, die unserem faktischen Wissen von der Umwelt widersprechen?
- gibt es Dinge, die aus anderen Gründen unglaubwürdig sind?

Widerspricht es unserem faktischen Wissen von der Umwelt, dass es Flussauen gibt, die von Flüssen, Sümpfen, Wäldern und Bergen umgeben sind?
Ist die Beschreibung des Schlachtfeldes - eine enge, feuchte Ebene zwischen Fluss und Wald sowie zwischen Gebirge und Sumpf mit einem Grenzwall - unglaubwürdig?
Wenn dem nicht so ist, ist an den Identifikatoren des Tacitus bzgl. der Angrivarierwallschlacht als einziger Quelle nicht zu deuteln.
 
Letztendlich, lieber Maelo, hast du wieder den flumen und den Grenzwall wegdiskutiert. Außerdem natürlich den Münzhorizont und die Bestattungen (aber da will ich mal nicht so sein, weil ich mich dann selber des Positivismus bezichtigen müsste).
 
Allerdings war Tacitus kein Augenzeuge der Schlacht und auf Informationen aus zweiter oder dritter Hand angewiesen, und Tacitus' Informanten werden nicht unbedingt seinen eigenen Genauigkeitsanspruch gehabt haben.

Ich weiß nicht, woraus Du einen "Genauigkeitsanspruch" für topographische Details ableiten willst. Weder Tacitus noch seine Leser hatten topographische Karten vom Inneren Germaniens, auf denen man die Schlachtfelder hätte identifizieren können. Das, was den heutigen germanischen Leser so brennend interessiert - "Ja, wo genau hat sich das denn abgespielt?" - war dem stadtrömischen Autor und seiner Leserschaft so piepschnurzegal wie sonstwas.
Tacitus hat von den ihm vorliegenden Berichten das übernommen, was er für seine Darstellung für brauchbar hielt, und er wird das weggelassen haben, was ihn nicht interessierte und was seine Leser nur gelangweilt hätte.

Wenn man daher Tacitus' Beschreibung des Schlachtfeldes am Angrivarierwall abstrahiert, um das bei antiken Quellen immer latent vorhandene Fehlerpotential zu minimieren
Das "Abstrahieren" hat bereits Tacitus vorgenommen. In seinen Beschreibungen ist von Wäldern, Bergen und Hügeln, Ebenen, Flüssen, Bächen und Sümpfen die Rede. Nichts davon so genau beschrieben, dass sich konkrete Hügel oder Bäche oder Ebenen identifizieren ließen. Die einzigen Anhaltspunkte liefern uns die Namen der größeren Flüsse, soweit sie genannt werden.

Wenn wir nun unsererseits von Tacitus' Beschreibung "abstrahieren" (also nach eigenem Gutdünken irgendwelche Dinge weglassen), kommen wir den ursprünglichen Informationen nicht näher, sondern wir entfernen uns noch weiter davon.
Das Fehlerpotential wird dadurch nicht minimiert, sondern im Gegenteil ins Unermessliche vergrößert.
 
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