Ich habe vor einigen Monaten in einem anderen Thema Beispiele dafür gebracht, dass man in der Antike nicht einmal in der Lage war, innerhalb des Mittelmeerraums halbwegs zuverlässige Entfernungsbestimmungen durchzuführen. Es würde mich also nicht wundern, wenn das bei der Entfernung zu den Kanarischen Inseln erst recht nicht geklappt hat.
 
Ich habe vor einigen Monaten in einem anderen Thema Beispiele dafür gebracht, dass man in der Antike nicht einmal in der Lage war, innerhalb des Mittelmeerraums halbwegs zuverlässige Entfernungsbestimmungen durchzuführen. Es würde mich also nicht wundern, wenn das bei der Entfernung zu den Kanarischen Inseln erst recht nicht geklappt hat.
Damit bin ich auch absolut einverstanden.
 
Hier ein Bericht über die Besiedlung der Kanarischen Inseln, dem ich nicht zustimme, der aber interessante Argumente aufzählt:



(In diesem Bericht noch einmal die kritische Bewertung und Neuinterpretation von C14-Datierungen, mit Fehlern der Datierung bei mariner Ernährungsweise)

Kernpunkte:
  • Die Römer waren die ersten auf den Kanaren, im 1. Jahrhundert vor Chr., aber sie brachten nicht die Hilfsmittel zur dauerhaften Erschließung und Urbarmachung mit.
  • Die berberische Besiedlung erfolgte dann im 1. bis 3. Jahrhundert nach Chr., mit eigenen Schiffen, von Ost (Lanzarote) nach West (La Palma und El Hierro), mit Saatgut und mit Nutztieren.
  • Dies geschah mit dem römischen Wissen über die Inseln.
Für bedenkenswert halte ich aber den hohen Bevölkerungsdruck im semiariden Siedlungsgebiet der Berber, der ja auch schon im Periplus des Hanno angedeutet wird: wie hätte dieser sonst freiwillige Kolonisten für seine Expedition auftreiben können? @El Quijote wird natürlich die Gegenfrage stellen "Wer sagt denn dass sie freiwillige Kolonisten waren?"
 
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Ein Artikel, der aufgrund von genetischen Analysen sagt dass römische Sklaven aus den Purpurmanufakturen die Ureinwohner der Kanaren waren:


Das ist zwar interessant, aber mir erschließt sich nicht, warum es Sklaven gewesen sein sollen?

Ein anderer Artikel (aus Cadíz) sagt dass es Seefahrer (aus Cadíz) waren, die als erste die Kanaren erschlossen:


Zwar lokalpatriotisch, aber plausibel.
 
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Dennoch gilt eine gute Überlegung für die Deportationshypothese, hier die Vorstellung eines Essays von José Juan Jiménez aus dem Jahr 2014:

Zwei besondere Aspekte:
  • Die Benennung der kanarischen Inseln durch den Bericht der Expedition von Juba II., mit seinem Einfangen von großen Hunden = Mönchsrobben (siehe z.B. Isla de Los Lobos = Wolfsinsel). Leicht nachvollziehbar: Canaria = Insel der Hunde bzw. Mönchsrobben.
  • Die spätere Benennung aber nach dem hierhin (zwangs-)umgesiedelten Stamm der nordafrikanisch/ berberischen Canarii.
  • Er benennt die Unterwerfung von Stämmen im hohen Atlas durch den von Kaiser Claudius entsandten Suetonius Paulinus, der als erster einen Feldzug jenseits des Atlasgebirges durchführte.
  • Er erwähnt dass noch im 5. Jahrhundert die Vorstellung eines kontinentalen autochthonen Restes des Stammes der Canarii bestand, belegt z.B. durch das Grab eines Bischofs der Canarii, der vor der Verfolgung durch die (arianischen) Vandalen nach Algerien ins Exil musste (al obispado de Bacanaria, cuyo titular llamado Palladius bacanariensis fue mandado al exilio por los vándalos en el año 484).
 
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Dennoch gilt eine gute Überlegung für die Deportationshypothese, hier die Vorstellung eines Essays von José Juan Jiménez aus dem Jahr 2014:

Zwei besondere Aspekte:
  • Die Benennung der kanarischen Inseln durch den Bericht der Expedition von Juba II., mit seinem Einfangen von großen Hunden = Mönchsrobben (siehe z.B. Isla de Los Lobos = Wolfsinsel). Leicht nachvollziehbar: Canaria = Insel der Hunde bzw. Mönchsrobben.

Okay, wir nennen im Deutschen kleinere Verwandte der Mönchsrobben "Seehunde", für die Römer waren allerdings Haie caniculas marinas - Meerhunde.

  • Die spätere Benennung aber nach dem hierhin (zwangs-)umgesiedelten Stamm der nordafrikanisch/ berberischen Canarii.
  • Er benennt die Unterwerfung von Stämmen im hohen Atlas durch den von Kaiser Claudius entsandten Suetonius Paulinus, der als erster einen Feldzug jenseits des Atlasgebirges durchführte.
  • Er erwähnt dass noch im 5. Jahrhundert die Vorstellung eines kontinentalen autochthonen Restes des Stammes der Canarii bestand, belegt z.B. durch das Grab eines Bischofs der Canarii, der vor der Verfolgung durch die (arianischen) Vandalen nach Algerien ins Exil musste (al obispado de Bacanaria, cuyo titular llamado Palladius bacanariensis fue mandado al exilio por los vándalos en el año 484).

Ich bin überrascht, ich dachte, der Begriff kanarische Inseln sei modern, lese gerade aber in der spanischen Wikipedia, dass ihn bereits im frühen 4. Jhdt. Arnobius von Sicca (dt. Wikipedia Arnobius der Ältere) verwendet habe. In der Tat finde ich bei Wikisource:

5.1. Quod si ita non erit, tollitur omnis spes opis et erit in dubio, audiamini ab dis necne, si quando res sacras caerimoniarum conficitis debitis. 2. Constituamus enim noscendae rei causa templum numinis alicuius esse apud Canarias insulas, eiusdem apud ultimam Thylem, eiusdem apud Seras esse, apud furvos Garamantas et si qui sunt alii quos ab sui notitia maria montes silvae et quadrini disterminant cardines: si omnes uno in tempore rebus divinis factis, quod sua quosque necessitas rogitare compellit, poscantque de numine, referendi beneficii quaenam omnibus spes erit, si non undique ad se missam vocem deus exaudiet et erit ulla longinquitas, quo penetrare non possit auxilium poscentis oratio? 3. Aut enim nullis erit in partibus praesens, si uspiam poterit aliquando non esse, aut aderit unis tantum, quoniam praebere communiter suum non potest atque indiscretus auditum.​

Für die Kanaren ist dieser Text nicht weiter relevant, es geht hier um theologische Fragen, der christianisierte Ex-Heide fragt sich hier, wie die doch in ihrer Macht beschränkten, eben nicht allgegenwärtigen Götter gleichzeitig die Gebete von Leuten, die an den Extrempunkten (Kanaren, Ultima Thule, bei den schwarzen Garamanten oder bei den Seras (die ich gerade geographisch nicht zuordnen kann) leben, gesprochen werden, erhören sollen.
Was aber offensichtlich ist: für Arnobius war Canarias insulas offensichtlich eine feste Größe, die man nicht erklären musste, sondern als Bsp. für abgelegene Region in theoretischen Belangen heranziehen konnte.
 
Ein Bericht über die derzeit noch laufende 9. Ausgrabungskampagne auf der Isla de Los Lobos vor Fuerteventura, der besagt, dass die römischen Gebäude sehr viel ausgedehnter waren als bisher angenommen, und dass diese Strukturen sich über einen Großteil der Insel erstreckten.

Ich halte dies für sehr unwahrscheinlich und glaube, dass es sich eher um neuzeitliche Salinen handelt, zumal in diesem Bericht ja kaum harte Fakten genannt werden.

 
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Das ist jetzt nun wirklich nichts Neues, nämlich aus dem Frühjahr 2012, aus der Tageszeitung Diario de Avisos, über die römischen Funde auf der Fuerteventura vorgelagerten Insel Isla de Los Lobos.


  • Schön ist die Begeisterung, den Schlüssel für die Besiedelung der kanarischen Inseln gefunden zu haben.
  • Interessant ist auch die Einordnung in den Kontext der nautischen und wirtschaftlichen Erschließung des Mittelmeerraums von Ost nach West, und der atlantischen Küste von Mogador bis Cádiz.
  • Und dies nicht nur als römische Erschließung, sondern in Kontinuität zu phönizischen, griechischen und autochthonen Seefahrern.
  • Interessant ist auch, dass die Produktion von Garum und die Herstellung von Purpur Parallelen haben.

Eine schlüssige Interpretation. Und mich wundert, dass ich damals im Jahr 2012 nichts davon mitbekommen habe, ich hatte wohl eher auf die Mollusken auf meinem Teller geachtet.
 
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Ein Nachtrag zur 9. Grabungskampagne der römischen Purpurmanufaktur auf der Insel Isla de Los Lobos vor Fuerteventura:

Fazit:
  • Bislang nichts wirklich Neues
  • Aber im LIDAR neue Flächen die als fertíl = fruchtbar bezeichnet werden, was zwar möglich ist, da die Inseln früher mehr landwirtschaftlich extensiv nutzbare Flächen hatten. Gemeint ist aber wohl fertíl = ergiebig im Sinne von archäologisch lohnender Prospektion.
  • So oder so ist der Umfang der wirtschaftlichen Nutzung der Kanaren in römischer Zeit größer als bislang angenommen.
 
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