Hey,
also ich hab mir die letzten Tage noch weiter Gedanken darüber gemacht.
Zuerst einmal wurden die Verantwortlichen für den Putsch kaum strafrechtlich verfolgt, was ja sicherlich auch andere rechte Gruppierungen ermutigte, sich republikfeindlich zu äußern. Das hat sicherlich auch Hitler ein wenig zum Hitler-Putsch ermutigt, der ihn in ganz Deutschland bekannt gemacht hat und das nur für ein paar Monate Haft als Strafe.
Der Hitler-Putsch hat aber nicht zur NS-Herrschaft geführt, sondern kurzfristig zunächst mal zum Untergang der NSDAP, die daraufhin zeitweise verboten wurde.
Der Putsch hat Hitler zwar bekannt gemacht, dass allerdings nicht unbedingt im besten Lichte, zumal er mit seinem Handeln im Rahmen des Putsches ja auch die Umsturzpläne der konservativen Rechten (Kahr, Seißer, v. Lossow und alles, was an diesem Triumvirat drann hing) durchkreuzte und sich damit auch in diesem Kreisen zunächst erstmal nicht eben beliebt machte.
Außerdem kann man an den nächsten Wahlen direkt sehen, wie die Bevölkerung sich nach dem Kapp-Putsch aus Enttäuschung über die Regierung weiter von der politischen Mitte zu den Extremen bewegt hat. Verbunden mit einer Krise wie die Weltwirtschaftskrise haben diese extremen Gruppen mehr Zuhörer und einen Zufluss an Mitgliedern.
Mit Verlaub:
Die erste Wahl nach dem Kapp-Lüttwitz-Putsch war diejenige vom Juni 1920 und die einzige (damals) durch die Bank extremistische Partei, die dabei einigermaßen gut abschnitt, war die DNVP mit 15%. Ein Ergebnis, dass von ihrem Spitzenresultat von ca. 20% ihm Jahr 1924 noch ein gutes Stück entfernt war und sich so in etwa auf dem Level bewegte, auf dem die Partei bis 1930 einigermaßen stabil aggierte, was Stimmanteile angeht.
Das allerdings unter der Prämisse, dass die NSDAP reichsweit noch keine Rolle spielte, es sie in der späteren Form als überregionale Partei noch nicht gab.
Das änderte sich mit den Wahlen von 1924.
Von den Wahlen vom Mai 1924 bis zum Ende der Weimarer Republik erziehlte das rechtsextreme Spekturm* als ganzes, mit Ausnahme der Wahl von 1928, die einen Ausreißer nach unten darstellte, konsequent mehr als 20%-Punkte. Bei den Wahlen 1920 erreichte es 15%.
Damit gewannen die Rechtsextremen oder teilweise rechtsetremen Gruppierungen unmittelbar nach dem gescheiterten Kapp-Lüttwitz-Putsch weniger wähler, als selbst in den Zeiten der Republik, in denen es wirtschaftlich einigermaßen gut ging und es eigentlich wenig Anlass zur Unzufriedenheit gab.
Gegenüber der Wahl vom Januar 1919 waren da zwar Zugewinne dabei, aber die sind nicht allein auf Kapp-Lüttwitz zurück zu führen.
Als 1919 gewählt wurde, war der Versailler Vertrag, als politisches Reizthema der Republik noch nicht unterzeichnet, folglich konnte man damit noch nicht gegen die Parteien polemisieren, die die Annahme durchsetzten. Außerdem spielten hier noch die Angst vor einer Eskalation der Revolution und die wirtschaftliche und militärische Notwendigkeit den Krieg zu beenden eine maßgebliche Rolle.
Als wirklich konsequent linksextreme Partei, kann anno 1920 eigentlich nur die KPD gelten, die bei 2,1 % krebste.
In der USPD gab es zwar auch weiterhin Personen, die sich mit der parlamentarischen Republik nicht abfinden wollten, aber die waren nicht in der Lage die Generallinie vorzugeben, so dass diese Partei in sich zwischen Anhängern und Gegnern des parlamentarischen Systems zerstritten war und hier im Grunde eine ähnliche Rolle einnahm, wie die DNVP und DVP Mitte der 1920er Jahre.
Eine Menge des extremistischen Potentials war bereits mit der Etablierung der KPD seit 1919 aus der USPD abgezogen und der Rest reichte nicht hin, um die Partei auf konsequent demokratiefeindlichen Kurs zu bringen, sondern es langte nur um die Partei zu spalten, wonach der linke USPD-Flügel tendeziell zur KPD überlief, während sich der rechte Flügel weitgehend mit der SPD wiedervereinigte.
Die konsequent demokratiefeindlichen/antiparlamentarischen Parteien gewannen bei den Wahlen von 1920 keine 20%. Der Rest potentiell radikalen Potentials war in Parteien (USPD/DVP) gebunden, dass in den eigenen Reihen keine Mehrheiten zustande bekam und somit nicht zur Fundamentalopposition gegen das System führte.
Verglichen mit späteren Wahlen, schnitten die konsequent extremistischen Kräfte im Mai 1920 nicht besonders gut ab.
Und die Stimmen, die sie einstrichen auf die Aktion Kapp-Lüttwitz zurück zu führen überhöht deren Handlung.
Zwischen den Wahlen von 1919 und denen von 1920, lagen die Verabschiedung der Weimarer Verfassung, der Versailler Vertrag, der Vertrag von Saint Germain (Anschlussverbot für Österreich) die Münchner Räterepublik und deren Niederschlagung, der Kapp-Lüttwitz-Putsch, der damit verbundene Ruhraufstand, die interalliierte Besetzung des Rheinlands und nebenbei auch noch die Entwicklung in Osteuropa, im Zuge des Russischen Bürgerkrieges.
Das alles wirkte sich in Summe auf die politische Stimmungslage massiv aus (neben der Tagespolitik), nicht allein der Kapp-Lüttwitz-Putsch.
In dem Sinne, könnte man es teilweise als einen Vorboten sehen oder eher als eine Vorstufe, dass eine der immer größer werdenden extremen Parteien an die Macht kommt
Verzeihung, aber was haben moderate Sitmmuzwächse bei der KPD und der DNVP, die anno 1920 noch nicht annähernd in den Bereich kamen, dass damit das Parlament lahm zu legen wäre ( < 20%) mit dem Aufstieg der NSDAP zur Massenpartei zu tun?
Die politischen Ereignisse, die hier eine Rolle spielten, waren auch völlig andere.
Ein wirklich starkes Aufstreben der antidemokratisch Kräfte auf Parteiebene ist (da man für die mittlere Zeit der Republik die mindestens Teilweise Einbindung der DNVP in den Parlamentarismus, auch noch berücksichtigen müsste), erst ab 1930 zu konstatieren.
Als Konsequent extremistische Partei (wie gesagt unter Berücksichtigung des Zwielichtcharakters der DNVP, bevor Hugenberg dort 1928 ans Ruder kam und es schaffte seine innerparteilichen Gegner unterzubuttern, was dann auch noch 1-2 Jahre dauerte), profitierte bis dahin lediglich die KPD von der politischen Entwicklung und die hatte nun mit der politischen Ideenwelt von Kapp/Lüttwitz überhaupt nichts zu tun.
Die Nazis werden erst mit den Wahlen vom September 1930 zu einer ernstzunehmenden politischen Macht. Die DNVP beendete ihre Mitwirkung am parlamentarischen System zu Gunsten einer erneuten Fundamentalopposition, erst im Nachgang der Wahlen von 1930 durch ihren Rückzug aus dem Kabinett Brüning (I) bzw. den Verzicht auf eine Teilnahme an der Regierung Brüning (II) und erst ab diesem Zeitpunkt, gibt es in der Weimarer Republik eine extreme Rechte, die in den Parlamenten so stark wurde, dass sie für das parlamentarische System selbst eine ernsthafte Gefahr darstellten.
Das war aber 10 Jahre nach Kapp/Lüttwitz und steht damit in keinem direkten, kausalen Zusammena´hang mehr.
* Der Vereinfachung halber subsummiere ich die DNVP hier mal konsequent unter "rechtsextrem", obwohl dass durch die Beteiligung an einigen Regierungen in der Mittleren Zeit der Republik, mindestens für duesen Zeitabschnitt zu hinterfragen wäre.