Karl der Große

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Lulu*zey

Gast
Wie konnte das Frankenreich nach dem Tod, Karl des Großen, weiterexestieren?
 
So, wie Reiche meistens weiterexistieren, wenn der Herrscher stirbt. Es gibt einen Nachfolger, vorzugsweise einen Sohn, der meist schon eine zeitlang als Mitkönig ein wenig Regierungsluft geschnuppert hat. Bei Karl war das dessen überlebender Sohn Ludwig der Fromme.
 
Das Frankenreich war bereits vor Karl dem Großen ein Machtfaktor in der europäischen Geschichte. Es bestand kein Grund, weswegen es nach dem Tod des Monarchen zusammenbrechen sollte.
 
Das ist allerdings eine rückblickende Sichtweise. Dass das Frankenreich dauerhaft zerfallen würde, war erst klar, als nach dem Aussterben der ostfränkischen Karolinger Konrad zum König gewählt wurde statt eines westfränkischen Karolingers. Immerhin war noch in den 880ern das Frankenreich für einige Jahre wiedervereinigt gewesen. Es ist natürlich schwer zu sagen, wie die Zeitgenossen des 9. Jhdts. die Teilungen bewerteten, aber vermutlich nicht anders als die unter den Merowingern: als rein administrative Teilungen unter verschiedenen erbberechtigten Karolingern.
 
Naja, langfristig gar nicht.

Wikipedia hin oder her, aber es gibt einen Grund, warum der Artikel "Der Niedergang des Frankenreiches" mit dem Tod des großen Karl beginnt...

Vom Standpunkt der Franken/Franzosen existierte das Frankenreich natürlich weiter, auch nach dem Machtantritt der Kapetinger.

Abt Suger von Saint-Denis stellte im 12. Jahrhundert fest, das das Reich der Franken geteilt sei, das aber sein König der König der Franken ist.

Und auch sein Zeitgenosse Otto von Freising erkannte, das sich das "regnum Francorum" zu seiner Zeit noch in den Grenzen der ehemaligen Provinz Gallien befände. Auch ihm war bewusst, das eigentlich zwei Reichsteile existieren, nur das der Name der Franken am Westreich hängen geblieben war weil sich die Könige des Ostteils ausschließlich Könige der Römer nannten.

Der Waliser(!) Geraldus Cambrensis verglich um diesselbe Zeit die unterschiedlichen Ausdehnungen des Reichs der Franken unter Karl dem Großen (8./9. Jahrhundert) und Philipp II. Augustus (12./13. Jahrhundert). Er unterschied beide Könige nicht als Herrscher zweier verschiedener Reiche sondern von ein und dem selben.

H. Schreibmüller: Wanderungen und Wandlungen des Raumbegriffs Franken (1934)

Ob das Reich der Franken "niedergegangen" sei oder weiterexistiere ist also letztlich eine Frage des Standpunktes. Die Leute des Mittelalters jedenfalls waren sich darüber im klaren. Auch die Bourbonen (16.-18. Jahrhundert) verwendeten auf ihren Urkunden noch den Titel eines Königs der Franken (rex francorum) neben dem eines von Frankreich (rex franciae).
 
Vom Standpunkt der Franken/Franzosen existierte das Frankenreich natürlich weiter, auch nach dem Machtantritt der Kapetinger.

Abt Suger von Saint-Denis stellte im 12. Jahrhundert fest, das das Reich der Franken geteilt sei, das aber sein König der König der Franken ist.

Ich werd bestimmt nicht "den Franzosen" widersprechen, dass ist mir a) zu vorbelastete und b) zu risky... :grübel::rofl:

Ich wollte mehr auf "das Frankenreich" (in seiner Gesamtheit unter Karl d. Gr. ) hinaus, zu Teilen des Frankenreiches mit ihrer offensichtlich zu attestierenen Langlebigkeit hab ich nichts gesagt. :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ludwig der Fromme war noch zu Lebzeiten Mitregent seines Vaters gewesen, und so war die Machtübernahme überhaupt kein Problem. Zudem war man im Reich mit Karls Regierung nicht gerade unzufrieden gewesen.
 

Hatten wir - und da haben wir ziemlich unisono festgestellt, dass das Frankenreich keineswegs "scheiterte", sondern über das Westfrankenreich hin zu Frankreich eine Transformation erlebte. Ähnliches erfolgte auf der anderen Seite mit dem Ostfrankenreich und dem darauffolgenden Heiligen Römischen Reich.

Die Herkunft vom (Ost)frankenreich blieb unter den ersten Kaisern noch lange sichtbar, denn es hieß weiterhin Regnum Francorum orientalium oder kurz Regnum Francorum. Und Joinville hat uns oben berichtet,dass selbst dieBourbonen (16.-18. Jahrhundert) auf ihren Urkunden noch den Titel eines Königs der Franken (rex francorum) neben dem eines von Frankreich (rex franciae) verwendeten.Es gab also einen gleitenden Übergang in Form eines längeren politischen und auch mentalen (!) Prozesses vom Frankenreich hin zu seinen beiden Nachfolgestaaten.
 
Mit dem Vertrag von Verdun 843 zerbrach das Frankenreich dann aber doch in 3 Teile.

Das Mittelreich "Lotharingien" hatte nur eine kurze Lebensdauer und war Ende des 9. Jh. komplett an das Ostfränkische Reich gefallen, wo es künftig das Herzogtum Lothringen bildete (959 geteilt in Unter- und Oberlothringen).
 
Das Mittelreich wurde nach Kaiser Lothars I. Tod noch einmal unter seinen Söhnen geteilt in Italien (Kaiser Ludwig II.), Provence (Karl) und den Rest bis zur Nordsee das Lothar II. bekam. Dieses Gebiet wurde nach ihm Lotharingien genannt.

Alle drei Teilreiche wurden bis zu Beginn des 11. Jahrhunderts dem Ostfränkischen Reich angeschlossen, das später Heiliges Römisches Reich genannt wurde.
 
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