Kasernenhofton in Langs Mabuse

Pirx

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Letztens hab ich mal wieder Fritz Langs „Testament des Dr. Mabuse“ gesehen, eine frühe Tonfilmbearbeitung des Mabusestoffs. Bezüglich Handlung, Atmosphäre und Visualisation ein echtes Kunstwerk. Was mir den Film aber nahezu verdorben hat, war dieser ständige schnarrende Kommandoton, dessen sich die meisten Darsteller befleißigten. Meine Frage: Stellt das eine stilistische Marotte des Regisseurs dar, oder war das der allgemeine Umgangston im Berlin der 30er? Wenn letzteres zutrifft: Hat das mit irgendwelchen spezifisch preußischen Traditionen zu tun?
 
Was mir den Film aber nahezu verdorben hat, war dieser ständige schnarrende Kommandoton, dessen sich die meisten Darsteller befleißigten.
das kommt in vielen Filmen von der besagten Zeit bis in die 60er vor (!), schau spaßeshalber mal in die deutsche Synchronisation der ersten James Bond Fime, in "der Kommissar" usw - eine Art Lokalkolorit (strmm ehrbare zupackende Haltung etc.)
 
es ist zu lange her, dass ich die Filme der Mabuse Reihe gesehen habe, glaube mich aber zu erinnern, dass in der Mabuse Reihe die Figur des Kommisars Lohmann eine Rolle spielt, der bereits in Langs Meisterwerk "M- eine Stadt sucht einen Mörder" tätig ist. Goebbels gefiel der Film ausgesprochen gut, nur hat er ihn total missverstanden als ein Film gegen "Humanitätsduselei". Die Polizei, vertreten durch Lohmann" und die Berliner Unterwelt der "Ringvereine" mit Gustav Gründgens in der Rolle des "Schränkers" als Sprachrohr kommen auf ähnliche forensische Ergebnisse. Die Zunft der Bettler kann schließlich den Mörder, meisterhaft gespielt von Peter Lorre in einer stillgelegten Fabrik stellen, wo ihm ein makaberer Prozess von der Unterwelt gemacht wird.
Der Schränker bringt Volkes Stimme auf den Punkt: Ne, ne, du gehörst unschädlich gemacht und aus der Welt geschaft". Im letzten Augenblick erschein Lohmann, und der Film endet mit dem Ausspruch einer Mutter "man müsse eben besser auf die Kinder aufpassen. Zu Beginn des Films tragen die Kindsmorde zu einer paranoiden Atmosphäre in der bevölkerung bei, in denen sich brave Bürger gegenseitig verdächtigen.
Als ich vor einiger zeit mal wieder diesen fritz lang Film sah, fiel mir allerdings weniger ein Schnarrton der Akteure, als deren extrem hoher Tabakkonsum auf. Bei der Polizei wie in den Konferenzen der Ringvereine rauchen nicht nur die Köpfe, die Akteure sind in Qualmwolken gehüllt, die im Zeitalter von Rauchverboten geradezu unerhört erscheinen.
 
Als ich vor einiger zeit mal wieder diesen fritz lang Film sah, fiel mir allerdings weniger ein Schnarrton der Akteure, als deren extrem hoher Tabakkonsum auf. Bei der Polizei wie in den Konferenzen der Ringvereine rauchen nicht nur die Köpfe, die Akteure sind in Qualmwolken gehüllt, die im Zeitalter von Rauchverboten geradezu unerhört erscheinen.
die Qualmwolken werden sich nicht wegzensieren lassen, auch nicht bei Erik Ode als Kommissar

interessant, dass jede Zeit ihre eigenen filmischen Mittel findet, das Gute und das Böse zu symbolisieren: das Gute tauchte gerne als autoritärer Saubermann in älteren Filmen auf, womöglich meint @Pirx auch etwas in dieser Art (zum autoritären Saubermannklischee gehört durchaus auch ein zupackender "geradliniger" Befehlshaberton)
 
Da ich modernes Kino fast nur noch doof finde, wildere ich derzeit verstärkt in älteren Epochen. Und da fällt mir doch auf, wie angenehm mir der britische Plauderton aus den 30er Jahren in seinem kultivierten und zivilen Klang ankommt. Dagegen wirkt dieses teutonische Geknarze geradezu barbarisch. Wenn das auf echten kulturellen Unterschieden beruht, scheint sich in den letzten Jahrzehnten so einiges gedreht zu haben. Gestern in der Schlange vorm Ticketschalter standen junge Briten hinter mir. Die Sprache ein einziges heiseres Gebelle, das zu 80% aus "fuck" bestand. Dagegen ist deutsches Teenagergenöle fast schon Sphärenmusik. Und das mit dem Gequalme in "M" ist absolut richtig. Kein moderner Brandmelder würde das tolerieren. Aber da kann ich noch einen drauf setzen. Völlig unfassbar, was für Quantitäten im SciFi-Schocker "Die Dämonischen" aus den 50ern an Alkoholika so ganz nebenbei und selbstverständlich weggebechert wurden.
 
die Qualmwolken werden sich nicht wegzensieren lassen, auch nicht bei Erik Ode als Kommissar

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Im türkischen fernsehen wollten sie Szenen mit rauchenden Menschen verbieten. Da müsste man beim alten Kino aber mächtig viel schnibbeln.

Man fragt sich, ob nicht eine ideologische Komponente dahinter steckt. Es gibt kaum ein Foto von Atatürk ohne Zigarette in der Hand (oder einem Glas Raki).
 
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