Kategorien von Leibeigenen

Simplicius

Aktives Mitglied
Ich habe gerade etwas Interessantes gefunden, als ich Johann Jacob Mosers Neues Teutsches Staatsrecht. Teil 25: Von der Teutschen Unterthanen Rechten und Pflichten las. Dort heißt es in § 7 des 10. Kapitels des 3. Buches (S. 503):

Die Leibeigene in Teutschland bestehen in Ansehung ihres Ursprungs aus zweyerley Hauptgattungen:
Einige seynd alten Teutschen Ursprungs, Geschlechts und Herkommens: Andere aber stammen von denen alten Slavischen, Wendischen, u. d. Völckern ab. Hieraus folget sodann der zweyte Haupt-Unterschid; da nemlich die Leibeigene von alter Teutscher Herkunfft von uralten Zeiten her gelinde und menschlicher gehalten worden seynd; die andere hingegen härter und offt unbarmherziger als das Vieh.
Es würde mich stark wundern, wenn sich die Ausgestaltung der Leibeigenschaft noch im 18. Jh. an der ethnischen Herkunft der entsprechenden Personen orientiert hätte. Dennoch schreibt Moser das. Kann das evtl. jemand zuordnen?

Quelle: https://books.google.at/books?id=qq...PAhVnCMAKHYM-B7MQ6AEIKTAD#v=onepage&q&f=false
 
Der unterschiedliche rechtliche und wirtschaftliche Status und die unterschiedliche Behandlung der Landbevölkerung in Ost und West setzte sich auch nach Abschaffung der Leibeigenschaft bis ins 20. Jahrhundert fort, man denke etwa an den sozialistischen Kampfbegriff der ostelbischen Junker oder die sprichwörtliche Gutsherrenart.

"Ethnische Herkunft" ist leider ein sehr schwammiger Begriff.
Zum einen gab es natürlich einen breiten Personenkreis, der slawische Vorfahren hatte. In wie weit diese Abstammung jedoch außerhalb akademischer Kreise im Bewusstsein der Bevölkerung war, wäre erstmal zu prüfen. Bemerkenswert ist noch, dass es auch deutsche Adelige slawischer Herkunft gab. Erkennbar ist dies meist nur noch an den slawischen Familiennamen. Die Zugehörigkeit zur slawischen Bevölkerung führte also keineswegs in allen Fällen in die Erbuntertänigkeit.

Auf der anderen Seite gab es eine tatsächlich noch immer slawisch-sprachige Bevölkerung innerhalb Teutschlands. Gerade die Landbevölkerung im Wendland hatte die slawische Sprache lange Zeit bewahrt, hatte jedoch keine von der deutschen klar abgegrenzte ethnische oder nationale Identität entwickeln können. (Sehr interessant ist, dass mitunter klare Begriffe zur Bezeichnung der Gruppe fehlen. Böhme kann zum Beispiel gleichermaßen zur Bezeichnung der deutschsprachigen und der slawischsprachigen Bevölkerung dienen.)

Das Phänomen der Ungleichbehandlung deutscher und nicht-deutscher Bevölkerung im Mittelalter ist mir schon öfters aufgefallen und ich habe auch vor Jahren hierzu einiges hier im Forum zu geschrieben. Von besonderer Bedeutung für eine mittelalterliche Slawendiskriminierung ist meines Erachtens auch die Situation in Böhmen und Schlesien.

Ähnliche Tendenzen finden sich auch im Verhältnis zu den baltischen Völkern in Preußen, Kurland u.a.
 
Allerdings kannte man ganz sicher nicht immer den Ursprung der Leibeigenen. Und die genannte Einteilung kategorisiert lediglich nach Abhängigkeitsverhältnis. Daher trifft sie eine reale Ungleichbehandlung eher zufällig.

Man denke an den Sachsenspiegel, der die Liten einfach als ein Volk begreift, dass unterworfen wurde. (Und im Übrigen Unfreiheit als gegen den Willen Gottes charakterisiert.)

Die Typen der Abhängigkeit sind eher regional verschieden und haben sich ja sogar je nach Landesherrschaft unterschiedlich entwickelt. Einst wurde postuliert, dass die Abhängigen in Engern freier waren als in Westfalen. Doch stammt z.B. das Paderborner Meierrecht erst aus später Zeit.

Und so bekamen im Osten Deutsche Einwanderer günstigere Bedingungen, die ihnen jedoch, man muss es so sagen, oft geraubt wurden.

Damit ist aber nicht mehr die Ethnie allein entscheidend, sondern die verschiedenen Entwicklungen.
 
Das Phänomen der Ungleichbehandlung deutscher und nicht-deutscher Bevölkerung im Mittelalter ist mir schon öfters aufgefallen und ich habe auch vor Jahren hierzu einiges hier im Forum zu geschrieben. Von besonderer Bedeutung für eine mittelalterliche Slawendiskriminierung ist meines Erachtens auch die Situation in Böhmen und Schlesien.
Einen Link dazu haben Sie nicht zufällig, oder? Ich habe mal Ihre Beiträge etwas durchforstet, aber auf den 20 Seiten, die es mir angezeigt hat, bin ich nicht fündig geworden.
 
Zurück
Oben