Kater Karlo

hardy73

Aktives Mitglied
Ein berühmtes Beispiel aus der Logik lautet:

Alle Katzen haben fünf Beine.
Kater Karlo ist meine Katze.
Kater Karlo hat fünf Beine!

Obwohl die erste Prämisse eine inhaltlich falsche Aussage ist, ist die Konklusion eine logisch richtige Aussage, also ein Argument.

Da ich manchmal Schwierigkeiten habe mich verständlich auszudrücken oder das Problem habe die Wege zu meinen Hypothesen vereinfacht und anschaulich darzulegen, möchte ich dieses neue Thema erstellen.

Man kann nicht alle Theorien der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung im Kopf haben. Manche sind allgemein gebräuchlich, manche veraltet, manche kompliziert.

Wie geht ihr damit um? Wie kommt ihr zu Erkenntniss? Und mit welchen Mitteln versucht ihr diese zu vermitteln? Wie reagiert ihr auf euch unverständliche Gegenargument oder gar offensichtliche Irrungen?

LG Hardy:grübel:
 
Im Web findest Du genügend Hinweise auf unterschiedliche erkenntnistheoretische Positionen. Angefangen vom "Positivismusstreit", argumentiert vom Kritischen Rationalismus und der Kritischen Theorie, bis hin zu den provoziernden Positionen von Feyerabend.

Es gibt daneben eine Vilzahl unterschiedlicher methodischer Ansätze, die "induktive" Theoriebildung und Empirie präferieren (z.B. Anselm Strauss und das theoretical Sampling) oder deduktive Vorgehensweisen, die eine starke theoretische Fundierung formulieren wie beipsielsweise Wehler (orientiert an M. Weber)

Handwerklich gut und hilfeich ist beispielsweise von Wright. Das hilft für das wissenschaftliche Arbeiten. Feyerabend ist eher was für die "Kür".

Erklären und Verstehen - Georg Henrik von Wright - Google Books

Sehr gut und fundiert, auch für Historiker, die Sichtweise von Wehler auf wissenschafltiche Analysen.

Literarische Erzählung oder kritische Analyse?: ein Duell in der ... - Hans-Ulrich Wehler - Google Books

Alternativ dazu, teils konträr und umfangreicher eine aktuelle Darstellung bei Gerber. Sie argumentiert "konstruktivistisch" und stellt somit konsequen handlungsorientiert das Subjekt in das Zentrum der Geschichtsdarstellung.

Analytische Metaphysik der Geschichte: Handlungen, Geschichten und ihre ... - Doris Gerber - Google Books
 
Zuletzt bearbeitet:
Problematisch wird für mich die Erkenntnisgewinnung gerade in der Archäologie und ist mir während meines Studiums oder auch hier im Forum mehrmals aufgefallen. Vor allem werden hier induktivistische Ansätze verfolgt, daher das berühmte Kater Karlo-Beispiel(als methodischer Aufhänger ;)).
Allgemeingültige Aussagen werden anhand einer genügend großen Anzahl an Beispielen formuliert. Hume und Popper haben dies zu Recht kritisiert und abgelehnt. Das von Popper formulierte Prinzip der Falsifikation lässt sich aber gerade in der Archäologie und den Bereichen der empirischen Forschung häufig nur schwer anwenden. Auch die von Popper vorgeschlagene Suche nach Gegenbeispielen zu einer willkürlich frei erfundenen Theorie zur Erkenntnisgewinnung scheint nicht der Richtige Weg. Nicht nur die Langwierigkeit eines solchen Vorgehens sondern auch die mögliche Lächerlichkeit mancher willkürlich formulierter Theorie führt zur Verfälschung. Kuhn stellte zusätzlich fest das Anomalien nicht zwingend die Ablehnung der Allgemeingültigkeit einer Theorie zur Folge haben müssen. Hier finden sich auch die Kritikpunkte am Empirismus nach Locke und Hume. Leider sind wir in der Archäologie auf den Empirismus angewiesen, man betrachte allein die aufwendige Erstellung von Typentafeln zu den verschiedensten relativen Chronologien.
Dem gegenüber steht der Rationalismus wie er zum Beispiel von Descartes oder Leibnitz vertreten wird, der dem "rationalen" Denken den alleinigen Vorrang zur Erkenntnisgewinnung einräumt. Gerade in vielen Diskusionen hier im Forum ist ein derartiges Vorgehen anzutreffen. Hier ist das Problem jedoch in der geistigen Leistungs- und Vorstellungskraft begründet.
Als anderer Ansatz wird der bayessche Wahrscheinlichkeitsbegriff (Thomas Bayes) häufig verwendet, um die Plausibilität einer Aussage im Lichte neuer Erkenntnisse neu zu bemessen. Das heißt die Wahrscheinlichkeit gilt als Maß persönlicher Überzeugung. Urteile gemäß der Bayesschen Wahrscheinlichkeit können jedoch dazu führen, dass vorherrschende Sichtweisen bestätigt und kontroverse Ergebnisse unterdrückt werden und damit unobjektiv werden. Auch dieses ist hier im Forum, aber auch in der Fachliteratur häufig anzutreffen.
Dabei nehme ich mich selbst von dieser Problematik nicht aus, sondern möchte mit euch eine Diskussion anregen. Ich selbst neige dazu Wahrscheinlichkeiten als allgemeingültig hinzunehmen oder rein gedankliche Argumente als Wahrheiten zu akzeptieren und daher möglicherweis unobjektiv zu sein.
 
Dabei nehme ich mich selbst von dieser Problematik nicht aus, sondern möchte mit euch eine Diskussion anregen. Ich selbst neige dazu Wahrscheinlichkeiten als allgemeingültig hinzunehmen oder rein gedankliche Argumente als Wahrheiten zu akzeptieren und daher möglicherweis unobjektiv zu sein.
...es gibt viele Wissens- bzw. Fachgebiete, in welchen "Objektivität" schwerlich festzumachen ist (um nur ein Exempel zu nennen: die Ästhetik)

Und es gibt auch vielerlei Wissenschaften (sic), bei denen die Logik bestenfalls ein Hilfsmittel in der Argumentation ist; z.B. ein literaturwissenschaftlicher Essay wird "logisch" nicht beweisen, ob Dostojewski prima oder mies geschrieben hat :) Einfach weil die formale Logik kein Vergleichskriterium für literarische Qualität ist (((sowas mag auf dem Raumschiff Enterprise Herrn Spock vielleicht nicht behagen, aber er wird es nicht ändern können)))

Logik als Denkmodell, als Argumentationsstruktur, kann sowohl materialistische als auch idealistische Argumente stützen - der formalen Logik ist das egal (sie wertet ja auch Prämissen nicht inhaltlich: Dostojewskis berühmter Satz "und wenn man mir euklidisch bewiese, dass Gott nicht ist, ich bliebe doch beim Glauben" ist logisch Mumpitz, aber geistesgeschichtlich ein folgenreiches Kaliber (dazu gibts Literatur genug)) - insofern kann sich die formale Logik ganz elfenbeinturmmäßig abgehoben auch mit Sätzen wie "1. alle Umpfe knufzen 2. Blobo knufzt 3. Blobo mussn Umpf sein" verlustieren :D:D

...Wittgensteinleküre, ja sogar Russell und Frege sind da sehr informativ!
 
@steffen04:

Woher wissen wir, dass das, was wir sagen, zutrifft, oder auch nur einen Sinn ergibt? Indem wir die Sprache, mit der wir es sagen, untersuchen. Dabei hat man festgestellt: Die natürlichen Sprachen sind für sinnvolle, korrekte Aussagen ziemlich ungeeignet. Also hat man Regeln für eine geeignete Sprache - und nicht etwa für richtiges Denken - entwickelt. Nun kann man über einzelne Regeln der Logik und auch über ihre Grundlegung streiten. Aber wer sie nicht berücksichtigt, kann schwerlich etwas wissenschaftlich korrekt aussagen.

Ein gutes Beispiel ist Matthias Springer, Die Sachsen, Stuttgart 2004. Der Autor will möglichst leicht nicht nur den Forschungsstand, sondern auch die Forschungsdiskussion wiedergeben. Einem Großteil der Aussagen stimme auch ich zu. Allerdings verwickelt er sich andauernd in Widersprüche und baut seine Hauptthese auf einem Zirkelschluss auf. Da vieles auf einem anderen Weg zu begründen ist, und man nicht einfach so Professor wird, gehe ich davon aus, dass er die einfache Sprache nicht gewohnt ist, oder zu dem altbekannten pädagogischen Trick der 'Lügen für Kinder' greifen wollte. Jemand mit gesundem Menschenverstand könnte denken, der Autor habe Quatsch geschrieben, oder er selbst sei eben so ungebildet, nicht zu verstehen, was ein Akademiker schreibt.

Wie will man das ohne Logik vermeiden?

2. Beispiel: Wenn Archäologen davon ausgehen, dass eine Aussage, die von Laien veröffentlicht wird, als widerlegt zu gelten hat, statt sie zu prüfen, wie wollen sie korrekte Aussagen treffen? (Ja, das kommt vor.)

Und bevor jemand von Russel, Frege, Wittgenstein und ähnlichen Kalibern abgeschreckt wird, sei die schon klassische Einführung in die Logik genannt. (Zur Erkenntnistheorie ist ja oben schon einiges genannt):
Wilhelm Kamlah, Paul Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, Mannheim 1973.
 
@steffen04:

Ein gutes Beispiel ist Matthias Springer, Die Sachsen, Stuttgart 2004. Der Autor will möglichst leicht nicht nur den Forschungsstand, sondern auch die Forschungsdiskussion wiedergeben. Einem Großteil der Aussagen stimme auch ich zu. Allerdings verwickelt er sich andauernd in Widersprüche und baut seine Hauptthese auf einem Zirkelschluss auf.

... sei die schon klassische Einführung in die Logik genannt. (Zur Erkenntnistheorie ist ja oben schon einiges genannt):
Wilhelm Kamlah, Paul Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, Mannheim 1973.

Ich hoffe mal, das Springer nicht analog zu oben argumentiert:

Alle Sachsen haben drei Beine
Ich bin Sachse
Ich habe drei Beine

Ich hab mir zum Einstieg jetzt mal den Kamlah bestellt. So Gott will hilft´s
 
"...Wahrscheinlichkeit gilt als Maß persönlicher Überzeugung. Urteile gemäß der Bayesschen Wahrscheinlichkeit können jedoch dazu führen, dass vorherrschende Sichtweisen bestätigt und kontroverse Ergebnisse unterdrückt werden und damit unobjektiv werden. Auch dieses ist hier im Forum, aber auch in der Fachliteratur häufig anzutreffen. ..."

(Hervorhebung durch mich)

Ich nehme an, das Wort "unterdrücken" meinst Du nicht im landläufigen Sinn von autoritärer Entscheidung, sondern in dem Sinn, nicht zur Kenntnis nehmen bzw. nicht zur Kenntnis nehmen wollen oder können.

Das ist ein Problem nicht nur für Archäologen und Ur- und Frühhistoriker, sondern auch für Historiker.

Ich habe mich mit erkenntnistheoretischen Problemen der Geisteswissenschaften nie beschäftigt, Geschichtsphilosophie und Geschichtstheorie liegt mir sowie so nicht, da bin ich bekennender Empiriker.

Zwei Beispiele, ein konstruiertes aus der Ur- und Frühgeschichte und ein tatsächliches.

1. Beispiel (konstruiert)

Ein Archäologe findet in einem Grabungsfeld in den Anden ein Gefäß mit Stichband-Dekor, das weder in die Zeit des Grabungsfeldes passt, noch zu den anderen ausgegrabenen Artefakten. Es passt eigentlich überhaupt nicht. Das mineralogische und geochemische Gutachten bestätigt nur, daß das verwandte Material nicht aus der näheren Umgebung stammen kann.

Ab jetzt beginnt die Theorienbildung.

1. Theorie

Ein neolithisches Artefakt ist aus Mitteleuropa irgendwie in die Anden gekommen. Das schließt Du mit Vehemenz aus, zumal geochemische-mineralogische Gutachten auch Unschärfen aufweisen.

2. Theorie

Irgendwo in Süd- bzw. Mittelamerika gibt es eine bis dato noch nicht entdeckte Kultur, die Stichbandkeramik ähnliche Formen entwickelt hat. Diese Möglichkeit erscheint größer. Du "unterdrückst" also die Möglichkeit der Theorie 1.

____________________________________________________________________

2. Beispiel

Reichsfinanzreform (1920, M. Erzberger), eigenes Arbeitsbeispiel

Eine Reichsfinanzreform war mehr als überfällig, die Matrikularbeiträge und deren Festsetzung war eigentlich ein historischer "Witz", funktioniert hat das System, obwohl häufig kritisiert.

Ich habe diese finanzpolitische Diskussion im DR vor dem I. WK faktisch "unterdrückt", in dem ich nur Archivbestände des Reichsfinanzministeriums ausgewertet habe, als Referenzbestand zur Quellenkritik verwandte ich seinerzeit die Archivbestände des Reichswirtschaftsministeriums und des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates, des Reichskanzleramtes und hinsichtlich der "einseitigen Meistbegünstigung" bis 1925 des AA.

Ein erkenntnistheoretisches Fiasko, die Vorkriegsdiskussion wurde mangels Interesse nur kursorisch abgehandelt, der Vorläufige RWR viel zu sehr berücksichtig (da ich diese Idee sympathisch fand) etc.

Unsere Mitdiskutantin dekumatland, formulierte dieses erkenntnistheoretische Dilemma der Geisteswissenschaften anhand der Ästhetik.

Als bekennender Empiriker, würde ich Dein in #1 formulierte Beispiel so beantworten:

- Alle Katzen haben fünf Beine.
- Empirisch nachgewiesen ist, alle Katzen haben vier Beine (Unfallfolgen aussen vorgelassen, allerdings dann weniger als vier)
- Kater Karlo ist meine Katze, eingedenk juristischer Vorbehalte
- Kater Karlo ist offensichtlich meine Katze, mit einer besonderen individuellen Ausprägung, fünf Beine.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
@steffen04:
Keine Sorge, die meisten Widersprüche bei Springer ergeben sich aus lascher Formulierung. Dann gibt es aber auch Fälle wie den folgenden:
Erst legt er dar, dass Hieronymus (347-419) die Wohnsitze der Sachsen grob nördlich der Franken einordnet. Kurz darauf sagt er, das der Begriff 'Sachsen' bis zu den 40er Jahren des 5. Jahrhunderts nicht als Völker- oder Einwohnername genutzt wurde. Also:

Keine Erwähnung ist als Einwohnername zu verstehen.+
Die Hieronymus-Erwähnung ist ein Einwohnername.

Nach der Logik bilden diese beiden Sätze einen kontradiktionären Widerspruch, d.h. genau einer der Sätze ist wahr, der andere falsch.

Hätte er statt Völker- und Einwohnername nur Völkername geschrieben, sähe es anders aus. Solche Fehler passieren sehr schnell, wenn man sich darauf konzentriert, das falsche Wort zu vermeiden und dann kurz abgelenkt ist.
 
@ Kater Karlo:

Bei einem Schluss übertragen sich die Wahrheitswerte der Prämissen auf die Konklusion. Die fragliche Schlussform sieht aus wie folgt:

Alle A sind B. (1. und wahre Prämisse)
Ein C ist A. (2. und wahre Prämisse)
------------ (der berühmte Schlussstrich, der den Schluss symbolisiert)
Ein C ist B. (die wahre Konklusion)

Da die 1. Prämisse (Alle Katzen haben 5 Beine.) falsch ist, ist auch die Konklusion falsch.

Daher: Kein Problem.:)
 
Problematisch wird für mich die Erkenntnisgewinnung gerade in der Archäologie.
... Ich selbst neige dazu Wahrscheinlichkeiten als allgemeingültig hinzunehmen oder rein gedankliche Argumente als Wahrheiten zu akzeptieren und daher möglicherweis unobjektiv zu sein.


Meines Erachtens liegt der Kardinalfehler Deiner Überlegungen in dem Punkt, daß Du nach einer methodik suchst, die Dich zu objektiven Ergebnissen bringt. Wenn ich mal davon ausgehe, daß Du mit "unobjektiv" subjektiv meinst und nicht etwa einen dritten Zustand etablieren willst, so würde ich die Behauptung aufstellen, daß Du gar nicht anders sein kannst als subjektiv, Deine Aufgabe als Wissenschaftler (nicht im professionellen Sinne, sondern im Sinne jedes Menschen, der nach Erkenntnis strebt) ist also, im Bewußtsein Deiner Subjektivität nach Objektivität zu streben. Welche erkenntnistheoretische Methode Du dabei wählst, wird Dir Dein Objekt sagen, in allen Fällen wird aber niemals eine Wahrscheinlichkeit allgemeingültig sein, das ist ein Oxymoron.

Ein wesentliches Merkmal, welches die Archäologie als Teil der großen Familie der Geschichtswissenschaften ausmacht, ist ihr auf den Diskurs angelegter Ergebnisstil. Das heißt, die Gültigkeit der Interpretation eines Befundes hängt nicht von der richtigen Nutzung einer Methode ab, sondern von der Überzeugungskraft ihrer Argumente. Vorausgesetzt, die Kollegen gehen nicht von vornherein mit einer negativ vorgefaßten Meinung an das vorgestellte Problem heran (in dem Falle wäre aber auch jede Methodik zum Scheitern verurteilt wie auch jede Kontroverse überhaupt, weshalb wir diesen Fall nicht annehmen), kommt es darauf an, daß Deine Zuhörer das von Dir Gesagte mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen abgleichen können, Deine Argumente nachvollziehen können und dann entweder zustimmen oder aufgrund von Gegenargumenten Einwände anmelden. Und auch das in einer solchen Diskussion formulierte Ergebnis ist eine Möglichkeit, eine Idee, die weder objektiv noch allgemeingültig sein kann.

Dazu das schöne Beispiel von Melchior:

"...Wahrscheinlichkeit gilt als Maß persönlicher Überzeugung. Urteile gemäß der Bayesschen Wahrscheinlichkeit können jedoch dazu führen, dass vorherrschende Sichtweisen bestätigt und kontroverse Ergebnisse unterdrückt werden und damit unobjektiv werden. Auch dieses ist hier im Forum, aber auch in der Fachliteratur häufig anzutreffen. ..."

(Hervorhebung durch mich[Melchior])

Ich nehme an, das Wort "unterdrücken" meinst Du nicht im landläufigen Sinn von autoritärer Entscheidung, sondern in dem Sinn, nicht zur Kenntnis nehmen bzw. nicht zur Kenntnis nehmen wollen oder können.

1. Beispiel (konstruiert)

Ein Archäologe findet in einem Grabungsfeld in den Anden ein Gefäß mit Stichband-Dekor, das weder in die Zeit des Grabungsfeldes passt, noch zu den anderen ausgegrabenen Artefakten. Es passt eigentlich überhaupt nicht. Das mineralogische und geochemische Gutachten bestätigt nur, daß das verwandte Material nicht aus der näheren Umgebung stammen kann.

Ab jetzt beginnt die Theorienbildung.

1. Theorie

Ein neolithisches Artefakt ist aus Mitteleuropa irgendwie in die Anden gekommen. Das schließt Du mit Vehemenz aus, zumal geochemische-mineralogische Gutachten auch Unschärfen aufweisen.

2. Theorie

Irgendwo in Süd- bzw. Mittelamerika gibt es eine bis dato noch nicht entdeckte Kultur, die Stichbandkeramik ähnliche Formen entwickelt hat. Diese Möglichkeit erscheint größer. Du "unterdrückst" also die Möglichkeit der Theorie 1.

Wobei es ja nicht gesagt ist, daß eine Möglichkeit unterdrückt wird, nur weil eine andere wahrscheinlicher ist. Es wird ja nur gewichtet. Und in der Regel gibt es ja gute Gründe, warum Theorien ohne haltbare Argumente sich nicht durchsetzen.


Als bekennender Empiriker, würde ich Dein in #1 formulierte Beispiel so beantworten:

- Alle Katzen haben fünf Beine.
- Empirisch nachgewiesen ist, alle Katzen haben vier Beine (Unfallfolgen aussen vorgelassen, allerdings dann weniger als vier)
- Kater Karlo ist meine Katze, eingedenk juristischer Vorbehalte
- Kater Karlo ist offensichtlich meine Katze, mit einer besonderen individuellen Ausprägung, fünf Beine.

Wobei Du Empiriker hier zwei Prämissen an den Start schickst und es nicht ersichtlich ist, warum Deine Konklusion sich aus der herleitet, die Deine zweite Prämisse negiert. Ergebnis: Unlogisch!
 
...es gibt viele Wissens- bzw. Fachgebiete, in welchen "Objektivität" schwerlich festzumachen ist (um nur ein Exempel zu nennen: die Ästhetik)

Und es gibt auch vielerlei Wissenschaften (sic), bei denen die Logik bestenfalls ein Hilfsmittel in der Argumentation ist; z.B. ein literaturwissenschaftlicher Essay wird "logisch" nicht beweisen, ob Dostojewski prima oder mies geschrieben hat :) Einfach weil die formale Logik kein Vergleichskriterium für literarische Qualität ist (((sowas mag auf dem Raumschiff Enterprise Herrn Spock vielleicht nicht behagen, aber er wird es nicht ändern können)))

Logik als Denkmodell, als Argumentationsstruktur, kann sowohl materialistische als auch idealistische Argumente stützen - der formalen Logik ist das egal (sie wertet ja auch Prämissen nicht inhaltlich: Dostojewskis berühmter Satz "und wenn man mir euklidisch bewiese, dass Gott nicht ist, ich bliebe doch beim Glauben" ist logisch Mumpitz, aber geistesgeschichtlich ein folgenreiches Kaliber (dazu gibts Literatur genug)) - insofern kann sich die formale Logik ganz elfenbeinturmmäßig abgehoben auch mit Sätzen wie "1. alle Umpfe knufzen 2. Blobo knufzt 3. Blobo mussn Umpf sein" verlustieren :D:D

...Wittgensteinleküre, ja sogar Russell und Frege sind da sehr informativ!

Vor allem ist die Logik, wie alles Denken, an die Sprache gebunden, und geht bei Übersetzungen sehr leicht verloren.
 
Im Prinzip kann außerhalb der Mathematik ein rein auf Logik aufgebautes System genau wie ein rein auf Empirik aufgebautes System zu falschen Schlüssen bzw, Zirkelschlüssen führen,die einen Erkenntnisgewinn verhindern
man benötig immer ieine Kombination aus Logik und Empirik,wobei die Basisannahme auf empirik beruht und sich daraus mittels der Logik Schlüsse ableiten lassen.
 
Im Prinzip kann außerhalb der Mathematik ein rein auf Logik aufgebautes System genau wie ein rein auf Empirik aufgebautes System zu falschen Schlüssen bzw, Zirkelschlüssen führen,die einen Erkenntnisgewinn verhindern
"er versuchte es mit roher Empirie, doch auch dies wollte nicht nützen" (Immermann, Münchhausen) :):)

immerhin ermöglicht es die Logik, Sätze sinnvoll und stringent miteinander zu verknüpfen (bis heute zumeist in der antiken Form der Syllogistik, über welche moderne Formallogiker ein wenig die Nase rümpfen, da sie mit ihren komplizierteren Logiken sozusagen edleres Wild jagen (Prädikatenlogiken etc)) - sie ist in der Praxis (Reden, Diskussionen, Essays etc) also vornehmlich ein formales abstraktes Denkmodell (zur Verknüpfung von Sätzen bzw. zum schlußfolgern).

dass sie formales Denkmodell und nicht etwa Wahrheitslieferant ist, zeigt sich deutlich an den machbaren Spielereien (Aussagesätze, die aussagenlogisch verknüpft werden, aber keinen sprachlichen Sinn ergeben wie "alle Befze grumpfen" als Prämisse) :):) -- das aussagenlogische Modell liegt ja vor, d.h. man kann nachrechnen, inwieweit korrekte Schlußfolgerungen aus Verknüpfungsmöglichkeiten von wahren und falschen Sätzen möglich sind.

Mein Lieblings-Schwachsinnssyllogismus ist:
1. nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer [completely bullshit]
2. Kant ist tot. [wahr]
=> 3. Kant ist ein guter Indianer. [falsch]
:D:D:D
 
Vor allem ist die Logik, wie alles Denken, an die Sprache gebunden, und geht bei Übersetzungen sehr leicht verloren.
??? bedeutet das, dass die Stringenz von Russells Principia mathematica verloren geht, wenn man dieses lehrreiche Buch übersetzt?... das kann nicht dein Ernst sein, oder?

erstaunlicherweise ist logisches schlußfolgern der Sprache selber immanent, man könnte sagen "angeboren": die Sprache verfügt nun mal über Material wie "wenn... dann..." :) Chomsky hatte sich u.a. mit den sich daraus ergebenden Problemen produktiv abgeplagt :):)
 
Isleifson meinte wohl, das es sehr schwer ist in 2 Sprachen das gleiche Feingefühl für Formulierungen und dergleichen zu haben.

einfaches beispiel:
"must" und "have to" in englisch.
noch einfacheres Beispiel:
schau mal einen deutsch syncronisierten Film mit Humor, nachdem du die englische originalfassung gesehen hast.
 
Isleifson meinte wohl, das es sehr schwer ist in 2 Sprachen das gleiche Feingefühl für Formulierungen und dergleichen zu haben.

einfaches beispiel:
"must" und "have to" in englisch.
noch einfacheres Beispiel:
schau mal einen deutsch syncronisierten Film mit Humor, nachdem du die englische originalfassung gesehen hast.

Genau.

Oder schreib mal eine Bedienungsanleitung auf Deutsch (sehr hohe technische kultur) oder Portugiesisch (null technische Kultur).

Meine Signatur führt übrigens zu einem Soziolinguisten und Anhänger von Chomsky.
 
Ich hoffe mal, das Springer nicht analog zu oben argumentiert:

Alle Sachsen haben drei Beine
Ich bin Sachse
Ich habe drei Beine

Ich hab mir zum Einstieg jetzt mal den Kamlah bestellt. So Gott will hilft´s

Steffen, nur um mal dein Problem aufzugreifen: Es geht nicht darum, dass die Aussagen tatsächlich war sind, sondern unter der Prämisse, dass sie wahr seien, welche logischen Schlussfolgerungen man daraus ziehen kann.

Es gibt in psychologischen Tests Aufgaben mit Aussagen, aus denen man zwingend logische Schlussfolgerungen ziehen soll. Die - innerhalb des Test als wahr angenommenen Aussagen sehen z.T. so aus:

Alle grünen Löwen haben Flügel.
Hasen können fliegen.
Tiere mit Flügeln können nicht fliegen.

Diese drei Aussagen sind als wahr vorgegeben.
Jetzt musst du sagen ob ein Satz wie
Hasen haben Flügel
etc. richtig oder falsch ist. Das Ganze natürlich mit noch ein paar weiteren Aufgaben und unter Zeitdruck.
Logische Schlussfolgerungen sind eben etwas anderes, als die Wahrheit der Prämissen. Wir sind es nur eben gewohnt, aus als allgemein als wahr anerkannten Prämissen Schlussfolgerungen zu ziehen (bzw. aus solchen, die wir für wahr halten), nicht aus unsinnigen Prämissen.
 
Man kann nicht alle Theorien der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung im Kopf haben. Manche sind allgemein gebräuchlich, manche veraltet, manche kompliziert.

Wie geht ihr damit um? Wie kommt ihr zu Erkenntniss? Und mit welchen Mitteln versucht ihr diese zu vermitteln?

Das ist nach wie vor eine zentrale Frage in der Historiographie und sie ist nach wie vor sehr aktuell.

Gleichzeitig ist es immer wieder interessant zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit sich Diskussion in einen Bereich der relativen Belanglosigkeit manövrieren.

Dabei werden in diesem Thread die zentralen Probleme der Diskussion über Erkenntnistheorie und der damit zusammenhängende Zusammenhang zwischen Theorie, Empirie und der Frage der Erkenntnisgewinnung beispielsweise in der Historiographie bisher weitgehend ausgeblendet.

Der Paradigmenwechsel in der Historiographie, von der Dominanz der Social History zu einer dominierenden Sichtweise des sozialen Konstruktivismus und zur wahrscheinlichen Entwicklung in Richtung Historiographie der Gesellschaft wird nicht angesprochen. Dabei wird durch diese Paradigmenwechsel die Frage der Methodik zentral berührt und auch die Frage, wie das "Wahheitskriterium" von Theorien bzw. von Aussagen seine Gültigkeit besitzen soll.

In diesem Kontext hat allerdings Wittgenstein, als einer der "geistigen Väter" beispielsweise von Clifford Geertz (thick description), durchaus wiederum seine Berechtigung genannt zu werden. Allerdings dann wiederum in dem Kontinuum, der durch die Positionen von Wehler oder Gerber aufgezeigt wird.

Stattdessen ergab sich eine Diskussion über formale Logik, die schon seit 30 Jahren nahezu keine Rolle mehr spielt in der Diskussion in den Fachdisziplinen und auch nicht mehr im Bereich der Methoden.

Die Diskussion über Aussagenlogik mag ja durchaus ihren Charme haben, allerdings und wie gesagt, sie geht weitgehend an den aktuellen Diskussion zu dem Thema völlig vorbei.
 
Mein Lieblings-Schwachsinnssyllogismus ist:
1. nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer [completely bullshit]
2. Kant ist tot. [wahr]
=> 3. Kant ist ein guter Indianer. [falsch]
:D:D:D

1. Kant ist tot (nach dekumatland)
2. Gott ist tot (nach Nietzsche)
3. Kant ist Gott?


Oder schreib mal eine Bedienungsanleitung auf Deutsch (sehr hohe technische kultur) oder Portugiesisch (null technische Kultur).

Den Satz finde ich aber sehr doof. :gelbekarte:
 
Zurück
Oben