Klärungsbedarf zu Grabbeigaben ...

Pope

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Hallo!

Mir kam vor einigen Tagen, als ich wiedereinmal abends im Bett lag und in meinem Buch schmökerte, ein ketzerischer Gedanke. Der lautet wie folgt:

Bei sämtlichen prähistorischen europäischen Kulturen wird per se angenommen, dass Grabbeigaben eine horizontale Stratifizierung der Gesellschaft bedeuten. Findet man ein Grab mit Messern und Schwertern, wird angenommen, es handle sich um ein Mitglied einer "Kriegerkaste". Findet man mehrere davon, ist es ein kriegerisches Volk.

Mein Einwand:

Wie will man anhand der Grabbeigaben auf das soziale Gefüge schließen können?

1. Unsere Gesellschaft weist eine starke Differenzierung auf, und dennoch haben wir keine Grabbeigaben. Vielleicht wird Mann aus reicher Familie in einem teuren Sarg bestattet und bekommt einen tollen Grabstein, aber außer einigen Messingschanieren und vielleicht goldenen Manschettenknöpfen wird man in 5000 Jahren nicht viel mehr von seinem Reichtum erahnen können.

2. Um zu wissen, ob jener Beerdigte besonders reich bestattet wurde, muss man ersteinmal wissen, ob sein Grabnachbar aus der gleichen Zeit stammt, welche Gegenstände dieser Zeit hohen symbolischen Wert hatten, welche Symbolkraft diese Gegenstände hatten, wie die Menschen sich ein Leben nach dem Tod vorstellten (Grabbeigaben als Hilfsmittel im Jenseits; oder Grabbeigaben als Respektbezeugung; oder nur persönliche Gegenstände als Grabbeigaben), usw. usw.

Fazit: Ich finde es vermessen aus den Grabfunden auf die Gesellschaftsverhältnisse zu schließen!
 
Pope schrieb:
Hallo!

Mein Einwand:

Wie will man anhand der Grabbeigaben auf das soziale Gefüge schließen können?

sicher wird das umfeld, also zb. andere gräber die im zusammenhang mit dem fraglichen grab stehen beachtet. wenn nur ein grab eine prunkvolle bestattung hatte und andere nicht kann man davon ausgehen das der tote eine besondere stellung hatte. auch geschlecht und die ernährung des toten, die verarbeitung, art und wert der beigaben werden überprüft. auch an deinem beispiel einer heutigen bestattung könnte man an hand der beschläge, holzart des sarges, grabstein und der ernährung ( gute- oder mangelernährung ) des toten, dann auch im vergleich zu anderen grabfunden des selben friedhofes, seine stellung in 5000 jahren in etwa noch gut einschätzen können.
 
Das von dir als einfaches und klares System zur "Bestimmung" bezeichnete klassifizieren ist weitaus komplexer als es dir im Moment erscheinen mag.
Einzelfunde werden im Normalfall eben nicht als "Standarts" übersetzt und die Anwesenheit von Gegenständen wird nicht immer auf einen Zusammenhang mit dem Verstorbenen gelegt.

Eine Aussage wie etwa "es handelt sich um ein kriegerisches Volk" wird von Fachpersonen erst dann getroffen, wenn sie nach langen, gründlichen und möglichst umfassenden Studien der Faktenlage zu einem Ergebnis gekommen sind. Und selbst dann wird dies normalerweise erst mit Kollegen diskutiert, in Fachblättern zur Disposition gestellt, in Foren (nein, nicht Internetforen) diskutiert....
Und wenn es diesen Prozess zur allgemeinen Anerkennung durchlaufen hat, wird es meistens in Schul - und Populärpublikationen übernommen. Und hin und wieder kommt es dann auch vor, dass andere Fakten auftreten oder bestehende anders interpretiert werden und dann ändert sich das alles.

Bei Aussagen wie "Im Grab R 50 wurde ein Krieger der frühen Bubbelwasser- Kultur gefunden" sollte man sich den Weg dieser Aussage genau ansehen. Normalerweise gehen nämlich mit den Grabbeigaben auch Analysen des Grabes selbst wie auch der Leiche einher um derartiges zu konstatieren.

Oder ums genau zu sagen: die Wissenschaft weiß schon sehr genau was sie tut. Das schützt aber weder vor voreiligen Äußerungen, noch vor Fehlern, neuen Erkentnissen oder Laien die schlicht Müll publizieren. Steht in deinem Buch so was wie "Waffen im Grab = Krieger" ist dies vielleicht nur die halbe Wahrheit.
 
Danke

für die schnellen Antworten. Ich kann es mir auch nicht vorstellen, dass die beschriebenen Funde ohne Zusammenhang aussagekräftig sind.

Um den Bogen weiter zu spannen:
Was sagt uns die Brandbestattung in der Urnenfeld im Vergleich zu einfachen Begräbnissen zu anderen Zeiten? Man bedenke, dass auch die "Urnenfelder" durchaus monumentale Grabhügel hatten...

Kann man aus der Art der Bestattung Hinweise auf die Gesellschaftsstrukturen finden?

Pope
 
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