Kleidung kämpfender und anderer Frauen in Italien

Naresuan

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Da ich meinen Beitrag zeitlich weder bei der Diskussion um Johanna von Orleans, noch bei den Wikinger-Kriegerinnen unterbringen kann, mache ich mal einen neuen Thread auf.

Die Tagebücher (Sanudo, Priuli) und Chroniken aus Italien für die Zeit um 1500 sind voller Erwähnungen kriegerischer Frauen. So bildeten sie bei der Verteidigung Faenzas und Brisighellas 1505 zwei Schwadrone mit jeweils einer Capetania als Anführerin und fochten dabei virilissimamente und mirabelmente.
An anderer Stelle bildeten sie 10 Schwadrone mit jeweils 50 Frauen und einer Hauptfrau. Dabei handelte es sich noch um eine Art Pioniere, die die Aufgabe hatten, in Ausfällen Holz für die Stadt zu organisieren und damit die Mauern zu reparieren. Sie stellten auch die ersten Sanitätseinheiten, die unter Einsatz ihres Lebens organisiert die Verwundeten sammelten. Es ging dann aber weit über zufällige und unterstützende Tätigkeiten hinaus und zieht sich über fast ein Jahrhundert hinweg und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Frauen die ganze Zeit Männerkleidung trugen, sondern dass sich mit der Zeit eine angepasste weibliche Kriegs-Kleidung ergab.
Eine Stelle in Cronaca modenese di Jacopino de' Bianchi, detto de' Lancellotti ist dazu besonders interessant und ich hoffe auf Mithilfe:
et oltra li homini pixani et spagnoli li avevane quantità di done prudentissime con borzachini in pede et insachate suxe et anche con coracine indosso con lance in man e con grafii che avevano punta longa et una da taiare.
Übersetzungsversuch: und außer den Männern von Pisa und den Spaniern hatten sie eine Anzahl äußerst umsichtiger Frauen in Stiefeletten und ?? und auch einen Kürass tragend mit Lanzen in den Händen und ?, die einen langen Dorn und eine Seite zum Schneiden hatten (vermutlich Hellebarden).
Die ?? also "insachate suxe" ist schwierig. Leider fand ich keine Übersetzungen. Insachate ist bestimmt eine frühe Form von insaccate (eingesackt oder eingeschnürt wie ein Salami), doch das suxe macht mir Mühe. Eventuell altes italienisch für chausse (franz.) oder dem deutschen Schoss. Das eine wäre dann eine Beinbekleidung, etwas wie Gamaschenhosen, das andere mehr etwas von oben herunterhängendes. Weiß da jemand mehr?

Die Renaissance in Italien brachte ja nicht nur eine Reihe von berühmten und selbstbewussten Frauen hervor, wie Caterina Sforza, Lucrezia Borgia, Katharina von Medici und Isabella d'Este, sondern auch eine neue Mode. Die letzten beiden sollen auch die Unterhose (Braghesse) für Frauen entdeckt und getragen haben. Diese Unterhose blieb vermutlich in Italien eine Zeit lang populär, bis sie dann nur noch Prostituierten zugestanden wurde und wieder aus der Mode verschwand.
Vielleicht sind die insaccate suxe und die Braghesse auch das Gleiche.

Jedenfalls meldet Fynes Moryson (1566–1630) in seinem Itinerary 1617 aus Norditalien
the city virgins, and especially gentlewomen ... in many places wear silk or satin breeches under their gowns.
Wie immer er das rausgefunden hat. Jedoch dann auch:
I have seen honourable women, as well married as virgins, ride by the highway in princes’ trains, apparelled like men, in a doublet close to the body, and large breeches open at the knees, after the Spanish fashion, both of carnation silk or satin, and likewise riding astride like men upon horses and mules, but their heads were attired like women, with bare hairs knotted, or else covered with gold-netted cauls, and a hat with a feather.
Da ritten also Frauen in Hosen in Norditalien herum und es tönt nicht danach, als ob sie sich als Männer ver- oder gekleidet haben, sondern ihre eigene Mode zur Schau stellten.

Auf einem Bild Antonio Tempestas zeigt 1590 eine jagende Reiterin deutlich Bein, bzw. Hose.
https://www.euppublishing.com/actio...021.0198&iName=master.img-002.jpg&w=183&h=264

Dies alles deutet darauf hin, dass in der Renaissance in Norditalien eine Zeit lang aus verschiedenen Gründen Hosen bzw. eine weibliche Form davon für Frauen akzeptiert war.
Ich vermute, dass das auch mit den oben erwähnten kämpfenden Frauen zu tun hatte, obwohl diese über die Zeit zunehmend aus unteren Schichten kamen und nicht mit modebewussten Adligen gleichzusetzen sind.
Ich frage mich natürlich, ob so ein zeitweises Abweichen ins Männliche von der Norm der weiblichen Mode auch zu anderen Zeiten und an anderen Orten möglich gewesen wäre.
 
Jedenfalls meldet Fynes Moryson (1566–1630) in seinem Itinerary 1617 aus Norditalien
the city virgins, and especially gentlewomen ... in many places wear silk or satin breeches under their gowns.
Wie immer er das rausgefunden hat.
Dazu empfehle ich den Reisebericht des Ritters Arnulf von Harff, insbesondere seine Lexikonpassagen mit dem wichtigsten Reisewortschatz, wenn man in Sprachgbiet xy kommt - wobei hier natürlich der Stand nicht ganz passt - und vielleicht auch die Histoire de ma vie des Chevalier de Seingalt. Letzteres Werk ist zwar zeitlich eine andere Kategorie, aber du kommst dann ganz von alleine darauf, wie Moryson darauf kam, wonach du fragst.
 
Es ging dann aber weit über zufällige und unterstützende Tätigkeiten hinaus und zieht sich über fast ein Jahrhundert hinweg und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Frauen die ganze Zeit Männerkleidung trugen, sondern dass sich mit der Zeit eine angepasste weibliche Kriegs-Kleidung ergab.
Der Legionär in mediterranem Gefilde wurde kurzärmelig und beinfrei dargestellt, aber Rheinlimes und Hadrianswall trug er witterungsbedingt gerne bracae (Hosen) und Mäntel; in Frühmittelalter sollen Kriegszüge saisonal gewesen sein (jedenfalls nicht gerne winters) - - je weiter man von milden mediterranen Klima nach Norden kommt, umso statischer werden die jahreszeitlichen Temperaturunterschiede.
Mir stellt sich die Frage, ob es für spätes Mittelalter und frühe Neuzeit - natürlich regional differenzierend - da zeitgenössische Abbildungen gibt (winters, sommers) und ob die Jahreszeiten sich auch in der Kriegsausrüstung wiederfinden. Wenn letzteres der Fall ist, müsste es auch eine Winter- und Sommerkluft der italienischen Kriegerinnen gegeben haben, es sei denn, deren kriegerische Betätigung wäre saisonal begrenzt gewesen.
Gibts da was? Oder ist das eine abseitige Überlegung? War die Kriegsausrüstung im späten Mittelalter und früher Neuzeit immer dieselbe?
 
im Frühmittelalter sollen Kriegszüge saisonal gewesen sein (jedenfalls nicht gerne winters) - - je weiter man von milden mediterranen Klima nach Norden kommt, umso statischer werden die jahreszeitlichen Temperaturunterschiede.
Im Spanischen gibt es das Wort aceifa. Das hat die Bedeutung von Razzia (allerdings nicht in seiner heutigen polizeilichen deutschen Bedeutung, sondern in seiner ursprünglichen arabischen Bedeutung (ġazwa): 'Angriff', 'Raubzug'. Auch aceifa kommt aus dem Arabischen und darin steckt das Wort für Sommerernte ṣā'ifah (ṣayf 'Sommer').
 
in Frühmittelalter sollen Kriegszüge saisonal gewesen sein (jedenfalls nicht gerne winters)
Leider ist mein eingestelltes Zitat das einzige, welches ich bisher gefunden habe und uns Aufschluss über die Bekleidung der Frauen geben könnte. Es bezieht sich auf eine Beobachtung im Juni 1500.
Gekämpft wurde in den italienischen Kriegen zwischen 1499-1504 aber auch im Winter:
In Forli ergab sich Caterina Sforza am 12. Januar 1500
Faenza kapitulierte nach 157 Tagen Belagerung am 25. April 1501.

Stellvertretend für alle kämpfenden Frauen sei hier Diamante Torelli erwähnt, die sich am 20. November 1500 auf den Mauern Faenzas hervor getan hat und wie sie 1867 gemalt wurde:
f2293-med.jpg


Das Bild des Zeitgenossen Botticelli (1445-1510) von seiner Fortitude in Rüstung ist aber vielleicht in diesem Zusammenhang interessanter. Das wäre dann aber eine Sommeruniform.:)
1540370112918613-Sandro-Botticelli-Fortezza-princ.jpg
 
Die Renaissance in Italien brachte ja nicht nur eine Reihe von berühmten und selbstbewussten Frauen hervor, wie Caterina Sforza, Lucrezia Borgia, Katharina von Medici und Isabella d'Este, sondern auch eine neue Mode. Die letzten beiden sollen auch die Unterhose (Braghesse) für Frauen entdeckt und getragen haben. Diese Unterhose blieb vermutlich in Italien eine Zeit lang populär, bis sie dann nur noch Prostituierten zugestanden wurde und wieder aus der Mode verschwand.
Vielleicht sind die insaccate suxe und die Braghesse auch das Gleiche.
Katharina von Medici wird nicht nur die Einführung der Unterhose zugeschrieben, sondern auch die Erfindung eines speziellen Damensattels. Dieser Sattel ermöglichte es ihr trotz seitlichem Aufsitzen im Rock beim Reiten in Fahrrichtung nach vorn zu schauen. Mit diesem Sattel ist auch schnelles Reiten und damit die Teilnahme an Jagden möglich ohne breitbeinig auf dem Pferd zu sitzen.

I have seen honourable women, as well married as virgins, ride by the highway in princes’ trains, apparelled like men, in a doublet close to the body, and large breeches open at the knees, after the Spanish fashion, both of carnation silk or satin, and likewise riding astride like men upon horses and mules, but their heads were attired like women, with bare hairs knotted, or else covered with gold-netted cauls, and a hat with a feather.
Fynes Moryson fällt jedenfalls auf, dass sich diese italienischen Frauen seiner Meinung nach nichts geschlechtskonform verhalten und kleiden, d.h. "like men" = wie Männer.
Moryson glaubt die Hosen entsprächen der spanischen Mode. Die spanische Mode dieser kennt eine kurze Hose aus Seide, die Heerpauke, ein Vorgänger der Pluderhose, zu der eine Strumpfhose getragen wurde.

Bildbeipiel für die spanische Hose:
220px-Don_Juan_d%27Austria_1.JPG


Das Bild des Zeitgenossen Botticelli (1445-1510) von seiner Fortitude in Rüstung ist aber vielleicht in diesem Zusammenhang interessanter. Das wäre dann aber eine Sommeruniform.
Es handelt sich um die Abbildung einer Göttin, Personifikation oder Allegorie der Tapferkeit.
Schon die alten Römer stellten sich die Virtus als bewaffnete Frau in Rüstung vor.
 
Es handelt sich um die Abbildung einer Göttin, Personifikation oder Allegorie der Tapferkeit.
Schon die alten Römer stellten sich die Virtus als bewaffnete Frau in Rüstung vor.
Schon klar, aber oft sind diese Darstellungen ja nicht in der Kleidung der Antike, sondern entweder Phantasie oder aus der Zeit des Malers. Könnte es sein, dass Botticelli jemand in einer zeitgenössischen Frauenrüstung Modell saß?
 
Eher nicht. Der Brustharnisch der Zeit hat soviel Platz, dass herausgetriebene Brüste unnötig sind. Außerdem wären sie sehr teuer gewesen.
 
Eher nicht. Der Brustharnisch der Zeit hat soviel Platz, dass herausgetriebene Brüste unnötig sind. Außerdem wären sie sehr teuer gewesen.
Das Material im Bereich der Brust muss nicht Metall sein. Es könnte sich auch um Leder handeln. "Corazine" oder auch "Jazerine" waren wohl mit Samt überzogene Schuppenhemden, deren Schuppen aus Horn, Leder oder Metall sein konnten.
Wenn es stimmt, dass es sich bei der abgebildeten Person um Lucrezia Donati – Wikipedia handelt, eine Patrizierstochter aus Florenz und Geliebte des Lorenzo de' Medici, sollte eigentlich Geld eine kleine Rolle gespielt haben.
Je länger ich jedoch darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, ob es vielleicht nicht umgekehrt war: Bilder, wie dieses von Botticelli, legten die Grundlage dafür, dass Frauen in Italien in der Renaissance etwas aus den Rollen des Mittelalters heraustreten durften und anfingen zu kämpfen und Rüstungen zu tragen.
 
Schon klar, aber oft sind diese Darstellungen ja nicht in der Kleidung der Antike, sondern entweder Phantasie oder aus der Zeit des Malers. Könnte es sein, dass Botticelli jemand in einer zeitgenössischen Frauenrüstung Modell saß?
Ich gehe natürlich davon aus, dass bei Boticelli echte Frauen mit Requisiten und Kostümen Modell standen. Bei den Reqisiten muss es sich aber keineswegs um echte Waffen und Rüstungen handeln. Nachbildungen aus anderen Materialien wie Holz, Pappmasche oder Wachs reichen Malern als Requisiten in der Regel völlig aus.

Dieses Gemälde von Boticelli zeigt Pallas Athena und einen Zentauren:
270px-Sandro_Botticelli_-_Pallade_e_il_centauro_-_Google_Art_Project.jpg

Die Waffe der Athene gleich offensichtlich einer Mordaxt ganz im Stil der Renaissance. Auf dem Rücken trägt sie auch einen ebenfalls frühneuzeitlichen Schild, eine Tartsche
Ihre eigentümliche knöchelhohe Fußkleidung lässt die Zehen frei. Bei genauer Betracht ist erkennbar aus wie vielen Teilen das Stück zusammengenäht sein könnte. Ähnliche Fußkleidung in blau ist auch unterm Rock der Virtus von Boticelli erkennbar. Boticelli ahmt in beiden Fällen den römischen Calceus-Stiefel. Bereits in der römische Kunst tragen bestimmte Göttinnen diese herrschaftlichen Stiefel, die im echten Leben wahrscheinlich männlichen Oberschicht der Römer vorbehalten waren.
Ansonsten trägt diese Athene ein fast durchsichtiges Kleid, dessen Blümchendekor geradeso die Brustwarzen verdeckt. Unter dem durchsichtiges Kleid trägt sie trotz Kampfpose offensichtlich keine Hose!
 
Je länger ich jedoch darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, ob es vielleicht nicht umgekehrt war: Bilder, wie dieses von Botticelli, legten die Grundlage dafür, dass Frauen in Italien in der Renaissance etwas aus den Rollen des Mittelalters heraustreten durften und anfingen zu kämpfen und Rüstungen zu tragen.
Als Ausnahmeerscheinungen in Kunst und Kultur gab es kämpfende Frauen und Frauen in Rüstungen doch öfters, ohne dass das dazu geführt hätte, dass auch real Frauen in den Kampf ziehen. Ich verweise etwa auf die alten Griechen, die Athene (auch) als Kriegsgöttin verehrten und mitunter bewaffnet darstellten.
 
Als Ausnahmeerscheinungen in Kunst und Kultur gab es kämpfende Frauen und Frauen in Rüstungen doch öfters, ohne dass das dazu geführt hätte, dass auch real Frauen in den Kampf ziehen.
Einverstanden. Auch Hans Burgkmair der Ältere – Wikipedia schenkte uns eine "Sterck", ohne dass es gleich zur Mobilisierung aller süddeutschen Frauen führte. Sein Kunstwerk liegt aber vielleicht bezüglich Kleidung schon etwas näher bei der Beschreibung aus der Chronik von Modena.
HL10453a.jpg


Bei der Suche nach der Übersetzung stiess ich noch auf
'Dictionarium Teutsch-Italiänisch und Italiänisch-Teutsch : zuvorn niemahl in druck außgangen' - Digitalisat | MDZ von Levinus Hulsius, 1605.
Die dortige Übersetzung von corrazzina als Küriss – Wikipedia oder Harnisch halte ich jedoch für fragwürdig.
Nach wie vor gehe ich davon aus, dass es sich bei den "Coracine" um eine vielleicht kürzere Version der Brigantine (Rüstung) – Wikipedia handelte, aus der sich möglicherweise auch das Korsett entwickelt hat.
 
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