Kolonien: Nutzen oder Belastung für das Reich?

Gerhart89

Neues Mitglied
Hi Leute,

Was mich schon immer mal Interessiert hat ist,
ob die Deutschen Kolonien (Togo , Ost-Afrika, Deutsch Süd-west,Kamerun,Bismark Archipel ) mehr kosten verursacht haben oder auch dem
Reich ein Reelles Einkommen gebracht haben ?
Diese Frage ist besonders dadurch Interessant, da das Reich diese nach dem 1. Weltkrieg abtreten musst .
 
Streng genommen müßte man die Frage aufspalten:

- Einnahmen/Ausgaben (hierbei müßten budgetseitig auch zahlreiche Investitionen, zB Eisenbahnstrecken, Wegebau etc.) als liquiditätsseitige Belastung und damit als Sofort-Ausgabe für das Deutsche Reich erfaßt werden)

- "Kosten-Nutzen" (bei denen die investiven Ausgaben - etwa Hafen Tsingtao) erstmal ausgeklammert bzw. annuitätisch verteilt werden.


Von der Liquidität her waren die Kolonien ein Zuschussgeschäft. Bis 1914 waren die Nutzungen völlig überschaubar und gering, auch der hochgespielte Faktor "Auswanderung" bzw. "Export der Sozialen Frage" war ein totaler Fehlschlag.

Die großen Erwartungen in Fernost (China/Kiautschou) blieben investiv stecken, zahlreiche Unternehmensgründungen wurden eingestellt (Kohle) oder waren hochdefizitär. Nimmt man den Hafen Tsingtao und den Mengenumschlag, nutzte er zur Hälfte den Exporten anderer Nationen (GB, Japan, USA) als Tor nach China.


Ein völlig anderes Bild ergab die empörte Nationale Propaganda nach 1919 und nach Wegnahme der Kolonien: danach gewinnt man das Bild, dem Deutschen Reich sei statt einem Haushaltloch der Lebensfaden durchschnitten worden.
 
Dazu ein Zitat:

"Rückblickend fällt das Resümee der deutschen Kolonialherrschaft ernüchternd aus: Insgesamt lebten vor Kriegsbeginn in allen deutschen Kolonien lediglich knapp 24.000 Deutsche - eine verschwindend kleine Zahl. Der Anteil der Kolonien am Export machte 1913 nur kanpp 0,6% des deutschen Aussenhandels aus. Ihr Anteil am Import betrug in diesem Jahr 0,5%, bei seit 1910 fallender Tendenz. Dafür verursachten die Kolonien enorme Kosten, vor allem bei der Niederschlagung der Aufstände. Auch wenn die Kolonien einzelnen privaten Interessenten einträgliche Geschäfte und gute Gewinne verschafft hatten, so waren sie, von staatlicher Seite aus betrachtet, ein riesiges Verlustgeschäft gewesen: Die Reichszuschüsse zwischen 1884 und 1914 beliefen sich auf 646 Millionen Mark. Deutschland hätte also 1919 aufatmen können, daß man durch den Krieg von den Kosten und Lasten eines wirtschaftlich nicht einträglichen Kolonialreiches befreit worden war."

Aus "Deutschland jenseits des Äquators" Karsten Linne, Ch.Links-Verlag, Berlin 2008


Aus dieser ebenso kurzen wie knallharten Feststellung heraus ersiehst du erstens, daß die ganze deutsche Kolonisation wirtschaftlich völliger Blödsinn war und zweitens, daß Phrasen wie "Deutschland hat die Kolonien ausgebeutet" doch eher den Charakter leerer Schlagworte haben.
 
Aus dieser ebenso kurzen wie knallharten Feststellung heraus ersiehst du erstens, daß die ganze deutsche Kolonisation wirtschaftlich völliger Blödsinn war und zweitens, daß Phrasen wie "Deutschland hat die Kolonien ausgebeutet" doch eher den Charakter leerer Schlagworte haben.

Der ersten These stimme ich, siehe #2, natürlich uneingeschränkt zu.

Bei der zweiten lohnt es sich, genauer hinzusehen. Eine wirtschaftshistorische Dissertation aus 1939
Fallscheer, Helmut: Deutschlands textile Rohstoffversorgung - Deutsch-Ostafrika
zeigt da einen interessanten Aspekt der Ausbeutung und gibt zahlreiche Mengenangaben. Auf diese Nutzung bezogen liegt die Ausbeutung der kolonie klar auf der Hand, auch die weitergehenden Nutzungsabsichten.

Ein Randaspekt der "Baumwolle Ostafrika" ist übrigens die indische Einwanderung. Arbeiter aus Indien wurden als Arbeitskräfte benötigt, man sah sich da aber wohl schnell in der Not, eine Art Kanalisierung zu betreiben, da die Einwanderung den deutschen Kolonialbehörden in Ostafrika zu umfangreich und inzwischen als gefährlich erschien. Der Aspekt ist nicht in der genannten Arbeit enthalten, sondern in Barooah, Nirode Kumar: India and the Official Germany 1886-1914

P.S. übrigens hat sich der Themensteller hier nicht mehr blicken lassen ...
 
Sowas find ich immer schade :D
Eine Diskussion starten und dann nich mehr aufkreuzen...soso^^
 
Bei der zweiten lohnt es sich, genauer hinzusehen. Eine wirtschaftshistorische Dissertation aus 1939
Fallscheer, Helmut: Deutschlands textile Rohstoffversorgung - Deutsch-Ostafrika
zeigt da einen interessanten Aspekt der Ausbeutung und gibt zahlreiche Mengenangaben. Auf diese Nutzung bezogen liegt die Ausbeutung der kolonie klar auf der Hand, auch die weitergehenden Nutzungsabsichten.

Beschäftigt sich diese Arbeit mit zukünftigen Möglichkeiten (aus der Sicht von 1939) oder ist es eine Analyse der Jahre vor 1914?

Ich bin bei allen Texten aus dieser Zeit immer sehr skeptisch. Man muß beachten, daß gerade in der Zeit ab 1936 bis ca. 1942 die Propagandamaschinerie des Reichskolonialbundes (RKB) und die theoretischen Planungen des Kolonialpolitischen Amtes der NSDAP (KPA) auf Hochtouren liefen. Hier wurde jede Menge (oftmals nur pseudo-) wirtschaftlicher Kram veröffentlicht, der die Notwendigkeit der Rückgabe der Kolonien unterstreichen sollte. Im Prinzip wollte man den Leuten (Volk & Partei!) verkaufen, daß Deutschland ohne Kolonien in völlige Abhängigkeit der anderen Großmächte gerate und ohne deren Wohlwollen von allen Rohstoffen abgeschnitten wäre. Die DEKO-Gruppe der Wirtschaft unterstützte das natürlich eifrig.


Und selbst wenn diese Arbeit von 1939 sauber und objektiv wirtschaftliche Erfolge bei der Textilwirtschaft beschreibt. Die Gesamtrendite blieb katastrophal. Es ist, als würde ich mir einen Bauernhof kaufen und damit protzen, daß ich dadurch jeden Morgen mein Frühstücksei und ein Glas Milch umsonst(!) bekomme. ;)


Andererseits ist es natürlich auch richtig, daß die hohen Investitionen aus der Kaiserzeit keine wohltätigen Geschenke waren. Natürlich wollte man durch die Investitionen in in die Infrastruktur, die Plantagenwirtschaft und auch in die Bildung der Bevölkerung irgendwann man Rendite erlangen. Tatsache ist jedoch, daß die Nutzung der Investionen in der Regel dann von anderen Mächten erfolgte. Über einige Jahre durch die Mandatsmächte und auch noch später, bis lange in die Zeit der Unabhängigkeiten der ehem. Schutzgebiete. So waren z.B. die uralten Eisenbahnlinien bis in die 1980er Jahre praktisch die einzigen "öffentlichen Verkehrsmittel" in Togo, Kamerun oder Tansania, bis man auf den Straßenverkehr setzte und die Schienen verrotten ließ.
 
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Beschäftigt sich diese Arbeit mit zukünftigen Möglichkeiten (aus der Sicht von 1939) oder ist es eine Analyse der Jahre vor 1914? [1]
Ich bin bei allen Texten aus dieser Zeit immer sehr skeptisch. ...[2]
Und selbst wenn diese Arbeit von 1939 sauber und objektiv wirtschaftliche Erfolge bei der Textilwirtschaft beschreibt. Die Gesamtrendite blieb katastrophal. [3].


[1] Sie beschäftigt sich mit beiden Aspekten, und mit der zwischenzeitlichen Entwicklug. Interessant sind dabei die Mengengerüste, die aus den Reichsstatistiken bzw. Kolonialstatistiken entnommen sind.

[2] Damit hast Du natürlich recht, die Skepsis habe ich auch. Die wertenden Teile und die Folgerungen (-> Forderungen nach Restitution) kann man überlesen. Eine der Folgerungen ist zB die komplette Deckung des Reichs-Baumwollbedarfs. (Abgesehen von dem Realitätsbezug dieser Aussage:) So etwas steht ganz im Zeichen der aktuellen nationalsozialistischen Autarkiebestrebungen und wird natürlich entsprechend dargestellt.

[3] Es ging mir dabei allerdings nicht um die Rendite für die Investitionen, bestimmte Unternehmen oder das Reich, sondern um die relative Ausbeutung des Landes. Das sollte ein dafür Beispiel sein, die Rendite der kolonialen Bestrebungen vom relativen Umfang der Ausbeutung zu trennen.

Bei Gelegenheit suche ich mal ein paar Daten heraus.
 
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Es ging mir dabei allerdings nicht um die Rendite für die Investitionen, bestimmte Unternehmen oder das Reich, sondern um die relative Ausbeutung des Landes. Das sollte ein dafür Beispiel sein, die Rendite der kolonialen Bestrebungen vom relativen Umfang der Ausbeutung zu trennen.

Kannst du den Begriff der "relativen Ausbeutung" bitte mal erklären? Ganz einfach die Summe von: Welche Werte gehen aus dem Land? Welchen Wert erhält das Land dafür?
 
Kannst du den Begriff der "relativen Ausbeutung" bitte mal erklären? Ganz einfach die Summe von: Welche Werte gehen aus dem Land? Welchen Wert erhält das Land dafür?

Das wäre ein Quotient, keine Summe.

Die Ausbeutung bezog sich auf die damaligen/künftigen Potentiale des Landes und im Verhältnis dazu die realisierte/beabsichtigte Nutzung. Spricht man über Ausbeutung, gehört dazu noch eine Gewichtung: zB die Gegenwerte. Ich würde nicht unterstellen, dass die (deutschen) Farmer oder Händler keine Gegenwerte erhalten haben/erhalten würden, aber dabei kann man wohl kaum stehenbleiben.

Wenn ich das richtig für dieses Beispiel interpretiere, war die Entwicklung der Baumwollindustrie ein vorrangiges Ziel (bei den übrigen Ressourcen habe ich aus der Hand keine Vorstellung). Die Einwanderung der Inder als billige Arbeitskräfte war dazu ein Aspekt.
 
Ein Aspekt wurde noch nicht so recht beleuchtet:
Man kann nicht von "den Kolonien" sprechen, sondern sollte differenzieren.
Deutsch-Südwest ist nicht Kamerun und schon gar nicht der Bismarck-Archipel. Nennenswerte Aussiedlerzahlen gab es m.W. nur in Südwest, die andren Kolonien waren aufgrund von z.B. Klima und Tropenkrankheiten für eine europäische Erschließung kaum ungeeignet. Tsingtau ist da ein Sonderfall.
Hat vielleicht jemand eine Übersicht, die die Kosten-Nutzen-Relation der Einzelkolonien aufzeigt?
 
Ein Aspekt wurde noch nicht so recht beleuchtet:
Man kann nicht von "den Kolonien" sprechen, sondern sollte differenzieren.
Deutsch-Südwest ist nicht Kamerun und schon gar nicht der Bismarck-Archipel. Nennenswerte Aussiedlerzahlen gab es m.W. nur in Südwest, die andren Kolonien waren aufgrund von Klima und Tropenkrankheiten für eine europäische Erschließung kaum ungeeignet. Tsingtau ist da ein Sonderfall.
Hat vielleicht jemand eine Übersicht, die die Kosten-Nutzen-Relation der Einzelkolonien aufzeigt?

Für die Kolonien gibt es in den Statistischen Jahrbüchern die Gesamtzahlen der Deutschen in der Bevölkerung, zB bezogen auf 1912. So aus der Hand: zwei, drei zehntausend Auswanderer über alles, im Verhältnis der übrigen Auswanderung vernachlässigbar.

Die Kosten-Nutzen-Relationen sind schon wegen der Kosten/Ausgaben problematisch. Es gab Sonderhaushalte im Reich, die das versteckten (zB Kiautschou -> zT im Marinehaushalt als außerordentliche Ausgaben enthalten).
Nimmt man das Militär hinzu: alles deutlich defizitär.
 
Die Ausbeutung bezog sich auf die damaligen/künftigen Potentiale des Landes und im Verhältnis dazu die realisierte/beabsichtigte Nutzung. Spricht man über Ausbeutung, gehört dazu noch eine Gewichtung: zB die Gegenwerte. Ich würde nicht unterstellen, dass die (deutschen) Farmer oder Händler keine Gegenwerte erhalten haben/erhalten würden, aber dabei kann man wohl kaum stehenbleiben.

Dass mehrere Firmen glänzende Geschäfte gemacht haben, dürfte unbestritten sein. Wann man von Ausbeutung eines Landes und seines Potentiales sprechen kann, ist ein schwieriges Thema, was ja auch in die aktuelle Welt(wirtschafts)politik hineinspielt. Globalisierungsgegner werfen den Industriekonzernen(-ländern) ja auch vor, weniger entwickelte Völker auszubeuten, indem sie sie als Rohstofflieferanten, "verlängerte Werkbänke" mit billigen Arbeitskräften und Absatzmärkte zu mißbrauchen. Manche führen das so weit, daß immer wenn die Import-Export-Quote defizitär ist, eine Ausbeutung vorliegt, weil "Werte aus dem Land gezogen werden".

Ich meine bei so einer Durchleuchtung muß man prüfen, wo die Vorteile für ein Land und sein Volk liegen. Wie hoch sie sind und ob sie das Land aus eigener Kraft überhaupt erzielen könnte. Ist nicht einfach...

Um das auf die Kolonialzeit zu übertragen, müssen natürlich viele Abläufe anders interpretiert werden, aber es gibt auch gewisse Ähnlichkeiten, wenn man es so sehen will.

Land wurde in der Regel nicht für einen angemessen Preis gekauft/gepachtet. Arbeitsplätze wurden geschaffen, die Arbeiter aber oftmals zur Arbeitsleistung gezwungen. Die Einnahmen kamen den Anwohnern einer Produktionsstätte nur sehr selten direkt zugute. In der Regel nur indirekt durch Erschließung der Verkehrswege oder Befriedung der Umgebung. Die Schutzgebietsverwaltung profitierte zwar auch, aber der Großteil der Wertschöpfung und damit der Steuerpflicht) erfolgte im "Mutterland".


A propos Befriedung: Um mal einen nennenswerten Posten aus der Gesamtkostenrechnung (Deutsches Reich zum Schutzgebiet) herauszuziehen: Die Militärkosten. Man kann sie als Kosten der "Inneren Sicherheit" sehen, was manche ganz sicher zynisch bezeichnen werden. Firmen investieren in der Regel nur dort (zumindest mittelfristig) wo man nicht riskieren muß die Investitionen sofort wieder zu verlieren. Mir ist bewußt, daß hier erstmal die Nackenhaare hochgehen, wenn man so die Kosten von "Befriedungsexpeditionen" oder die Niederschlagung von Aufständen als Investitionen in die Zukunft eines Landes interpretiert. Ach ja, wir sprechen von Kamerun, Deutschsüdwest oder Deutschostafrika, nicht vom Irak oder Afghanistan... :pfeif:

Wie gesagt, das Thema scheint mir extrem schwierig, selbst wenn man versucht einfache Plus-Minus-Rechnungen aufzumachen. Man begibt sich schnell auf das politische Glatteis...:grübel:
 
Die Kolonien waren aber sehr wichtig für das nationale Ego, ohne Kolonien hätte man kaum eine Weltmacht sein können. Außerdem meine ich wurden die Kolonien auch als politischer Machtzuwachs gesehen. Und zwar nicht nur im DR. Andere wie die USA hatten ja auch ihre Zuschuß-Kolonien. Die Frage ist, ob außer GB, überhaupt irgendwer an seinen Kolonien verdient hat.
 
Die Frage ist, ob außer GB, überhaupt irgendwer an seinen Kolonien verdient hat.

Eine berechtigte Frage! Und auch das Empire verdiente wohl nur an Indien. Wären die anderen Kolonien der Großmächte profitabel gewesen, dann hätte man sich nach dem 2. WK nicht so leichten Herzens von ihnen getrennt. An den Unabhängigkeits-bestrebungen allein hat es vermutlich nicht gelegen.
 
Die Frage ob Kolonien unter der Führung Wilhem 2. überhaupt den Zweck erfüllen sollten profitabel zu sein sollte man sich meiner Meinung nach zuerst stellen!
Der neue Kurs, welcher nach der Abdankung Otto von Bismarck eingeschlagen wurde hatte weniger den Sinn Profit zu machen sondern eher ihm wie meine GechiLK Lehrerin zu sagen pflegt ein Platz an der Sonne zu sichern.
In seinem Grössenwahn und seiner Selbstverliebtheit hat er sicherlich nicht daran gedacht dass es wirtschafl. nicht nötig war Kolonien zu besitzen.
 
Die Frage ob Kolonien unter der Führung Wilhem 2. überhaupt den Zweck erfüllen sollten profitabel zu sein sollte man sich meiner Meinung nach zuerst stellen!.

Kann man so sehen - allerdings wurden diese und ähnliche Fragen in mehreren anderen Threads gestellt. Hier geht es eben um das Thema Wirtschaftlichkeit. :winke:
 
.... Natürlich wollte man durch die Investitionen in in die Infrastruktur, die Plantagenwirtschaft und auch in die Bildung der Bevölkerung irgendwann man Rendite erlangen. .....


Wie dererlei Investition in die " Entwicklungshilfe " von den geistig-moralischen Trägern des kolonialen Zililisierungsprogramms bei näherer Sicht aussehen konnte zeigt folgendes Beispiel sozusagen beispielhaft.....:grübel:

„ Die dt. Waren, die von den Afrikanern am meisten geschätzt wurden, waren nicht Erzeugnisse der Schwerindustrie, sondern vorzüglich Alkohol, Waffen und Schießpulver. Der Anteil dieser Waren an der gesamten
Ausfuhr in die Kolonien lag zwischen 30 und 60 % .
Alkohol machte 64% des Gewichts der 1884 aus Hamburg nach Afrika verschickten Schiffsladungen aus. 58 % in 1885, 52% in 1886 und 56% in 1887. Den größten Absatz hatte Alkohol in Westafrika, da ein großer Teil der Bevölkerung Ostafrikas moslemisch war.
Im Reichstag erkärte Adolf Woermann, dass die zivilisatorische Mission eines gewissen
Anreizes bedürfe. „Wer steht uns näher ,die vielen Tausend Deutschen ,die dadurch ihr Brot und Lebensunterhalt verdienen, oder die an sich geringe Zahl der Neger, die etwa durch den Branntwein zu Grunde gehen können „. Obwohl er sich nicht so drastisch äußerte, fand Bismarck, Besitzer einer pommerschen Schnapsbrennerei, nichts dabei, wenn Afrikanern deutsche Trinkgewohnheiten nahegebracht wurden.
Als Großbritannien auf der Kongokonferenz mit Unterstützung Belgiens vorschlug.den Handel mit Branntwein und Waffen aus humanitären Gründen durch Einfuhrzölle einzuschränken, instruierte Bismarck die dt. Delegation, der Woermann angehörte,sich dem Antrag zu widersetzen, da er keines der erklärten Anliegen des Kongresses betreffen.
Gleichwohl wünschte Bismarck am Ende seiner Laufbahn, sich auf den
kolonialen Schwindel nie eingelassen zu haben. Es ärgerte ihn nicht nur, dass die
Kolonien keinen nennenswerten Gewinn für die dt. Wirtschaft abwarfen, sondern
das auch die dt. außenpolit. Beziehungen gefährdeten, Auswärtiges Amt sowie das Reichsbuget belasteten....etc. „


Quelle : Otto Pflanze ; "Bismarck "- Verlag CH. BECK
 
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Kann man so sehen - allerdings wurden diese und ähnliche Fragen in mehreren anderen Threads gestellt. Hier geht es eben um das Thema Wirtschaftlichkeit. :winke:


@Arne

Richtig. Korrekterweise wurde hier von meinen Mitdiskutanten auch schon ausgeführt, daß die, hier beziehe ich mich ausschließlich auf die deutschen Kolonien*, mit einer Ausnahme, und zwar Togo** aus fiskalischer Sicht Zuschußgebiete waren; das sog. "Mutterland" also mehr Geld ausgab für die Kolonien als es über Steuer- und Zolleinnahmen zurück erhielt.

Auch das Prestigeargument, als Teil der imperialen Politik, wurde angeführt, wie ich finde ein wichtiger Hinweis.

Ich habe mit einem Kollegen gesprochen und wir sind zu der Meinung gekommen, daß für die Entscheidung, ob eine oder mehrere Kolonien für das sog. Mutterland "wirtschaftlich" waren der Netto-Abfluß (dann wäre sie unwirtschaftlich gewesen) oder der Netto-Zufluß (dann wären sie wirtschaftlich) zum BIP des "Mutterlandes" ausschlaggebend gewesen wäre. Wie seht Ihr das?

M.

* Mit der Kolonialgeschichte der anderen europäischen Länder kenne ich mich nur rudimentär aus.

** zu Togo

Togoland – Wikipedia
 
Ich habe mit einem Kollegen gesprochen und wir sind zu der Meinung gekommen, daß für die Entscheidung, ob eine oder mehrere Kolonien für das sog. Mutterland "wirtschaftlich" waren der Netto-Abfluß (dann wäre sie unwirtschaftlich gewesen) oder der Netto-Zufluß (dann wären sie wirtschaftlich) zum BIP des "Mutterlandes" ausschlaggebend gewesen wäre. Wie seht Ihr das?

Sehe ich auch so. Alles andere, also ein staatliches Zuschußgeschäft, das privaten Handelshäusern Gewinne erlaubt, würde man heute als Subventionierung bezeichnen.

Ein Aspekt bleibt dann noch, nämlich inwieweit die Handelshäuser ihre Gewinne versteuerten - Im Schutzgebiet und im Mutterland.
 
Ich habe mit einem Kollegen gesprochen und wir sind zu der Meinung gekommen, daß für die Entscheidung, ob eine oder mehrere Kolonien für das sog. Mutterland "wirtschaftlich" waren der Netto-Abfluß (dann wäre sie unwirtschaftlich gewesen) oder der Netto-Zufluß (dann wären sie wirtschaftlich) zum BIP des "Mutterlandes" ausschlaggebend gewesen wäre. Wie seht Ihr das?

Gegen den Ansatz ist imho methodisch ;) nichts einzuwenden. Er löst allerdings nicht die Frage der vollständigen Zuordnung der Militärausgaben, die in die BIP-Rechnung der "Abflußseite" zuzuschlagen wären, für die allerdings die Datenlage lückenhaft ist (ganz abgesehen von Zuordnungsstreitigkeiten).

Nebenbei bemerkt würde der Ansatz für die gegenteilige Sicht der Kolonie das Bepreisungsproblem der Waren- und Leistungsströme außer Acht lassen (-> Ergebnis: Die Wirtschaftlichkeit des Kolonialgebietes wäre zwar indiziell für die Ausbeutung, die Unwirtschaftlichkeit für das Mutterland wäre dagegen nicht indiziell für fehlende Ausbeutung des Kolonialgebietes). Außerdem bleibt das Problem der "Bewertung" der Warenströme: siehe zB Arcimboldos Hinweis auf den Alkohol.
 
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