Kontroverse Beurteilungen der Kreuzzüge

floxx78

Aktives Mitglied
Liebe Gemeinde,

es ist ja sonst nicht meine Art, hier derartige "erledigt bitte meine Arbeit"-Anfragen einzustellen. Nun muss es aber leider doch mal sein.

Und zwar such ich möglichst konträre Beurteilungen der Kreuzzüge aus heutiger Sicht.

So nach dem Motto:

Autor A sagt: Völliger Fehlschlag
Autor B sagt: Unter den gegeben Umständen ein voller Erfolg

oder auch:

Autor A: Die Kreuzzüge hatten einen entscheidenden Einfluss auf die Herausbildung der modernen europäischen Kultur

Autor B: Die Kreuzzüge stellten eine Marginalie dar.

oder auch:

Autor A: Die Kreuzzüge sind bis heute prägend für das Verhältnis von Christentum und Islam

Autor B: Das Verhältnis zwischen Christentum und Islam wird heutzutage durch alles mögliche bestimmt, zu allerletzt aber durch die Kreuzzüge.

Ich habe schon alle möglichen Quellen durchforstet, kann aber Positionen wie die oben immer nur "zwischen den Zeilen" ausmachen. So etwas zu leisten stellt jedoch für meinen Kurs, für den ich das Material benötige, eine mehr als mittlere Herausforderung dar.

Vielleicht weiß ja jemand von euch auf die schnelle von einer solchen, die Kreuzzüge betreffenden, Debatte und kann mir die entsprechenden Autoren der "Extrempositionen" nennen.

Ich wäre euch wirklich zu Dank verpflichtet!

Zudem bin ich mir sicher, dass wir es wieder einmal mit einer spannenden Debatte zu tun bekämen.

LG,

Floxx
 
Thaddäus Troll:

Gehobene Kegelausflüge des Westeuropäischen Adels, die des ewig gleichen Friedens und der ewig gleichen Frauen müde waren, aus Tarnungsgründen Kreuzzüge genannt.
Auf denen kräftig gesoffen, gehurt, gemordet und auch okkupiert wurde.

exakte Quelle kann ich bei Bedarf nachreichen.
 
Ich meine bei B. Lewis gelesen zu haben, dass die Kreuzzüge erst im 19. Jahrhundert ins kulturelle Gedächtnis des Islam eingegangen sind. Das wäre eine Zwischenposition zwischen 3a und b. Zwar bestimmen die Kreuzzüge heute das Verhältnis zwischen Islam und Christentum (nein, eigentlich zwischen Islamismus und westlicher Welt) ganz wesentlich mit, aber dies war nicht immer so und ist eine relativ junge Erscheinung.
 
Und zwar such ich möglichst konträre Beurteilungen der Kreuzzüge aus heutiger Sicht.

Ich schätze, Du wirst da auf der Suche nach Historikeraussagen sein, und ich hoffe, Du brauchst keine wortwörtlichen Zitate (denn das wäre äußerst aufwendig), sondern Dir genügen an der Stelle inhaltliche Wiedergaben.

Inwieweit es sich dabei um "Extrempositionen" handelt, vermag ich nicht zu beurteilen, aber sie sind auf jeden Fall kontrovers/konträr.
Anm.: Allerdings habe ich dabei nicht Deine Beispielaussagen aufgegriffen, sondern stelle vor, was ich an kontroversen Aussagen gefunden habe...

(I) Expansionismus

Robert Bartlett: Die Kreuzzüge waren Teil einer "Expansion der lateinischen Christenheit", welche durch Kolonisation, Kreuzzüge und Mission Europa geschaffen hat.

Michael Mitterauer: Mit allgemeinem Missionsexpansionismus hat die Kreuzzugsbewegung ursprünglich nichts zu tun; es geht nicht um Glaubensverbreitung, sondern um Rückgewinnung christlicher Gebiete, insbesondere der Heiligen Stätten in Palästina. Eine erste Synthese aus Missionsexpansionismus und Territorialgewinn stellt der Wendenkreuzzug 1147 dar (dort erstmals Entwicklung der "Schwertmission", welche jedoch der bisherigen christlichen Tradition widersprach).

(II) Charakter

Hans Eberhard Mayer: Ein Kreuzzug wird charakterisiert durch päpstliche Legitimation, das Gelübde der Teilnehmer (Kreuzzugseid), den durch die Teilnahme erreichten Ablaß sowie das Ziel; den Gewinn Jerusalems.

Eric Christiansen: Die Kreuzzüge erhielten zwar ihre Legitimation aufgrund des behaupteten Anspruchs auf Jerusalem, doch allein darum ging es schon bald nicht mehr. Vielmehr wurde der Kreuzzug auf die mittelalterliche Kriegstheorie zurückgeführt, wonach Gottesdienst und Heidenkampf ein Einheit bilden; und daß dabei auch eigene politische Ziele verfolgt wurden, ändert an der primären Gültigkeit dieser Theorie nichts.

(III) Demographie junger Männer (Nachgeborenenrelevanz)

Gunnar Heinsohn: Der youth bulge (Jugendüberschuß) war eine entscheidende Triebfeder der Kreuzzüge.

Jonathan Riley-Smith: Die abenteuerlustigen jüngeren Söhne können keine übermäßig große Rolle gespielt haben; Fakten und Belege zur Höhe der Kosten und finanziellen Aufwendungen stehen dieser Hypothese diametral gegenüber.

Anm.: Eigentlich verdient die These vom youth bulge eine solche Hervorhebung nicht, ist aber als kontroverse Position geeignet.

(IV) Jerusalem als Ziel

Peter Thorau u.a.: Papst Urban II. ließ Jerusalem in seiner Predigt noch unerwähnt.

Herbert E. J. Cowdrey: Papst Urban II. nannte Jerusalem von Anbeginn als Ziel.

(V) Anlaß

Peter Bruns: Die Übergriffe gegen christliche Pilger waren eigentlicher Anlaß der Kreuzzugsbewegung.
Oder nicht ganz so scharf bei Dorothea Weltecke: In Augen des syrisch-orthodoxen Patriarchen Michael (1126/99) sind die Kreuzzüge jeweils Racheakte für die Übergriffe gegen christliche Pilger im 11. Jh., für die Eroberung Edessas 1144 sowie die Eroberung Jerusalems 1187. Folglich spielten diese Übergriffe u. dgl. offenbar keine geringe Rolle.

Walter Zöllner: Die Übergriffe gegen christliche Pilger - wie auch die Zerstörung der Grabeskirche von Jerusalem - waren singuläre Erscheinungen, da die muslimischen Herrscher grundsätzlich tolerant gegenüber Juden und Christen waren. Daß europäischer Adel und Klerus den Orient als Ziel militärischer Aktivitäten in Betracht zogen, hatte vornehmlich politisch-ökonomische Gründe.
 
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Autor A: Die Kreuzzüge sind bis heute prägend für das Verhältnis von Christentum und Islam

Ich glaube so etwas gelesen zu haben bei Mayer, Geschichte der Kreuzzüge und bei Lilie, Byzanz und die Kreuzzüge.

Leider kann ich mit keinem Autoren dienen, der die Gegenposition vertritt. :red:
 
Im Handbuch Jasperts ist zu Anfang eine kurze und klare Übersicht über verschiedene Positionen zur Definition der Kreuzzüge.

Was die Bedeutung der Kreuzzüge für das heutige Verhältnis der Kulturen angeht so ist das Wichtigste schon gesagt. Explizit steht es aber auf jedem Fall im Band "Europa entdeckt seine Vielfalt 1050-1250" der UTB Reihe. Soweit ich mich erinnere, werden für die Prägung des christl.-islam. Verhältnisses, die Begegnungen in Spanien und Süditalien als wesentlich entscheidender angesehen.
Wie schon erwähnt, ist die "Entdeckung" der Kreuzzüng in der modernen Propaganda eher ein neuzeitliches Phänomen.
In den islamischen Reichen hatte man durchaus größere Probleme als ein paar Ritter, als da wären z.B. Hungersnöte, interne Streitigkeiten und die Verlust der Seemacht im Mittelmeer.
 
Ich meine bei B. Lewis gelesen zu haben, dass die Kreuzzüge erst im 19. Jahrhundert ins kulturelle Gedächtnis des Islam eingegangen sind. Das wäre eine Zwischenposition zwischen 3a und b. Zwar bestimmen die Kreuzzüge heute das Verhältnis zwischen Islam und Christentum (nein, eigentlich zwischen Islamismus und westlicher Welt) ganz wesentlich mit, aber dies war nicht immer so und ist eine relativ junge Erscheinung.

Sieht man den Dschihad nicht als direkte Erwiderung des 2.Kreuzzuges?
 
An dieser Stelle schonmal ein herzlicher Dank an die Diskutanten! Lasst euch aber bitte nicht davon abhalten, weiter zu diskutieren.
 
Sieht man den Dschihad nicht als direkte Erwiderung des 2.Kreuzzuges?
Wir hatten es hier schonmal darüber, der Dschihad ist im Islam tiefer verwurzelt als das man ihn lediglich als "Erwiderung auf den 2. Kreuzzug" bezeichnen könnte. In der damaligen Diskussion ging es auch um den tieferen Gehalt der Kreuzzugsidee im Christentum, darauf möchte ich jetzt aber nicht eingehen.
Der "Anti-Kreuzzugs-Dschihad" ist erst mit Saladin für den Kampf gegen die christlichen Eindringlinge Praxis worden. Saladin hat ihn als politisches Instrument genutzt, dass eher nach Innen gerichtet war als nach Außen. Ich meine damit, Saladin als der geschickte Politiker der er war, hat dadurch seine eigene Stellung in der islamischen Welt, gegenüber dem Kalifen und den Fürsten anderer Gebiete legitimatorisch gestärkt, gleichzeitig aber die Akzeptanz bei seinen eigenen Untertanen erhöht. Man darf nicht vergessen das Saladins Reich ökonomisch an den Rand der Vernichtung getrieben war.

Auch ist zeitlich ein großer Unterschied zwischen Aufkommen dieser neuen Art des Dschihad und dem zweiten Kreuzzug.
 
An der Stelle einmal noch zwei Positionen, die sich gegenüberstehen und zudem jeweils von Fachautoritäten stammen...

(VI) Mentalität der Orientkreuzfahrer

Steven Runciman: Unwissenheit, mangelnde Einsicht sowie unangemessene Selbstgerechtigkeit der Kreuzfahrer

Jonathan Riley-Smith: Ideologisch motivierte Gewalt i.S.v. gerechter Gewalt, die Christen üben dürfen, als ernstzunehmender Anreiz

Anm.: Zur Ehrenrettung von Sir Steven Runciman muß ich an der Stelle freilich unbedingt hinzufügen, daß er sein Werk in den 50er Jahren verfaßt hat und es demzufolge den Forschungsstand von ca. 1960 darstellt, während Jonathan Riley-Smith, der zugegebenermaßen (und das gesteht er auch ein) die Ergebnisse z.B. von Runciman oder auch Mayer auch ernstzunehmend berücksichtigt - obgleich beider Forschungen von ihm einer gründlichen Revision und Korrektur unterzogen werden bzw. er ihnen in bestimmten Punkten sogar widerspricht -, neue Erkenntnisse gerade ab den 60er Jahren verarbeitet hat und den Forschungstand von ca. 2000 markiert.



PS: Möglicherweise ist die Aussage von Runciman - wie erwähnt um 1960 - bereits zu betagt und demzufolge nicht mehr ganz opportun, um im Sinne der eingangs intendierten Gegenüberstellung zu sein. In dem Fall bitte ich dann vielmals um Nachsicht...
 
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Moralisierend:
WOLLSCHLÄGER, Hans: "Die bewaffneten Wallfahrten gen Jerusalem Geschichte der Kreuzzüge."; Diogenes Verlag, Zürich 1973
"Wenn diese eine Phase der Kirchengeschichte die letzte nicht war, wenn sich fortsetzt, wenn weiter Bestand gehabt hätte, was sie selbst nur besonders charakterisierte, Bestand bis in die Gegenwart, bis in die Zukunft - wäre es denk-bar für Sie, erschiene es Ihnen begründet, daß einmal, viel-leicht erst in hundert Jahren, die vernünftigen, human empfindlichen Völker der Welt sich gegen die Christ-liche Kirche zusammenschließen könnten, gegen die Insti-tution u n d gegen die Lehre, die sie trägt und von ihr besonders charakterisiert wird, und sie vor einen Interna-tinalen Gerichtshof laden könnten und sie, aufgrund ihrer Geschichte, der so langen, entssetzlichen, menschheitsver-derblichen, zu dem erklären könnten, was sie dann end-gültig war_ - zur Verbrecherischen Organisation ...?" (ebenda: S. 225)
 
Ich meine bei B. Lewis gelesen zu haben, dass die Kreuzzüge erst im 19. Jahrhundert ins kulturelle Gedächtnis des Islam eingegangen sind. Das wäre eine Zwischenposition zwischen 3a und b. Zwar bestimmen die Kreuzzüge heute das Verhältnis zwischen Islam und Christentum (nein, eigentlich zwischen Islamismus und westlicher Welt) ganz wesentlich mit, aber dies war nicht immer so und ist eine relativ junge Erscheinung.

Das ist richtig, für die damaligen Islamischen Reiche glaube ich empfand man den Einfall der Seldschuken und der daraufolgende Einfall der Mongolen viel Einschneidender und Bedeutungsvoller als die Kreuzzüge.
 
Das ist richtig, für die damaligen Islamischen Reiche glaube ich empfand man den Einfall der Seldschuken und der daraufolgende Einfall der Mongolen viel Einschneidender und Bedeutungsvoller als die Kreuzzüge.

Die türkischen Seldschuken waren Muslime, sodass ihre Oberherrschaft im islamisch geprägten Vorderen Orient nicht so stark hervortritt, ganz abgesehen davon, dass die seldschukische Epoche schon nach etwa 100 Jahren endete und das Großreich in kleine Herrschaften zerfiel. Abgesehen natürlich vom Reich der Rum-Seldschuken in Kleinasien, das bis ins 13. Jh. fortbestand.

Anders als die Mongolen haben die Seldschuken Vorderasien nicht durch einen zerstörerischen Feldzug erobert, sondern sind meist allmählich eingesickert und haben die Macht in niedergehenden islamischen Herrschaften übernommen oder an sich gerissen und ältere Dynastien entmachtet.
 
Die Meinung, dass zum Verhältnis zwischen Christentum und Islam heute auch ein Verständnis von Kreuzzügen nötig sind, habe ich von Bassam Tibi gelesen:

Kreuzzug und Djihad. Der Islam und die christliche Welt.

Daneben gibt es aber - lt. Tibi - natürlich auch andere wichtige Faktoren.

Bemerkenswert im Zusammenhang Kreuzzug-Djihad ist, dass im ersten Weltkrieg deutsche Kriegsschiffe - im Schwarzen Meer - mit dt. Besatzungen unter osmanischer Flagge in den Djihad gegen Russland gezogen sind (B. Tibi: in Der Islam und Deutschland: Muslime in Deutschland).
 
Wichtig: Kreuzzugsaufruf Urbans II., Massaker während der Eroberung Jerusalems 1099, "friedlicher" Kreuzzug Friedrichs II., Belagerung von Konstantinopel (östliche Christenheit) im 4. K., antijüdische Ausschreitungen (Pogrome) während der K., evtl. (militärische) Zusammenarbeit von Christen und Muslimen während Auseinandersetzungen um die Kreuzfahrergebiete in Outremer.

Warum ist´s wichtig? Schlachten und Schlachtenaufrufe an sich sind uninteressant. Interessant ist, welche beabsichtigen oder unbeabsichtigten (Neben)folgen sie hatten und welche Alternativen es möglicherweise gegeben hätte.
 
Wichtig: Kreuzzugsaufruf Urbans II., Massaker während der Eroberung Jerusalems 1099, "friedlicher" Kreuzzug Friedrichs II., Belagerung von Konstantinopel (östliche Christenheit) im 4. K., antijüdische Ausschreitungen (Pogrome) während der K., evtl. (militärische) Zusammenarbeit von Christen und Muslimen während Auseinandersetzungen um die Kreuzfahrergebiete in Outremer.

Warum ist´s wichtig? Schlachten und Schlachtenaufrufe an sich sind uninteressant. Interessant ist, welche beabsichtigen oder unbeabsichtigten (Neben)folgen sie hatten und welche Alternativen es möglicherweise gegeben hätte.

Alternativen? na da bin ich ja mal gespannt!
 
Zuletzt bearbeitet:
Alternativen? na da bin ich ja mal gespannt!

Jaja. Unwissenschaftlich ausgedrückt war´s, das gebe ich zu.

Man könnte wohl lediglich den "friedlichen Kreuzzug" als Beispiel einer "alternativen" Vorgehensweise anführen. http://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzzug_Friedrichs_II.

Ansonsten bleibt Spekulation: Hätte es Alternativen geben können, die Pogrome verhindert hätten? Oder die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen westlicher und östlicher Christenheit?

Solche Fragen meinte ich.
 
Schlachten und Schlachtenaufrufe an sich sind uninteressant.

Na ja die Schlacht von Hattin war glaube ich nicht ganz so unwichtig ;)

was übrigens interessant ist ,ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch der Unterschied/gegensatz zwischen dem eingesessenen und vor Ort begüterten Adel des Outremer und den neu angekommenen europäischen Rittern
 
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2 wichtige Schlachten/Eroberungen zum Ende der Kreuzzüge:
-1244:Eroberung Jerusalems durch As-Salih
-1291:Eroberung Akkons durch El-Ashraf-Khalil - letzte wichtige Schlacht der Kreuzzüge - danach gingen alle verbliebenen Städte der Kreuzfahrer ohne größeren Widerstand verloren
 
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