Kreuzzüge die nur Raubzüge waren

Genau umgekehrt war's: Der erste Kreuzzug war eigentlich sehr gut organisiert. Schon vor dem Konzil von Clermont hatte Urban II. sich von wichtigen Adeligen eine Zusage eingeholt, so dass die Masse der Ritter schon Leute hatte, an denen sie sich orientieren konnten. Danach sollte es noch ca. ein Jahr dauern, bis die vorwiegend französischen Kreuzfahrer loszogen. Das dauerte aber anderen Bevölkerungsteilen, die von Urban II. und Adhemar von Le Puy nicht eingeplant waren, zu lange. Sie zogen deshalb auf eigene Faust los, plünderten christliche Nachbarreiche (etwa Ungarn) und verursachten entlang des Rhein die Pogrome. Die Byzantiner wurden sie dann auf elegante Weise los, indem sie sie einfach über den Bosporus setzten.

Ich möchte anmerken das wenn ich von "schlecht organisiert" spreche, dass ich das mit dem gängigen Kreuzzugsbild vergleiche. Die Kreuzzüge waren für mittelalterliche Verhältnisse natürlich relativ gut organisiert, zumal es Unternehmungen solcher Größenordnung lange nicht gegeben hatte.

Religiöse Gier ? Du gehst jetzt vom gemeinen Mann aus, da werden vor allem religiöse Absichten dahintergesteckt haben. Anders ist es beim Adel, der verfolgte weit weltlichere Ziele. An deinen Definitionen gibt es wenig zu rütteln...
Da muss ich dagegen halten, auch für den Adel hatte der geistige Aspekt der Kreuzzüge die vorrangigste Bedeutung. Aber das heißt nicht, dass sie auf ihr weltliches Wohl verzichteten.

Wenn man davon ausgeht, welcher Kreuzzug eindeutig gegen den Geist des Kreuzzugsgedanken verstieß, so wäre an prominenter Stelle der Vierte Kreuzzug zu nennen, in dessen Folge die Kreuzfahrer 1204 Konstantinopel erstürmten, die christliche Hauptstadt des Byzantinischen Reichs. Zeitgenössische Quellen berichten, dass die Kreuzfahrer die griechisch-orthodoxen Kirchen plündeten, kostbare Reliquien und sakrale Gegenstände fortschleppten, Frauen vergewaltigten.
Wieso verstieß der gegen den Kreuzzugsgedanken? Wie schon gesagt war das Ziel und die Motivation eine andere als das was letztendlich dabei herauskam. Abgesehen ist der vierte Kreuzzug völlig legitim wenn man das Byzanzbild im lateinischen Westen in Betracht zieht. Die Byzantiner galten vielfach als Feiglinge und Verräter, die angeblich Beziehungen zu verschiedenen islamischen Herrschern hatten, mit dem Ziel(!) die Lateiner im Orient zu vernichten. Ibn al-Athir, ein Muslim wie der Name schon andeutet, schreibt sogar das die Byzantiner die Kreuzfahrer des Ersten Kreuzzugs nur übersetzte damit "die Türken sie vernichten."(Gabrieli) Die Eroberung Byzanz' wurde zum Teil auch als Schritt auf dem Weg zur Rückeroberung Jerusalems gesehen da nun die "verräterischen Ostchristen" aus dem Weg waren. [Ich versuche dafür irgendwann noch Quellenmaterial nachzuliefern]
Darüber hinaus waren die Byzantiner als Verräter Feinde der lateinischen Christen und der katholischen Kirche, so ist der Kreuzzug gegen Byzanz legitim im Sinne der erweiterten Definition.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da muss ich dagegen halten, auch für den Adel hatte der geistige Aspekt der Kreuzzüge die vorrangigste Bedeutung. Aber das heißt nicht, dass sie auf ihr weltliches Wohl verzichteten.
(Selbstzitat :devil:)

Ich möchte noch kurz etwas anmerken. Natürlich kann man bei einigen Anführern des Kreuzzugs von vorrangig weltlichen Zielen sprechen. Robert II. von der Normandie oder bei Balduin von Boulogne und anderen. Aber andererseits zeigt zB der Verzicht Gottfrieds von Boulogne auf den Königtitel Jerusalems oder die Einhaltung Raimunds von st. Gilles, nun extra-Eids mit dem byz. Kaiser, dass auch ihnen die religiöse Komponente wichtig war. Aber der Adel bestand ja nun nicht nur aus den hohen Anführern.
Ich hatte das Vergnügen, und habe es eigentlich immer noch, einiges an Quellenmaterial zusammenzustellen, übersetzen und zu deuten. Vorrangig Kartularien französischer und belgischer Klöster aber auch Kirchenchroniken und natürlich Kreuzzugschroniken (nur Passagen natürlich die sind ja ewig lang:)). Und mein Eindruck ist das der religiöse Eifer und das Streben nach dem begehrten Ablass sowie das Treten in die Fußstapfen des Jesus der weitaus wichtigste Faktor für eine Kreuzzugsteilnahme war.
Die Kreuzfahrer lassen zum Teil wirklich alles hinter sich, einigen sich in Streitfragen die seit Jahren ungeklärt sind, zeigen Reue gegenüber Kirchen und helfen auf einmal anderen die es nötig haben.
Sicherlich verhalten sie sich nicht immer "christlich", aber den Konventionen der damaligen Zeit entsprechend, d.h. wenn die oder eben eine der reichsten Städte der Welt "nackt" vor ihnen lag wurde geplündert was das Zeug hielt. Unchristlich, ja, eigenartig, nein.
 
Und da es so teuer war an einem Kreuzzug teilnehmen zu können, bei keiner Garantie mit Beutegut (wenn überhaupt) zurückzukehren, kann der materielle Reiz auch nicht gerade hoch gewesen sein. Vielleicht noch beim ersten. Bei späteren ließ es sich bestimmt deutlich besser einschätzen, ob es wirklich (materiell) gewinnbringend wird.
 
Ich erlaube mir an der Stelle, JetLeechan - dessen Ausführungen ich mich übrigens grundsätzlich anschließen möchte - und einigen anderen (sorry wegen der Sammelbezeichnung; es ist etwas aufwendig, alle namentlich aufzuzählen) noch ein wenig zur Seite zu treten.

Um nicht alles bzgl. der Motivation der Kreuzfahrer noch einmal zu schreiben, möchte ich nur kurz darauf verweisen, daß die Zeitgenossen des 11. bis 13. Jh. noch nicht vom Kreuzzug sprachen, sondern von der Wallfahrt/Pilgerfahrt in Waffen.
Desweiteren verweise ich dazu auf folgenden Beitrag bzgl. dieser Thematik: http://www.geschichtsforum.de/179899-post20.html

Wie es dazu kam, daß Christen überhaupt für sich das Recht in Anspruch nehmen konnten, Gewalt auszuüben, wo dies doch eigentlich - nach unserem heutigen Verständnis - ihrem Glauben widerspricht, und sogar Krieg für gerechtfertigt erklären konnten, hatte ich in anderem Zusammenhang schon einmal zu umreißen versucht: http://www.geschichtsforum.de/117013-post36.html

Zum Vierten Kreuzzug 1202/04 ist viel geschrieben worden - gerade auch in diesem Thread -, nur wurde einiges zum Kontext bisher nicht genannt. Dies betrifft v.a. den Punkt, warum letztendlich gen Konstantinopel gezogen wurde und wer vom ursprünglichen Zug überhaupt dorthin zog.
Auch hier möchte ich lediglich auf ältere Beiträge verweisen:
http://www.geschichtsforum.de/226348-post200.html
http://www.geschichtsforum.de/232253-post189.html

Des Kontextes zum Kreuzzug nach Alexandria 1365 haben sich dankenswerterweise ja bereits JetLeechan und Joinville im Parallelthread angenommen (auch diesbezüglich möchte ich mich ihnen dort anschließen): http://www.geschichtsforum.de/f48/der-kreuzzugsplan-von-papst-urban-v-21553/
 
Wieso verstieß der gegen den Kreuzzugsgedanken? Wie schon gesagt war das Ziel und die Motivation eine andere als das was letztendlich dabei herauskam. Abgesehen ist der vierte Kreuzzug völlig legitim wenn man das Byzanzbild im lateinischen Westen in Betracht zieht.

Ziel der Kreuzzüge - oder der bewaffneten Pilgerfahrten - war der Kampf gegen die Ungläubigen bzw. gegen die Muslime, mit dem Ziel, die Heiligen Stätten zu befreien. Insofern verstieß der Vierte Kreuzzug ganz eindeutig gegen diese Absichten und Ziele, denn Byzanz war - obwohl griechisch-orthodox - natürlich ein christlicher und kein muslimischer oder heidnischer Staat.

Dass der Papst eine Union oder sogar eine Eingliederung der orthodoxen Kirche anstrebte steht auf einem anderen Blatt, ebenfalls der schlechte Ruf des griechischen Byzanz im Abendland.
 
Ziel der Kreuzzüge - oder der bewaffneten Pilgerfahrten - war der Kampf gegen die Ungläubigen bzw. gegen die Muslime, mit dem Ziel, die Heiligen Stätten zu befreien. Insofern verstieß der Vierte Kreuzzug ganz eindeutig gegen diese Absichten und Ziele, denn Byzanz war - obwohl griechisch-orthodox - natürlich ein christlicher und kein muslimischer oder heidnischer Staat.

Dass der Papst eine Union oder sogar eine Eingliederung der orthodoxen Kirche anstrebte steht auf einem anderen Blatt, ebenfalls der schlechte Ruf des griechischen Byzanz im Abendland.

Das steht ja außer Frage, aber ich wollte verdeutlichen dass das Ausräumen Konstantinopels nicht das Ziel der Kreuzfahrer war, lediglich das Ergebnis.
Und darüber hinaus wurden Kreuzzüge ja auch gegen "andere Feinde der Kirche" als nur gegen Heiden bzw. Muslime geführt. Friedrich II., Albigenser und Gegenpäpste waren schließlich auch Christen ob exkommuniziert oder nicht.
Außerdem will ich hinzufügen das die Formulierung "verstieß gegen Absichten und Ziele" nicht zielführend ist weil es schlicht keinen Regelkanon für Kreuzzuge gab. Man kann nicht gegen Regeln verstoßen die nicht existieren. Wir können nur so argumentieren als das wir sagen, der (bzw.Teile der Heere des) Vierte Kreuzzug führte nicht ins Heilige Land selbst und auch nicht zum gewünschten Ergebnis, der Eroberung Ägyptens bzw. Palästinas.

Aber das führt uns schon wieder zur Überlegung was war ein Kreuzzug überhaupt? Manch Historiker behauptet nämlich das es keiner Kreuzzüge außer dem ersten gab. Aus einem der von dir aufgeführten Gründe, das Ergebnis stand nicht im Einklang mit den Zielen. Alle Züge bis auf den ersten waren (Teil)Misserfolge in denen nur wenig bis gar nichts Zurückerobert wurde.

Damit allerdings unterschätzt man die Wirkungskraft der Idee und den enormen Einfluss den der Kreuzzugsgedanke (der natürlich nicht al solcher in den Köpfen der Menschen exisitierte wie wir uns das heute vorstellen) deswegen greifen wir bei der Klassifizierung auf Ziele(Hl. Land, Rückeroberung), Motivation(Kampf gegen Gegner der Kirche, Missionierung) und Art der Vorbereitung (Papstaufruf, Finanzierung) zurück. Wobei viele Historiker viele Abstufungen machen und es etwa geschätzte 1,56*10³³ Kreuzzugsdefinitionen gibt.

Also zusammenfassend, ich kann deine Argumentation nachvollziehen und verstehe du würdest den Vierten Kreuzzug nicht als solchen bezeichnen. Unabhängig von meiner Einschätzung war mein Ziel eigentlich nur zu versuchen zu erklären warum aus Sicht der Zeitgenossen und aus Sicht heutiger Historiker der Vierte Kreuzzug als solcher angesehen werden könnte bzw. auch wird.
 
Ich erlaube mir an der Stelle, JetLeechan - dessen Ausführungen ich mich übrigens grundsätzlich anschließen möchte - und einigen anderen (sorry wegen der Sammelbezeichnung; es ist etwas aufwendig, alle namentlich aufzuzählen) noch ein wenig zur Seite zu treten.

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Zum Vierten Kreuzzug 1202/04 ist viel geschrieben worden - gerade auch in diesem Thread -, nur wurde einiges zum Kontext bisher nicht genannt. Dies betrifft v.a. den Punkt, warum letztendlich gen Konstantinopel gezogen wurde und wer vom ursprünglichen Zug überhaupt dorthin zog.
Auch hier möchte ich lediglich auf ältere Beiträge verweisen:
http://www.geschichtsforum.de/226348-post200.html
http://www.geschichtsforum.de/232253-post189.html

Hehe danke, ich wollte schon was zu eigentlichen Entstehung der Vierten Kreuzzugs schreiben da es mir scheint als ob im allgemeinen gedacht wird die Kreuzfahrer wären von Venedig geradaus nach Konstantinopel um es zu plündern. Wenn man sich die Entstehung der Ablenkung anschaut wird das Bild nämlich schon klarer.
 
Es wurde in diesem Thread ja schon mehrfach angesprochen, aber ich möchte mich in diesem Beitrag der Position anschließen: Ich denke man kann keinen Kreuzzug als einen Raubzug bezeichnen. Da kein einziger Kreuzzug das festgeschriebene Ziel hatte einen Raub zu voll üben. Die einzelnen Ziele der Kreuzzüge variieren zwar aber der Grundgedanke, das Grundziel dieser "Wallfahrten" war der Kampf für den Glauben. Es ist klar das die Plünderung von Konstantinopel kein Kampf zur Verteidigung der Christenheit war, aber das am Anfang festgesetzte Ziel war nicht die Vernichtung des bizantinischen Reiches.
 
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