Krönung von Wilhelm I. von Preußen zum Kaiser?

D

Daddeldu

Gast
Hallo,

ich bin froh, dass ich dieses Forum gefunden habe.

Ein Freund von mir hat neulich behauptet, Wilhelm I sei 1871 im Spiegelsaal von Versailles „zum Kaiser gekrönt“ worden. Ich widersprach, er sei dort nur zum Kaiser _ausgerufen_ worden. Gekrönt worden sei er dann wohl, so mutmaßte ich, wie alle Deutschen Kaiser im Dom zu Aachen.

Aber natürlich hat mich diese Biertischdiskussion nicht mehr losgelassen, und ich habe recherchiert. Aber ich vermochte bislang lediglich Texte zu finden, in denen von der Proklamation Wilhelms zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Versailles die Rede ist. Nirgendwo steht etwas über eine Krönung. Nun also meine Frage:

Wurde Wilhelm auch zum Kaiser gekrönt?

Wenn ja: Wann, wo, und durch wen?

Wenn nein: Warum nicht? Und was ist mit Friedrich III und Wilhelm II?

Mit bestem Dank im Voraus

Daddeldu
 
Hmm..ich würde sagen, es gab bei allen Dreien keine Krönungen - schließlich gab es ja auch keine (gegenständliche) Kaiserkrone...:grübel:
 
Arne schrieb:
Hmm..ich würde sagen, es gab bei allen Dreien keine Krönungen - schließlich gab es ja auch keine (gegenständliche) Kaiserkrone...:grübel:

Genau so war es, keine Krone, keine Krönung.

Wilhelm I wurde in Königsberg noch zum preußischen König gekrönt, das wars dann aber.
Irgendwo im forum lief dies schon mal.

Grüße Repo
 
Warum ein Kaiser ohne Krone?

Hallo,

zunächst einmal meinen Dank für die Antworten!

Jetzt würde mich aber noch interessieren, WARUM es keine Krönung gab. War denn der Titel des Deutschen Kaisers nicht abgeleitet von der Tradition des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation? Welche Bedeutung und Legitimation hatte der Titel denn dann? Warum haben die Zeitgenossen einen Kaiser ohne Krönung akzeptiert?

Gruß,

Daddeldu
 
Daddeldu schrieb:
Jetzt würde mich aber noch interessieren, WARUM es keine Krönung gab. War denn der Titel des Deutschen Kaisers nicht abgeleitet von der Tradition des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation?
In seiner Rede (die von Bismarck in Versailles verlesen wurde) nimmt Wilhelm I. schon Bezug auf die alte Kaiserwürde des HRRDN. Wenn auch keine unmittelbare Ableitung, so ist da zumindest eine traditionelle Nachfolge deutlich.
(-> http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/bs001075/index.html)


Daddeldu schrieb:
Welche Bedeutung und Legitimation hatte der Titel denn dann? Warum haben die Zeitgenossen einen Kaiser ohne Krönung akzeptiert?
Bedeutung und Legitimation erkennst du einmal daraus, wer ihn da zum Kaiser anerkannt hat, nämlich die deutschen Regionalherrscher und zweitens aus der Reichsverfassung. Das auszuführen, führt hier zu weit.

Warum haben die Zeitgenossen einen Kaiser ohne Krönung akzeptiert? Tja, dieser formelle Akt wäre sicher ein großes Volksfest geworden, über das man sich gefreut hätte. Aber akzeptiert und darüber gefreut haben sich die meisten Leute auch ohne Krönung - so aufgeklärt und modern war man schon.

Aber mal etwas theoretisch nachgegrübelt: Wer hätte ihn krönen sollen?
  • Der Pabst? Einen protestantischen Kaiser?
  • Einer der anderen Könige? Welcher?
  • Etwa der Reichstagspräsident? Irgendwann nach den ersten Reichstagswahlen? Wilhelm I von einem Bürger gekrönt? Niemals hätte er das mit sich machen lassen.
  • Er selbst? So wie der verhasste Napoleon?
 
Einen Aspekt hast Du noch vergessen, Arne: die Kaiserkrone hatten die Habsburger, die diesen Titel ja auch noch innehatten.
 
Kaiser Friedrich Barbarossa sollte doch eines Tages dem Kyffhäuser entsteigen und Deutschland wieder groß und stark machen.

In der Zeit um 1870 wurde vielerorts gesagt, Barbarossa wäre in der Gestalt von Wilhelm I. wieder erschienen. Vielleicht dadurch der Bezug zum HRR.:grübel:

War die Verbindung Barbarossa/Wilhelm I. eigentlich eine populäre Behauptung, eine Sage oder redeten nur ein paar "Spinner" so?
 
Der preußische König wurde zum Deutschen Kaiser ausgerufen, er erfüllte also ein öffentliches Amt an der Spitze des neuen dt. Verfassungsstaates, er war im Prinzip ein der höchste Beamte. Eine klassische Krönung war in der christlichen Tradition immer ein Akt, der die Gotteunmittelbarkeit eines Herrschers verdeutlichen sollte, weshalb der Herrscher immer von einem Geistlichen gekrönt und gesalbt(!) wurde und heute noch wird(bsp. England) Wilhelms Kaisertum war aber ganz und gar nicht von Gott sondern kam von den dt. Landesherren, während sein Königtum, noch ein klassisches Königtum war, dessen Träger sich als traditionele Legitimation auf Gott beriefen.(auch wenn im 19. Jahrhundert wohl kaum noch jemand an eine Gottegnadentum der Herrschaft geglaubt haben dürfte) Wilhelm konnte meiner meinung nach somit gar nicht gekrönt werden, da das neue dt. Kaiseramt, eben nur ein polit. Amt und keine sakrale Würde mehr war. Im Gegesatz zu Napoleon der sich als Kaiser der Franzosen ja auch auf eine Höhere Macht, den Willen des Volkes berief und sich selbst in dessen Namen Krönte, blieb Wilhelm stets König von Preußen und führte nur zusätzlich das Amt des dt. Kaisers aus.
 
El Quijote schrieb:
Einen Aspekt hast Du noch vergessen, Arne: die Kaiserkrone hatten die Habsburger, die diesen Titel ja auch noch innehatten.

Die deutsche Kaiserkrone hatten die Habsburger, den Titel hatten sie aber abgelegt. Die Krone ist auch wieder in Wien, die Nazis hatten sie nach Nürnberg verfrachtet.
Es muss um die Ausrufung herum auch noch einen ausgiebigen Streit um den Titel des Kaisers gegeben haben, Deutscher Kaiser oder Kaiser von Deutschland.
Am Abend vor der Ausrufung sol Bismarck gefragt worden sein, wie der Titel denn jetzt lauten würde, worauf er auf Latein geantwortet hätte "Ich wüßte nicht was mir wurster wäre".

Aber, wie gesagt, diese Diskussion gabs hier schon mal, weiß aber im Moment den Zusammenhang nicht mehr.

Grüße Repo
 
Der letzte römisch-deutsche Kaiser Franz II. begründete im Jahr 1804 das erbliche Kaisertum Österreichs [erzherzogliche Stammlande und die anderen Kronländer der Habsburger insbesondere Ungarn und Böhmen] und regierte sie dann als Kaiser Franz I (!). Das geschah im Gegenzug mit der Anerkennung des Kaisertums Napoleons und auch um einen gleichen Rang gegenüber Napoleon beanspruchen zu können. Er erklärte im Jahr 1806 das Heilige Römische Reich Deutscher Nation auf französischen Druck hin für aufgelöst - das Reich in seiner alten Form bestand durch den Rheinbund ja praktisch nicht mehr. Die gegenständliche Kaiserkrone haben die Habsburger behalten, aber der Charakter des Reiches hat sich schon geändert (hin zu einem Vielvölkerstaat, der späteren Doppelmonarchie).
 
Festus621 schrieb:
War die Verbindung Barbarossa/Wilhelm I. eigentlich eine populäre Behauptung, eine Sage oder redeten nur ein paar "Spinner" so?

Das war schon etwas weiter verbreitet, wenn es sich auch nie wirklich durchsetzte. Man gab Wilhelm den Ehrennamen "Barbablanca" und wollte aus ihm auch "Wilhelm den Großen" machen... beides aber ohne dauerhafte Wirkung.
 
Der letzte römisch-deutsche Kaiser Franz II. begründete im Jahr 1804 das erbliche Kaisertum Österreichs [erzherzogliche Stammlande und die anderen Kronländer der Habsburger insbesondere Ungarn und Böhmen] und regierte sie dann als Kaiser Franz I (!). Das geschah im Gegenzug mit der Anerkennung des Kaisertums Napoleons und auch um einen gleichen Rang gegenüber Napoleon beanspruchen zu können. Er erklärte im Jahr 1806 das Heilige Römische Reich Deutscher Nation auf französischen Druck hin für aufgelöst - das Reich in seiner alten Form bestand durch den Rheinbund ja praktisch nicht mehr. Die gegenständliche Kaiserkrone haben die Habsburger behalten, aber der Charakter des Reiches hat sich schon geändert (hin zu einem Vielvölkerstaat, der späteren Doppelmonarchie).

Für viele dt. blieb bis zum 2. Reich 1871 der österreichische Kaiser, zumindest der Tradition nach, der erste Mann Deutschlands.
Man sieht dies auch an zahlreichen Deutschen die am Wiener Hof stellungen bekleideten.
Außerdem kamen auch viele Offiziere des k.k. (später k.u.k.) Heeres aus Deutschland.
Außerdem nübernahmen sie viele Traditionen (Legitimation durch Gott, Doppeladler) des alten Reiches.

Dadurch war eine "Neuauflage" des HRRDN nicht nur Mangels Kaiserkrone ausgeschlossen.
 
In diesem Link von Wikipedia geht es lediglich um die Wappen der Hohenzollern als Könige von Preußen. Es muss aber auch ein kaiserliches Wappen gegeben haben, das mir hier aus einem alten Brockhaus-Lexikon vorliegt. Es zeigt den Reichsadler mit preußischem Wappenschild als "Herzschild", darüber - d.h. über dem Adlerkopf - die stilisierte und nicht ganz korrekte Krone des Heiligen Römischen Reichs mit zwei links und rechts herabhängenden Bändern. Kaiser Wilhelm I. führte dieses Wappen mit Erlass vom 3. August 1871 ein.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Dieter:
Meinst du so eines?
http://www.posselt-landkarten.de/wappen_deutsches_reich.jpg

Man beachte das es sich bei dem Reichsalder um einen Einköpfigen handelt. Also nicht um den Zweiköpfigen des "alten Reiches".
Dies sollte wohl die Dominanz Preußens in diesem Deutschen Reich verdeutlichen. Dazu wurde noch das preußische Wappen (schwarzer Adler auf weißem Schild) auf die Brust des Reichsadlers gesetzt. Die Ordenskette darum ist wohl der Pour Le Mérite, kann es jedoch nicht genau erkennen.
 
Genau das ist es, Joinville! - Es wird übrigens auch farbig bei Wikipedia gezeigt, wo ich soeben nachgeschaut habe. Und, ja - es ist der "einköpfige Adler", nicht der vertraute Doppeladler, insofern also eine Abweichung, die allerdings den erwünschten historischen Bezug zum HRRDN dennoch wahrt.
 
Repäsentierte der Doppelköpfige Adler des HRRDN nicht zum einen die weltliche und geistliche Macht?:grübel:

Der Einköpfige des DR könnte auch eine Trennung von Staat und Religion verdeutlichen. Schließlich konnten die Kaiser (evangelisch) nicht das Oberhaupt der beiden großen Kirchen in Deutschland sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Außerdem war der Doppeladler nicht mehr verfügbar. Den nam das Kaisertum Österreich für sich in Anspruch.

Ein Doppelköpfiger wäre schon möglich. Österreich(-Ungarn) erhob ja auch keinen Alleinanspruch auf die Nachfolge des heiligen römischen Reichs. Wenn es überhaupt einen Anspruch erhob. Oder irre ich mich da?
Zudem führte auch Russland, dass sich nach Konstantinopel als III. Rom verstand, einen Zweikopf.
 
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