Ledige Mütter im Deutschsprachigen Raum im 17. Jahrhundert

Eine sexuelle Revolution kann ich im 18. Jahrhundert nicht erkennen, wenn es auch als "galantes Zeitalter" gilt, in dem sich aristokratische Libertins in dieser Beziehung einiges leisten konnten.
Ich dachte diese sexuelle Revolution setzte um 1800 herum ein. Also Statistiken von einem Heimatforscher aus unserer Gegend belegten, dass uneheliche Kinder ab dem 3. Jahrhundertviertel des 18.Jh. in unserer Gegend bzw. eher etwas südlich davon (Markgräfler Land (Baden-Durlach)) sprunghaft zunahmen. Mit den Libertins und der Régence hatte es zumindest bei uns nichts zu tun, sondern scheint eher von anderen Einflüssen am Ende des 18.Jh. gesteuert gewesen zu sein.

Das Buch, das Saint-Simone meint ist doch "Huren, Henker, Hugenotten" von Maureen Waller, das im Lübbe-Verlag auch in Deutschland erschien. Amazon.de: Huren, Henker, Hugenotten: Maureen Waller: Bücher Das habe ich auch, wenngleich die Übersetzung vielleicht nicht so dolle ist.
 
Die Strafen wurden vom "Kirchengemeinderat" ausgesprochen.
Auch gab es in manchen Gemeinden in der Kirche eine seperate Bank, auf die die Frauen sitzen mussten. (wenn sie in die Kirche gingen, wenn nicht war der Hexenvorwurf nicht weit)

Dann gibt es wieder Fälle, wo gar nichts war, Eintrag im Kirchenbuch "spur." fertig nichts weiter.
Man sheint da auch sehr differenziert zu haben, Gründe? Keine Ahnung.


1. So wurde das in England meines Wissens nach auch gehandhabt.
Dumme Frage: evangelische oder katholische Kirchengemeinden? Die Frage deshalb, weil es bei meinen Quellen immer wieder wenig hilfreich heißt, es sei 'bei den Katholiken anders gewesen'. Die einzige Quelle die ich bis jetzt auftreiben konnte die sich damit in einer katholischen Gegend (in einer Französischen Provinz) befaßt, deutet auf andere Handhabe hin, aber a) hatte ich noch keine Zeit es mir genauer anzusehen, und b) könnte es auch mit regionalen Bräuchen in Verbindung stehen.

2. Gründe, hmm, wüsste ich auch gerne :confused:. In Rothenburg ob der Tauber hatte anscheinend das Renommee einer angeklagten Frau eine große Rolle bei der Urteilsfindung gespielt. Da könnte man vielleicht über die Umstände in denen sich alles abgespielt hat mutmaßen...
 
Gleichfalls! :)

(Ui, und der Wunschzettel zu Weihnachten ist schon wieder länger geworden... *seufz*)


Ich habe das Buch meines alten Mentors schon oft genannt, aber es ist noch immer ein Standardwerk der Sozialgeschichte des 18. Jhd.

Ernst Schubert, Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts Neustadt/Aisch 1983.

Es ist ziemlich teuer, aber jeden Euro wert und liest sich streckenweise wie ein historischer Roman
 
Ja, das mit der sexuellen Revolution ist mir auch immer noch nicht ganz so klar, aber wie Brissotin schon angemerkt hat, gingen anscheinend um 1800 die Geburtenraten von unehelichen Kindern hoch. Nicht nur im Raum Baden-Durlach, scheint es mal: Laut einer Quelle, seien es am Vorabend der Revolution in Paris 30% aller Geburten gewesen zu sein (A. Burgière, The Formation of the Couple in 'Journal of Family History', 1987 12 (79).)

Burgière setzt den Anfang im Umdenken in der Sexualmoral (wahrscheinlich ein besserer Ausdruck als 'Revolution') im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts an, als direkte Folge der Ideen der Aufklärung und dessen was er 'De-Christianisierung' nennt, und dann zu Ende des Ancien Régimes in vollem Gange. Er meint, daß angefangen wurde das weltliche Glück zu suchen, anstatt sich auf das Nachleben zu konzentrieren, und das zur gleichen Zeit ein Individualisierungsprozess stattgefunden habe, der die Sitten lockerte. Seine Theorien sind aber stark auf Frankreich bezogen und basieren auf den andauernden Konflikten zwischen Französischer Regierung, Gallikanische Kirche, Jansenismus und Rom, deswegen meines Erachtens nach nur auf das restliche Europa anwendbar, wenn man davon ausgeht, daß das Umdenken in Frankreich anfing und sich dann ausbreitete.


OT gibt Burgière noch an, daß in Kärnten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 80% aller Geburten unehelich gewesen seien.
:grübel:
 
Burgière setzt den Anfang im Umdenken in der Sexualmoral (wahrscheinlich ein besserer Ausdruck als 'Revolution') im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts an, als direkte Folge der Ideen der Aufklärung und dessen was er 'De-Christianisierung' nennt, und dann zu Ende des Ancien Régimes in vollem Gange. Er meint, daß angefangen wurde das weltliche Glück zu suchen, anstatt sich auf das Nachleben zu konzentrieren, und das zur gleichen Zeit ein Individualisierungsprozess stattgefunden habe, der die Sitten lockerte. Seine Theorien sind aber stark auf Frankreich bezogen und basieren auf den andauernden Konflikten zwischen Französischer Regierung, Gallikanische Kirche, Jansenismus und Rom, deswegen meines Erachtens nach nur auf das restliche Europa anwendbar, wenn man davon ausgeht, daß das Umdenken in Frankreich anfing und sich dann ausbreitete.
Ich denke auf dem Lande und wohl zeitgleich in Deutschland kamen tatsächlich diese Entwicklungen weit später an, wobei es ohnehin in Erstaunen versetzen mag, dass sie bei der Ablehnung welche auf dem Lande gegen die städtischen Einflüsse bisweilen herrschte, überhaupt so ein fassbarer Umschwung einsetzen konnte. Wenn man sich anschaut wie, sozusagen contraire zum Geschehen in der Stadt, die Geistlichkeit immer noch im 18.Jh. auf dem Dorf tonangebend war, was sich dann in der Großen Franz. Revolution (Stichwort Konterrevolution) offenbarte, fragt sich wie dieser Verfall einsetzen konnte. So betont Bernard Fay in seiner Biographie zu Louis XVI den Gegensatz zwischen den weltlich lebenden Abbés und hohen Klerikern in den Städten und Palästen zu den kleinen Geistlichen an der Basis, welche durchaus noch ein moralisches Fundament für die Gemeinden bilden konnten.

Interessant sind solche Überlegungen des 18.Jh. und die Entwicklungen dieser Zeit eigentlich v.a. um dies für die Zeit zuvor ausschließen zu können. Hätte der angesprochene "moralische Verfall" früher angesetzt, wäre die Forschung darauf aufmerksamer geworden. Daher scheinen mir auch die erhobenen mahnenden Finger eines Defoe, der in "Roxana" oder "Moll Flanders" einen plötzlichen Werteverfall für das ausgehende 17.Jh. postuliert höchstens auf London oder andere große Städte begrenzt zutreffend, wenn überhaupt. Maureen Waller schaut ja auch in die Richtung.

Für mich sind Analysen an sich schwierig, nicht nur weil ich zu wenige Quellen aus der Zeit kenne, sondern weil so viele von ihnen so offenkundig nur subjektive Meinungen transportieren. Oftmals berichten moralisch einwandfreie Menschen von einem Werteverfall um sie herum und das auch oftmals wenig differenzierend.
 
Ich denke, man muß bei der rigiden Sexualmoral auch immer bedenken, dass bestimmte Einrichtungen und Personen davon profitierten. Für die Zünfte, die schon lange nur noch bloße Interessengruppen der Meister und Meistersöhne waren, waren die Sittengesetze auch ein Mittel, sich nach unten abzugrenzen, zumal die meisten Gewrbe ohnehin total überfüllt waren.
 
Ich denke, man muß bei der rigiden Sexualmoral auch immer bedenken, dass bestimmte Einrichtungen und Personen davon profitierten. Für die Zünfte, die schon lange nur noch bloße Interessengruppen der Meister und Meistersöhne waren, waren die Sittengesetze auch ein Mittel, sich nach unten abzugrenzen, zumal die meisten Gewrbe ohnehin total überfüllt waren.
Gut aber wir sprechen ja jetzt vom Land und da sind städtische Zünfte sicherlich weniger relevant.

Grundsätzlich finde ich das Sexualverhalten für diese Diskussion interessant. Verhütung und die Notwendigkeit zur Verhütung war ja im 17. wie im 18.Jh. durchaus bekannt. Entgegen dem Klischee jede Familie habe einen Stall voll Kinder gehabt (15 und mehr), da man nicht verhütet hatte, das wird gern auch bei Schlossführungen repetiert und verbreitet :)motz:), ist wohl das Gegenteil der Fall. Gezielt viele Kinder treffen wir eher beim Hochadel an. Bei den bäuerlichen Familien und auch bei den Zünften finden wir Familien mit 3 bis 4 Kindern, vielleicht auch weniger. Das kann nicht nur durch die vielen Tode bei Geburten und im Kindesalter kommen, auch die Verhütung käme ursächlich in Frage. Plausible Motive gab es zu Hauf. Zum einen konnte ein Hof mit entsprechendem Land nicht unendlich aufgeteilt werden zum anderen, wenn alles nur an einen Spross fiel, mussten die anderen Kinder im Kindesalter und als Erwachsene dann auch über die Runden kommen usw. usf..

Also kommen wir zu Verhütung. Der Schlingel Casanova berichtete, wenn ich mich recht entsinne, von einer Art von Kondomen. Andererseits scheint er beim Sex auch nicht unbedingt das Sperma in die Schöne seiner Wahl gelassen zu haben, was nicht ausschloss, dass er ihre Bedürfnisse befriedigte. Außer dem etwas für meinen Geschmack zu albernen Earl of Rochester ist mir leider aus dem 17.Jh. keine pornographische Literatur näher bekannt, die über damalige Praktiken Aufschluss geben würde.

Natürlich ist das Thema Verhütung etc. etwas OT, aber erklärt nicht eine damals praktizierte Verhütung auch, warum man damals über ledige Mütter so erzürnt war, wenn diese solche Vorsichtsmaßregeln, die ein Casanova kannte, nicht beachteten? Bei allen vielleicht falsch erweckten Hoffnungen oder Naivität der unglücklichen Unvermählten Frauen erklären sich mit solchen Überlegungen letztlich auch die Vorwürfe, oder nicht?
 
Also kommen wir zu Verhütung. Der Schlingel Casanova berichtete, wenn ich mich recht entsinne, von einer Art von Kondomen. Andererseits scheint er beim Sex auch nicht unbedingt das Sperma in die Schöne seiner Wahl gelassen zu haben, was nicht ausschloss, dass er ihre Bedürfnisse befriedigte.

Natürlich ist das Thema Verhütung etc. etwas OT, aber erklärt nicht eine damals praktizierte Verhütung auch, warum man damals über ledige Mütter so erzürnt war, wenn diese solche Vorsichtsmaßregeln, die ein Casanova kannte, nicht beachteten? Bei allen vielleicht falsch erweckten Hoffnungen oder Naivität der unglücklichen Unvermählten Frauen erklären sich mit solchen Überlegungen letztlich auch die Vorwürfe, oder nicht?

Ich meine, auf 10 Geburten kamen 2 bis ins Erwachsenenalter Überlebende.

Zum Sexualverhalten: Es gab weder TV noch Computer &co.:pfeif:

Casanova verwendete - so meine ich - Schafsdarm zur Verhütung.

Wie sollte eine Frau Verhütungsmaßnamen, wie Casanova sie kannte und anwendete, beachten. Genauer gesagt: Was bringt ihr die Beachtung, wenn der Mann sich nicht dran hält?
Die Vorwürfe erklären sich m.E. wohl eher über das "Reinheitsgebot" der Frau.
 
Aristoteles schrieb, dass sich manche Frauen Olivenöl in der Scheide applizierten, was übrigens tatsächlich die Bewegung der Spermien hemmt. Gebräuchlich waren auch schwämme mit Essig getränkt. Avicenna erwähnt in seinem Werk gut 20 verschiedene Verhütungsmittel. Im 16. Jahrhundert kamen Kondome auf, die vor allem auch gegen Geschlechtskrankheiten helfen sollten. Zu Cassanovas Zeiten wurden Kondome aus den Schwimmblasen von Fischen oder aus Schafsdarm hergestellt.
 
1. Casanova verwendete - so meine ich - Schafsdarm zur Verhütung.

2. Wie sollte eine Frau Verhütungsmaßnamen, wie Casanova sie kannte und anwendete, beachten. Genauer gesagt: Was bringt ihr die Beachtung, wenn der Mann sich nicht dran hält?

3. Die Vorwürfe erklären sich m.E. wohl eher über das "Reinheitsgebot" der Frau.
1. Ja stimmt, aber meines Wissens und das kommt auch in erotischer Literatur der Zeit vor, gab es auch Liebhaber, ich glaube er erwähnt auch für sich die selbe Praxis, die nach dem sie die Frau verlassen hatten, sozusagen ... ihr wisst schon.;)

2. Hm, das stimmt wohl, aber heißt das, dass sie ihr unbedingt unbekannt waren. Wenn sie gut mit dem Mann ihrer Wünsche auskam, hätte sie sich da nicht auch diesbezüglich mit ihm verständigen können? Natürlich gibt es auch immer Fälle in welchen die Lust über den Verstand triumphiert(e).

3. Na klar war das wichtig. Im Hinterkopf der Menschen war sicherlich auch die Vorstellung, dass die Jungfäulichkeit vor der Eheschließung/Hochzeitsnacht ein hohes Ziel war.

Bin mal gespannt, was sich so zusammentragen lässt.

Wegen der Tode im Kindesalter bin ich nicht ganz firm. Ich habe auch schon weniger schlimme Statistiken gelesen, aber das ist wirklich extrem regional unterschiedlich. Wenn eine Seuche oder dergl. grassierte mussten viele Kinder zuerst dran glauben oder wurden, wenn die Eltern genug Geld hatten, von den Ärzten zu Tode gepflegt.
 
1. Ja stimmt, aber meines Wissens und das kommt auch in erotischer Literatur der Zeit vor, gab es auch Liebhaber, ich glaube er erwähnt auch für sich die selbe Praxis, die nach dem sie die Frau verlassen hatten, sozusagen ... ihr wisst schon.;)

Der "Koitus interruptus" stand in dem Verdacht, Impotenz wenn nicht zu verursachen, so doch zu fördern. Also möglicherweise keine besonders beliebte und verbreitete Art der Verhütung.

Inwieweit Frauen, insbesondere junge unerfahrene Frauen, um ihren Zyklus Bescheid wussten...ich hab da so meine Zweifel...weiß aber schlicht und einfach nichts dazu aus dieser Epoche.
 
Ich denke auf dem Lande und wohl zeitgleich in Deutschland kamen tatsächlich diese Entwicklungen weit später an, wobei es ohnehin in Erstaunen versetzen mag, dass sie bei der Ablehnung welche auf dem Lande gegen die städtischen Einflüsse bisweilen herrschte, überhaupt so ein fassbarer Umschwung einsetzen konnte. Wenn man sich anschaut wie, sozusagen contraire zum Geschehen in der Stadt, die Geistlichkeit immer noch im 18.Jh. auf dem Dorf tonangebend war, was sich dann in der Großen Franz. Revolution (Stichwort Konterrevolution) offenbarte, fragt sich wie dieser Verfall einsetzen konnte.


Auf Frankreich bezogen stellt Burgière die Behauptung auf, daß es auf dem Lande durchaus anders zuging als in der Stadt, sogar noch 'unmoralischer'. Er begründet dies in Frankreich zum Einen mit lokalem Brauchtum, daß durchaus in bestimmtem Rahmen vorehelichen Geschlechtsverkehr zuließ, sowohl als auch der Behauptung, daß die Einflüsse des Jansenismus, der laut ihm das Liebesleben der Paare denen überließ, eine Sittenlockerung Ende des 17. Jahrhunderts zuließen. Leider geht an dieser Stelle nicht hervor, ob dies Auswirkungen auf die Behandlung lediger Mütter in Frankreich hatte, und da mir auch nicht genug Quellen vorliegen, läßt sich schwer sagen ob Stadt Land beeinflußt hat, oder vielleicht umgekehrt.


Olwen Hufton in 'The Prospect before Her: A History of Women in Western Europe 1500-1800' Vintage (1998), hingegen meint, daß durch Landflucht, als im Laufe des 18. Jahrhunderts immer mehr junge Frauen in die Städte zum Arbeiten kamen, ein Umdenken stattfand, da diese jungen Frauen ihre dörflichen Bräuche mitbrachten und eher an ein Heiratsversprechen glaubten, sich also demzufolge öfter in der misslichen Lage einer ledigen Mutter zu finden. Meines Erachtens nach ist diese Theorie sehr gewagt, und nur bedingt, wenn überhaupt in Betrachung zu ziehen um den Unterschied zwischen städtischen und ländlichen Auffassungen zu erleuchten. Will heißen, daß ich es aus Mangel an schriftlichen Quellen durchaus für möglich erachte, daß ein 'Umdenken' auf dem Lande in dem Sinne nicht nötig war, da die 'Unmoral' durch Brauchtum und Gepflogenheit institutionalisiert und kontrolliert war.

So schreibt ein gewisser Jean d'Arrerac über die Basken, daß sie die Gewohnheit hätten zuersteinmal versuchsweise zusammenzuleben, ohne kirchlichen Segen, um einander Gewohnheiten zu begutachten und die Fruchtbarkeit zu prüfen. (Quelle: Burgière). In den Städten jedenfalls scheint in Umdenken stattgefunden zu haben, nicht unbedingt über Sexualmoral, sondern viel eher im Bezug auf die geborenen Kinder.

Johann Peter Frank in 'System einer vollständigen medicinischen Polizey' C.F. Schwann: Mannheim (1779-1780), Vol 2. :" Der Zustand der Schwangerschaft bei unverheirateten Frauen ist so achtenswert wie bei verheirateten Frauen; beide tragen einen Bürger und ein Geschöpf Gottes unter dem Herzen." Er glaubt, daß es im Sinne des Staates ist die Bevölkerung aufrecht zu erhalten oder zu vergrößern.

Vielleicht könnte man also eher davon ausgehen, daß nicht die Sexualmoral sich geändert hat sondern vielmehr der Umgang mit unehelichen Kindern, also eine Sittenlockerung so zu verstehen wäre, daß sie sich auf die Kinder bezog, nicht jedoch auf die Mütter und Väter.


Nachtrag:
Nachdem ich die ursprüngliche Quelle aus der ich die Sache mit der sexuellen Revolution hatte wieder gesucht und gefunden habe, ist die Verwirrung noch kompletter geworden, zum einen weil ich mich verlesen habe (mea culpa :rotwerd:) und M. Mitterauer (Ledige Mütter. Zur Geschichte unehelicher Geburten in Europa) diese Revolution nicht im 18. sondern im 19. Jahrhundert ansetzt, und zum anderen, weil andere Quellen sie zu anderer Zeit ansetzen. Anscheinend gibt es nur den Konsensus das etwas passiert ist...
 
Apropos Verhütung...

Die Sache mit dem Schafsdarm ist mir auch bekannt, obwohl, wenn ich mich recht erinnere der in erster Linie zur Vermeidung der Syphillis gedacht war. Verhütungsmittel für Frauen gab's aber auch in begrenztem Maße und von zweifelhafter Wirkung. Mme de Sévingé hat in einem Brief an ihre Tochter mal etwas empört nachgefragt ob man denn auf dem Lande keine Essig-getränkten Schwämme kenne, nachdem die Tochter offensichtlich in relativ kurzem Zeitraum ihrer Meinung nach zu oft schwanger wurde.


In England im 17. Jahrhundert gab es verschiedene Haushaltsbücher (z.B.: The Queenlike closet, The Gentlewoman's Companion etc) in denen auch Mittelchen auf pflanzlicher Basis standen, die in erster Linie jedoch nicht so sehr der Verhütung als der Abtreibung gewidment waren. Ein solches Rezept kam mit dem Hinweis, daß es das Kind stärke wenn es sein sollte, oder wenn es nicht sein sollte, werde es beim Abgehen helfen. Oder eben sachdienliche Hinweise, daß eine schwangere Frau dieses oder jenes Kraut nicht essen solle. Da bedarf es dann keiner großen Phantasie zu verstehen was gemeint ist.

Zum anderen gab es auch Rezepte um das Verlangen der Männer zu kontrollieren, wobei das einzige Mittel, daß mir gerade einfällt die Anwendung von Schierling war. Also, ausprobiert wurde da einiges.
 
1. Auf Frankreich bezogen stellt Burgière die Behauptung auf, daß es auf dem Lande durchaus anders zuging als in der Stadt, sogar noch 'unmoralischer'.

2. Nachtrag:
Nachdem ich die ursprüngliche Quelle aus der ich die Sache mit der sexuellen Revolution hatte wieder gesucht und gefunden habe, ist die Verwirrung noch kompletter geworden, zum einen weil ich mich verlesen habe (mea culpa ) und M. Mitterauer (Ledige Mütter. Zur Geschichte unehelicher Geburten in Europa) diese Revolution nicht im 18. sondern im 19. Jahrhundert ansetzt, und zum anderen, weil andere Quellen sie zu anderer Zeit ansetzen. Anscheinend gibt es nur den Konsensus das etwas passiert ist...

1. Was hierzulande (wieder Baden-Durlach nicht VÖ) vorkam waren wohl viele Schwangerschaften vor der Ehe auf dem Lande. D.h. man heiratete auch schon vor dem späten 18.Jh., oftmals wenn das Fräulein bereits geschwängert, also entjungfert war. Das ließ sich zumindest als wirklich allgemeine, heißt also häufige Praxis, an Kirchenbüchern etc. ablesen. Fragt sich eben, wie bei den Jansenisten, ob etwas eine "Unmoral" ist, wenn man es nicht als unmoralisch begreift. Das Kind wurde ja, in den von mir angedeuteten Fällen, dann als eheliches Kind geboren. Dass die Schwangerschaft dann zur Ehe zwang halte ich für unwahrscheinlich. Ich nehme eher an, dass man während der Verlobungszeit nicht bis zur Hochzeitsnacht warten konnte. Andernfalls wären wohl Patzer wie uneheliche Kinder noch üblicher gewesen.

2. Also wie gesagt, ich kenne das Umdenken nur aus dem späten 18.Jh., auch wenn mir der Name Mitterauer ein Begriff ist. Ich glaube Walter Markov thematisierte den Wandel auch ganz kurz in "Grand Empire. Sitten und Unsitten der Napoleonzeit", Leipzig und Stuttgart 1984. Ich glaube, ich habe das Buch nur mehrfach gelesen, aber nicht vorliegend, dass er meinte, dass der Sittenwandel vor und während der Revolution einsetzte.
 
Mme de Sévingé hat in einem Brief an ihre Tochter mal etwas empört nachgefragt ob man denn auf dem Lande keine Essig-getränkten Schwämme kenne, nachdem die Tochter offensichtlich in relativ kurzem Zeitraum ihrer Meinung nach zu oft schwanger wurde.
Da kann ich mal nachschlagen, einen Auszug der Briefe habe ich vorliegend. Im Brief welchen Datums erwähnte sie dies?

Ich liebe ihren Stil.:love:
 
Apropos Verhütung...

Die Sache mit dem Schafsdarm ist mir auch bekannt, obwohl, wenn ich mich recht erinnere der in erster Linie zur Vermeidung der Syphillis gedacht war. Verhütungsmittel für Frauen gab's aber auch in begrenztem Maße und von zweifelhafter Wirkung. Mme de Sévingé hat in einem Brief an ihre Tochter mal etwas empört nachgefragt ob man denn auf dem Lande keine Essig-getränkten Schwämme kenne, nachdem die Tochter offensichtlich in relativ kurzem Zeitraum ihrer Meinung nach zu oft schwanger wurde.


In England im 17. Jahrhundert gab es verschiedene Haushaltsbücher (z.B.: The Queenlike closet, The Gentlewoman's Companion etc) in denen auch Mittelchen auf pflanzlicher Basis standen, die in erster Linie jedoch nicht so sehr der Verhütung als der Abtreibung gewidment waren. Ein solches Rezept kam mit dem Hinweis, daß es das Kind stärke wenn es sein sollte, oder wenn es nicht sein sollte, werde es beim Abgehen helfen. Oder eben sachdienliche Hinweise, daß eine schwangere Frau dieses oder jenes Kraut nicht essen solle. Da bedarf es dann keiner großen Phantasie zu verstehen was gemeint ist.

Zum anderen gab es auch Rezepte um das Verlangen der Männer zu kontrollieren, wobei das einzige Mittel, daß mir gerade einfällt die Anwendung von Schierling war. Also, ausprobiert wurde da einiges.


Beim Schierling bestand allerdings die Gefahr, dass dann für immer "tote Hose" war.

Wirksamer war da sicher Soda, wenn man Berichten von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen glauben schenken kann, die berichteten, dass man ihnen "Eunuchenpulver", "Hängolin" und "Schlappofix" verordnet habe.
Offenbar befürchtete die Militärbürokratie vor allem im besetzten Frankreich Tripper als "Nahkampfverletzungen"
 
Wirksamer war da sicher Soda, wenn man Berichten von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen glauben schenken kann, die berichteten, dass man ihnen "Eunuchenpulver", "Hängolin" und "Schlappofix" verordnet habe.
Offenbar befürchtete die Militärbürokratie vor allem im besetzten Frankreich Tripper als "Nahkampfverletzungen"
Wer berichtet davon, dass im 17.Jh. Soda im Gebrauch war?
 
Außer dem etwas für meinen Geschmack zu albernen Earl of Rochester ist mir leider aus dem 17.Jh. keine pornographische Literatur näher bekannt, die über damalige Praktiken Aufschluss geben würde.


Da stellt sich dann die Frage inwieweit pornographische Literatur wirklich etwas über gängige Praktiken aussagt. Aber pornographische Literatur gab's auch neben Rochester, wenn auch nicht in dem Ausmaß. Samuel Pepys schreibt in seinem Tagebuch über ein Büchlein, daß er sich gekauft hat. 'L'école des Filles' (1655) heißt es, und er hat es dann anscheinend auch schnell verbrannt. Anscheinend ist das eines der ersten Bücher seiner Art.

Da fällt mir gerade noch eine Stelle aus seinem Tagebuch ein, zum Thema Verhütung, in der er über ein Erlebnis mit einer Dame in der Kutsche berichtet und sich zuversichtlich zeigt sie nicht geschwängert zu haben, weil sie anscheinend keinen Höhepunkt erreicht hat, was nach dem Denken der damaligen Zeit zur Empfängnis wichtig war.
 
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